Donnerstag, 27. Dezember 2012

Einerseits Vollstress, andererseits bleierne Müdigkeit und dann noch ein Vater, der alle fünf Minuten meinen Rechner will, um nach dem Wetter zu sehen:

Keine gute Kombination für regelmäßiges weihnachtliches Posting wie gewohnt. Es tut mir leid, aber dieses Jahr ging nicht mehr. Mit ganz neuem Respekt sehe ich meine Mutter, die das jetzt 38 Jahre lang jedes Jahr gemacht hat (und mir auch dieses Jahr geholfen hat, wo sie konnte). Und ich dachte immer, Geschenke kaufen wäre Stress! Aber schön war es trotzdem, und jetzt, wo sie wieder abgefahren sind, ist es merkwürdig still hier im Haus. Woraufhin ich mir gleich eine spektakuläre Erkältung zugelegt habe, um das Vakuum zu füllen.

Liebe Abkürzungsdamen, ich weiß genau, was ich schreiben sollte - aber mit den Jahren verliert es etwas an Schmiss, wenn auch nicht an Ernsthaftigkeit: ich wünsche uns allen, dass das hier für uns mit einem Kind auf dem Arm endet, das den Baum bestaunt und vor lauter Ehrfurcht vor Kerzen und Musik die Windel erst mal mit Oberflächenspannung füllt. Für uns alle. Für jede einzelne: für die, die adoptieren wollen, für die, die gerade in der Warteschleife hängen oder sich täglich zur Abenddämmerung ein Spritzchen setzen, für die, die eigentlich schon aufgegeben haben und die paar Wundertierchen, bei denen es angeblich trotzdem plötzlich wie von alleine klappt, für die, die gerade die Fühler ins Ausland ausstrecken und für die, die vielleicht beschlossen haben, jetzt die weltbeste Tante zu werden. Ich wünsche uns das schon so lange, und trotzdem ist es noch nicht passiert, aber das heißt ja nicht, dass man aufhören muss zu wünschen. (Wäre ich von der Sorte, die ihren Wünsche durch das Anzünden von Kerzen Nachdruck verleiht, dann würden die Kirchen im Umkreis zu den bestbeleuchteten des Landes gehören.) Und bis es so weit ist, hoffe ich sehr, ihr hattet alle rundum schöne Weihnachten.

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Doch warum, warum, warum? Nur für den Kick, für den Augenblick?

Aber manchmal frage ich mich doch, warum man so was so oft zu hören bekommt. Folgende Erklärungen erscheinen mir möglich (außerdem natürlich eine Mischung daraus):

1. Die sind einfach doof.
2. Denen ist das unangenehm und peinlich, unser Kummer und all das. Und damit wir bitte schnell über etwas anderes reden können und die Sonne wieder scheint, sagen sie eben lieber so was wie "wird schon" oder kommen mit irgendeinem Supertipp um die Ecke. Das ist für sie immer noch leichter, als tatsächlich das "Vielleicht bekomme ich keine Kinder, und zwar nie"-Gespräch zu führen.
3. Eigentlich sind die alle gar nicht so schlimm. Wir sind nur eben auf 180, manchmal über Jahre, und es ist fast schon egal, was jemand zu uns sagt, die kotzen uns so oder so an. Unsensible Ärsche, ist doch wahr.
4. Die denken wirklich, dass das alles eine Frage der Einstellung, psychisch bedingt usw. ist. Doch doch, die denken das. Vielleicht ja auch, weil es weniger intellektuellen Aufwand erfordert, zu so ziemlich jedem Problem irgendwas davon zu erzählen, dass "die Psyche da eine große Rolle spielt, klar", als sich tatsächlich mit körperlichen Ursachen und den Mitteln dagegen auseinanderzusetzen. Gegenteilige Fakten werden beiseitegeschoben, und irgend ein Beispiel für Heilung durch Gedankenkraft kann jeder aus dem Hut zaubern.
5. Das ist ihre Vorstellung davon, aufmunternd und freundlich zu sein.
6. Eitelkeit. Die würden sich gerne den Orden dafür an die Brust heften, nach all den Gynäkologen und Endokrinologen der Pfiffikus gewesen zu sein, der die Nuss geknackt hat.
7. Schutz. Die möchten das Problem Unfruchtbarkeit möglichst weit weg von sich haben. Die wollen nicht, dass wir genau so sind wie sie, das würde ja heißen, dass es sie genau so hätte treffen können wie uns. Oder noch treffen könnte! Darum machen wir etwas falsch, muss ja so sein, oder sind am besten gleich charakterlich vollkommen anders gebaut.
8. Ekel. Dieses ganze Unterleibs-Thema ist doch ziemlich igittigitt, schnell weg, und weil man unter zivilisierten Menschen nicht die Hände über die Ohren schlägt und "Lalalalala" schreit, nuscheln sie eben irgendwas Beschwichtigendes.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Vier Jahre Kinderwunschbehandlung: Die Shits.

Der Zyklus, in dem ich in der Apotheke eine re-importierte Packung Menogon bekommen hatte mit Spritzen zum Selberbasteln und Ampullen, die immer erst nicht zu knacken waren und dann mit einem miesen kleinen Geräusch in tausend scharfe Splitter zerbrochen sind, die sich in meine Finger (am liebsten in die Gelenke, wo es richtig, richtig weh tut) bohrten. Ich nenne diesen Zyklus den Splatter-Zyklus. (Noch vor einer Woche habe ich ein Kamera-Objektiv gefunden, das Blut auf der Linse hat. Das war Menogon.)

Die Ausschabung damals nach der Fehlgeburt. Im Wartezimmer vom Kleinkind der assigsten Eltern der Welt angeflirtet zu werden (es hat versucht, auf meinen Schoß zu klettern, während ich versucht habe, bitte bitte nicht auch noch zu heulen.) In der Klinik wieder aufwachen und gebeten werden, bitte an unserer kleinen Umfrage teilzunehmen: waren Sie zufrieden mit unserem Service? Würden Sie sich hier nochmal behandeln lassen? Würden Sie uns weiterempfehlen? Danke für Ihre Kooperation!

Die Hochzeitsreise ein paar Tage nach der Ausschabung. Ich war ein Haufen Matsche in Sommerkleidern. Ich hätte eine Woche zuhause bleiben und mich auf dem Sofa mit Junk Food vollstopfen sollen. Stattdessen bin ich teilnahmslos durch Venedig, Siena, Rom und Perugia gechlurft und war weder fähig, irgend etwas zu entscheiden noch zu genießen. Und das waren verdammte Flitterwochen. Unglücklich zu sein ist eine Sache, aber unglücklich zu sein und dabei die ganze Zeit zu wissen, dass man jetzt gefälligst glücklich zu sein hat, ist übel. Einmal bekamen wir Streit mit einem italienischen Schaffner, ich bin sofort eingeknickt, und L. wurde wütend, dass ich ihm in den Rücken falle. Ich habe zwei Stunden lang geheult. "Und? Wie war die Hochzeitsreise?" "Schön! SCHÖN!"

Die vielen, vielen, vielen, vielen Warteschleifen, in denen ich erst dachte: das wird wieder nichts, aber gleichzeitig eine hormonell besprittete Persönlichkeitsspaltung vollzogen hatte, so dass ich imstande war, mir überhaupt keine Hoffnungen zu machen und gleichzeitig sicher zu sein, dass es genau deshalb jetzt klappt. Ich konnte zum Beispiel mit den Hunden spazieren gehen und plötzlich ein leichtes Kribbeln links unten fühlen und dann denken: Kribbeln-Popibbeln, das hat absolut nichts zu bedeuten, ABsolut nichts, und dann in mich reinzuschmunzeln und mich für einen Moment zu fühlen, als wäre jetzt schon drei Jahreszeiten später, ich hätte mein Kind im Arm und würde an diesen Moment denken und könnte wahrheitsgemäß sagen, ich hätte es da schon gewusst. Und dann der Test, wieder negativ, oder zwei Stunden später meine Tage, so ein Pech, und dann fühlt man sich wie der größte, naivste, peinlichste und armseligste Vollidiot der Welt.

Die unfassbar vielen Menschen, die einen kaum kennen und trotzdem fragen, ob man schwanger ist. Wenn man es so dermaßen hartnäckig und verfickt noch mal nicht ist. Fehlt nur noch, dass sie einem dazu ins Kinn kneifen.

Seinen Rechner aufklappen, den Code eingeben und 1.873 Euro überweisen. Schon wieder. Für nichts. Für ein Tütchen Medizinmüll und eine Großpackung Camelia supersupersaugstark.

"Eine Freundin von mir hat irgendwann aufgehört und dann einfach so zwei Kinder bekommen."

"Ich hab einen ganz tollen Homöopathen, ich geb dir mal die Nummer, das ist doch Irrsinn mit diesen Hormonen und OPs, ein Kind zu kriegen ist doch die natürlichste Sache der Welt, gell?"

"Ist ja kein Wunder, dass du noch nicht schwanger bist, mit diesen ganzen Spritzen und OPs und Medikamenten kann das ja nichts werden."

"Ich WEISS, was dir fehlt: Chlamydien! Die machen wir weg, meine Homöopathin und ich, und dann wirst du SCHWANGER!!!"

"Also ehrlich gesagt würde ich mal drüber nachdenken, einfach das Rauchen aufzugeben? Hm?" (Das mir. Wo ich im Monat im Schnitt auf eine, höchsten zwei Schachteln komme.)

Einer Journalistin ein total nettes und entspanntes Interview geben und hinterher in der Zeitung lesen, es wäre für mich der pure Hass, an einem Spielplatz vorbeizulaufen.

"Für uns ist das alles einigermaßen entspannt. Wir haben ja noch zwei andere Chancen auf Enkelkinder."

Sonntag, 9. Dezember 2012

Neues aus Schlumpfhausen

Vor drei Tagen hat L. eine Gästematratze vom Dachboden ins Wohnzimmer geschleift, "nur für eine Nacht". Sie liegt jetzt in dem Viereck, das von den zwei ollen Chesterfield-Sofas und einem Sessel gebildet wird. Die Möbel bilden so eine Art Hagenbeck-Gehege für die Hunde, die von der Sofalehne aus abwechselnd uns und das Geschehen das draußen im Schnee überwachen, und wir liegen hier eingemummelt in verschiedene Decken und Kissen, haben ein Feuerchen und Kerzen und Kekse und Kartoffelsalat und überhaupt und haben gerade erfahren, dass meine Schwiegermutter doch nicht zum Mittagessen kommt, so dass das ganze fabelhafte Arrangement noch ein bisschen länger bestehen bleiben kann. Wie faul kann man sein? Ziemlich faul.
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber ich habe erste zwei Sorten Plätzchen gebacken. Die bisher einzige Weihnachtsdeko ist ein Adventskranz (den L. besorgt hat) und die alte Weihnachtspyramide meiner Oma (die ich nur aus dem Keller holen musste). Ich weiß immer noch nicht, was ich Heiligabend für meine von weither angereiste Familie kochen soll, geschweige denn, dass ich irgendwelches Wild oder Vögel vorbestellt hätte. Im Garten wartet noch keine Weihnachtsbaum, und ich habe noch kein einziges Geschenk gekauft. Noch nicht mal die höchstens-fünf-Euro-Geschenke für die Mädchen! Nichts! Und statt fieberhaft das Netz zu durchforsten, liege ich hier bei der zweiten Tasse Tee und poste darüber, wie tatenlos ich bin. Geduscht habe ich auch noch nicht, und oben stapelt sich die Wäsche. Je nachdem, ob L. sich bereit erklärt, auch den zweiten Hundegang zu übernehmen, werde ich diesen Tag komplett im Schlafanzug verbringen, und vielleicht gegen Nachmittag mal Deo nachlegen. Fühlt ihr euch jetzt besser? Gern geschehen.

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Kinderwunschpaare gesucht

Liebe Abkürzungsdamen, vor einer Weile hatte ich euch schon mal gefragt, wer Lust hat, für ein Dossier zum Thema unerfüllter Kinderwunsch interviewt zu werden, daraufhin haben sich überwältigend viele Damen per Email gemeldet, ich hab die Beute an die Journalistin weitergeleitet, und sie ist sich mit einer Dame jetzt einig geworden, deren Geschichte wie maßgeschneidert passte. Allen anderen Damen soll ich vielen lieben Dank ausrichten. Wann genau die Geschichte erscheint, weiß ich noch nicht, aber ich hoffe, sie sagt mir Bescheid und ich kann euch dann rechtzeitig Bescheid sagen.

Und jetzt schon wieder. Eine ANDERE Journalistin sucht diesmal Kinderwunschpaare, die noch mittendrin stecken in ihrer Behandlung, und die bereit wären, sich vor laufender Kamera mit ihr zu unterhalten. Gesendet wird der Beitrag dann letzten Endes im NDR. Für alle, die schon als Kinder schreiend die Hände über die Ohren geschlagen haben und aus dem Zimmer gerannt sind, wenn sie ihre eigene Stimme auf Cassette gehört haben, ist das natürlich eine echte Herausforderung, aber wer soll besser mit Herausforderungen fertig werden als eine Bande von Frauen, die sich selbst SPRITZEN in den BAUCH geben?!?
Ich würde mich freuen, wenn sich auch diesmal die eine oder andere Dame fände, schließlich geht es um die gute Sache der zur Abwechslung mal nicht von Sensationsgier und Doofheit motivierten, objektiven und wahrheitsgetreuen Berichterstattung zum Thema Kinderwunsch. Zu diesem Zweck hab ich die Emailadresse noch ein bisschen länger bestehen lassen: flora.albarelli@yahoo.com.

Und dann verspreche ich auch, mindestens bis Weihnachten nicht nochmal für Journalisten mitzuschnacken.



Samstag, 1. Dezember 2012

Wünsch Dir was

Vor ein paar Tagen habe ich mit einer sehr netten Journalistin telefoniert, die im Frühjahr eine Sendung über Kinderwunschbehandlungen machen will. Sie wollte wissen, was ich mir von so einer Sendung wünschen würde. In dem Moment war ich gerade kurz davor, das Haus zu einem ziemlich kniffligen Arzttermin zu verlassen, und auf so eine Frage nicht vorbereitet. Trotzdem fallen mir aus dem Stand ein paar Dinge ein, die mir wichtig, sogar ziemlich wichtig wären.

1. Es wäre mir wichtig, dass wir Abkürzungsdamen nicht als blödes Klischee dargestellt werden. Weder als depressive, vom Schicksal zermürbte Trauerklöße, die nur noch am Fenster sitzen und in den Regen starren. Noch als verbissene, grenzwertig schon übergeschnappte Biester, die den Kontakt zu schwangeren Freundinnen abbrechen und ihren Hunden plötzlich rosa Pullöverchen anziehen.

2. Wir sind nicht reich. Wir kaufen uns keine Kinder. Wir betrachten Kinder nicht als das letzte noch fehlende Luxus-Accessoire in unserem vor Luxus sowieso schon aus allen Nähten platzenden Leben.

3. Wir sind nicht selbst Schuld. Wir haben nicht irgendwann beschlossen, uns bis 39 ausschließlich unserer "Karriere" zu widmen oder jede Nacht auf die Dacke zu gehen. Es sollte überhaupt in keiner Form irgendwie durchschmecken, Schuld wäre der Feminismus oder diese neumodische Schrulle, Frauen sollten auch eine Ausbildung bekommen oder einen interessanten Beruf. Ich kriege Pickel, wenn ich das noch einmal höre.

4. Wenn wir schon dabei sind: berufliche Ziele und Entscheidungen sind nicht der einzige Grund, warum man mit 25 noch keine Kinder kriegt. Mir fallen aus dem Steggreif zig andere Gründe ein. Z.B. der, dass man gerade keinen Freund hat. Oder einen Freund, mit dem normales 25jährigen-Leben schon schwer und kompliziert genug ist und mit dem man auf keinen Fall eine Familie will. Oder einen Freund, mit dem man zwar sehr glücklich ist, der aber keine Lust hat, mit Mitte 20 Vater zu werden. Oder der ziemlich wichtige Grund, dass man so schon nicht weiß, wie man die Miete zahlen soll. Jobs sind ja nicht nur Selbstverwirklichungsluxus, sondern einige von uns - Schockschwerenot! - sind darauf angewiesen, Geld zu verdienen. Nicht nur Kinderwunschbehandlungen kosten Geld, Kinder auch.

5. Es sollte in dieser Sendung klar zum Ausdruck kommen, dass es nicht immer an den Frauen liegt und dass Alter nicht der einzige Faktor ist, der über die Fruchtbarkeit entscheidet.

6. Es wäre schön, wenn diese Sendung auskäme ohne das Klischee, wir müssten uns entspannen und loslassen. Ohne das berühmte Paar, das irgendwann aufhört mit den Behandlungen und dann schwanger wird, als wären all die Spritzen und OPs und Warteschleifen vorher so unnötiger Kokolores gewesen wie eine Dauerwelle, die man sich besser gleich gespart hätte.

7. Ich wäre überglücklich, wenn man mal nicht den Eindruck bekäme, der Unterschied zwischen fruchtbar und unfruchtbar wäre vor allem ein Charakterlicher.

Und ihr? Was wäre euch wichtig? Worüber würdet ihr euch freuen?