Montag, 30. Juni 2014

Prioritäten, Schmioritäten.

Als wir in der neunten Klasse waren, wollte unsere Deutschlehrerin wissen, was wir mit unserem Leben vorhaben. Ich war ehrlich baff über manche Antworten. Ein sehr netter Junge, der ein schlimmes Hautproblem hatte und seine großen Pausen an der Tischtennisplatte verbrachte, sagte: "Ich will nach dem Abitur Medizin studieren und mich dann auf Onkologie spezialisieren, und wenn es klappt, dann würde ich gerne an einer der großen Kliniken in den USA arbeiten." Ein großes, ruhiges Mädchen, das gut in Handball war und in der Pause immer Obstsalat aus der Dose aß, sagte: "Ich wechsele nach der zehnten auf das Wirtschaftsgymnasium in XY, mache mein Fachabi, danach eine kaufmännische Ausbildung in einem holzverarbeitenden Betrieb und steige dann in die Firma meines Onkels ein." Bamm! Einfach so. Mit fünfzehn! Und ich saß da zwischen all diesen angehenden Grundschullehrerinnen, Ärzten und Holzfachdingsbumsen und hatte wirklich nicht die allerleiseste Ahnung, was ich auf so eine wichtige Frage antworten soll. Nicht, dass ich für immer in der neunten Klasse bleiben wollte, ich fand die Schule schrecklich und konnte es kaum abwarten, dass das alles endlich vorbei sein würde. Aber sich für eine Sache zu entscheiden und damit all die anderen tollen Dinge aufgeben, die man außerdem noch machen kann - und das, bevor man auch nur den dicken Zeh in die Welt gestreckt hat - das war wild. Ein bisschen neidisch war ich auch. Mir schwante damals schon, dass ich nie so werden würde, egal ob neunte oder siebenundzwanzigste Klasse. Im Studium dachte ich, das muss toll sein: sich für ein Fach zu entscheiden, und zwar gerne zu entscheiden, mit dem der Weg wirklich vorgegeben ist. Arzt werden zu wollen, wie toll! Oder Richter! Oder Kriminalkommissar! Meine kurze Liebäugelei mit dem Schauspiel hatte vermutlich auch damit zu tun: alles und gleichzeitig gar nichts sein zu dürfen. Ein paar Tage lang ist man Krankenschwester, dann Polizistin, dann Tierpflegerin, dann...

Bis heute ist mein Berufsleben etwas unordentlich, daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Aber es zwickt mich immer noch manchmal, dass meine verschiedenen Ziele so gar nicht an einem Strang ziehen. Wie toll das sein muss, eine Sache unbedingt zu wollen - und die nachgeordneten Bedürfnisse von Platz 2 bis 34 stehen alle bei Fuß und arbeiten in die gleiche Richtung! Ich stelle mir z.B. vor, jemand möchte gerne Kinder. Vielleicht ist es nicht leicht, schwanger zu werden und zu bleiben, aber irgendwann klappt es mit viel Glück. Ziel Nr.1: Haken dran. Und jetzt kommen die anderen Ziele dieser beneidenswerten Person: eine Familie haben, mit einem richtigen Familienleben. Dieser Familie ein schönes, sicheres, behagliches Nest bauen. Vielleicht noch einen Hund anschaffen. Ferien an der See. Freundschaften aufbauen mit anderen Leuten, di auch Kinder und Nester und Hunde haben. Und in der Zeit, die dann noch bleibt, ein familienfreundliches Hobby. Quilten oder Stricken oder Scherenschnitte, hergestellt nach den niedlichsten Fotos der Familienmitglieder. Vielleicht wird aus den Scherenschnitten sogar ein Blog? Und aus den Quilts? Und die Sache verselbständigt sich? Irgendwann hat man internationale Ausstellungen mit seinen Quilts zu Themen wie "Islamismus und die westliche Gesellschaft" oder den Scherenschnitten von Gefängnisinsassen. Aber eigentlich bleibt alles auf dem gleichen Teppich.
Oder ich stelle mir jemand anderen vor, der sich für hundert Dinge interessiert und ständig Hummeln im Hintern hat, was jobliche Veränderungen, Abenteuer rund um die Welt, nächtliche Eskapaden oder Feiern bis der Hahn kräht angeht. Und dieser jemand geht irgendwann in sich und beschließt: Kinder passen da nicht rein. Genau so wenig wie Hunde. (Oder häusliche Hobbies.) Und dann ist das so, und gut. Wie schön das sein muss, seinen Kopf so in Ordnung zu haben!

Und dann gibt es solche wie mich. Ich bin ja schon kaum imstande, mir zu überlegen, ob ich lieber Pizza oder beim Chinamann bestellen will. Geschweige denn die noch wichtigeren Dinge. Dabei ist es nicht so, dass ich hinterher so schrecklich hadern würde mit meinen Entscheidungen. Habe ich dann die Pizza, ist alles gut (es sei denn, die Pizza ist es nicht) und ich trauere dem Teriyaki-Huhn nicht hinterher. Jetzt bin ich in der selten glücklichen Lage, dass entgegen fast jeder Wahrscheinlichkeit Wunsch Nr.1 geklappt hat, und zwar gleich zweimal ("Ab 40 können Sie es eigentlich fast lassen. Und nach sieben Fehlversuchen sage ich den Frauen auch meistens, dass es keinen Sinn mehr hat" - so oder so ähnlich hat der Reproduktionsmediziner beim Expertenchat sich ausgedrückt, und ich dachte zu gleichen Teilen "Soso, mein Lieber, guck mal hier: Ätsch" und "Au Backe, das war knapp".). Aber Wunsch Nr. 2 bis 427 weigern sich zu großen Teilen, sich in die große Choreographie einzufügen, und trampeln kreuz und quer durchs Bühnenbild. Ein paar meiner Wünsche spuren ja. Der Kochfimmel z.B. macht sich gerade sehr nützlich und wird es bestimmt noch mehr tun, falls Huckleberry dabei bleibt, so ziemlich alles zu essen, was ich ihm vorsetze. Und ein bisschen häuslicher bin ich auch geworden, was vielleicht auch daran liegt, dass unsere Großbaustelle langsam menschliche Züge bekommt. Ist das Haus netter zu mir, bin ich auch netter zum Haus. Aber ich muss leider berichten, dass meine Sehnsucht nach Kieznächten, bis andere zur Arbeit fahren, ungebrochen ist. Die Mädchen würden vermutlich den Kopf schütteln, denn die traurige Wahrheit ist, dass ich an den meisten unserer Abende ab zehn nur noch mit offenem Mund und halb geschlossenen Augen in der Ecke hänge und mich gegen halb elf endlich ins Auto und dann nach Hause schwinge. Ja, mein schlafdepriviertes Hirn macht mir einen Strich durch die Rechnung, aber wenn ich könnte, wie ich wollte... auch Laufen würde ich so gerne mal wieder, dass mir regelmäßig Tränen in die Augen schießen, wenn ich andere Frauen durch den Park traben sehe (oder mein iphone sich versehentlich in meine Lauf-Playlist verirrt). Als Ersatz habe ich jetzt einen Fitbit angeschafft, der zählt immerhin meine Schritte, aber bis Kind zwei da ist und der ramponierte Beckenboden mir wieder gehorcht, werde ich spazieren müssen, wo ich früher gerannt bin. Ich weiß, wie glücklich ich sein kann, und ich bin es auch immer wieder, und gerade in den letzten Tagen kann ich manchmal kaum fassen, dass dieser niedliche kleine Pups tatsächlich mein Sohn sein soll, dass ich ihn behalten darf, wenn ich gut auf ihn aufpasse, und dass bald noch ein zweiter dazu kommt. Ich würde ihn für nichts in der Welt wieder hergeben, schon gar nicht für lustige Kneipenabende und das Training für einen Halbmarathon. Ich weiß, dass da draußen viel zu viele sitzen, für die dieser Wunsch Nr.1 nicht in Erfüllung gehen wird, und für die liest sich das hier mit Sicherheit wie blanker Hohn. Ich würde mir nur wünschen, dass ich - egal ob durch eine Art buddhistischer Selbsthypnose oder Hormone, die doch angeblich schon viel schwerere Fälle in den Griff bekommen haben, oder durch Altersmilde, Therapie oder was weiß ich - endlich damit aufhören kann, dieses ständige Jucken nach den anderen Dingen zu haben, die auch mal wichtig waren und eben immer noch sind, egal ob das jetzt im Sinne allgemeinen Erwachsenwerdens, der Demut und Dankbarkeit und der Familienfreundlichkeit ist oder nicht.

Das mit der Holzverarbeitung hat übrigens geklappt, so viel ich weiß. Das mit der Medizin, der Onkologie und den USA dagegen nicht.

Sonntag, 22. Juni 2014

Stegosaurier vs. Glitzereinhörner: 2:0.

Zwei Jungs. Wirklich zwei Jungs. Gewachsen in und geschlüpft aus diesem bleichen, launischen Fusselbauch voller Myome und Endometriose. Wenn mir das jemand vor drei oder zwei Jahren gesagt hätte... wobei: einige von Euch haben das gesagt. Es gab immer wieder welche, die mir geschrieben (oder gesagt) haben, sie hätten das im Gefühl, das würde schon noch, ganz bestimmt. Und dann war ein Teil von mir gerührt über so viel Hoffnung und gute Wünsche für mich und wollte das auch gerne glauben, und ein anderer Teil dachte "Sei bloß still, du vertreibst es sonst noch: die kleine Chance, dass ich vielleicht irgendwann sogar bis Ende vierter Monat schwanger bin statt nur dritter." Und hab mich gar nicht daran zu denken getraut, es könnte vielleicht ja doch noch, aus Angst vor dem, was passiert, wenn nicht.

Zwei Jungs! Zweimal Piratenpflaster, zwei paar dreckige Turnis im Hausflur, zweimal kaputte Fußballknie, zweimal "Bagger!", zweimal "Guck mal, Mama, eine Kröte, wie süß!".

Wobei: genau so war ich auch. Und ich bin ja, wie sich jetzt herausstellt, doch kein Junge.

Zwei Jungs also. Zwei kleine Kerlchen, die sich im Schlaf an der Hand halten, und der Kleine macht dem Großen alles nach, auch die guten Sachen. Zweistimmiges Krakeelen aus dem Kinderzimmer Sonntags morgens um halb sieben, und kurz darauf der Räuber Hotzenplotz in Festival-Lautstärke. Ich komme wirklich und wahrhaftig zu meinem Zelt im Garten, jeden Sommer, so lange die zwei ihrer alten Mutter diesen schrulligen Wunsch erfüllen wollen. Ich sehe Böhnchen auf dem Feuer gekocht zum Abendessen ("Wie Cowboys!" "Ächz. Jaja, Mama."), Schlafsäcke, Taschenlampen, Spukgeschichten, und wer weiß? Vielleicht kommt Lili als Wachhund mit und ringelt sich ans Fußende. Zwei meiner Mädchen haben schon gesagt, ich wäre eindeutig eine Jungsmama, und vermutlich bin ich das. Ich habe wenig Geduld mit Glitzereinhörnern und anderen pinkfarbenen Marketingkniffen, vielleicht kommt es ja daher. Ich weiß jetzt schon, ohne auch nur eine Minute nachzudenken, was die Jungs bis zu ihrem zehnten Geburtstag zu Weihnachten bekommen können. (Würde das jetzt ein Mädchen, hätte es einfach das Gleiche bekommen, das ist die traurige Wahrheit. Ich wäre wohl auch für ein Mädchen eine Jungsmama gewesen, zackbumm.) L. wird auf seine alten Tage noch die Kunst lernen müssen, Baumhäuser zu bauen. Stabile Baumhäuser. (Machen Jungs das heute noch? Oder überhaupt Kinder? So wie wir früher Butzen bauen im Freien, Feuerchen machen und Kartoffeln darin braten, Stöcke schnitzen, sich nachts rausschleichen, um Gespenster zu jagen, Verstecken im Dunkeln spielen und Fußball spielen im Garten, wenn es ganz doof läuft auch in Sandalen, mit dem Apfelbaum und dem Kirschbaum als Tor?). Ich sehe mich schon gerührt am Fenster stehen und L. hinterhergucken, der mit seinen zwei Jungs zum HSV geht (dann vermutlich zum Abstiegsspiel gegen Wattenscheid). Wäre es ein Mädchen geworden, dann hätte ich es nicht gezwungen, sich für Fußball zu interessieren, aber ich hätte doch kleine, nicht sehr subtile Schubser in Richtung Stadion und weg von Eiskunstlauf und der Musical-AG gegeben. Schrecklich wäre das gewesen für mein kleines Mädchen! Alle anderen aus der Klasse hätten den rosa Scout mit Feen oder Prinzessinnen gehabt, nur meine Tochter hätte einen mit Raketen oder Dinosauriern gehabt, nur um ihrer blöden Ollen einen Gefallen zu tun. Und das als Ex-Freak-Kind, das eigentlich genau weiß, wie mies das ist, die einzige zu sein, egal um was es geht. (Vermutlich wäre ich zur Vernunft gekommen und hätte mich an die Leine genommen, aber es hätte mich Anstrengung gekostet, und Kinder kriegen ja angeblich alles mit - die Anstrengung hätte die Kleine gerochen.) Was für ein großes, großes Glück für Würmchen II, ein Junge zu werden. Und was für ein großes, unverhofftes, unerhörtes Glück für uns.

(Schreibt die Blogtante, die noch vor etwas mehr als einem Jahr mit Recht Haue bekam, weil sie tagelang eingeschnappt war, dass Huckleberry kein Mädchen ist. Ihr hattet wieder mal Recht, Recht, Recht: das ist das, was passiert, wenn man schon einen Jungen hat.)

Freitag, 20. Juni 2014

Tadaaaaaa, tatatatatatataaaaaaa!

Ein Junge. Ein ganz gesunder, runder, großer, feiner Junge. Ein kleiner Bruder für Huckleberry, der live dabei war beim Ultraschall und das alles sehr gelassen aufnimmt. Sehr gut! Entspannte große Brüder sind die besten.

Mittwoch, 18. Juni 2014

Außerdem.

Als ich noch frisch und doof in Hamburg war, habe ich erstaunlich lange gebraucht, um den Gebrauch von "Außerdem" hier zu verstehen. Man steht im Laden, kauft irgendwas, und die Verkäuferin sagt "Außerdem." mit Punkt dahinter. Wochenlang dachte ich, die erzählt gerade ihrer Kollegin irgendwas, meine Bestellung hat sie dabei unterbrochen, und jetzt will sie noch etwas ergänzen. Erst nachdem mich viele Verkäuferinnen lange und eindringlich anstarrten, nachdem sie "Außerdem." gesagt hatten und nie eine Anstalten machte, nach dem "Außerdem." noch weiterzusprechen, dämmerte mir langsam, dass "Außerdem." in Hamburg heißt "Darf's sonst noch was sein?"

Heute fehlt mir wieder mal die Energie für einen Post, der sich entweder auf ein Thema konzentriert oder die Themen irgendwie sinnvoll verknüpft. Also wird es ein Außerdem-Post.

Außerdem. Mein Sohn bekommt tatsächlich Zähne. Das heißt, er bekommt sie nicht theoretisch und als Erklärung für nächtliches Gebrüll oder Verstimmung (wie seit Monaten, und dann passiert wieder doch nichts), sondern kleine, scharfe Kanten ragen aus seinem Zahnfleisch. Die unteren beiden Schneidezähne hat er jetzt seit bestimmt zwei Monaten, vielleicht sind es auch vier? Und dann kam einfach nichts mehr. Ich dachte schon, das bleibt so. Und das, wo er so scharf ist auf normales Menschenessen! Man kann in unserem Haus nichts mehr in den Mund stecken, ohne dass er aufgeregt fauchend angekrabbelt kommt und etwas abhaben will. Dabei geben wir uns große Mühe, ihn nicht durch unsere Vorurteile, was Babys mögen und was nicht, um die ganz großen Geschmackserlebnisse zu bringen. Er liebt z.B. alkoholfreies Bier, das während dieser Schwangerschaft bei uns in Strömen fließt. Er liebt außerdem Muscheln, Knoblauch, Chili, Schinken, stinkigen Käse und Kirschen. Vorgestern hat er hingerissen an einem Stück roher Zwiebel gelutscht. Da kommen die neuen Zähnchen gerade richtig. Ich gebe mir Mühe, ihn von Salz, Frittiertem und potentiell Salmonellenverseuchtem fernzuhalten, und Honig darf er auch nicht, aber ich lasse ihn ansonsten machen. Er macht das sehr gut, und im Zweifel ist die Menge ja immer nur winzig - sollte mir jetzt eine eifrige Blogdame erklären, dass Zwiebeln aber gar nicht gut für die Verdauung blablabla, dann kann sie sich das sparen, denn er nimmt davon ein vielleicht zwei Zentimeter langes Stückchen zu sich. Gäste müssen sich erst dran gewöhnen, dass sie auf dem Sofa sitzen und einen Teller auf dem Schoß haben und binnen Sekunden ein kleines rundes Gesicht mit großen blauen Augen über dem Tellerrand auftaucht und kurz danach eine dicke kleine Hand nach ihrem Essen greift.

Außerdem. Leider habe ich nur wenig Begabung für Naturwissenschaften, darum kann ich es nicht selbst machen. Aber kann bitte irgendwer eine Pille erfinden, die wie Sonnencreme wirkt? Ich meine nicht so etwas wie Beta-Carotin, sondern echten Sonnenschutz in LSF 20 bis 50. Jeden Morgen würde ich eine Kapsel schlucken und mir ansonsten keine Gedanken mehr machen. Natürlich wäre der Schutz wasserfest. Inzwischen sind die Sonnencremes zum Glück nicht mehr ganz so klebrig wie noch vor drei Jahren, aber trotzdem finde ich es im Sommer schrecklich, nach einer durchgeschwitzten Nacht endlich frisch geduscht zu sein und dann nach einer halben Minute Sauberkeit und Frische schon wieder diese Schlonze auf mich draufschmieren zu müssen. Ich wäre bereit, für so eine Pille fünf Euro pro Tagesdosis zu zahlen. Ach ja, und Schwangerschaftsverträglich sollte sie auch sein.

Außerdem. Diese Schwangerschaft ist gerade gruselig unspektakulär, alles ist wie unschwanger, nur mit Bauch. Ich habe im Moment weder Kreislauf-Haschmichs noch Launen oder extreme Müdigkeit (die über das hinausgeht, was man erwarten kann, wenn das Baby gerade Zähne kriegt und man sowieso eine Schlafstörung hat). Tritte oder dieses berühmte Flattern von Schmetterlingsflügeln sind auch noch nicht zu bemerken. Freitag ist endlich, endlich der nächste Arzttermin, und ich bin etwas bammelig. Was, wenn der ganze Spuk schon wieder vorbei ist? Zugenommen habe ich bisher knapp vier Kilo (auch wenn es im Spiegel nach wie vor aussieht wie acht), und nächste Woche beginnt der sechste Monat; das ist nicht die Welt, und glaubt mir, am Essen soll es nicht scheitern. Das einzige abgesehen vom Bauch, das mein Körper gerade anders macht als sonst, ist der Pony. Dieser Pony ist allerdings ein Knaller. Anfangs dachte ich, da wachsen Haare nach, die das Baby mir ausgerissen hat. Aber so viele Haare waren es nie, und das Ausreißen hat er längst wieder aufgegeben. Trotzdem sprießt mir am Haaransatz ein ungefähr einen Zentimeter breiter Streifen aus putzigen kleinen Löckchen. Meine Stirn ist jetzt halb so hoch wie vorher. Ich sehe aus wie ein Hobbit. Mit Haarklämmerchen wegstecken geht nicht, Stylingprodukte machen alles nur schlimmer. Das Schlimmste ist, dass man denken könnte, das wäre Absicht und ich würde versuchen, den Look dieser auf Porzellan gemalten Schäferinnen zu imitieren, aber leider erfolglos. Moderne Großstadtdame mit Job und Ideen geht anders.

Außerdem. Die Dame von Merck hat mir geschrieben, dass inzwischen mehrere Videos von unserem Chat-Abenteuer online sind, und mich gebeten, sie hier zu veröffentlichen. Das tue ich jetzt nicht so gerne, denn ich sehe mich selbst nur sehr ungern im Film. (Ich habe es schon als Kind kaum ertragen, meine Stimme auf Cassette zu hören. Also.) Wer es gerne sehen will, kann es googeln: Merck Serono Expertenchat Kinderwunsch, ich bin sicher, so kommt man mit zwei Klicks ans Ziel. Viel Spaß dabei!

Außerdem. Ich habe zwei neue Lieblingsprodukte. Der Eve Lom Reiniger bekommt eine 1. Natürlich ist es ein bisschen unfair, während einer Schwangerschaft ein neues Kosmetikprodukt zu adoptieren und dann darüber zu schreiben, denn am Ende ist die Wirkung der Hormone vermutlich viel schwerwiegender als die Wirkung irgendwelcher Cremes und Seifen, aber ich war lange nicht mehr so angetan von einer neuen Kosmetik. Jeden Abend streiche ich mir eine winzige Menge davon ins Gesicht, lasse heißes Wasser ins Waschbecken, mache das mitgelieferte Musselintuch nass und drücke es mir dreimal für ein paar Sekunden ins Gesicht, dann reibe ich das alles ab und lege das Tuch noch mal kalt auf die Haut. Anschließend Thermalspray und Creme, fertig. Morgens verwende ich gar kein Reinigungsprodukt mehr, sondern nur noch Wasser. Ich finde, meine Rötungen sind viel schwächer geworden, und meine Haut scheint auch sonst sehr einverstanden damit zu sein. Außerdem habe ich zum ersten Mal die Steamcream ausprobiert. Sie soll angeblich von einem Ableger von "Lush" produziert werden, auf die ich nicht besonders stehe, ich halte Kosmetikläden nicht aus, die so penetrant nach Kinderkaugummi riechen. Die Steamcream kommt in einer Dose aus Metall, die immer wieder anders bedruckt wird. Sie ist vegan (nicht, dass mir das jemals wichtig gewesen wäre...), kommt ohne Tierversuche aus (was mir allerdings schon wesentlich wichtiger ist), duftet nach Lavendel und ist irgendwie mit Hilfe von Dampf hergestellt, daher der Name, so dass sie ohne bestimmte Binde-Chemikalien auskommt, die scheinbar in anderen Cremes sind und ohne die alles noch viel toller ist. Wie auch immer. Darüberhinaus kostet sie (im Gegensatz zum Eve Lom Reiniger, der eine echte Investition ist) ungefähr die Hälfte meiner bisherigen Nachtcreme, die von Roche Posay war und damit auch schon kein Luxusprodukt. Man kann sie unter anderem bei amazon bestellen. Ich werde es auf jeden Fall wieder tun, ich mag den Geruch, und sie tut ihren Job wirklich sehr gut: ich hab das Gefühl, meine Haut kriegt alles, was sie braucht, speckt nicht, pickelt nicht und fühlt sich gut an. Nachdem die duften Schwangerschaftshaare aber weiter auf sich warten lassen, bin ich dankbar für jeden Tipp für eine wirklich gute Spülung für trockenes, lockiges Haar. Frizz-Ease, Pantene, Nivea und Balea habe ich durch, meine Haare auch.

Außerdem. L. startet ein neues Ernährungsexperiment, er hat sich ein Buch über vegane Ernährung gekauft, und ich versuche, nicht am Rad zu drehen. Die Anti-Kohlenhydrate-Zeit war eine harte Probe für mich, dass er kein Schweinefleisch mehr isst, habe ich inzwischen ziemlich gut in meine Kocherei eingebaut, und eigentlich lief es gerade gut zwischen L., meinem Herd und mir. Und jetzt das... ächz. Zum Glück habe ich von Anfang an klar gemacht, dass er selbst ran muss, wenn er vegan essen will. Das ist nicht meine Welt und wird es auch niemals sein. In meiner Welt ist Essen und Kochen eine niemals versiegende Quelle von Spaß, Vorfreude, Trost, Abenteuer und Entspannung, und ich werde den Teufel tun, mir irgend etwas davon selbst und ohne Not zu vermiesen. Ich werde berichten.

Außerdem. Freitag erfahre ich nicht nur, ob Würmchen II gesund ist, sondern hoffentlich auch endlich, ob es ein Junge oder Mädchen wird. Und diesmal ist die Ungeduld wirklich reine Neugier. Ich freue mich dämlich über zwei kleine Jungs mit ihren Jungsritualen und ihren Jungsbefindlichkeiten, aber genau so dämlich freue ich mich über einen Jungen und seine kleine Schwester. (Wenn es eins gibt, was ich fast noch niedlicher und rührender finde als kleine Jungs, dann sind es kleine Mädchen, die ein bisschen wie kleine Jungs sind. Die Sorte Mädchen mit Gummistiefeln, die gerne Frösche fangen und auf Bäume klettern.) Ich finde, langsam wird es Zeit, dass wir erfahren, was es wird. Mein Bauch kommt schon eine halbe Sekunde vor mir ins Zimmer, jetzt müsste man es doch langsam mal sehen?

Außerdem. Rund um den Expertenchat klang ein paar mal an, ich wäre ja jetzt ein gutes Beispiel dafür, dass es auch nach X Fehlversuchen noch klappen kann. "Dranbleiben lohnt sich, oder? Haha!" Ich weiß nicht. Manchmal lache ich dann mit und murmele irgend etwas Zustimmendes, aber eigentlich sehe ich das eher kritisch. Natürlich hat es bei uns geklappt, und zwar sogar mit Glück demnächst ein zweites Mal. Insofern: ja, für uns hat sich dranbleiben gelohnt. Daraus aber eine allgemeine Verhaltens-Supertipp-Regel zu machen - eher nicht. Es hätte auch nicht klappen können. Wir hatten Glück. Genau so gut hätten wir Pech haben können. Wir sind auch deshalb dran geblieben, weil für uns dranbleiben verhältnismäßig leicht war. Ich hatte immer wenig Nebenwirkungen, weniger jedenfalls als viele andere, und habe unter den Behandlungen auch deshalb weniger gelitten. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die IVFs unsere Beziehung an ihre äußersten Grenzen führen. Und - ganz schnöde, aber darum nicht unwichtig - wir konnten es bezahlen, ohne uns komplett zu ruinieren.

Was mich zum letzten Außerdem für heute bringt: Außerdem. Beim Chat hatte ich zum ersten Mal ernsthaft Kontakt mit dem Themenfeld "finanzielle Unterstützung für IVF-Patienten, die über das hinausgeht, was die Krankenkassen zu bieten bereit sind." Auf das Thema war ich gespannt, ich dachte sogar schon - ist ja spannend und toll, am Ende werden Paare, die es sich wirklich nicht leisten können, staatlich so weit unterstützt, dass es dann eben doch geht? Denn es kann ja nicht sein, dass die Erfüllung des Kinderwunsches wirklich am Gehalt scheitert? Was ich erfahren habe, war dann relativ ernüchternd: so viel passiert da nicht. Einen kleinen Teil des Eigenanteils übernimmt der Staat unter Umständen, dann ist Schluss. Und ich frage mich: wieso gibt es dafür noch keine Stiftung? Eine Stiftung, die Geld sammelt, um wirklich armen, ungewollt kinderlosen Paaren unter die Arme zu greifen? Meinetwegen auch gebunden an eindeutige Diagnosen und individuelle Erfolgsprognosen und was weiß ich was, aber das wäre doch toll? Man könnte außerdem übrig gebliebene Medikamente sammeln und dort einsetzen, wo sie gebraucht werden, man könnte Ärzte einbinden, man könnte eine Menge tun gegen den Ruf von Reproduktionsmedizin, eine Krücke für alternde, reiche Karriereziegen zu sein, und man könnte vielleicht am Ende stolz darauf sein, jedes Jahr ein bisschen was dazu beigetragen zu haben, dass ein paar glückliche Eltern ihr Wunschkind in den Armen halten. Wenn das nichts ist? Oder gibt es das schon? Dann, wie einer meiner Chefs sagt, lege ich mich auch wieder hin.

Freitag, 6. Juni 2014

Einige Überlegungen dazu, wieso Abkürzungen so beargwöhnt werden - sogar von Büchnerpreisträgerinnen.

Jetzt aber doch noch mal. Nicht direkt zu Sibylle Lewitscharoff, sondern dazu, dass mich ihre Rede weniger geschockt und aufgebracht hat, als man meinen sollte. Nein, nicht weil ich etwa einverstanden wäre. Sondern weil ich mir schon eine ganze Weile denke, dass ein ziemlich großer Teil unserer Mitbürger das auch so sieht. Die finden Reproduktionsmedizin irgendwie… eklig. Oder gruselig. Oder beides. Insofern haut es mich nicht aus den Schuhen, dass nun auch eine preisgekrönte Autorin dieser Meinung ist. Ich frage mich nur wieder mal, wieso denken wohl so viele so, ob heimlich oder offen?

Folgende Erklärungsmöglichkeiten sind mir eingefallen, wie immer in zufälliger Reihenfolge:

1. Unfruchtbarkeit ist nicht schön, die schreibt man sicherheitshalber lieber anderen zu und schiebt sie damit ganz weit weg, bevor man noch Angst haben muss, dass es einen irgendwann mal selbst trifft. Will heißen: bin ich noch in dem Alter, in dem ich Kinder bekommen könnte (wenn ich es versuche und Gelegenheit habe), dann ist das ein ganz einfacher Schutzmechanismus: mir einfach zu denken, dass Menschen in Abkürzungsbehandlung ganz anders sind als ich. Älter, ungesünder, dicker, verkrampfter, reicher, karrieregeiler, egoistischer, was weiß ich. Und im Zweifel selbst Schuld an ihrer Misere.

2. Menschen, die Anfang 20 ihre Kinder bekommen, haben natürlich ganz großes Glück und würden mit niemandem tauschen. Gleichzeitig haben sie eben manche Dinge nicht, die wir haben - wir, die ihre Kinder viel später bekommen (wenn es noch gut geht und wir sie wirklich bekommen). Oje. Wie sage ich das, ohne alle jungen Eltern gegen mich aufzubringen, die das lesen? Vielleicht hilft es, wieder mal nur von mir auszugehen. Ich habe in aller Seelenruhe studiert, mir dann einen Job gesucht und erst mal viele Jahre lang ziemlich viel gearbeitet. Ich habe in der Stadt gelebt, wie ich das wollte, ich hatte den Job, den ich wollte (auch wenn ich ihn manchmal gehasst habe), ich habe Geld verdient und ausgegeben, wofür ich wollte, ich hatte Urlaube mit Freundinnen und zu zweit, ich habe mehr Zeit in Kneipen und Clubs verbracht, als vernünftig war, ich habe nachts um zwei Pasta gekocht und morgens um sechs eine Runde um den Park gedreht. Nicht, weil ich Kinder gegen mein duftes Großstadtleben abgewogen hätte und mich dann gegen Kinder entschieden, sondern ich hatte eben keine Kinder und infolgedessen dieses Leben. Hätte ich L. mit Ende 20 getroffen, hätte ich vielleicht auch mit 30 mein erstes Kind bekommen, und aus wäre es gewesen mit dem Nachtleben und der Zweizimmeraltbauwohnung in einer flotten Gegend. Ziemlich wahrscheinlich sogar wäre es so gekommen. Tatsache ist aber nun mal, dass mein Liebesleben bis Mitte 30 kaum die Chance auf einen gemeinsamen Kurzurlaub bot, noch viel weniger die Chance auf ein gemeinsames Kind. Und auch, wenn die Kinderwunschzeit oft hart war, war meine kinderlose Zeit eben auch schön. Der richtige Mann und dann eben auch Kinder mit Mitte, Ende 20 wären toll gewesen, aber ich hätte dafür eben auch auf sehr viel von all dem verzichten müssen. Manches kann man nachholen, anderes nicht. Ist Jimmy irgendwann groß genug, können L. und ich auch wieder zu zweit nach New York oder Rom oder sonstwohin. Aber mit Mitte 50 werde ich vermutlich nicht mehr meine Version von Breakdance vor entgeistertem Publikum vorführen, und hätte ich mit Ende 20 ohne Mappe und Berufserfahrung zu einem Arbeitgeber gesagt, ich würde gerne drei Tage die Woche arbeiten und ansonsten bei meinem Kind sein, hätte der mich mit Fußtritten aus der Agentur getrieben. “Ok, ok. Komm zum Punkt.” Mach ich ja! Wenn ich mir vorstelle, ich hätte die Zeit zwischen 25 und 35 mit der Hege und Aufzucht von drei Kindern verbracht, während meine kinderlosen Freundinnen eine Gehaltserhöhung nach der anderen raushandeln und verjuxen, dann würde ich jetzt vielleicht auch denken “das hättest du dir früher überlegen müssen”, wenn eine davon jetzt mit 39 darüber schimpft, wie ungerecht das alles ist und wie teuer mit IVF, und wie schrecklich sie das findet, vielleicht keine Kinder zu bekommen. Dass diese Freundin vielleicht trotz aller Bemühungen mit 21 zuletzt einen familienwilligen Freund hatte oder auch mit Mitte 20 eventuell schon verstopfte Eileiter hatte, würde der Häme keinen Abbruch tun. Bestimmt sehen das nicht alle Abkürzungsgegner so! Aber ich könnte mir vorstellen, bei einigen ist doch eine Portion “Siehste? Da haste den Salat” dabei.

3. Viele wissen vielleicht nicht, wie das genau funktioniert. Nur so kann ich mir dieses ewige “Da werden Kinder im Labor gebastelt” erklären. Dass eine IVF der Natur nur diesen einen kleinen Schritt ersetzt und ein Treffen zwischen Eizelle und Spermien arrangiert, kommt und kommt nicht an. Schon bevor ich auch nur geahnt habe, dass mich das Thema mal persönlich betreffen würde, dachte ich immer: “wie großartig und klug Biologie funktioniert - dass selbst unter solchen widrigen Umständen tatsächlich ein Kind entstehen und wachsen kann, ist unglaublich.” Für mich hat Reproduktionsmedizin dem “Wunder Leben” nie etwas weggenommen, sondern es noch ein bisschen wunderbarer gemacht. Und da sitzen sie und denken zum Teil vielleicht tatsächlich, ein Mann im weißen Kittel würde kleine Menschen mit blauen Augen basteln.

4. Es gibt immer noch jede Menge Betroffene, die niemandem davon erzählen. Als ich beim Online-Chat saß und die Psychologin in der Runde Abkürzungsdamen empfahl, wir sollten es möglichst wenigen Menschen erzählen, dem Arbeitgeber allerdings schon, habe ich geschluckt und zugesehen, dass ich ein paar Minuten später meinen extrem gegenläufigen Senf dazugebe. Ich glaube nicht nur, dass es vielen von uns enorm helfen könnte, wenn unsere Umwelt Bescheid weiß - nicht zuletzt, weil dann vielleicht die ewigen “Naaaa? Wisst ihr nicht, wie’s geht?”-Zoten aufhören würden. Ich glaube aber auch, dass wir in der Öffentlichkeit anders gesehen würden, wenn mehr Leute wüssten, wie viele in ihren Augen stinknormale, nette Paare sich einer Behandlung unterziehen müssen, um Kinder zu bekommen. So aber bleiben wir weiter die Freaks, die, die so ganz anders sind als alle, die wir kennen. Nämlich die irre Olle aus dem Münsteraner Tatort und der Hollywood-Star. Siehe Punkt 1.

5. Die bösen Medien tragen auch ihren Teil dazu bei. Nicht umsonst gab es zur Zeit der Diskussion um Präimplantations-Diagnostik ständig die Verweise auf das Dritte Reich und dieses idiotische Dammbruch-Argument, wer heute nach grausamen Erbkrankheiten sucht, der würde zwangsläufig morgen das Geige spielende Mathegenie züchten. Als würde sofort die innere Handbremse kaputt gehen, wenn man sich einmal auf diesen Pfad begeben hat. Wobei, “nicht umsonst” - ich will gar nicht sagen, dass damit eine bestimmte Agenda verfolgt wurde. Trotzdem bleibt die für mich damals wie heute immer wieder verwirrende Tatsache bestehen, dass auch in den Redaktionen hoch angesehener Zeitungen zu diesem Thema extrem viel gemahnt, befürchtet, geunkt und an den Fakten und der Menschlichkeit vorbei argumentiert wird.

6. “Wer das nicht erlebt hat, kann es nicht verstehen” - das hört man oft zum Thema unerfüllter Kinderwunsch. Ich war früher sehr skeptisch und dachte, das ist eben auch eine extreme Lebenssituation genau wie viele andere - man kann sich das ohne eigene Erfahrung genau so gut oder schlecht vorstellen wie eine schlimme Krankheit mit ungewissem Ausgang oder Arbeitslosigkeit oder den Verlust der Eltern; wer gerade eine Brustkrebs-Diagnose bekommen hat, denkt vermutlich auch, niemand versteht ihn. Inzwischen glaube ich eher, da ist was dran. Zumindest wäre das eine weitere Erklärung. Ich habe schon das Gefühl, Kranke, frisch Verwaiste und Arbeitslose müssen sich weniger erklären, sich weniger schlaue Tipps und weniger Schuldzuweisungen anhören. Aber was schreibe ich dazu? Ich habe es nicht erlebt und kann es mir nicht vorstellen.

7. Reproduktionsmedizin ist noch zu neu, die Leute haben sich einfach noch nicht daran gewöhnt. Ich weiß noch, dass im “Namen der Rose” die Brille von Sean Connery für Aufsehen bis Ablehnung gesorgt hat und als Teufelswerk angesehen wurde. Vielleicht müssen wir ihnen einfach nur ein paar hundert Jahre Zeit geben, dann gibt sich das.

Liebe Abkürzungsdamen, ich bin gespannt, was euch noch dazu einfällt!

Dienstag, 3. Juni 2014

Pfffff.

Gestern habe ich eine Email von einer Journalistin bekommen, die für ein Frauenmagazin arbeitet und wissen wollte, ob ich nicht etwas zu Sibylle Lewitscharoff schreiben wollte, genauer gesagt natürlich zu der Dresdner Rede. Nur für den Fall, dass hier irgend eine Abkürzungsdame sitzt, die nichts von diesem Superdupermedienknaller mitbekommen hat, hier kann man sie nachlesen. Der für uns interessante Teil beginnt im letzten Drittel.
Ich hab kurz drüber nachgedacht und dann geantwortet, dass die Meinung dieser Frau für mich keine Relevanz hat und meine für sie vermutlich auch nicht. Daran, dass extrem viele Menschen, die das Thema Reproduktionsmedizin überhaupt nicht betrifft, dazu trotzdem eine sehr entschiedene Ansicht vertreten (wobei der Wille, sich öffentlich dazu zu äußern, offensichtlich nicht damit einhergeht, sich auch nur eine Viertelstunde in die medizinischen und rechtlichen Hintergründe einzulesen) - vor allem, wenn sie aus der kirchlichen Ecke kommen - haben wir uns inzwischen ja genau so gewöhnt wie an Spritzen und Fruchtbarkeitstipps aus dem Bekanntenkreis. Dass ich das doof finde, ist wohl klar. Dass ich mich ernsthaft frage, wie die dazu kommt und was sie da wohl geritten hat, auch. Aber ich fühle mich ehrlich gesagt dieser Frau viel zu fremd, um irgend etwas Wichtiges dazu beitragen zu können. Wie man ernsthaft der Meinung sein kann, per IVF gezeugte Kinder wären "Halbwesen", ist mir noch rätselhafter als die Tatsache, dass es tatsächlich immer noch Menschen gibt, die etwas dagegen haben, wenn Homosexuelle heiraten. Trotzdem hat sie schon reichlich verdiente Kloppe dafür bekommen, jetzt muss ich nicht auch noch drauftreten. Dazu werde ich also nichts schreiben, tut mir leid. Aber nachdem die Email das Thema bei mir aus den inneren Archiven hervorgeholt hat, habe ich diesen Text aus der Zeit (die seit jeher ein Herz für IVF-Gegner hat) ausgegraben, in dem jemand Sibylle Lewitscharoff in ihrer Berliner Wohnung besucht und mit ihr noch mal über all das redet. Und da sagt sie als Zeichen guten Willens, sie wäre mit Sicherheit freundlich zu einem per IVF gezeugten Kind, genau wie zu der Mutter, sie könnte sich gut vorstellen, mit so jemandem befreundet zu sein! Nett, oder?

Tja, und auch dazu muss ich sagen: Nein Danke, kein Bedarf.