Eine Schwangerschaft geht so lange, wie sie gekommen ist, das habe ich schon so ungefähr 864 mal gelesen. (Kommt das nur mir so vor, oder liest man so ziemlich alles rund um Schwangerschaften und Babies nie nur einmal, sondern immer 864 mal?) Wenn man also vier Jahre Spritzen und OPs zu meinen Schwangerschaften dazu rechnet, dann war das fast schon überhastet, dass ich mir gestern tatsächlich zwei neue BHs geleistet habe und dafür zwei inzwischen rosagrau gefärbte Still-BHs entsorgt habe. Den letzten, den schwarzen habe ich noch behalten. (Und ja, ihr habt richtig gezählt, ich besitze nun drei BHs. Erzählt das bitte nicht meinen neuen Eppendorfer Nachbarinnen.) Wäre nicht irgendwann dieser Bund aus T-Shirt-Stoff gerissen, dann hätte ich auch mit Sicherheit heute noch ab und zu eine Schwangerschafts-Jeans an. Die waren aber auch schön! Und gemütlich! Und kompatibel mit meinen Obelix-Attacken! Und wären eine sichere Wahl gewesen, hätte ich mir nur ein Schwangerschafts-Kleidungsstück aussuchen dürfen.
Michel kann laufen, und ich sehe ihm dabei zu und freue mich daran. Ich kriege das Bild nicht aus dem Kopf, das L. kurz nach der Geburt von seinen Füßen gemacht hat: zwei nach innen gebogene, krumme arme kleine Dingerchen, mehr wie Haken mit Zehen dran. Und jetzt, drei Gipse und unzählige Nächte mit dem orthopädischen Snowboard später, läuft er wie der Blitz. Vorwärts, rückwärts, um die Kurve: ich bilde mir ein, Kalle wäre nicht so schnell so schnell gewesen. Bei mir vermischen sich Hoffnung und Erwartung immer ziemlich extrem, und wenn ich mir sicher war, dass alles gut wird, dann war das vermutlich zu 80% Hoffnung. Aber es ist alles gut geworden. Liebe Schwangere da draußen, die gerade eine Klumpfußprognose bekommen haben: das wird kein Spaß, aber auch keine Tragödie. Überhaupt keine Tragödie. Es besteht kein Anlass, mit in den Pulloverärmeln vergrabenen Händen sorgenvoll auf dem Fensterbrett zu kauern und in den Regen zu starren.
Nach wie vor habe ich eigentlich keine Ahnung, was ich hier tue. Gerade heute vormittag hat L. mich angepfiffen, weil ich zu nachgiebig wäre. “Ach so, er will seinen Dingsbums mit in die Kita nehmen, und du sagst einfach Ja, ja?” Ich habe darauf geantwortet, dass ich im Moment gefühlt 300 mal am Tag Nein sage und ab und zu einfach so, aus einem Impuls heraus dann Ja sage. Ich will keine verwöhnten Kackbratzen aus meinen Kindern machen. Ich will auch weiterhin, dass Vernunft und Liebe, nicht Faulheit und Wurschtigkeit die Hauptbosse in der Erziehung meiner Kinder sind. Aber ab und zu muss doch auch mal was egal sein dürfen, oder?
Ich fühle mich also weiterhin kein bisschen kompetent, und trotzdem juckt es mich in den Fingern, Ratschläge zu erteilen. (Bei IVF war das einfacher, schon die erste IVF macht Dich zum Experten in den Augen aller, die noch keine hatten. Bei Kindern bleibst Du dagegen zeitlebens ein Depp, scheint mir.) Ich würde zum Beispiel gerne der ganzen Welt den Tipp geben, gegen wunden Po und wunden Fuß und überhaupt wundes irgendwas die gute Palliativ-Creme zu kaufen. Das ist eine Penaten-artige weiße Creme, die auch ungefähr so billig ist wie Penaten. Es gibt sie in hellgelben Dosen, man bekommt sie in der Apotheke, wenn auch meist nur auf Bestellung, aber das geht in Apotheken ja immer sehr fix. Diese Creme wirkt derartige Wunder - einmal hat sie z.B. einen Po voller offener Wunden (dank Budni-Feuchttüchern) innerhalb von 12 Stunden in einen wieder babypopo-artigen Babypopo verwandelt. An Michels Füßen hat sie auch schon gezaubert; manchmal sitzt doch mal eine Schnalle schief oder was auch immer, auf einmal ist da eine dicke, aggressiv rote Stelle, und wenn ich die dann nicht schnell in den Griff bekomme, muss er aussetzen mit den orthopädischen Schuhen - was ziemlich finstere Folgen haben kann. Die Palliativ-Creme hat mich noch nie im Stich gelassen. Sie wirkt da, wo Penaten und Bepanthen versagen. Steckt dahinter irgend ein düsteres Geheimnis wie z.B. Radioaktivität, Krötendreck und Spinnenbein oder Kryptonit, will ich es nicht wissen. Kein Mensch hat je von ihr gehört, dabei ist sie so toll. Liebe Palliativ-Creme Marketing-Bosse, wir wissen doch alle, wie es ist - da tut man und macht… solltet ihr Hilfe bei der Vermarktung Eures hervorragenden Produktes suchen, helfe ich gerne weiter! Zum Freundschaftspreis!
Unter uns wohnt ein älterer Herr. Er hat selbst Kinder, zumindest eins, es wohnt nämlich mit Frau und Kind in der Wohnung, die seiner gegenüber liegt. Er weiß also, wie das ist. Zu wissen, wie das ist, heißt aber noch lange nicht, das auch gut zu finden, wenn man jetzt, mit über 70, nachdem man diesen ganzen Mist bzw. diese Phase, wie wir Eltern sagen, längst hinter sich haben sollte, immer noch täglich um sieben aus dem Bett fällt, weil die Kinder im Stockwerk über einem mit Spielzeug werfen oder ständig den Flur rauf und runter rennen. Wir versuchen schon, sie leise zu halten. Wir hatten das Herr-X-unter-uns-Gespräch schon ca. 80 mal. Wir spielen Leise-Spiele und vertrösten und bestechen sie, damit sie die ganz lauten Sachen noch etwas aufschieben. Außerdem kaufe ich Blumen. Momentan steht der vierte Blumenstrauß in der Küche, den ich für den Herrn unter uns gekauft habe und den ich ihm dann nicht übergeben kann, weil er nicht aufmacht. Ich hoffe, das liegt daran, dass er eine Datsche hat, in die er am Wochenende fährt, um sich von der geräuschvollen Woche zu erholen. Ich hoffe nicht, dass er hinter der Tür steht und denkt “Oh Gott, die irre Olle mit den zwei irren Kindern, wenn die nicht weggeht, ruf ich die Polizei”.
Nach wie vor ist die Jobsituation finster. Die Agentur, für die ich früher und vor allem nach Kalle drei mal pro Woche gearbeitet habe, braucht mich nicht mehr so oft. Wenn sie einen Texter brauchen, fragen sie immer mich, es hat nichts mit mir zu tun, es ist nichts Persönliches. Gleich nächste Woche bin ich einen Tag da, die Woche drauf auch, na also. Das reicht aber nicht. Also habe ich mir eine Homepage mit Texten und anderem Kram gebastelt und Emails an viele Personal-Leute in vielen Agenturen geschrieben. Manche antworten gar nicht. Manche schreiben zurück, vielen Dank, das sieht ja ganz toll aus, wir melden uns. Manche antworten, sie buchen grundsätzlich keine Freien, aber wenn sie es täten, würden sie mich fragen, und ob ich mir nicht vorstellen könnte, dort fest anzufangen? Also, Vollzeit? Darauf antworte ich dann, dass ich zwei kleine Kinder habe und man irgend ein Arrangement finden müsste, was selbstverständlich theoretisch und überhaupt denkbar wäre. Dann sagen sie, au ja, das klingt toll, sie melden sich. Manchmal läuft es auch wirklich, wirklich schief. Vor ein paar Wochen war ich auf der Website einer ganz tollen Hamburger Agentur und habe begeistert festgestellt, dass eine ehemalige Kollegin, mit der ich mich damals gut verstanden habe, dort jetzt in der Personalabteilung sitzt. Da habe ich ihr geschrieben, ungefähr so: Mensch, X., wie schön, mal wieder auf Dich zu treffen! Hoffentlich geht’s Dir gut? Ich schreibe, weil ich gerade meine Homepage als freie Texterin fertig habe, und hier ist die Adresse, und ich würde mich sehr freuen, wenn es mal mit einer Buchung klappt bei euch! Darauf hat sie geantwortet, Wer bist du? Ich habe zwar kurz gestutzt, aber sofort zurückgeschrieben, klar: ich hieß damals noch Flora Dingens, hab dann geheiratet, worauf ich Flora Albarelli hieß, und ich war die Teampartnerin von Z., wir saßen in den Eckbüro in der dritten Etage, weißt Du noch? Du warst ganz oft mit einem Kaffee bei uns! Sie hat geantwortet, da klingelt nichts, müsste ich ein Foto sehen. Ich habe ein Foto geschickt. Sie hat geantwortet, sie kennt mich immer noch nicht, und meine Homepage ist Passwort-gesichert. Ist sie nicht. Und dann habe ich nicht mehr geschrieben. Und das Problem - das große Problem mit mir - ist, dass mich sowas fertig macht. Ich habe keine Ahnung, was da los ist. Ist die einfach doof? Ich habe ihr niemals etwas getan oder schlecht über sie gesprochen, die hat keinen Grund, mich zu dissen. Und auch, wenn man das selbst eigentlich nicht sagen darf, ich bin echt nicht schlecht in meinem Job, es gibt also auch keinen Anlass, mich “wegzuekeln”.
Vielleicht bin ich am Ende doch nicht zur Freelancerin geboren. Dieses Klinkenputzen geht mir wider die Natur. Ich wäre der weltschlechteste Staubsaugervertreter, als Selbstvertreter bin ich nur unwesentlich besser. Trotzdem muss ich das hinkriegen, denn eine Festanstellung ist das Letzte, was mit zwei so kleinen Jungs geht. Niemand stellt in meinem Job jemanden neu in Teilzeit an, langjährig fest angestellte und längst unentbehrliche Kolleginnen können das machen, eine Neue nicht. Und wieder mal denke ich, dass ich zwar im Job nicht schlecht bin, aber in Jobdingen eine totale Null. Ich kenne niemanden in meinem beruflichen Umfeld, der so viele kreuzdämliche Entscheidungen getroffen hat, wenn es um die eigene Karriere geht. Und nein, damit meine ich nicht, ich hätte keine Kinder kriegen sollen. Um Himmels willen! Nein. Nicht genug bezahlt zu tun zu haben, macht mich fertig. Nicht nur pleite, sondern auch fertig: es frisst am Selbstvertrauen, und wenn meine Freundinnen von ihren Jobs erzählen, gucke ich aus dem Fenster mit in den Pulloverärmeln vergrabenen Händen. In den Regen! So geht's nicht weiter.
Stammtisch! Mir fällt keine Überleitung ein. Aber Stammtisch! Donnerstag hatte ich ja vorgeschlagen. Da bieten sich die folgenden Donnerstage an: 12., 19. und 26. Mai. Sagt doch mal? Je nachdem, wie viele wir werden, können wir ja mal gucken, wo.
invisible apple cake
vor 2 Tagen
Warum Du das schrecklich findest mit der Exkollegin? Um Himmels willen, das fände doch nun echt jeder schrecklich, oder? Mir wird selbst schon ganz heiß beim Gedanken daran, dass mir das passieren könnte. Und genau deshalb könnte ich auch niemals als Freie arbeiten. Blöde Situation, dass es gerade nicht anders geht für Dich.
AntwortenLöschenGrüße von der Tina, bei der auch immer alles mit in die Kita darf, weil zu dem Zeitpunkt, wenn das Haus verlassen werden muss, kein Nervenfädchen mehr da ist, das über einen weiteren Kampf mit einem Fünfjährigen halten würden
Wenigstens das Trampeln der Kinder wird mit den Jahren leiser, wenn sie nicht mehr immerzu rennen müssen, sondern sich dann gemessenen Schrittes fortbewegen. Dauert allerdings noch ungefähr bis zum Schulanfang. Bis dahin vielleicht Teppiche verlegen? Oder dem Nachbarn Ohrenstöpsel kaufen statt Blumen? (Aber bitte ganz nett rüberbringen, sonst kriegt er das noch in den falschen Hals.)Hat bei der Mutter meiner Kollegin super geholfen, sie hatte immer Schlafprobleme wegen jedem kleinen Geräusch und jetzt hört sie - nix. Allerdings nicht die üblichen Ohropax, sondern weiche aus Schaumstoff. Sind wohl bequemer.
AntwortenLöschenFlora, wie schön wieder von Dir zu lesen!! Und gleichzeitig schade, dass ich diesen Post von Dir "schon" wieder jetzt entdeckt hab, dann dauert es bestimmt wieder bis zum nächsten. :( ;) Ich les Dich einfach am liebsten.
AntwortenLöschenUnd was das "ja" sagen zum in die Kita nehmen angeht, seh ich es wie Du: Da ich so oft "nein" sagen muss, versuche ich es bei Dingen, die nicht wild sind zu vermeiden.
Hat der ältere Herr schon mal was gesagt oder erträgt er es stoisch? ;) Vielleicht hat er auch ein Hörgerät, dass er rausnimmt? :) Bzw. stehen ältere Herren nicht sowieso früh auf?! :)
So symphatisch was Du über Dich in schlecht in Jobdingen schreibst - ich weiß, davon kannst Du Dir nix kaufen. :/
Wirklich seeeehr strange, wie diese alte "Bekannte" (haha) aus der Perso reagiert hat - das würde mich auch verrückt machen.. Was ist da bloß los?! Hast Du noch zu jemanden Kontakt, der sie kennt?
Ich hoffe, Du bekommst bald Aufträge rein und musst ncht länger traurig aus dem Fenster gucken!
Viele Grüße
Nina