Samstag, 31. Oktober 2009

Auf dem Land fließt Blut

Ich Sitze Im Wald und blute. Wildschweine oder Jagdhunde waren nicht im Spiel. Wieder mal Stelle ich fest, wie scheisseweh so eine ganz normale Periode tun kann. Hoffentlich vergeht bis zum naechsten Mal viel Zeit. Jetzt geht auch noch L.s iPhone-Batterie zu Ende,und ich fuehle mich bei diesem fruckel-Getippe wie der Funker auf dem sinkenden Schiff. Das heißt, teilweise. Viel wichtiger als die guten alten Bauchkraempfe ist naemlich, dass heute Abend die ersten zwei Estrifam faellig sind. Werden mir drei zusaetzliche Zehen wachsen? Werde ich Visionen vom Ende der Welt haben? Wird meine Nase zu solchen imposanten Ausmaßen anschwellen, dass sie zum Mahnmal fuer die Leiden der unfrchtbaren Frau erklaert wird und Reisebusse vorfahren? Bleiben sie dran. (schreiben auf dem iPhone nervt nicht nur, weil ich staendig denke, meine Finger sind zu dick, sondern auch deshalb, weil es so lange dauert, dass ich bis zum naechsten Satz den letzten immer schon wieder vergessen habe. Fuer heute reichts.)

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Bitte halten Sie Abstand zur Unglücksquelle

Zum Glück findet der geplante Abkürzungs-Stammtisch noch nicht diese Woche statt. Ich könnte das nicht verantworten, mich mit euch zu treffen, denn es wäre zu befürchten, dass wir an dem Abend allesamt von einem Kometen ausgelöscht würden. Meine Pechsträhne hält an. Nachdem vorgestern das Internet nur noch mit Kabel funktionierte und ich mir für einen popeligen Blogeintrag und zwei Emails blaue Kniescheiben geholt habe, als ich mit dem Rechner vor der Telefonbuchse auf dem Boden gekauert habe, ging gestern und heute morgen noch nicht mal mehr das. Zwei voneinander unabhängige Elektrogeräte, nämlich Internetkiste und WLAN-Router, haben innerhalb weniger Stunden durch meine bloße Anwesenheit Selbstmord begangen. Dann schien es kurz so, als hätte ich sogar Glück: schon heute mittag ist die neue WLAN-Kiste angekommen, und offiziell funktioniert sie sogar! Alle Lämpchen blinken! Wir haben einen Herzschlag! Nur mein Computer merkt nichts davon. Genau so wenig wie L.s Computer oder L.s anderer Computer. Und außerdem zeigte sich, dass ausgerechnet diese Kiste ohne Auftragsbestätigung verschickt wurde (wundert das hier jemanden? Nein?), das heißt, ohne sämtliche Codes und Zugänge und Benutzernamen und solche Kniffe, was unser Leben auch nicht gerade vereinfacht.

Ein iphone ist eine feine Sache, und ein bisschen neidisch war ich auf L., als es letzte Woche ankam. (Ich telefoniere mit einem uralten Sony-Murksding, bei dem sich unter dem Display verschiedene Haare verklemmt haben. Bäh.) Aber um damit zu bloggen, ist es nicht ideal. Und emails beantworten geht schon gar nicht, denn es weigert sich, die Adressen der Absender in die Empfängerzeile zu übernehmen, und wer kann schon email-Adressen auswendig? Ich jedenfalls nicht.

Ok. Damit wieder zum Kinderwunsch-Ernst. Wir haben schließlich eine Mission. Vorgestern abend habe ich die letzte Pille geschluckt (wenn es nach mir geht, die letzte für die nächsten 12 Monate), und jetzt rechne ich stündlich damit, dass es blutet und ich mit den Estrifam anfange. Ich bin übrigens gar nicht böse, wenn ihr mir schreibt, dass Estrifam ja wohl das mieseste ist, wofür jemals ein Beipackzettel geschrieben wurde. Denn wenn ich auf das Schlimmste vorbereitet bin, kann mir ja wohl nichts Schlimmeres mehr passieren. Und bisher habe ich fast allen Nebenwirkungen, egal ob Spritze oder Spray, eine ziemlich lange Nase zeigen können, das wolln wir doch mal sehen.
Im Dienste der Sache tue ich übrigens gerade etwas, was mir nicht ähnlich sieht. Ich will euch auch gar nicht erschrecken. Aber Samstag Abend habe ich zuletzt Alkohol getrunken. Seitdem kein Tropfen. Samstag war aber auch wirklich zu viel. Wir saßen am Küchentisch einer Freundin und haben uns so dermaßen nett unterhalten, alle 20 Minuten unterbrochen vom leisen "Plöpp" eines Korkens. Und als ich irgendwann endlich nach Hause gegangen bin, habe ich erst unterwegs gemerkt, wie viele Plöpps das genau gewesen waren. Ist doch gut, dass in der großen, großen Stadt die Bürgersteige so schön breit sind. Zuhause im Bett bin ich vorm Einschlafen zu dem Entschluss gekommen, dass das ja wohl nicht mehr angehen kann und ich mich so kurz vorm nächsten Rennen ein bisschen zusammenreißen sollte. Im Moment herrscht hier also ein strenges Brause-Regime. Unter der Woche ist ein Glas erlaubt, am Wochenende auch mal zwei. Und weil es ja Quatsch wäre, wegen einem Glas eine Flasche aufzumachen, habe ich seit Samstag nichts mehr getrunken. Nüschte. Es war übrigens beruhigend einfach. Genauer gesagt, war es kein Ding. Es war ungefähr so, als hätte ich mir vorgenommen, nun aber erst mal keine Posaune mehr zu spielen.

Auch für den Fall, dass ihr jetzt vielleicht eine Flunsch zieht, weil ich nun doch nicht den Beweis antreten werde, dass man lustig schmöken und trinken kann und trotzdem beinahe mühelos Mutter von Zwillingen wird, habe ich vor, das noch ein bisschen durchzuhalten, und nach dem Transfer ja sowieso wieder. Und ich kann euch beruhigen, ich werde wieder einknicken. Das wissen wir doch alle. Und nun ist es auch genug auf diesem Ding hier. Was willst du mir sagen, kleine iphone-Tastatur, etwa, dass ich Wurstfinger habe? Du lügst doch, du.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Was das mit Estrifam zu tun haben soll, weiß der Himmel

Vor langer, langer Zeit, als ich noch studiert habe, und das war in der Zeit vor Rucolasalat, also lange her - da gab es mal eine Figur, die nannte ich den Peinlichkeitsmenschen. Der Peinlichkeitsmensch war ein älterer Student, der sich aber noch in so ziemlich jeder anderen Hinsicht außer dem Alter von mir unterschied. Er schwitzte nie. Er rannte auch nie. Er trug im Hochsommer Tweedjackets, und dabei glänzte noch nicht mal seine Nase. Er verhaspelte sich nie, er wurde niemals rot, er war kein Mensch. Wir beschlossen, dass er ein Cyborg war. Der Peinlichkeitsmensch hieß nicht so, weil er peinlich war, sondern weil mir irgendwann klar wurde, dass dieses Scheusal an Korrektheit nur um die Ecke biegen musste, damit mir die peinlichsten Dinge passierten, genau vor seiner ungerührten Nase. Und er lachte noch nicht mal drüber, so unmenschlich war er.
Einmal leitete er eine Untersuchung, an der ich teilnehmen musste. Mittendrin in dem kleinen Versuchskämmerchen, in dem nur er und ich saßen, ließ ich laut einen krachen, weil ich so konzentriert bei der Sache gewesen war, dass ich es nicht kommen gemerkt hatte. Er verzog keine Miene, stand nur auf und öffnete wortlos das Fenster. Das war der Anfang. Beim nächsten Mal wollte ich gerade mit Schwung meine Jacke in einen großen Bibliotheksspind hängen, als plötzlich der Aufhänger abriss und ich mitsamt meinem Bücherstapel, einer Einkaufstüte und einem Pappbecher Kaffee unter Riesengetöse in den Schrank fiel, der nur ungefähr halb so breit wie ich war. Ich kam nicht wieder raus, überall war Mehlstaub (aus der Einkaufstüte) und Kaffee (aus dem Becher). Als ich mich endlich befreit hatte, war das erste, was ich sah, der Peinlichkeitsmensch. Wieder ein anderes Mal lief ich nichts Böses denkend in der Nähe unserer Fakultät durch die Stadt, als direkt vor mir ein Kind an seinem Eisstiel knabberte, abrutschte und mir - flatsch - das halbgeschmolzene Eis mitten ins Gesicht schnickte. Und wer ging wohl direkt hinter dem Kind?
Eine Woche später lief ich gerade in einer Seminarpause in Richtung Bäckerei, da fiel mir aus heiterem Himmel ein, dass ich mein randvolles Portemonnaie im nicht abgeschlossenen Seminarraum liegen gelassen hatte. Ich hab mich so schnell auf dem Absatz umgedreht, dass ich im hohen Bogen und ohne von außen erkennbaren Grund mitten auf die Straße gefallen bin. Auf der anderen Straßenseite stand der Peinlichkeitsmensch und hob die Augenbraue. Zu diesem Zeitpunkt dachten die meisten meiner Freunde schon, ich wäre verrückt oder müsste mir ja scheinbar solchen Quatsch ausdenken, nur um unbedingt im Mittelpunkt zu stehen. Aber ich konnte ganz ruhig bleiben, denn ich wusste: dieser Fluch ist stark genug, jeder von euch wird mindestens einmal direkt danebenstehen, wenn er zuschlägt. Und ich hatte Recht. Mein Lieblingsmitbewohner z.B. musste Babysitten, und ich besuchte die drei auf dem Spielplatz. Wir rauchten gemütlich unsere erste Vormittagszigarette zusammen. (Das waren die 90er, verrückte Zeiten - man konnte sich MITTEN AUF DEM SPIELPLATZ eine Zigarette anzünden und wurde dafür nicht mit Blicken getötet, stellt euch vor!) Mir wurde schwummerig, und BAUZ! fiel ich über den Ausläufer eines Klettergerüstes. Mein Mitbewohner war besorgt: "Oh Gott, Flora, hast du dir wehgetan?" Der Chor der Hauptschulkinder, der gerade vorbeilief, echote hämisch "Oh Gott, Floooora, hast du dir weeeeeh getaaaaan?" Und das erste, was ich sah, als sich die Sternchen vor meinen Augen verzogen, war der Peinlichkeitsmensch. "Siehst du, siehst du?" Ich musste meine Geschichten nie wieder anzweifeln lassen.

Nennt es Zufall, nennt es Peinlichkeitskarma. Das ist zum Glück Jahre her, und ich bin weit weggezogen, und ich wache nur noch selten schreiend auf, wenn mir der Pups im Versuchsraum einfällt oder die Sache mit dem Bauchplatscher vor der Bäckerei. Dafür habe ich inzwischen eine neue Sorte mieses Karma: das kleine Nerv-Karma. Im Moment passiert fast im Stundentakt irgend ein Mist. Es ist nie schlimm, und vermutlich gibt es Leute, denen es schon ihr ganzes Leben lang jeden Tag so geht. Die tun mir leid, ich weiß nicht, woher sie die Kraft nehmen, jeden Morgen wieder aufzustehen und festzustellen, dass die Zahnpasta alle ist und jemand ihre Zeitung geklaut hat. Gestern z.B. sind innerhalb weniger Stunden erst das WLAN und dann gleich das komplette Internet ausgefallen. Heute war ich vergeblich auf zwei Behörden, wo sich herausstellte, dass die letzten acht Behördenbesuche für die Katz waren, weil mir mein letzter Berater scheinbar nur Blödsinn erzählt hat. Und ich hasse Behördenbesuche so, so, so sehr, dass mir jeder einzelne dieser acht Besuche den jeweiligen Tag versaut hat und den Tag davor gleich dazu. Ich rufe meinen ehemaligen Steuerberater an und bitte ihn, meinem neuen Steuerberater irgendwelchen Kram zu schicken. Er verspricht es fröhlich, ich lege genau so fröhlich auf, und zehn Tage später stelle ich fest, dass nichts dergleichen passiert ist und die fraglichen Papiere - kein Mensch weiß, wieso - nicht mehr zu finden sind. Post verschwindet, Nachrichten werden nicht ausgerichtet, Sachbearbeiter fahren zum Sabbatical nach Asien, alles, was ich anpacke, wird zu Mist. Dazu kommt auch noch, dass ich im Moment dieses degradierte Leben einer Bargeldlosen UND Kartenlosen führe, denn meine EC-Karte ist wegen der Füchse aus Südafrika gesperrt, die neue ist noch nicht da, von der Kreditkarte weiß ich keine PIN (wie jeder normale Mensch, aber andere Leute haben immer noch die andere Karte), und so muss ich jetzt für jedes Stück Butter in den stinkfeinen Supermarkt außerhalb meines Viertels, wo man ab 1 Euro mit Kreditkarte zahlen kann, und ansonsten demütigenderweise dauernd L. um Bargeld anhauen. Das Leben macht sofort nur noch halb so viel Spaß, das kann ich euch versichern. Und drumherum summen die kleinen Missgeschicke wie Schmeißfliegen. Klopapier alle, in die Pfütze getreten, Adressbuch verloren, Passwort vergessen, "Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten aufgrund dieser vorübergehenden technischen Störung", Milch sauer, Spliss und Bauchweh, gerade kriegt der Lack wirklich Kratzer. Ich hatte in der letzten Woche keinen Platten am Rad, aber ich wette hier und jetzt, das wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und wenn es passiert, dann werde ich gerade weit, weit weg von zuhause sein und außerdem weit weg von jeder UBahn-Station, und während mir das klar wird, wird es anfangen zu schütten. Ich habe diesmal den unangenehmen Fremden noch nicht ausmachen können, der an all dem Schuld ist. Aber mir schwant, dass ich es vielleicht ja selbst bin. Ich bin mein eigener Unglücksbringer geworden. Es ist gruselig. ("Eine Frau hat schon das Ticket für den Bus in der Hand, da fährt er ihr vor der Nase weg. Später erfährt sie, dass auf der Fahrt absolut nichts vorgefallen ist, sondern alle nur pünktlich und wohlbehalten ans Ziel gekommen sind. Zufall? Oder waren höhere Mächte im Spiel? Willkommen in der Twilight-Zone." )

Ich weiß bisher noch nichts von den vielen, sicherlich spektakulären Nebenwirkungen von Estrifam, die ich ja demnächst einnehmen werde. Aber es wäre doch nett, wenn in der ganzen langen Liste auch irgendwo auftauchen würde, dass mit solchen mistigen und unnötigen Karma-Verwirbelungen dann auch gleich Schluss ist. (Guck, da schreibe ich nun ein halbes Diktatheft voll mit Gemaule über frühere und aktuelle Missgeschicke, die absolut nichts, aber auch gar nichts mit IVF, Kinderlosigkeit oder einem ähnlichen Thema zu tun haben. Aber am Ende hab ich mich doch immerhin bemüht, noch die Kurve zu kriegen. Das kann man jetzt reichlich fadenscheinig und peinlich finden. Aber versucht hab ichs! Und jetzt geh ich in die Küche, verbrenne mir die Finger und lasse ein Glas Honig fallen.)

Dienstag, 27. Oktober 2009

Würmchenbucheintrag, im Knien geschrieben

Und zwar deshalb, weil zu allem anderen Generve nun auch noch das blöde WLAN seinen Geist aufgegeben hat und ich hier zwischen L.s noch nicht gesichteten Zeitungsausschnitten, der Heizung und dem Telefonanschluss kauere.

Mit einem Würmchenbucheintrag hat vermutlich niemand mehr gerechnet, und ich ehrlich gesagt auch nicht. Denn ein bisschen ist mir die Lektüre schon auf die Pelle gegangen. Das, was mich immer davon abgehalten hat, mich zu viel in Foren rumzutreiben oder auch die medizinischen Feinheiten der Behandlung bis ins kleinste Detail mit Familie und Freunden zu erörtern - die Angst vor zu viel widersprüchlicher, nicht belegter und beunruhigender Information - hat sich bei den Büchern voll bestätigt. Natürlich habe ich mich auch drüber lustig gemacht, wenn man laut Zita West kein Leitungswasser trinken darf, aber wenn man irgendwann zum dritten Mal liest, dass Aluminiumtöpfe von nun an verboten sind, dann wird einem mulmig, und man sieht die eigenen Töpfe mit ganz anderen Augen. Sind die nun aus Aluminium? Oder nicht? Und wenn ja, wie gefährlich genau sind Alutöpfe? Und warum? Stehen sie eher in der Nachbarschaft einer Flasche Doppelkorn, oder ist alufreies Kochen eher so etwas wie ein Fruchtbarkeits-Wellness-Faktor, ähnlich wie "einfach mal einen Abend auf dem Sofa sitzen und entspannen"? Ich wollte fast, ich hätte gar nicht erst damit angefangen, aber nun hab ich eben angefangen, und wie das so ist, sitzen die Bücher nun da und starren mich an. Und dann kommt auch noch dazu, dass es nicht meine Bücher sind, sondern nur geliehene, und langsam wird es höchste Zeit, sie der Ausleiherin zurückzuschicken. Also weiter, nützt ja nichts.

In den letzten Tagen habe ich mich vor allem mit Herrn Bednarz' Erfahrungsbericht "Überleben an der Wickelfront" und mit dem Body Shop-Buch "Mamatoto" beschäftigt. Bednarz ist wirklich streckenweise lustig, aber seine IVF-Erfahrungen machen nur einen Teil der Geschichte aus - aus irgend einem Grund dachte ich, das Buch handelt von nichts anderem. Und das, was er schreibt, macht nicht gerade Mut, auch wenn er ja am Ende Glück hatte. Die Kapitel, in denen es darum geht, wie wahnsinnig komisch-stressig das Leben ist, wenn morgens um sechs die drei süßen Kleinen angekrochen kommen, und die Geschichten vom Breigekleckse und der Sehnsucht nach Kinoabenden zu zweit habe ich ziemlich flott überblättert, ich fürchte, wir Abkürzungs-Zyklus-Frauen können uns da nicht so richtig auf die Schenkel klopfen. (Nu geht das schon los: erst neide ich lieben Verwandten angeblich den Nachwuchs, und nun will ich keine Spaßgeschichten über Kleinkinder mehr lesen. Das lassen wir gar nicht erst einreißen, bitte!)

"Mamatoto" ist ein Buch, das sich dem Kinderkriegen als natürlichem, ewig-weiblichem Mysterium widmet, es gibt jede Menge Fruchtbarkeits- und Verhütungstricks von Naturvölkern, Geburtsgesänge aus Indien, aber auch Kapitel über die richtige, natürliche Körperstellung bei der Geburt, Mondphasen und Zyklus usw. Das Ganze ist bestimmt ein schönes Erbauungsbuch, wenn man mit einem gesunden Kind im sechsten Monat schwanger ist und einen verregneten Samstag auf der Couch totzuschlagen hat. Wenn man sich (noch) auf der anderen Seite des Vorhangs befindet, dann deprimiert all das Gerede über Natur hier, Natur da, und wie wunderbar das alles eingerichtet ist, ein bisschen.

So. Wieder zwei Bücher reif für die Rücksende-Kiste, und ich glaube, von den verbleibenden kann ich ein paar sofort aussortieren, weil mich schon der Titel und der Klappentext so nerven, dass es sowieso keinen Zweck hätte - ich kenn mich, wenn ich einmal dicht gemacht habe, dann bleibt die Klappe zu.

Montag, 26. Oktober 2009

Frustrierend

Und nun telefoniert L. mit seiner Mutter, die ihm erzählt, dass die Frau seines Cousins wieder schwanger ist. Ich sitze neben ihm auf dem Teppich und lese Zeitung, als er mir die Nachricht überbringt, und mir fällt erst mal nichts anderes dazu ein als "Oh". Und L. sagt zu seiner Mutter: "Ja, es freut sie natürlich, aber es frustriert sie auch."

Wenn eins daran frustrierend ist, dann ja wohl DAS. Wie verkrumpelt und missmutig muss ich denn gerade wirken, damit er auf die Idee kommt, mich würde so etwas frustrieren?

Das Würmchen ist tot, es lebe das Würmchen

Ja, ist denn schon wieder Zyklus?? Dieses Mal überrumpelt mich der nächste Versuch so ähnlich wie Spekulatius im August. Jetzt bin ich gerade mal seit zehn Tagen ohne Blutungen, und wenn alles so läuft wie geplant, dann setze ich diese Woche die Pille ab, bekomme meine Tage, starte mit Estrifam und liege so ungefähr in 14 Tagen auf dem Stuhl, um die Tiefkühlblümchen in Empfang zu nehmen. Jetzt im Ernst? Ehrlich? Wie soll DAS denn gehen? Vorhin bin ich noch mal an der gynäkologischen Klinik vorbeigelaufen, in der die Ausschabung war, und habe ein ziemlich bleiches Paar gesehen, das im Schonschritt unterwegs zur Bushaltestelle war. Die armen Hasen, am Ende auch ein Abgang? Ich hätte ihnen gerne etwas Nettes gesagt, aber wie sieht das denn aus? Vor allem, wenn man gar nicht weiß, ob die beiden nicht in Wahrheit wegen eines Trippers da gewesen waren. Und dann waren die beiden auch schon verschwunden, und die Ampel an der nächsten Straße war grün, und ich bin gerannt, weil diese Ampel so gut wie niemals grün wird, und dann waren die Klinik und der Moment auch schon wieder vorbei. Aber ich habe trotzdem noch kurz gedacht: wenn alles gut gegangen wäre beim letzten Mal, dann hätte ich jetzt schon einen richtigen Bauch. Und mit meinem dicken Bauch würde ich durchs Herbstlaub schluffen und würde vor den Schaufenstern von Babyläden stehenbleiben und langsam schon mal überlegen, wie wir das Zimmer einrichten.

(Vor ein paar Tagen habe ich fünf Minuten von irgend einem großen TV-Drama gesehen, eine Frau lag beim Gynäkologen, der einen Ultraschall von außen machte - hä? - und ihr dann mitteilte, sie wäre in der siebten Woche. Sie wollte wissen, ob Mädchen oder Junge. Und er antwortete: eins von beidem auf jeden Fall. Harr. Bei der Gelegenheit fiel mir wieder mal auf, dass Fehlgeburten in Filmen nicht vorkommen. Leute sind schwanger, und dann übernimmt die große TV-Schwangerschafts-Dramaturgie das Ruder: Pinkeltest - ogottogott - Frauenarzt, herzlichen Glückwunsch, sie guckt panisch ins Weite, wenn der Doktor wüsste, wie schwierig das alles ist - dann die Nachricht Freunden, Eltern, Mann überbringen, und das nächste, was wir sehen, ist ein dicker Bauch, und das übernächste die panische Fahrt in die Klinik. Oder könnt ihr euch an eine Fehlgeburt im Fernsehen erinnern? Außer vielleicht die eine von Charlotte?)

Spätestens in zwei Wochen ist jetzt endgültig Schluss mit Gedanken an das Würmchen, denn dann ist der Platz besetzt vom neuen Versuch. Wie das wohl wird? Und ob ich es wirklich schaffe, mir angesichts des Tiefkühlversuchs und der Myome nicht zu große Hoffnungen zu machen? Ob man irgendwann auch beim Test und bei den Terminen danach ein alter Hase wird, genau wie beim Blut abnehmen? Ob man irgendwann, wenn am Stichtag das Telefon klingelt, ganz ruhig aufsteht, ran geht, und während des Telefonats mit der Klinik kleine Männchen auf seinen Telefonblock malt, weil man so dermaßen entspannt ist?

Ich finde es raus und sag euch dann Bescheid.

Samstag, 24. Oktober 2009

Neulich, irgendwo auf der Landstraße

Ich sitze mit meinem Vater im Auto, und fabelhaft netter und uneigennütziger Mensch, der er ist, fährt er mich schnell die 30 Kilometer lange Strecke zu meinem alten Freund, damit wir nach einem kurzen Intermezzo bei meinen Eltern wandern gehen können. Ich sitze neben ihm, der Regen klatscht auf die Windschutzscheibe, und ich fühle mich wunderbar behaglich: das Schnitzel von gestern Abend hält nach unruhiger Nacht endlich den Rand, gleich fängt mein Urlaub an, das war nett bei den beiden, und bald sehen wir uns schon alle wieder, wenn meine Mutter ihren Geburtstag ganz groß feiert. Dann räuspert sich mein Vater, was immer die Ankündigung dafür ist, dass es mit der Gemütlichkeit gleich vorbei sein wird. Und da kommt es auch schon:
"Ihr werdet das aber schon weiter probieren. Oder?"
Wieso weiß ich sofort, was er meint? Nämlich die Befruchtungsversuche, und nicht etwa den perfekten Zimtstern zu backen, endlich einen Badeanzug zu finden, in dem ich aussehe wie Größe 36, oder die Suche nach dem Bernsteinzimmer?
"Ja, schon. Ich weiß natürlich nicht, wie es mir in zwei Jahren geht, aber im Moment hab ich das Gefühl, wir machen weiter, bis es endlich klappt."
"Gut. Und sonst besorgt ihr euch eben eine Leihmutter."
Äh... ja. Dann reich mir mal die gelben Seiten rüber. Das ist vielleicht nicht der richtige Moment für eine Ringvorlesung zum Thema...
"Auf jeden Fall keine Adoption."
Oder vielleicht ist das doch der richtige Moment?
"Papa, das mit den Leihmüttern ist bei uns verboten. Dazu müssten wir ins Ausland ziehen. Und auch da wäre es nicht so einfach, wie du jetzt vielleicht..."
"Adoptierte Kinder sind eben keine eigenen. Das ist nicht das Gleiche."
"Wie meinst du jetzt..."
"Kinder machen Ärger. Immer. Und wenn es die eigenen sind, dann denkst du dir: das sind eben meine Kinder, also meine Gene, da bin ich selbst mit dran Schuld. Aber wenn es nicht die eigenen sind, dann nimmst du es ihnen übel. Das ist nicht gut. Lieber eine Leihmutter."

Es sind Momente wie diese, in denen ich mich frage, ob ich nicht doch lieber die Klappe gehalten hätte. Zum Glück sind sie nicht allzu häufig, und zum Glück gehen sie schnell vorbei, und zum Glück weiß ich: das ist alles in Wirklichkeit, also in seinem Kopf, längst nicht so schlimm, wie es sich hier liest. Der Gute. Aber... ächz. Falls ihr versteht, was ich meine.

Freitag, 23. Oktober 2009

Was sonst noch geschah.

Der Hamburger Kinderwunsch-Stammtisch ist in fieberhafter Vorbereitung, wer auch noch mitmachen will, kann an Eiertaenzerin auf wunschkinder.net schreiben. Im Moment peile ich einen Termin in ca. zwei Wochen an, aber natürlich zählt in diesem Fall Euer Angepeile genau so viel wie mein Angepeile. Allerdings scheiden Termine unter der Woche vermutlich aus, wenn wir unseren Stargast aus Holland, Schoko NL, dabeihaben wollen - was wir natürlich wollen!

Mein HCG-Wert ist zwar bei Null (und ich wüsste nicht, was sich ohne medizinische Hilfe daran ändern sollte - eigentlich auch ein echter Vorteil, wenn ich bedenke, wie viel Geld ich im Lauf der Jahre für unnötige Schwangerschaftstests ausgegeben habe und wie viel ich jetzt erst dafür raushauen würde, wo ich gerne schwanger wäre - ich könnte mir vorstellen, trotz größter Selbstbeherrschung und feste zusammengebissenen Zähnen jeden Monat mindestens zwei davon zu verpulvern. Auf die Art kommt im Laufe eines Jahres auch fast eine IVF raus - oder?), und im Wanderurlaub hat der Bauch erstaunlich wenige Zicken gemacht. Zuhause lag ich Abends gerne schon mal mit Krämpfen auf der Couch, wenn ich mit dem Fahrrad kurz zu Budni gefahren bin, um neues Entschlackungszeug zu kaufen. Dagegen nach siebenstündigen Wanderungen mit unmenschlichen Steigungen - tiefer Friede. Aber kaum bin ich wieder zuhause und mache eine Fahrrad-Erledigung - Krämpfe. Hm. Vielleicht liegt es nicht an der Bewegung, sondern am Radfahren? Oder, Schock!!!! Frau Prof. Gerhard hat Recht, und es liegt am Weizen, wenn die Myome zwicken, und das Spätzlefest rächt sich jetzt mit ein paar Tagen Verzögerung? Wenn es so wäre, dann wäre es eben so. Vermutlich würde ich dann zu dem Schluss kommen, dass Weizen in Zukunft nicht mehr geht. Und gleichzeitig dazu, dass es Ausnahmen gibt: Weizen, der die Krämpfe wert ist vs. Weizen, der sie nicht wert ist. Zur ersten Gruppe gehören die Spätzle in meinem Lieblingsurlaubsgasthaus und frischer Pflaumenkuchen. Zur zweiten Gruppe zählen irgendwelche doofen Brötchen mit doofer Pute drauf oder doofe halbkalte Pizza mit Gouda und Mais.

Vom Superprojekt nichts Neues. Aber das war auch genau so angekündigt, und ich habe keinen Grund, deshalb nun hibbelig zu werden.

Dafür hat der Don geantwortet bzw. antworten lassen. Es tut ihm sehr leid, weil er "sowohl mich als auch meine Arbeit so schätzt", aber er ist im Moment in seinem Laden so dermaßen ausgezeichnet besetzt, dass da kein Platz für mich ist. Aber sobald sich daran irgend etwas ändert - und in meinem Beruf ändert sich das ganz fix - melden sie sich. Ich weiß, dass das eigentlich gute Neuigkeiten sind (schließlich hätte ja auch eine eiskalte Abfuhr, begleitet von Flüchen und Drohungen, in der Mailbox landen können), aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn sie noch etwas besser gewesen wären. (Falls ihr euch fragt, was jammert sie denn, gerade war sie doch noch im Urlaub, so groß kann die Not doch wohl nicht sein - das war ein Hochzeitsgeschenk. Aus eigener Tasche könnte ich im Moment so ungefähr eine Tagesfahrt nach Wandsbek unternehmen. Wieder mal kann ich mich auf die Knie werfen und dankbar dafür sein, dass es L. gibt, sonst würde ich verhungern.)

Und dann haben, als ob das nicht reichen würde und Hamburg nicht angeblich vor Millionären aus allen Nähten platzt, irgendwelche Gauner ausgerechnet von meinem sowieso schon geplünderten Konto noch 500 Euro stibitzt. Bisher hat mich das immer null interessiert, wenn gewarnt wurde vor manipulierten Geldautomaten. Ich dachte immer "jaja". Bis ich letzten Freitag vor dem Rechner eines alten Freundes saß und mit Verwunderung feststellte, dass irgendjemand in Südafrika mit meiner Karte (die ganz sicher in meinem Portemonnaie verstaut ist) insgesamt dreimal Geld von meinem Konto abgebucht und auf ein anderes Konto bei der Commerzbank in Frankfurt überwiesen hat. Ja, ich kriege das Geld wieder, und ja, die Rennerei zur Polizei und das ständige Hin- und Her-Telefonieren und das Aneinander vorbei auf Mailboxen sprechen mit meiner Bank in einem waldigen Mittelgebirge, das ein einziges Funkloch ist, war extrem nervig, aber ist nun überstanden, aber ich wünsche den Jungs, die das waren, dass der Schuss gewaltig nach hinten losgeht. Klauen gilt ja gerne als eins der okayeren Vergehen. Ich habe sogar schon mit Leuten gesprochen, die fröhlich damit angeben, dass sie als Studenten ständig Fahrräder geklaut haben, wenn der Heimweg aus der Kneipe ihnen zu lang und das Bettchen zuhause zu verlockend erschien. Jaja, wilder Typ warst du wohl. Dass das Fahrrad vielleicht einem Mädchen gehörte, das auf deinen pfiffigen Einfall hin selbst fünf Kilometer durch finstere Gegenden mitten in der Nacht zu Fuß nach Hause musste, ist dabei scheinbar nicht so wichtig. Wenn es also eine Gerechtigkeit gibt, dann wünsche ich den Bastelfreunden, die an meinem Geldautomaten dranwaren, dass sie sich z.B. von dem Geld eine schöne Sushischlacht liefern, die in der Notaufnahme endet. Oder dass sie von dem Geld einen dermaßen hässlichen Anzug kaufen, dass ihre Freundin schreiend davonrennt und die Zuhälter-Karriere auch sonst im Eimer ist. Oder dass sie von dem Geld einen Flug in ein armes asiatisches Land buchen, der "Massagen" wegen, und dass ihnen dort jemand, der es wirklich nötig hat, alles klaut. Bis aufs letzte Hemd. Und euch würde ich raten, guckt von Zeit zu Zeit mal, was genau sich da so tut auf eurem Konto. Nur keine Angst vor miesen Kontoständen, es nützt ja doch nichts! Es stimmt nämlich, was die Leute sagen. Wer nicht aufpasst, wird beklaut.

Es funktioniert.

Für alle, die auch mal Ferien vom Kinderwunsch wollen: ich kann euch sagen, meine haben funktioniert. Ich bin tagelang mit dicken Stiefeln durch buntes Laub geraschelt, habe mehrere Wollpullis durchgeschwitzt bis auf die letzte Faser bei mörderischen Kraxeleien, habe mein eigenes Körpergewicht in Spätzle zu mir genommen, auf Baumstämmen gesessen und Schinkenbrötchen gemümmelt und wieder mal festgestellt, dass Wandern ein bisschen wie die Perfektion der guten alten Kindergeburtstags-Schnitzeljagd ist: man läuft den ganzen Tag durch den Wald, immer auf der Suche nach der gelben Raute/dem schwarzen Schlapphut/dem blauen Kreuz, das einem den Weg zeigt, und entdeckt dabei Pfade, die aussehen, als hätten die sieben Zwerge sie angelegt. Solche Wege kann kein Vater eines Geburtstagskinds sich jemals ausdenken oder markieren! Und wenn man dann endlich, endlich am Ziel ist, dann warten statt ein paar blöden Smarties oder Gummibärchen und handwarmem Kaba ein Rehbraten und Rotwein, und hinterher kann man stundenlang im Schlafanzug in der Hütte am Kachelofen sitzen und ratschen, bis weit unten im Tal schon wieder die Hähne krähen. Und ihr könnt mir glauben, bis auf ein-zwei kleine Mini-Gedankeleinlienchen an den Kinderwunsch habe ich die ganze Zeit an alles gedacht, nur nicht daran. Das war herrlich. Vermutlich sogar besser als der berühmte Traumstrand zu zweit oder das Romantik-Hotel, in dem dich alles anschreit "Und jetzt denk bloß nicht an Kinderwunsch! Guck mal, du hast es doch gut, nun wird das Leben gefälligst mal richtig genossen!"

Und nun bin ich wieder da, fühle mich fit wie ein Apfel, und wildfremde Menschen fragen mich, ob ich eigentlich gerne ein Buch machen würde, und das ist alles fürchterlich aufregend.

Samstag, 17. Oktober 2009

Es war schön mit Euch.

Und wird es bestimmt ab Donnerstag auch wieder werden! Bis dahin hoffe ich auf fünf Tage ohne auch nur den kleinsten Kinderwunschbezug, ohne Bauchzwicken trotz stundenlanger Wanderungen, ohne Hormonrappel und ohne Heimweh (ist doch albern. Aber ehrlich.). Und euch wünsche ich fröhliche Warteschleifen, nebenwirkungsfreie Abkürzungszyklen, positive Tests, bei denen nicht zur abgemachten Zeit plötzlich zwanzig längst abgeschriebene Freunde bei euch anrufen, so dass ihr jedes mal denkt "GAAAAH, die Klinik!" und sturzlangweilige Ultraschalls.

Aliens mischen Hormone in mein Trinkwasser

Bestimmt! Anders kann ich mir das nicht erklären: letzte Nacht liege ich zwischen drei und halb acht da und habe so entsetzliches Heimweh nach L., ich kann nicht schlafen, und wie zu den schlimmsten Hormonsusi-Schwangerschaftszeiten schwirrt mir eine Schreckensvision nach der anderen durch den Kopf. L. als Opfer eines bizarren Unfalls, L. in den Fängen einer scharfen Barfrau, L. in Gefahr. Das Schnitzel mit gebratenen Zwiebeln rumort in meinem Bauch, die Augen brennen, mir ist so dermaßen mulmig, geht das schon als todsichere Vorahnung durch? Und dann tue ich mir plötzlich nur noch entsetzlich leid, dass ich in wenigen Stunden in den sicherlich völlig vermatschten, verregneten, klirrekalten Schwarzwald aufbreche, noch nicht mal richtige Schuhe habe ich bisher zum wandern, und wir holen uns sicher den Tod, und ich komme nie wieder nach Hause! Nie wieder! Und dann weiß ich plötzlich ganz, ganz sicher: ich hab schon eine Familie. L. ist meine Familie. Wer sagt, dass Kinder dazugehören, damit man eine Familie sein kann? Ich will nach Hause, zu meiner Familie, jetzt!!!

Und nur wenige kurze Stunden später stehe ich auf, die Sonne scheint, es gibt Frühstück bei meinen Eltern, gleich fährt mein Vater mich netterweise bei meinem alten Wanderfreund vorbei, und das wird herrlich. Noch tagelang ausschlafen, wandern, abends Rotwein, und in den Schlaf geplätschert werden von Regen auf dem Dach und dem Bächlein hinter der Hütte - im Bauch das beste Essen der Welt. Die Welt ist in Ordnung, und was soll L. schon passieren? Nur noch ein paar Wochen, dann geht es wieder los mit dem ECHTEN Hormonzirkus, dann ist mit den eingebildeten Malaissen mal Schluss, und wer weiß, vielleicht klappt es ja diesmal, Kryozyklus hin, Myome her?

Manchmal - zum Beispiel an solchen Tagen - bin ich ganz froh, dass ich kein iphone habe. Denn wenn ich jeder Kopfzuckung nachgeben könnte und euch all den Quatsch sofort berichten könnte, der mir durchs Hirn schießt, dann würde mich kein Mensch mehr Ernst nehmen können. Ich war nie besonders spursicher, was Stimmungen und Launen angeht. Aber seit der ersten IVF ist das nicht besser geworden. Und der Blog ist vermutlich nicht ganz unschuldig daran - genau so wenig wie die Ratgeberbücher und die Foren. Wenn dich alle darauf vorbereiten, ja sogar fast schon drauf warten, dass du jetzt demnächst über die Kante der emotionalen Buckelpiste fährst, und Du täglich eine halbe Stunde vor der Tastatur sitzt und für den nächsten Post überlegst, wie es Dir denn heute geht, dann kommt eben so etwas dabei heraus. Schwarzwald, ich bau auf Dich. Wenn es der Herbstwald nicht hinkriegt, mich wieder ein bisschen zu entrappeln, wer dann?

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Ferien vom Kinderwunsch

Vor zwei jahren stand mein fünfzehnjähriges Abitreffen an, aber ich habe geschwänzt. Nicht nur, weil ich dafür das halbe Land per Bahn hätte durchqueren müssen. Auch nicht nur, weil ich schon wusste, dass die paar alten Freunde, die ich gerne wiedergesehen hätte, nicht da sein würden. Und auch nicht nur, weil ich was anderes vorhatte oder weil das Treffen beim schlechtesten Griechen der Welt stattfinden sollte. Nein, der Hauptgrund war: mir hatte schon das zehnjährige Abitreffen ziemlich gereicht. Denn damals war ich an einem Tisch gelandet, an dem nur Frauen saßen, mit denen ich schon zu Schulzeiten überhaupt nichts zu tun gehabt hatte, und die über nichts anderes gesprochen haben als über Kinder. Kleine Kinder, frisch geborene Kinder, geplante Kinder, Kinder im dicken Bauch. Hätte mich nach zwei Stunden jemand von diesem Tisch weggeholt und mich gefragt, welche dieser Frauen welchen Beruf hat, ich wäre echt ahnungslos gewesen. Ich hätte auch nichts dazu sagen können, ob sie glücklich sind, wie es ihren Eltern geht, ob sie vorhaben, irgendwann noch mal woanders zu leben als immer nur hier und wohin ihr nächste Urlaub geht. Ich hätte eigenartigerweise bei vielen auch nicht sagen können, wie die Kinder heißen, obwohl doch von nichts anderem als von den Kindern die Rede war. Purzelchen? Kleini? Zwerg? Es gab auch ein Zwillingspärchen ("aber nicht, dass ihr jetzt denkt, wir hätten da nachgeholfen", wie die Mutter eifrig versicherte) das von Mama immer nur "die Kids" genannt wurde. Irgendwann fiel dann doch auf, dass ich noch gar nichts über Kleini und Purzelchen erzählt hatte. Zum Glück hatte ich eine Erklärung parat: leider gerade Single. Daraufhin hat mir eine Frau, die mich den ganzen Abend irrtümlich "Christina" genannt hat, den Zeigefinger in die Seite gerammt und gesagt "Dann sieh aber mal zu, Tick-Tack!". Fröhliches Gelächter am ganzen Tisch.
So war das Zehnjährige.

Zum Fünfzehnjährigen hatte das Internet endgültig auch bei uns im Dorf Einzug gehalten, und es gab diesmal eine Abitreffen-Vorbereitungs-Homepage komplett mit Forum. In diesem Forum stand neben jedem Post das Bild des Schreibers. Und ich lüge nicht, nein! Ich denke mir das nicht aus! Zwei Drittel der Frauen (ich habe es nachgezählt, ehrlich!) hatten statt einem eigenen Bild ein Bild ihres Babys da eingestellt. Lauter freundlich guckende, zahnlose rosa Rundschädel. Es war zum Gruseln. Beim letzten Mal hatte ich den Eindruck bekommen, dass diese Frauen hauptberuflich Kleini-Mutti waren, diesmal war es sogar so wie in diesen alten Science-Fiction-Filmen, in denen Menschen durch Doppelgänger aus dem All ersetzt werden, und zuerst merkt es kaum jemand, und dann - huaaah! Die Frauen waren verschwunden, heimlich gegen ihre Kinder ausgetauscht.
Jedenfalls war ich dann eben nicht auf dem Treffen und auch nie wieder auf der Homepage. Ich hatte aus irgendwelchen Gründen schlagartig das Interesse verloren. Falls jemand aus meinem Abijahrgang mal zufällig über diese Seite stolpert und sich fragt, was aus "Christina" geworden ist: es geht mir gut! Macht Euch keine Sorgen! Bis zum dreißigjährigen Abitreffen sind die Kinder ja dann aus dem Haus, vielleicht schnuppere ich dann mal wieder rein.

Jedenfalls musste ich gestern daran denken, weil ich gerade wieder mal ganz nah an meiner Heimatstadt bin. Und weil ich mich in den letzten Wochen auch extrem viel mit Kindern und den Gründen, warum sie kommen oder nicht, beschäftigt habe. Ich war plötzlich mein eigenes Schreckgespenst: ich war hauptberuflich unfruchtbar! Jede freie Minute habe ich entweder mit einem Unfruchtbarkeitsbuch, dem Blog oder dem geheimen Superprojekt zugebracht, das natürlich auch etwas mit diesem ganzen Schlamassel zu tun hat. Nicht, dass es mir keinen Spaß gemacht hätte. Das war sogar alles ziemlich aufregend, und das geheime Superprojekt ist gestern gerade in die nächste Phase gegangen und schlägt sich bisher sehr gut. Aber kann es deshalb angehen, dass L. in der Wohnung im Moment auf Schritt und Tritt über Bücher mit dicken Bäuchen un dkleinen Kindern auf dem Titel stolpert? Oder dass ich mich dabei erwische, wie ich auch schon ständig diese Abkürzungen verwende? Samstag breche ich mit einem alten Freund in den Urlaub auf, wir wandern ein paar Tage durch den bunten Wald und sitzen Abends glücklich und müde vor unseren Schnitzeltellern. Wie sich jetzt erst herausstellt, schlafen wir in einer Blockhütte mitten im Wald am Ende eines nicht asphaltierten Weges. Noch wissen wir nicht, ob wir da Handtücher und Bettwäsche mit hinbringen müssen, aber ich glaube, die Chancen auf WLAN sind in dieser Hütte eher gering. Von Samstag bis Donnerstag mache ich also Ferien vom Blog, vom Kinderwunsch und überhaupt. Ich habe auch keins der Würmchenbücher im Gepäck. Der Blog wird mir fehlen, und für das Superprojekt kann ich gerade sowieso nichts anderes tun als warten. Aber ich hoffe, dass diese paar Tage in der Herbstsonne das ganze Thema wieder ein bisschen auf normale Größe zurechtstutzen. Bevor es mir eines Tages passiert, dass ich in einem Forum mitschreibe und statt meines Bildes ein mehrere Monate alter Ultraschall erscheint.

Ach ja, und wo ich gerade beim alten Ultraschallbild bin: meine Hormonküche hat es nun endlich verstanden, meine Werte sind bei Null.

Montag, 12. Oktober 2009

Eine kleine Warnung.

Ein bisschen Angst macht mir das bei näherer Überlegung schon auch, wenn Ihr jetzt Entschlackungstipps von mir wollt. Denn ich habe ja eigentlich keine Ahnung, was ich da tue. Weleda und Pflanzen und Tee, das klingt alles so harmlos, aber ob es das wirklich ist, weiß ich nicht. Ich habe mir sagen lassen, dass gerade die, die sowieso gerade naturheilkundliche Alternativen ausprobieren, damit oft ganz zarte kleine Prozesse in Gang setzen, und wer weiß, wie diese Prozesspflänzchen auf so ein Birkendings reagieren. Ich mache das so, und bisher habe ich keinen Schaden beobachtet - aber ob das wirklich gut für mich ist, weiß ich nicht, und noch viel weniger weiß ich, ob das gut für euch ist. (Sauerkrautsaft - vielleicht ja auch ein Teufelszeug?)

Also bitte: kommt mir nicht mit Klagen und Gequengel, wenn euch plötzlich grüne Punkte auf der Stirne wachsen oder sonst etwas schief geht.

Wollte ich nur gesagt haben.

"Wie immer?" "Wie immer."

Inzwischen fühle ich mich als Stammgast. Und morgen steh ich mal wieder am Tresen. Meine Fruchtbarkeitsklinik ist inzwischen der Ort, den ich außer meiner eigenen Wohnung am häufigsten betrete. Morgen wieder mal zum Blut abnehmen, und inzwischen sind wir eingespielt. Ich weiß im Wartezimmer blind, welche Zeitschriften in welchem Regal liegen, und den Damen am Empfang muss ich nicht mehr sagen, wie ich heiße. Ich muss auch der Arzthelferin, die mir das Blut abnimmt, nicht mehr sagen, dass sie mir hinterher bitte kein Pflaster draufkleben soll, nein, auch kein weißes, weil ich von Pflastern Ausschlag kriege - der von braunen Pflastern bleibt drei Wochen und ist knallrot und juckt, und der von weißen Pflastern bleibt zehn Tage, ist rosa und juckt. Das wissen die längst. "Sie drücken dann schön kräftig und lange, nüch?" "Jaja, ich drücke." Das ist morgen grob geschätzt meine fünfzehnte Blutabnahme seit dem Schwangerschaftstest damals, wir haben das jetzt alle drauf. Ja, auch ich kann meinen Part: ich weiß, wann ich die Faust ballen muss und wann ich sie öffnen muss, ich muss mich auch morgens nicht in letzter Sekunde noch mal umziehen, weil ich aus Versehen ein enges Hemd unter einem Kleidchen angezogen habe, so dass ich, um den Arm frei zu machen, Kleid und Hemd ausziehen müsste. Und hinterher, wenn ich in der Klinik fertig bin, dann gehe ich mit meinem Stück Zellstoff an den Arm gepresst zu McDonalds und bestelle meinen Glücks-Cheeseburger. Und ich hab fast das Gefühl, auch die Spanierin, die da morgens immer fast allein ist, kennt mich schon und greift automatisch das Richtige, wenn da wieder die Kompressenfrau reinkommt und morgens um zehn einen Cheeseburger will. Vermutlich denkt sie: aha, war wohl wieder spät und lustig gestern. Dabei war es heute früh und nicht so lustig.

Das Schöne an der Gewöhnung ist aber nicht nur, dass das alles wie am Schnürchen klappt. Sondern, dass ich mich auch morgen vermutlich kaum noch aufregen werde, wenn ich laut Blutwert immer noch schwanger bin. Aus irgend einem Grund ist das bei mir so, was soll's? Ewiges Rätsel weiblicher Körper. Und wenn nun eine schreibt, Schuld wäre der Cheeseburger, dann gebe ich eine Studie in Auftrag, die den positiven Nutzen von Cheeseburgern als Unterstützern von Schwangerschaften nachweist, und dann werde ich mit Ruhm und Ehre überhäuft und McDonalds baut mir ein Denkmal.

Nein, das Aufregende an morgen ist nicht der Test, sondern dass ich danach zu Phase drei des geheimen Superprojektes übergehe. Genauer gesagt, steige ich direkt aus der Praxis in einen Zug Richtung Süden und komme eine kleine Weile nicht wieder. Bevor ihr fragt: nein, das Projekt hat nichts damit zu tun, mal wieder richtig braun zu werden oder mir einen alten reichen Sack in einem Badeort anzulachen, und schon gar nichts damit, die sagenumwobenen Super-Kinderwunsch-Kliniken in den europäischen Nachbarländern durchzuprobieren. Und posten werde ich trotzdem, jedenfalls hoffe ich das.

Samstag, 10. Oktober 2009

Endlich ein Job!

Wenn auch nur ein klitzekleiner: Tine bittet mich um einen Post, in dem steht, wie genau ich entschlacke.

Also. Entschlackung ist für Leute, die schon mal gefastet haben, ja ein Riesending. Innere Reinigung, neuer Anfang, weg mit all den lustigen Nächten auf dem Kiez und all den Fluppen, so jedenfalls fühlt es sich an bzw. das ist das, was man sich immer wieder vorbetet, wenn es nervt.

Gerade läuft es eine Nummer kleiner, also ohne Einläufe, Nahrungsverweigerung und Schwächeanfälle. Ich nehme im Moment morgens und abends je einen Esslöffel Weleda Birken-Aktiv-Kur in Wasser, außerdem Sauerkrautsaft in rauen Mengen (den trinke ich aber gern, ich steh auf alles, was salzig ist - mein Traum wäre eine Sardellen-Entschlackungs-Kur), und dazu einen Fastentee. Und ich versuche, weniger zu trinken und weniger Quatsch zu essen. Was genau unter Quatsch zu verstehen ist, wissen wir, glaube ich, alle ganz gut. Erst ist überhaupt nichts passiert. (Wobei, überhaupt nichts... wenn man Entschlackung vom Fasten her kennt, dann erwartet man natürlich bombastische Dinge.) Dann, drei Tage später, kam ich einen Nachmittag und einen Abend lang nicht mehr runter vom Klo. Und jetzt ist alles wieder wie gehabt. Ansonsten keine Pickel, keine schlechte Laune, keine Kopfschmerzen, kein Mundgeruch (jedenfalls, so weit ich das beurteilen kann).

Ich hab keine Ahnung, ob das nun die Wahrscheinlichkeit beim nächsten Versuch irgendwie nach oben drückt. Ich hoffe das Beste. Und ich hoffe, ich bin damit aus dem Schneider und habe ein Ass im Ärmel, wenn jemand aus dem Esoterik-Lager mich fragt, ob ich denn schon mal Ghee-Einläufe, Heupackungen oder Fruchtbarkeitstänze probiert hätte.

Einer dieser Tage

Heute ist so ein Tag, an dem man denken könnte, alles ist vollkommen normal. Wenn ich nicht direkt neben meinem Rechner einen 20 cm hohen Bücherstapel zum Thema Kinderwunsch liegen hätte. Und wenn ich nicht jedes Mal, wenn ich meine Sockenschublade öffne, dort auf die alten Spritzen und Medikamentenpackungen stoßen würde, die ich aus sentimentalen Gründen (oder meinetwegen auch aus fortgeschrittener Matschhirnigkeit) aufgehoben habe. (Ihr denkt, ich hab den Plan aufgegeben, eines Tages all die Pillenpackungen und Nasensprays und Spritzenpens in Kunstharz zu gießen wie Damien Hirst und daraus den geschmacklosesten Beweis für Mutterliebe weltweit zu machen, der je ein Kinderzimmer verunziert hat? Falsch gedacht! Vielleicht komme ich aber auch wieder runter, schmeiße den Mist weg und mache nur vorher ein Foto davon.) Und wenn nicht die Birkentinktur wäre, die ich jeden Morgen und Abend schlucke. Und wenn ich nicht schon wieder in meinem Kalender einen Ultraschall-Termin stehen hätte, der sich aber vermutlich sowieso erledigt hat, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass wir weitermachen können, so lange ich nach jedem Gang zum Altpapiercontainer Blut in der Hose habe. (Und selbst wenn das alles vollkommen harmlos ist, würde ich diesmal gerne eine blutfreie Schwangerschaft erleben; es ist einfach besser für den Schlaf und den Teint. Man wird leider so schreckhaft.)

Jedenfalls ist heute so ein Tag, wie ich ihn tausendmal erlebt habe in der Zeit vor dem Kinderwunsch, sogar vor L., eigentlich schon immer. Draußen schüttet es, was aber herrlich ist, weil eine 1a Entschuldigung dafür, den ganzen Tag herumzuschluffen, ein bisschen was zu kochen, möglichst etwas, was man mit Löffeln essen kann, während man mit einer Schale auf dem Schoß in Wolldecken gemummelt auf dem Sofa kauert. Nachher werfe ich vielleicht noch eine Kostümfilm-DVD ein und bügele dazu, oder ich lass das mit dem Bügeln und gucke nur. Zwischendurch ein bisschen Gefrickel am Rechner, nur für das gute Gefühl, wieder ein paar Häkchen an die To Do-Liste machen zu können, aber bloß kein Stress. Unten läuft die Waschmaschine, draußen tropft die Regenrinne, der Duft von Kartoffelsuppe zieht durch die Bude, und wer weiß? Jetzt, wo L. Fußball gucken gegangen ist, wäre vielleicht der richtige Moment für eine dieser Haarkuren, die eine Stunde einwirken müssen. Die Welt ist schwer in Ordnung heute, so wie sie ist.

Und gleichzeitig mache ich mir Gedanken um ein Thema, um das ich mir eigentlich sehr ungern Gedanken mache: das Thema, wie das eigentlich kommt mit dem Kinderwunsch. Dass wir ein Kind wollen, ist nun wirklich nichts Neues. Aber manchmal, heute zum Beispiel, denke ich mir schon ganz leise: ein Kind wäre schön, ein Kind wäre unsere große Sehnsucht, und wenn es mehr als eins wird, wir wollen ja nicht unbescheiden sein, dann wäre das Glück perfekt. Aber es gab mal eine Zeit - vielleicht noch so vor zwei Jahren - da habe ich oft gesagt (und dabei noch nicht mal gelogen), wenn es nicht klappt, dann wäre das zwar sehr schade, aber unser Leben ist trotzdem schön. Keine Angst, ich denke heute auch noch nicht, dass mein Leben ohne Kind eine Katastrophe ist. Aber wie immer, wenn man etwas tut, um ein Ziel zu erreichen, wird das Ziel dadurch automatisch wichtiger. Das fängt schon damit an, dass man als Schulkind über eine Vier in einer Arbeit, für die man gelernt hat, trauriger ist als über eine Vier, bei der man am Tag vor der Arbeit im Schwimmbad war. Oder damit, dass ich immer schon wütender war, wenn mir ein Fahrrad geklaut wurde, für das ich die ganzen Ferien lang gejobt hatte (Popos im Altersheim abgewischt, um genau zu sein), als wenn mir die alte Hollandgurke geklaut wurde. Und das lag bestimmt nicht nur am unterschiedlichen Geldwert der Räder, sondern daran, dass ich für das eine verdammt viel getan hatte und für das andere so gut wie nichts. Für dieses Kind habe ich in den letzten Monaten eine Menge getan. Und je mehr man tut, desto härter wird es, all das, was man schon getan hat, in den Wind zu schießen und es gut sein zu lassen. Nein, ich bin bestimmt nicht kurz davor, aufzugeben - noch lange nicht! Aber wenn ich mich heute mal zurücklehne, den Bügelkorb ignoriere und gründlich nachdenke mit möglichst klarem Kopf, dann weiß ich genau, wenn ich noch zwei Jahre IVF hinter mir haben werde, dann werde ich erst recht nicht aufgeben - auch, wenn es vielleicht besser wäre. Ich werde mich, je länger das dauert, um so mehr festbeißen. Das ist jedenfalls nüchtern betrachtet die wahrscheinlichste Aussicht. Vielleicht meinen blöde Journalisten ja das, wenn sie schreiben, wir wären eine Bande verbissener Biester, die es einfach übers Knie brechen wollen. Ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Aber wenn man lang genug an der Eisenstange geruckelt und gezerrt hat, dann wäre es doch schön, wenn sie auch endlich, endlich brechen würde (ob überm Knie oder sonstwo).

Stampfi und ich

Es würde mich auch gar nicht wundern, wenn Stampfi mich sofort als ihre Mutter akzeptiert. Erstens habe ich einen riesigen, furchtbar stabilen Kopf, den so schnell nichts knackt. Zweitens bin ich genau wie Nashörner extrem kurzsichtig. Wenn ich panisch und ohne Kontaktlinsen durch die Savanne rennen würde, dann könnte dabei auch leicht ein Wildhüter unter die Hufe kommen. Und drittens mokiert sich L. ständig darüber, dass ich so laut gehe. Wenn ich abends nach Hause komme, dann öffnet er mir gerne schon die Tür, wenn ich noch zwei Stockwerke entfernt bin, wegen des Jurassic-Park-Effekts in seiner Kaffeetasse.
Je länger ich drüber nachdenke, desto besser klingt der Plan. Hallo Münster, was sagt ihr dazu?

Freitag, 9. Oktober 2009

Ich würde ja, wenn ihr mich lassen würdet

Ich würde mich z.B. mit Kusshand anbieten, das kleine Nashorn aus Münster aufzuziehen. Ich kann mir zwar seinen Namen nicht merken, aber ich würde es so lange eben Stampfi nennen, wie den Elefanten bei den Simpsons. Stampfi könnte in der Besucherritze schlafen, und vermutlich gäbe es keinen Earl Grey zum Frühstück, aber irgendwie wären wir sicher trotzdem eine glückliche Familie. Würden die Labradore im piekfeinen Park aber Augen machen, wenn Stampfi angedonnert käme! Es könnte meine alten Halstücher auftragen, wie diese Punkhunde. Später, wenn Stampfi größer wird, würden wir uns einen Pickup kaufen, so dass es überall mit hin kann. Wobei ich bisher in der Hamburger UBahn noch keine Schilder gesehen habe, dass Nashörner verboten sind, ihr etwa? Noch lieber hätte ich natürlich ein Kind oder vier. Aber gleich danach kommt Stampfi. ("Nu dreht sie durch. Das liegt sicher an der Entschlackung. Bring der Frau doch bitte jemand einen Hot Dog und einen gewaltigen Martini.")

Die Entschlackung, ach ja, die Entschlackung. Erst ist nichts passiert. Und nun - Ästheten weiterklicken und schnell an etwas sehr, sehr Schönes denken, z.B. an ein Nashorn mit einem seidenen Halstuch in einer Blumenwiese - kommen aus mir echte Nashornflatscher raus. Und zwar im 30Minuten-Takt. Wenn das keine Schlacken sind, dann weiß ich es nicht. Und wo das drin war, sollte ein Kind wachsen? Also, nicht direkt, aber nebenan? Was hab ich mir bloß dabei gedacht? Das ist, um eine Kommentatorin zu zitieren, einfach nur noch traurig.

Soll und Ist

Soll:
Der Tag beginnt morgens um acht, wenn sich eins meiner vier niedlichen Kinderchen in seinem Schlafanzug auf nackten Sohlen taps-taps-taps ins Schlafzimmer geschlichen hat und sich zwischen uns kuschelt. Wie niedlich! Und so kalte Füßchen! Aus Richtung der Küche hört man leises Gekicher und Gescharre, denn die Geschwisterchen wollen es sich nicht nehmen lassen, Mama zum Aufstehen mit einer Tasse Tee und einem Frühstücksei zu überraschen. Seufzend drehe ich mich um und sauge tief den Geruch frisch gewaschener Kinderhaare ein: hoffentlich lassen die kleinen Rackerchen das Ei nicht wieder zu lange kochen? Und hier kommt auch schon die kleine Prozession mit meiner traditionellen Im-Bett-Teetasse. Hm, köstlich, niemand macht so leckeren Earl Grey wie meine Kinder! Nach der ersten Tasse heißt es nun aber endgültig raus aus den Federn, mein Job wartet. Also duschen, Haare waschen, anziehen. Zum Glück keine große Sache, denn in meiner Firma haben alle einen derartigen Respekt vor meiner Leistung und meiner beeindruckenden Persönlichkeit, dass Schminken oder Schickmachen völlig unnötig ist. Ich könnte auch im Baströckchen da auflaufen, und trotzdem würden mir alle zuhören. Für Baströckchen ist es aber ein bisschen zu kalt, über Nacht ist der erste Schnee gefallen, und die Welt draußen glitzert magisch und weiß. In meinen ollen Stiefeln und der Jacke meiner Oma geht es also aufs Fahrrad, Schnee knirscht unter den Reifen, wie durch Zauberei habe ich jeden Radweg und jede Straße für mich. In der Firma angekommen heißt es erst mal die Mails mit den neuesten Erfolgsmeldungen lesen, dazwischen die wie immer zum totlachen lustigen Mails meiner Mädchen. Hihi, und wie süß, hier kommt schon das erste Handyfoto des Tages von L: die Kinder in ihren Pudelmützen, bereit zum ersten Schneetag des Jahres! Jetzt muss ich doch kurz seufzen. Wer da dabei sein könnte! Und noch vor vier Jahren war daran nicht zu denken, ich war voll in meiner IVF-Mühle gefangen und habe mich kaum getraut, ernsthaft zu hoffen, dass das was wird - nur nicht zu sehr enttäuscht werden, war damals das oberste Ziel! Und nun sieh sich jemand diese prächtige Familie an! Mein attraktiver und warmherziger Assistent steht in der Tür und hat das Foto auch gesehen, als er mir meinen Kaffee (jetzt ja wieder eimerweise erlaubt) hinstellt. "Ach, Flora" sagt er. "Die letzten Wochen waren hart. Wir haben geschuftet wie die Tiere - aber jetzt, wo alles unter Dach und Fach ist, willst du nicht einen Tag frei nehmen? Niemand hätte es mehr verdient als du! Ab in den Schnee mit deinen Kindern, oder? Ich halte hier die Stellung!" Ich starre ihn überrascht an: einen Tag ohne meinen inspirierenden, aufregenden und erfüllenden Job? Aber wieso eigentlich nicht? Im Nu bin ich auf dem Heimweg und komme gerade rechtzeitig in der gleichzeitig zentral und ruhig gelegenen Wohnung an, um den Abmarsch der Pudelmützenbande nicht zu verpassen. Und so geht das immer weiter, Kinderlachen, Niedlichkeiten bis zum Abwinken, Abends lesen wir "Die kleine Raupe Nimmersatt" vor, irgendwann kommt dann noch ein Hund dazu, der 20 Jahre alt wird und immer gut riecht, und das schlimmste Ereignis des Jahres ist, wenn eins der Kinder die Läuse aus dem Kindergarten mitbringt. Wenn Sorgen, dann nur niedliche Sorgen. So jedenfalls sieht der Soll-Zustand aus.

Ist:
Keine Kinder. Kein Hund. Kein Job. Keine Erfolgs-Emails. Keine Antwort vom Don. Der nächste Zyklus vermutlich weiter weg als gedacht. Erfolgswahrscheinlichkeit laut Tabelle zum Heulen gering. Grrrrrrr.

Schnittmenge zwischen Soll und Ist:
Ich habe L., ein Fahrrad, eine Pudelmütze, mein altes "Die kleine Raupe Nimmersatt", und Earl Grey hatte ich heute morgen auch. Es könnte also schlimmer sein.

Donnerstag, 8. Oktober 2009

"Was will sie eigentlich?"

Gerade lese ich den letzten Eintrag noch mal und stelle selbst fest, dass das ein ziemliches Kuddelmuddel ist. Aber hier geht es zu wie beim Skat, was liegt, liegt. Deshalb noch mal die Erklärung dafür, wieso ich einerseits jeden Tag mit einem Esslöffel Birkendings beginne und beende und andererseits schimpfe, das wäre vielleicht alles unbewiesener Hokuspokus.

Es ärgert mich einfach manchmal maßlos, dass wir als Betroffene in dieser relativ hilflosen Position sind. Wir sind in einer Notlage, die uns seelisch ganz schön durch die Mangel dreht und mitnimmt. Und natürlich sind wir heiß auf alles mögliche, was uns helfen könnte, und haben ständig Angst, das falsche zu tun. Wir haben aber zum größten Teil nicht die Zeit, das Hintergrundwissen und die Möglichkeit, nachzuprüfen, ob das alles so stimmt, was man uns in bester Absicht rät. Egal, ob das nun Freunde, Zeitungsartikel, Ratgeberbücher oder irgendwelche Forenmitglieder tun. Wir wollen weder aufs falsche Pferd setzen noch das richtige Pferd entwischen lassen. Und dann kommt der Moment, in dem ich mir sage: Was solls, schaden wird es hoffentlich nicht. Und das ist ein Moment, in dem ich mich über mich selbst ärgere, denn der führt mir wieder vor Augen, wie hilflos ich bin. Und das ist ein Zustand, in dem ich sehr ungern bin.

Ich weiß auch nicht, warum ich mich nicht entspannen kann, einige Tipps annehmen und umsetzen und andere einfach lächelnd ignorieren und mich ansonsten voller Vertrauen in die Hände der alles entscheidenden Wahrscheinlichkeitstabelle geben. Aber ich arbeite darauf hin, versprochen.

(Vermutlich würde es hier aber weniger Kraut-und-Rübig zugehen, wenn mir blogger nur einen Eintrag täglich erlauben würde und ich nicht jeden Hirnpups sofort in den Äther schicken könnte. Und vermutlich würde es auch helfen, wenn ich nicht gerade sowieso den ganzen Tag lang unter Hochspannung stünde, weil der Dusselsdon nicht anruft und ich hier langsam den Lagerkoller bekomme.)

Beweise, wir brauchen Beweise

Es lässt mir ja doch keine Ruhe. Diese ganze wabernde Wolke, die das gesunde Leben ausmacht. Es tut mir leid, aber manchmal kommt in mir doch die Tochter eines Naturwissenschaftlers durch. Und die will Beweise, Studien mit einer dicken fetten Versuchspersonenzahl und eindeutigen Ergebnissen. Und da tut sich vieles schwer, was in dieser Wolke lebt. Ich habe auch das Gefühl, wenn es um das geht, was gesund ist, dann schreiben die Leute gerne voneinander ab und plappern nach, was sie aufgeschnappt haben. Neulich habe ich z.B. in einem der besseren Würmchenbücher gelesen: es ist ein Ammenmärchen, dass viele Paare, sobald sie sich von ihrem Kinderwunsch verabschiedet haben, plötzlich wider jede Hoffnung doch noch Kinder bekommen. Es gibt diese Fälle, ja, aber die haben auch einen derartigen Sensations- und Neuigkeitswert, dass sie über jedes Maß hinaus weitererzählt und verbreitet werden, bis es plötzlich so klingt, als würde das dauernd so passieren - ständig! Ich will gar nicht wissen, was solche Gerüchte mit Menschen machen, die sich entschlossen haben, es nun gut sein zu lassen, und die dann kein Kind mehr bekommen (vielleicht sogar in der leisen Hoffnung, auch ihnen würde so ein erwartetes unerwartetes Wunder passieren).

Oder Gemüse. Vor einer Weile las ich, dass es inzwischen zahlreiche Studien dazu gibt, wie Gemüse sich gegen das Gefressen-Werden schützt. Das tun ja viele Lebewesen in der freien Wildbahn gerne, manche rennen weg, andere beißen oder tarnen sich. Gemüse sieht da alt aus. Aber halt: es gibt eine Menge Gemüse, die roh angeblich toxische Substanzen enthalten. Und das sind nicht nur Brechbohnen, sondern auch andere Sorten, die gerne in gemischten Salaten landen und die man eigentlich nur selten essen sollte - oder nur gekocht. Ich habe das damals zum ersten Mal gehört und war erschrocken. Denn wenn das wahr ist, was ja immerhin sein kann, dann wird es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis sich auch diese Nachricht ausreichend verbreitet hat und nicht als Quatsch abgetan wird, denn wir alle wissen ja: rohes Gemüse ist gesund, je mehr davon, desto besser, und natürlich tut es auch der Fruchtbarkeit nur Gutes.

Fasten ist noch so eine Sache. Ich hab es selbst schon gemacht und mich hinterher toll gefühlt. Ich habe es auch schon gemacht und mich furchtbar gefühlt. Inzwischen habe ich gelesen, dass viele Ärzte sagen, sowas wie Schlacke gibt es gar nicht, Entschlacken ist also Quatsch.

Nun bin ich kein Arzt, und obwohl ich selten im Leben so viel Zeit hatte wie jetzt, habe ich diese Zeit doch schon wieder vollgeknallt mit tausend Erledigungen. Deshalb habe ich nicht genug Zeit, um mir all diese Studien mal anzusehen und zu lesen, geschweige denn zu verstehen. Aber ich muss sagen: die Leichtigkeit, mit der viele Dinge in diesem diffusen Wissensfeld einfach mal so hingeschrieben und behauptet werden, die macht mir manchmal Angst. Die macht mir sogar im Moment mindestens genau so viel Angst wie Spritzen und Hormone. Ich finde, man sollte es genau wissen: egal, ob es um Tomaten, Loslassen, Yoga, Entschlackung oder Koffein geht.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin kein verbohrter Redneck, der einfach nicht einsehen will, dass er auf einiges verzichten muss, um ein Kind zu bekommen. Ich will es eben nur ein bisschen genauer wissen. (Und wenn jetzt jemand schreibt: so funktioniert nun mal Wissenschaft, der eine sagt dies, der andere das, finde dich damit ab - dann hat er vermutlich auch schon wieder Recht, Recht, Recht.)

Ich verstehe, dass es auch so etwas wie Intuition gibt, die keine Zahlen braucht. Ich verstehe, dass "sich besser fühlen" ein Wert an sich ist, egal, ob ich mich nun aus objektiv messbaren Gründen wohler fühle oder einfach nur so, weil ich denke, das Richtige zu tun. Und so kann es gut sein, dass die Weleda Birken-Entschlackungs-Kur am Ende doch noch was für mich tut, was sie auf dem Papier eigentlich gar nicht kann. Ich mache also weiter.
Aber es tut mir leid, wenn ich einigen von Euch mit dieser ewigen Leier langsam auf den Geist gehe, ich werde auch damit weitermachen, mich parallel in schönster Blog-Persönlichkeitsspaltung aufzuregen darüber, dass ich manchmal den Eindruck nicht loswerde, da tanzen gerade Gesundheit und Esoterik ein lustiges Tänzchen. (Mich aufzuregen, ist gerade meine bevorzugte Gemütshaltung. Ich bin kaum aufgestanden, ZACK, schon finde ich irgendwas, worüber ich mich aufregen kann. Und der Don hat immer noch nicht geschrieben, aber inzwischen weiß ich wenigstens aus sicherer Quelle, wieso, und es hat nichts mit mir zu tun.)

Seid nicht zu streng mit mir:
Auch Atheisten zünden ab und zu im Urlaub eine Kerze in der Kirche an.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Was soll denn die Nummer mit dem Sauerkrautsaft?

Wie, und jetzt plötzlich doch Entschlackung und Produkte von Weleda? Und das, wo ich erst so geschimpft habe?

Naja. Die Wahrheit ist, man kann nicht tagelang diese Bücher lesen, ohne dass was hängen bleibt. Nein, ich werde bestimmt nicht komplett auf Weizen und Fleisch verzichten, auch wenn Frau Prof. Gerhard sich das wünscht. Ich werde auch nicht meine Möbel umstellen, und ich werde auch nicht in Zukunft morgens statt schwarzem Tee "Brennesselkaffee" (wer auch immer sich den ausgedacht hat, dem wünsche ich mindestens eine danebengegangene angeblich farbneutrale Henna-Kur an den Hals) trinken. Aber ein bisschen kann ich ja mal tun, und nachdem ich noch vor ein paar Tagen über eine Fastenwoche nachgedacht habe, obwohl ich das eigentlich nie wieder tun wollte, sind Entschlackungstee, gesundes Essen, viel Gemüse und genug Schlaf vielleicht ja doch nicht zu viel verlangt. Ich mag es nur eben nicht, wenn man mir etwas wegnehmen will, woran ich hänge.

Der erste Nebeneffekt ist, dass ich schon jetzt - nachdem das Programm gerade mal seit 24 Stunden läuft und ich bisher weder vom Fleisch noch vom Alkohol oder vom Weizen losgekommen bin - in einer Wolke aus Selbstgefälligkeit durch die Straßen laufe. Ich sehe Leute in Autos vorbeifahren und denke "Jaja, das ist eine feine Kiste, aber sieh mich an, ich gehe zu Fuß! Und zwar bis in die Stadt! Und wenn ich dort fertig bin, dann laufe ich wieder zurück!" und ich sehe Kinder, die gerade ihr ganzes Taschengeld bei McDonalds gelassen habe, und denke mir "Schön schön, einen Glücks-Cheesie gibt es aus alter Tradition auch für mich wie nach jedem Klinikbesuch, aber ich entschlacke auch mit Birkenessenzen, die von Menschen geerntet und verarbeitet werden, deren Fernseher eine Bildschirmdiagonale von unter 50 cm hat! Ich darf das also!" Es fühlt sich gut an, in dieser Wolke unterwegs zu sein.

Die ersten Mauern sind also gefallen auf dem Weg, mich dazu zu kriegen, loszulassen, mich zu öffnen, ein feinerer Mensch zu werden oder sonstwas und am Ende allein schon aus Karma-Gerechtigkeit oder wasweißich schwanger zu werden. Aber ein paar Mauern werden niemals fallen. Niemals.

Inzwischen habe ich zum Beispiel eingesehen, dass es in meinem Leben manchmal Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre gibt, in denen ich nicht rauche. Trotzdem werde ich leider niemals wieder ein echter Nichtraucher werden, also ein Nie-wieder-Raucher. Mit Alkohol verhält es sich ähnlich. Ich weiß, dass ich zu viel trinke, jedenfalls nach medizinischen Richtlinien. Das heißt nicht, dass ich nicht manchmal mehrere Tage hintereinander meine Abende mit einer schönen Kanne Ingwertee verbringe und dabei überhaupt nichts vermisse. Ich konnte auch, wie die schwangeren Wochen gezeigt haben, 1a auskommen mit alkoholfreiem Hefeweizen. Aber ganz ohne, ohne dass ich schwanger oder vielleicht schwanger bin, nur um sicher zu sein, dass es diesmal auch ganz wirklich klappt - nein. Das wird nichts. Und das würde auch dafür sorgen, dass ich hinterher ernstlich beleidigt und noch viel enttäuschter bin, wenn es nicht klappt.
Koffein scheint auch ein Riesending zu sein, zumindest, wenn der Autor des Würmchenbuches aus den USA kommt. Aber es tut mir leid, es ist eins meiner liebsten Rituale, morgens eine Kanne schwarzen Tee zu kochen und mich im Schlafanzug an den Rechner zu setzen. Wenn ich das dann auch noch im Bett tun kann, dann ist das Glück perfekt. Und Glück soll doch auch wichtig sein?

Nur falls ihr euch fragt: der Don hat noch nicht geantwortet. Dieser Artikel erfüllt einzig und allein den Zweck, die Zeit zu überbrücken, bis die nächste Stunde voll ist und ich wieder in meine Mailbox gucken darf.

Und das HCG ist auch noch nicht unten. Verflixt. Noch mal da hin also. Die DS wird sich freuen: 8000 Schritte hat der einfache Weg.

Enttäuschende Entschlackungsergebnisse

Da pumpt man sich voll bis zum Kragen mit Entschlackungswundermitteln, und was passiert? Nichts. Überhaupt nichts. Woran liegt das denn nun wieder? Zu wenig Schlacke? Zu viel Schlacke? So viel Schlacke, dass das noch Wochen und Monate dauern kann, bis ich eines Tages gerade mal wieder gar nichts denke, und plötzlich fällt ein riesiger, rauchender Klumpen Schlacke aus mir raus?

Na gut, man muss vermutlich Geduld haben. Ich mache also weiter. Und gleich mache ich mich auf den Weg in die Klinik (zu Fuß, Danke, kleine DS) zum nächsten Bluttest. Ich hoffe, das war es dann erst mal und auch mein Blut hält mich nicht mehr für schwanger. Und wenn ich wiederkomme (wieder zu Fuß, heute nähern wir uns den 20.000 Schritten), dann gucke ich in meine Mailbox, ob der Don geantwortet hat. Nicht früher. (Nein, danke, ihr müsst mich nicht daran erinnern, dass ich den nächsten Liter Sauerkrautsaft erst nach meiner Rückkehr trinke.)

Dienstag, 6. Oktober 2009

Größenwahn durch IVF-Hormone

Nicht nur, dass ich gerade das geheime Projekt habe, das mich Tag und Nacht kirre macht und das sich eigentlich anfühlt wie drei Nummern zu groß für mich und trotzdem rundum fabelhaft, nein, gerade, in dieser Minute, habe ich eine Email an den Don, die graue Eminenz, das Alpha-Tier in meiner Branche (persönlich. Nicht an seine Assistenz oder irgendwen.) geschrieben und ihm gesagt, es tut mir leid, dass ich damals sein Jobangebot nicht angenommen habe, jetzt, Jahre später, wäre ich jedenfalls so weit. Oh Gott. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin.

Und dann muss ich noch sagen, dass mir für heute Nacht Übles schwant. Denn diese ganzen Bücher über Entgiftung, den Teufel Koffein und all das haben mich dazu getrieben, heute bei Budni Sauerkrautsaft, die Weleda Birken-Entschlackungskur und einen Entschlackungstee zu kaufen und ALLES AUF EINMAL anzuwenden. Schließlich sollen die nächsten Prilblümchen doch nicht in der zugemüllten Bude aufwachsen, sondern es schön sauber und ordentlich haben. (Außerdem hoffe ich, mit dieser Radikalkur sind ein paar mehr Gläser Prosecco drin. Ein paar mehr als gar keine, meine ich. Schon wieder nicht ganzheitlich genug? Wartet nur, zum Thema Ganzheitlichkeit habe ich eine Geschichte zu erzählen.) Bin ICH gespannt, was jetzt passiert. Unser WLAN funktioniert hoffentlich auch auf dem Klo. Vielleicht blüht euch Return of the Pupskatastropheneintrag.

Jedenfalls kommt hier die Geschichte: ich habe ja seit neuestem dieses Laufrhythmus-Dings für die DS. Hatte ich erwähnt, was für ein Nerd ich bin? Jedenfalls blute ich nach dem Joggen immer noch, deshalb eben so. Ich stecke dieses kleine Ding in meine Hosentasche und laufe durch die Gegend, und Abends sagt mir die DS, ob ich fleißig war. Ich schraube ständig mein Tagesziel nach oben, im Moment bin ich bei 8000 Schritten am Tag. Und so kommt das, dass ich Abends gerne noch mal raus muss und einen Spaziergang machen. Gerade laufe ich so die Straße entlang, und vor mir läuft eine Frau, die Selbstgespräche führt. Erst dachte ich, ach was, die telefoniert bestimmt, aber die hat nicht telefoniert. Zwischendrin schüttelte sie ihre Faust gegen irgendwelche vorbeifahrenden Autos und fluchte. Ihr könnt mir glauben, die sprach mit sich selbst. Und als ich näher kam, habe ich auch gehört, was die gesagt hat: "Ganzheitlich. Ihr müsst das GANZ! HEIT! LICH! sehen!" Mit diesen Worten ging sie so dicht an die vierspurige Straße, dass sie gut hätte unter die Räder des Kombi kommen können, dem sie das zugebrüllt hat.
Oje. Bei solchen Leuten frage ich mich ja gerne, wie das wohl angefangen hat. Welche Abzweigung war die erste, die diese Frau falsch genommen hat?

Ich beäuge meinen Bücherstapel misstrauisch aus dem Augenwinkel. Scheinbar harmlos und still liegt er da. Aber war der vorher nicht noch ein bisschen weiter weg?

Montag, 5. Oktober 2009

IVF-Stammtisch in Hamburg

Wer wäre dabei? Außer mir, meine ich? All die anderen Abkürzungen sind natürlich auch herzlich willkommen. Genau so wie Vorschläge, wo und wie.

Und bevor ich das vergesse:

1000000000 Dank an alle, die meinem Aufruf zur Würmchenbuchkritik gefolgt sind. Ich verspreche, ich antworte noch auf alles, aber erst, wenn das Projekt zu Ende ist.

Neulich habe ich in einem anderen Blog gelesen, ich wäre ab und zu mal einen drüber (ein sehr schöner Blog, demnächst in meiner Blogroll, sobald ich den Link rausgesucht habe), und damit hat die Autorin sicher Recht, Recht, Recht. Ich bin in der Tat öfter mal einen drüber, manchmal sogar drei oder vier.
Trotzdem: ich bin sehr glücklich, dass ihr alle hier seid, und das schreibe ich viel zu selten, drüber oder nicht.

Der Feind: Möbel, Wein und Discojeans

Oh Mann. Bitte widersprecht mir, aber ich hatte bis jetzt das Gefühl, ich hätte nicht übertrieben viel gequengelt, wie WAHNsinnig ungerecht das alles ist, auch die "Wieso ich"-Frage und die "Wieso nicht die"-Frage haben hier bisher keine große Rolle gespielt. Aber wenn es eins gibt, das einen davon kurieren und voll in die matschige Pfütze des Selbstmitleids stoßen kann, dann ist es, über die Ratschläge in Fruchtbarkeitsbüchern zu lange nachzudenken.

Gesundes Wohnen. Alkohol vermeiden. Kein Fleisch. Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus. Was denn noch?

Ich weiß nicht, wie ihr darüber denkt, aber mir geht es einfach entschieden besser damit, wenn ich denke, dass ich ein medizinisches Problem habe, für das es eine medizinische Lösung gibt. Ich will nicht denken, dass die Überwindung meiner verklebten Eierstöcke, der Kampf gegen die Myome und die blöde Endometriose nun vor allem mein Job sind, denn wenn das so wäre, was wäre dann die Nummer mit den Spritzen? Angsttherapie? Ich kann natürlich einsehen, dass ein gesunder Lebenswandel erst mal irgendwie dufte und gut für alles mögliche ist (vor allem für die Selbstzufriedenheit - aber das steht auf einem anderen Blatt), und wer weiß, vielleicht hilft er ja auch hier. Ich kann auch gut einsehen, dass trotz allem immer noch unendlich viel Glück dazu gehört, damit es klappt. Glück, dem man, wer weiß, vielleicht ja auf die Sprünge helfen kann, indem man noch mehr auf sich achtet und wirklich alles, alles tut, was man kann.

Aber dann denke ich wieder: wie kann das sein? Nicht nur, dass andere Leute schwanger werden und Kinder bekommen, nein, sie werden auch niemals dazu genötigt, sich mit der Position und Beschaffenheit ihrer Möbel auseinanderzusetzen, sie sollen auch nichts loslassen oder annehmen, sie essen, was sie wollen, und sie trinken erst Recht, was sie wollen, sie gehen schlafen, wann sie wollen, und bei Yoga denken sie nicht an Kindlein, sondern an Madonna und die verlockende Möglichkeit, auch mit 50 noch einen heißen Po zu haben.

Ich geb mir ja Mühe. Aber heute Abend bin ich deprimiert. Sag mir doch mal eine von Euch, wieso mich das alles so nervt. Ich könnte doch auch das Gute darin sehen, die Verbesserung der Stelle hinterm Komma an der Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden. Oder sogar die Verbesserung der Stelle vor dem Komma. Positives Denken, was auch immer. Aber es nervt mich einfach nur und deprimiert mich. Sagt mir doch bitte mal, wieso, ja?

Und dann möchte ich noch, dass ihr alle kräftig die Daumen drückt für eine, die heute ihren Prilblümchen-Termin hatte. Ich weiß nicht, wie ihre Möbel stehen, aber ich hoffe, ihre Chancen stehen gut.

Hurraaaa, Ferien!

War wohl nichts, der Job in Aussicht hat sich erst mal auf unbestimmte Zeit vertagt. (Und das ist leider die Normalität. Ich kenne den ganzen Affentanz ja noch aus meiner Zeit in Festanstellung, wir hatten auch dauernd selbständige Freelancer angefragt und ihnen dann abgesagt, weil plötzlich alles ganz anders war. Also, andere haben das getan. Nicht ich! Sonst würde ich mich jetzt ein bisschen zu Recht gestraft fühlen.) Das heißt, die Würmchenbücher haben unverhofft mehr Zeit bekommen als sonst, denn hier sind die ganz, ganz großen Ferien in die nächste Runde gegangen. Heute kommt Zita West mit "Kinderwunsch" zum Zug. Bleibt dran, wenn das große Würmchenbuchwochenende sich, wer weiß, bis weit in den Spätherbst verlängert?

Sonntag, 4. Oktober 2009

Würmchenbücherwochenende, dritter Streckenposten

17 Bücher an einem Wochenende - das war vielleicht ein bisschen übermütig. Hätte ich das wirklich ganz hart durchgezogen, hätte die Gefahr bestanden, dass ich in den nächsten Wochen L. nachts um drei aus dem Schlaf reiße, weil ich im Traum ständig "Loslassen! Loslassen!" schreie. Das kann's ja auch nicht sein!

Also habe ich erst mal die Bücher an die Seite gelegt, die sich nur mit Schwangerschaft beschäftigen und nicht mit dem Weg dahin. Und dann habe ich mir nach dem ersten Buch drei Bücher aus dem GU-Verlag vorgeknöpft.

Das erste Buch - die positive Alternativ-Medizin-Überraschung - war "Das Kinderwunsch-Buch" aus dem KVC-Verlag. Ja, aus mir wird nie ein Öko, aber ich finde es schön, wenn jemand Dinge nicht einfach nur so behauptet, sondern mit Studien belegen kann und mir genug Verstand und Neugier zutraut, um mir nicht nur Anweisungen zu geben, sondern die Erklärung, wieso ich das so machen soll und nicht anders, in den meisten Fällen mitliefert.

Da ging es mir ganz anders mit "Kinderwunsch: Natürliche Wege zum Baby" von Prof.Dr.med. Ingrid Gerhard.
Kurzer Exkurs: Natürlich habe ich in zwei Tagen nicht vier Bücher von vorne bis hinten durchgelesen. Wobei ich beim ersten Buch auf der Liste nah dran war. In den meisten Fällen habe ich die Bücher so gelesen, wie ich sie auch gelesen hätte, wenn ich mir dieses Buch und nur dieses Buch gekauft hätte, und zwar nicht, um einen Überblick zu bekommen über die Welt der Kinderwunschbücher, sondern aus meiner persönlichen Klemme. Ich habe also vor allem die Kapitel über IVF, Endometriose, verschlossene Eileiter, Myome und die Dinge gelesen, die man parallel zu einer IVF tun kann, um die Chance auf eine Schwangerschaft zu erhöhen. Links und rechts davon habe ich immer mal wieder ein paar Seiten gelesen, aber sonst ziemlich flott weitergeblättert. Vielleicht bin ich deshalb ja dem Buch von Ingrid Gerhard nicht so richtig gerecht geworden.
Eine Sache, die mich gestört hat, war, dass sie in so ein kurzes Buch (gerade mal 90 Seiten lang und kleinformatig) eine unfassbare Menge an Themen gepackt hat. Sie findet Platz für gesundes Wohnen, Moorbäder, Fußgymnastik, hormonelle Störungen, anatomische Probleme, einen Grundkurs zur menschlichen Biologie der Fortpflanzung, Kneipp-Kuren, Ölgurgeln, Phytotherapie und und und. Das muss ja ein ziemlicher Schweinsgalopp werden, und für viele Erklärungen ist da kein Platz mehr. Und dann sitze ich da und lese in einem Nebensatz, dass ich wegen meiner Erkrankungen in Zukunft keine Zitrusfrüchte, keinen Weizen und kein Fleisch mehr zu mir nehmen sollte, dafür aber nur noch ein Ei und einmal Fisch pro Monat. Aha. "Echt jetzt? Wer sagt das, und wieso, und wo ist das belegt?" "Keine Zeit, keine Zeit." Ja, nun. Dass die Spritzenfraktion nicht vorkommt, verrät ja schon der Titel, das kann ich ihr also nicht vorwerfen. Aber einer Frau, die im gleichen Boot sitzt wie ich und ihre verklebten Eileiter mit Bachblüten und Vitaminen steinigen kann, ohne dass das was hilft, würde ich das Buch nicht empfehlen. Ist aber auch schon ein bisschen älter.

Die nächsten Bücher auf der Liste: "Kinderwunsch. Natürliche Wege zum Wunschkind." von Christian Gnoth und Andreas A. Noll und "Kinderwunsch: Neue Wege zum Wunschkind" von Günter Freundl, Christian Gnoth und Petra Frank-Herrmann. Das erste dünn und klein, das zweite massiver und größer. Aufgebaut sind beide ähnlich; zuerst wird erklärt, wie unter normalen Umständen eine Schwangerschaft zustande kommt, wie der weibliche Zyklus funktioniert usw. Danach geht es zunächst um "sanfte" Methoden, der Fruchtbarkeit auf die Sprünge zu helfen, und schließlich um mögliche Ursachen, warum auch das manchmal nichts hilft sowie die medizinischen Möglichkeiten. Der Schwerpunkt ist allerdings unterschiedlich gesetzt: Gnoth und Noll legen ihn mehr auf die Alternativen zur Reproduktionsmedizin, hier geht es gerade mal zehn Seiten lang um IVF, IUI usw.. Bei Freundl, Gnoth und Frank-Herrmann dagegen ist ab Seite 65 Schluss mit Homöopathie und gesunder Ernährung.
Bei beiden Büchern merkt man, dass sich in den letzten zehn Jahren bei Sachbüchern eine Menge getan hat: inzwischen hat sich rumgesprochen, dass man mit "Hohe Schule der Wissenschaft, für euch arme Schätzchen erklärt, Ach Gott, am Ende habt ihr noch nicht mal alle Abitur?" nicht mehr automatisch punktet, sondern dass man schreiben können sollte und dem Buch am besten noch einen praktischen Zusatznutzen mitgibt. Das merkt man beiden Büchern an. Hier gibt es Zyklustabellen, Fotos vom Zervixschleim (und ich esse gerade meine Pasta - mit Weizen, wenn das Frau Professor wüsste! und blättere nichtsahnend um...), jede Menge Fragebögen und Checklisten, Tipps zum Umgang mit Krankenkassen, Kollegen usw. Außerdem bietet das Autorenteam eine Internetsprechstunde an für alle, die sich zusätzlich informieren wollen. Das ist doch schön, und die Bücher sind bestimmt eine runde Sache. Aber so richtig, richtig zufrieden bin ich noch nicht. Der Bücherstapel ist aber zum Glück ja auch noch nicht durchgeknuspert.

So. Und weil der Kölner Tatort mit dieser ewigen Currywurstromantik nicht so meins ist, läute ich jetzt den erholsamen Teil des Tages mit Herrn Bednarz und seinem Tatsachenbericht über IVF aus Männersicht ein.

Ab morgen könnte es übrigens sein, dass ich für zehn Tage einen Job habe. Das wäre schön. Weniger schön ist dagegen, dass ich erst morgen früh erfahre, ob die mich buchen oder meine sicher vollkommen unfähige, faule, aus dem Mund riechende und lahmarschige Konkurrenz. Falls der nächste Post also bis morgen Abend auf sich warten lässt, dann dürft ihr mir gratulieren: Endlich bringt die ansonsten nutzlose Flora auch mal wieder ein bisschen was in die Haushaltskasse ein.

Würmchenbücherwochenende, zweiter Streckenposten

Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber gestern war mein großer Heul-Tag. Ich saß da mit meinem Stapel Kinderwunschbücher, und jedes Mal, wenn ich den Erfahrungsbericht irgend eines Paares gelesen habe - einfach nicht schwanger werden, dann der Gang zum Arzt, Kinderwunschbehandlung, Schwangerschaft, Fehlgeburt, dann wieder Schwangerschaft und diesmal ein Kind - dann hatte ich wirklich Pischi in den Augen. Und dann hat auch noch eine Freundin angerufen, mit der ich ewig nicht mehr los war, und wir sind zusammen in den Waris Dirie-Film gegangen. Noch mehr Pischi, na toll.

Nun reiße ich mich aber auch wieder zusammen und mache mich an meine diversen Pflichten für heute: Dankeschönkarten für Hochzeitsgäste schreiben, Mutter anrufen und weiterlesen. Und wenn ich am Ende eine ganze Kleenex-Box verbraucht habe.

Allerdings gibt es bisher nicht nur Anlass zu gerührten Tränen. Auch wütend war ich schon ein paar mal. Es ist ja ganz schön mit diesen ganzheitlichen Betrachtungen, aber ich will ganz ehrlich sein: in dem Moment, in dem ich die mit dem Problem bin und nicht irgend ein Schlaukopf, der sich darüber verbreitet, höre ich nur sehr ungern, ich müsste mich innerlich für irgendwas öffnen, loslassen, ankommen, mich von etwas befreien oder etwas akzeptieren, um auch nur die kleinste Chance auf einen guten Ausgang zu haben. Über Krankheiten anderer Leute hören wir das immer wieder gerne, das geht so locker durch in irgendwelchen Zeitungsartikeln. Aber wenn es mich selbst betrifft, nervt es. Wieder mal wird die Assoziation zu Germany's Next Topmodel wach, wenn so ein Mädchen da steht und sich anhören muss, sie wollte das alles einfach nicht genug. Grrrrrrr. Nennt mich einen sturen Bock, aber ich habe das dumpfe Gefühl, mit diesem Einstellungsgewaber weisen Ärzte auch ganz gerne mal die Verantwortung von sich.

Vielleicht hat mein Zorn ja auch ganz oberflächliche Gründe. Das erste Buch, von dem ich Euch vorgestern erzählt habe, hat in mir eher wenig Widerstand geweckt für andere Angänge. Vielleicht ja deshalb, weil es den klassisch-medizinischen Ansätzen genau so ihren Raum gelassen hat und immer auf dem Teppich geblieben ist mit den Möglichkeiten und Grenzen alternativer Methoden. Dieses Buch hat mich sogar so weit gebracht, dass ich jetzt kurz davor bin, mir demnächst einen TCM-Arzt zu suchen, um zu sehen, ob der mir parallel zu den nächsten Versuchen mit meinen Myomen helfen kann und mal gucken will, ob es in meiner Nähe irgendwo Fruchtbarkeits-Yoga gibt. Und auch, dass der Wir-lassen-uns-von-einer-Fehlgeburt-nicht-unterkriegen-Prosecco-Marathon jetzt besser mal beendet wäre und ich wieder ein bisschen mehr Gemüse essen sollte, habe ich sofort geschluckt. Ich glaube, das liegt bei mir immer auch am Tonfall, ob ich mich in solche Richtungen schieben lasse oder nicht. Und wo ich gerade beim schieben bin, ganz so gerne werde ich eigentlich nicht geschoben. Und gerade die Verfechter alternativer Methoden können unfassbar manipulativ werden.

Gut, später mehr.

Freitag, 2. Oktober 2009

Würmchenbücherwochenende, erster Streckenposten

Noch ist der erste (leider nur halbe, hatte doch noch mehr zu tun als gedacht) Tag des Wochenendes nicht vorbei, und schon bin ich angenehm überrascht von einem Buch mit alternativmedizinischem Schwerpunkt. Niemand wird in die Enge getrieben, nichts wird einfach mal so behauptet, niemand tut so, als wären pflanzliche Substanzen erst mal per se lieb und Freunde des Menschen, und das Buch sieht auch noch ein, wo die Grenzen der Kügelchen und Nädelchen liegen. Das kenne ich sonst anders. Aber ganz anders.

Wieso da allerdings zwischen den Kapiteln immer Fotos von Bäumen und Äckern und Bächen und Auen sein müssen, das wissen die Götter.

Womit nicht gesagt ist, dass es nicht immer noch genug gibt, was mich nervt. Aber dazu morgen. Für heute mache ich die Quatschbude zu.

Gute Nacht, ihr alle, und habt ein herrliches Wochenende. Noch habt ihr keine Kinder, genießt es! Schlaft aus! Kippt euch einen an! Hört peinliche Musik auf voller Lautstärke, kocht Essen mit Sardellen drin, lagert kostbares Porzellan und chemische Kampfstoffe auf den unteren 60 cm Eurer Regale. Und dann findet zwischendrin trotzdem mal fünf Minuten und schreibt mir über Eure Würmchenbucherfahrungen.

Würmchenbücher

Jetzt kommt eine ziemlich lange Einleitung, wer sich gerade Enthaarungscreme irgendwohin geschmiert hat, Eier kocht oder eigentlich ein Soufflé hüten muss, kann den Post ja später lesen. Also, folgendes. Normalerweise liebe ich es, in Buchhandlungen rumzuwühlen. Es gab Zeiten, da habe ich jede zweite Mittagspause bei Thalia verbracht (auch aus Selbstschutz, um sie nicht beim Italiener zu verbringen) und dachte schon, die beobachten mich inzwischen und halten mich für besessen. Dabei wühle ich am liebsten in den Sachbüchern: Kochbücher, Reisebücher, Kunstbände, Ratgeber. (Belletristik steht hier genug rum. Gerade haben L. und ich wieder zehn Bände fürs Altpapier aussortiert. Die Regalböden biegen sich, und wenn ich irgendwann demnächst umziehen muss, dann fang ich an zu weinen.) Wenn mir z.B. jemand einen Wok schenkt, klatsche ich in die Hände bei dem Gedanken, dass ich demnächst eine Stunde lang bei Thalia auf der Couch sitzen und chinesische Kochbücher sichten kann. (Nicht, dass ihr hier den falschen Eindruck bekommt, manchmal kaufe ich auch was.) Ich breche in keinen Urlaub auf ohne drei Reisebücher, und wenn ich vorhabe, in Zukunft mehr Sport zu treiben, dann beginnt das Trainingslager damit, mir erst mal den Hintern noch ein bisschen breiter zu sitzen und Lauf- und Yogabücher zu scannen.

Um so erstaunlicher ist es, dass mir das mit dem Kinderwunsch-Thema bisher nicht so ging. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt den Impuls, den Mantelkragen hochzuklappen, meine Puck-die-Fliege-Sonnenbrille aufzusetzen, mir ein Kopftuch umzubinden und mich in der Kinderwunsch-Abteilung rumzudrücken. Bei medizinischen Zusammenhängen scheue ich immer ein bisschen zurück vor zu viel Information. Der Grund dafür ist vielleicht, dass ich meinem Arzt gerne vertraue. Das kann ich aber nur, wenn ich ihm zuerst den kleinen Vertrauensvorschuss erteile, dass er hier die Autorität ist und sagt, wo es lang geht. Zumindest so lange, bis ich mich nicht mehr gegen den Eindruck verschließen kann, hier läuft gerade etwas falsch. In medizinischen Ratgeberbüchern werden aber immer extrem unterschiedliche Meinungen vertreten. Und wenn ich dann etwas gelesen habe und mein Arzt erzählt mir etwas anderes, dann macht mich das unruhig, schlaflos und hibbelig. Und weil ich nicht unruhig, schlaflos und hibbelig sein will, lasse ich es lieber gleich. Zumindest erst mal, bis ich mir selbst eine Meinung von dem bilden konnte, was da gerade mit mir passiert.

Nun sind aber inzwischen zig Monate ins Land gegangen. Ich hab mich für den Bruchteil einer Sekunde mit den Alternativen zu IVF auseinandergesetzt, wenn dieser kurze Versuch auch katastrophal vor die Wand gefahren ist und abgebrochen werden musste, ich habe inzwischen zwei IVF-Zyklen hinter mir und habe festgestellt, dass ich das (jedenfalls bisher) ganz gut wegstecke und die Nebenwirkungen sich in Grenzen halten, und ich glaube, ich hab inzwischen nicht mehr besonders viel Angst vor diesem ganzen Unfruchtbarkeitsklops. Vielleicht ist also jetzt der perfekte Zeitpunkt, sich doch mal außerhalb der Sprechstunden in der Fruchtbarkeitsklinik intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Genauer gesagt, mit Ratgeberbüchern.

Liebe Lesehasen, vor mir steht ein Stapel mit 17 Büchern zum Thema Kinderwunsch, Unfruchtbarkeit, Schwangerschaft usw.
Er reicht mir bis knapp über die Knie, und ich habe vor, ihn mir dieses Wochenende vorzuknöpfen. Die Rahmenbedingungen sind ideal, denn draußen ist Herbst, L. ist das ganze Wochenende unterwegs, und außer einem Geburtstag am Samstag Abend hab ich nichts vor. Die nächsten Einträge werden also vermutlich im Zeichen dieser Bücher stehen. Bleibt dran und erfahrt, wie es einem geht, wenn man anfängt, seine Informations-Unschuld zu verlieren.

Und dann hab ich noch eine Bitte an euch: natürlich weiß ich, dass ich beim Lesen von Büchern nicht sehr objektiv bin. Manchmal reicht eine verhasste Formulierung, und ich bin bereit, ein 150-Seiten-Buch, in das ein echter Fachmann zwei Jahre seines Lebens gesteckt hat, einfach in die Ecke zu knallen. Manchmal schließe ich jemanden auch für eine Überschrift oder die geschmackvolle Wahl der Typographie ins Herz, und egal, wie viel Quatsch er verzapft, er landet auf der Lieblingsliste und bleibt da auch. Und dann muss man auch noch bedenken, dass ich in medizinischen Dingen sehr unbeleckt bin. Deshalb kann ich nicht so recht beurteilen, welcher der Autoren wirklich Ahnung hat, wovon er da schreibt. UND dann kommt auch noch dazu, dass ich ein bisschen voreingenommen bin zu Ungunsten von alternativer Medizin. Deshalb fände ich es toll, zu erfahren, was Ihr so gelesen habt und wie es Euch damit ergangen ist. Also raus mit der Sprache, ich will mit Kommentaren zugeballert werden!

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Floras fünf Stufen der Offenheit (oder wahlweise Peinlichkeit)

Wo wir schon beim Thema Peinlichkeit sind: gerade steht ein Ereignis ins Haus (nein, zum Kuckuck, ich bin immer noch nicht schwanger), das es vielleicht erfordern könnte, meinen Eltern von meinem Blog zu erzählen. Und das wäre wirklich hart. (Denke ich jetzt. Aber vermutlich würden sie mich wieder mal damit verblüffen, dass sie viel entspannter sind als gedacht.) Ich stelle wieder mal fest, dass dieser ganze Batzen an Geheimnissen, Diskretion und Peinlichkeit, den wir da mit uns rumschleppen, sich leichter bearbeiten lässt, wenn man die Peinlichkeit (oder Offenheit) in mehrere Stufen einteilt. Also: nur wenige dürfen alles wissen, aber viele dürfen einiges wissen. Das fällt mir leichter, als vollkommen die Klappe zu halten (und ihr könnt bestätigen, dass das nicht meine Stärke ist) oder wahlweise gleich BLAMM! den ganzen Hormonklops auf den Tisch zu packen.

Bei mir wissen z.B. Kollegen (Ex-Kollegen inzwischen), mit denen ich ein gutes Verhältnis hatte, darüber Bescheid, dass ich "normalerweise" keine Kinder bekommen kann. Damit habe ich irgendwann versucht, mich vor dauernden Fragen zu schützen und davor, mir den halben Tag die Kindergartenprobleme von Klein-Lieschen anzuhören. Alles andere wissen sie nicht.

Meine Freunde (und die von L.) wissen so gut wie alle, dass ich schwanger war, dass das nicht leicht war und dass ich eine Fehlgeburt hatte.

Meine richtig engen Freunde wissen, dass ich eine Kinderwunschbehandlung mache. Das wissen auch meine Eltern und der Rest der Familie samt 84jähriger Oma. Kann sein, dass sie das komisch oder seltsam findet, aber wir warten mal ab, ob sie auch meckert, wenn sie eines Tages ein Urenkelchen auf dem Arm hält.

Aber auf dringenden Wunsch von L., der sich Sorgen um meine seelische Gesundheit macht, werde ich vor dem nächsten Versuch nur den allerengsten Mädchenkreis davon informieren, dass "die Dinger" jetzt drin sind, Projekt X läuft und wir gespannt auf den Test warten. Denen muss ich es erstens sagen, weil darum, und zweitens würden sie es sowieso merken, wenn ich bei Zigaretten und Alkohol dankend abwinke. L. meint, dass es auch den stärksten Ochsen umhaut, wenn irgendwann täglich sechs Leute am Telefon fragen, wann wir denn nun endlich auf die Schwangerschaft anstoßen können und mir versichern, dass sie "ein GANZ GUTES GEFÜHL" haben diesmal. Da hat er vielleicht ja Recht.

Und was genau die Begleiterscheinungen dieser ganzen Sache hier sind - die, die man sehen kann, und die, die man nicht so sieht - das wissen ebenfalls wirklich nur L., die engsten Mädchen und ihr.

Ich weiß, das ist jetzt kein System, für das sich McKinsey auf die Schulter klopfen würde. Aber es funktioniert bisher.