Montag, 28. Februar 2011

Panzerkreuzer Butterblume

Heute Mittag, so gegen 15:00 Uhr, hat sich diese IVF in Bewegung gesetzt und steuert nun un-ab-wend-bar auf ihr großes Ziel zu, das Land rosigen Babyglücks. Denn um 15:00 habe ich ein kleines gelbliches Pillchen namens irgendwas mit vielen Ys und Gyn und sonstwas (gucke ich nachher in meiner Handtasche nach, wo sich die Schachtel jetzt befindet, aber gerade bin ich aufgeregt, und das Ganze aufzuschreiben ist zu dringlich, ich kann jetzt also gerade wirklich nicht kurz in den Ostflügel rennen zu meiner Handtasche... uff, Luft holen) geschluckt. (Falls sich jetzt manche nach dem Wortschwall nicht erinnern: das "geschluckt" bezieht sich auf das kleine gelbe Pillchen.) Nachher vor dem Einschlafen schlucke ich das zweite. Morgen wird wieder ein Doppelpillentag. Die Pillen sollen einen Eisprung verhindern und auf später vertrösten, auf viel später. Ab dann nehme ich jeden Tag eine Pille. (Mit "Pille" ist hier "die Pille" gemeint.) Diesen Freitag werde ich mir eine schon fix und fertig besorgte Enantone-Spritze in den Bauch spritzen, wenn ich richtig mitgerechnet habe, diesmal wieder in die rechte Seite neben meinem von der OP immer noch knallgelbblauen Bauchnabel. Und drei Wochen danach folgt die erste Gonal, so dass noch mal so ungefähr elf Tage später die Follikelpunktion ansteht. Und drei Tage danach lernen wir uns dann kennen, die kleinen Butterblumen und ich.

Was gibt es sonst noch zu erzählen? Zwei meiner Mädchen machen mich gerade sehr, sehr stolz, weil sie sich gerade mutterseelenallein auf unbekanntes Gelände vorwagen. Jeden Tag, wenn ich nach Hause komme, hat L. irgend einen anderen Schrott in meinem gerade frisch eingerichteten und makellosen Arbeitszimmer abgeladen. (Heute: ein kaputter Ventilator, ein Karton mit Stiften, ein Stapel Platten. Nichts davon gehört mir, und nichts davon gehört hier hin.) Und ich habe heute wieder mal festgestellt, dass ich offensichtlich der einzige unter seinen sämtlichen Kollegen bin, der meinen alten Chef ganz gern mochte und sich aufrichtig freute, ihn zu sehen.

Sonntag, 27. Februar 2011

Häschenbordüre von Innen

In unserem Gesellschaftskunde-Buch in der Schule gab es immer diese Fotos, auf denen "eine deutsche Familie" (Also selbstverständlich Vater, Mutter, zwei Kinder, von jeder Sorte eins) vor einem Tisch fotografiert war, auf dem sich das stapelte, was sie in einem Jahr essen. Abgesehen davon, dass mich ein großer Teil dieses Essens nicht besonders anlachte (Haferflocken? Kondensmilch? Würstchen aus der Dose? Eingemachte Erdbeeren?), ist die Vorstellung in irgend einem Winkel meines Fusselhirns klebengeblieben und meldet sich bis heute dann und wann zu Wort. Zum Beispiel dann, wenn ich nach langer Zeit mal wieder an einem lustigen Abend sechs Zigaretten geraucht habe und es mir deshalb am nächsten Tag dreckig geht. Dann erscheint vor meinem müden inneren Auge unweigerlich ein Bild, auf dem man ein deutsches Fusselhirn vor allen Zigaretten sieht, die es in seinem Leben bisher geraucht hat. Oder wenn ich ich mich wieder mal aus Spaß und reiner, unverfälschter Gier so vollgefressen habe, dass ich mich kaum noch rühren kann, und mir einen sich biegenden Tisch vorstelle, auf dem das Essen steht, das ich innerhalb einer Woche so zu mir nehme. Es ist erschütternd. Dieser Tage wird die Vorstellung noch verschärft dadurch, dass sich auf meinem imaginären Tisch nicht nur Fluppen und eine warme Mahlzeit, sondern sämtliche Fluppen, unseriösen Getränke, ungesundes Essen und Medikamente einschließlich Vollnarkosen zu einem ekligen Haufen türmen. Das ist wirklich wiederlich, und wenn ich mir das so vorstelle, dann wundere ich mich, dass es tatsächlich noch Tage gibt, an denen ich morgens aufstehe und mich (zumindest jetzt, nach Enantone) eigentlich ganz frisch und wohl fühle. Ziemlich häufig fühle ich mich aber anders: müde, angeschlagen, träge, krank und wie unverdient dauerverkatert. Wäre ich eine österreichische Kaiserin, würde ich für ein paar Monate nach Madeira fahren. Bin ich aber nicht. Und deshalb träume ich in letzter Zeit immer häufiger davon, mal wieder eine Woche zu fasten. Das wäre nicht das erste Mal, sondern das fünfte. Zwei mal ging es gut, ich hatte eine tolle Woche, in der ich endlich mal wieder klar denken konnte, monatelang vier-fünf Kilo abgenommen hatte und mich hinterher genau so gefühlt habe, wie es das Fastenbuch versprochen hatte: ich war wieder sauber. Keine Kopfschmerzen mehr, viel seltener Migräne, keine Rückenschmerzen, keine Wehwehchen, und das Essen schmeckte auf einmal fabelhaft. Ein Äpfelchen oder eine geriebene Möhre waren schon eine echte Mahlzeit, und ich hatte überhaupt keine Lust mehr auf hellen Toast, Mayo, Fritten und... uaaaah... langweilt ihr euch auch so wie ich? Ja, aus der Perspektive von heute klingt dieses Gesundheitsstreberleben natürlich schlimm, aber ich schwöre, es war toll! Irgendwann ging das dann auch mit den Fritten wieder los, aber selbst das war toll, denn auf einmal waren das die leckersten Fritten, die ich je gegessen hatte, und nach ca. fünfzehn davon war es genug, ich hab die halb volle Schale stehen lassen, bin pfeifend davonspaziert und hab nicht zurückgeschaut. (Jaja, natürlich hab ich sie vorher in den Müll geworfen, liebe Blogpolizei.) Ich weiß noch, beim ersten Mal fasten hatte ich mir eine Woche freigenommen, es war im März, und plötzlich lagen überall zwanzig Zentimeter Schnee, es wurde klirrekalt und ganz sonnig, und eine Woche lang bin ich auf wackligen Fastenknien durch diese Wunderwelt spaziert und habe mich kurz vor religiös gefühlt.

Gut, zwei mal war es auch schrecklich. Ich habe die fünf Fastentage nicht durchgehalten, und vor dem Aufgeben war ich tagelang fast wahnsinnig vor Schwäche und Kopfschmerzen, und keins der Wundermittel aus dem Fastenbuch wollte helfen. Aber da habe ich auch gearbeitet, und es war wie ein schlechter Scherz: alle zwei Minuten hat einer meiner Kollegen mir Kuchen unter die Nase gehalten, oder eine Mail ploppte auf, dass wir uns heute kurz vor Feierabend bitte zu einer Runde Prosecco und Snacks irgendwo versammeln sollen, um irgend einen Mist zu feiern. Und wenn ich gerade mal nichts essen sollte, dann sollte ich mich mit Aufgaben beschäftigen, die alle mit Schokolade, Keksen oder Würstchen zu tun hatten. Aber diese beiden Male waren mir eine Lehre, und diesmal würde ich nicht arbeiten gehen, sondern würde mir eine Woche im Kalender freischaufeln und nur machen, wozu ich imstande bin und wozu ich Lust habe.

Ich träume davon, dass meine Hosen nicht mehr zwicken, dass die Hormonpickelchen verschwinden, dass ich mich nicht mehr so vergiftet fühle, dass ich meine Liebe zu Vollkornbrot und Äpfeln wiederentdecke, dass ich wieder mit weniger als einem Kilo Essen glücklich bin, und dass ich nicht mehr zwanghaft in jede Schale M&Ms greifen muss, die irgendwer in der Agentur aufstellt. Ich freu mich drauf, wieder zu merken, wann ich Hunger habe und worauf.

Gut. Dieses Wochenende ist so gut wie vorbei und war viel zu anstrengend: ich hab den Schreibtisch knallvoll und muss bis heute Abend auf zwei Jobs abliefern. Außerdem ist Dienstag eine Präsentation, freinehmen wäre nicht gegangen. Und nächstes Wochenende bin ich mit L. in Franken unterwegs, mein innerer Tisch biegt sich gerade unter Knödeln und Schweinsbraten. Ich weiß nicht, ob es jemals ein Franke geschafft hat, aber ich könnte in Franken nicht fasten. Aber das Wochenende danach? Das zweite im März? Ich würde bis Mittwoch arbeiten, Mittwoch Entlastungstag mit ein bisschen Rohkost, ohne Kaffee, Tee und Fleisch, und Donnerstag würde es losgehen. Und wenn ich mir dann die erste Gonal in den Bauch spritze, dann weiß ich: es ist ein sauberer Bauch. Das Kinderzimmer ist tapeziert, liebevoll eingerichtet und blitzeblank.

Freitag, 25. Februar 2011

Der Hormonzirkus ist zwar noch nicht da, aber in der Fußgängerzone hängen schon die ersten Plakate

Heute war L. zum ersten Mal mit in der neuen Klinik. Und das beim ca. sechsten Besuch! Aber wirklich neu ist das alles für ihn ja nicht, außerdem war ich bisher emotional nicht besonders aufgewühlt bei meinen Besuchen, brauchte also auch keine starke Schulter, und wirklich zu tun gab es für ihn da auch nichts. Heute fand ich aber, es ist höchste Zeit, dass er meine Ärztin mal kennenlernt und sie ihn, schon allein, um sicher zu sein, dass es ihn wirklich gibt und er nicht ein schillerndes Geschöpf meiner Phantasie ist.
Das schillernde Geschöpf meiner Phantasie und ich saßen also heute zum ersten Mal Seite an Seite vor der netten Ärztin, ich ein bisschen nervös, denn das C-Wort und die ganze traurige Geschichte, die damit zusammenhängt, haben mir heute Nacht ganz schön die Träume vergiftet. Zum Glück fegte sie das Wort, die Geschichte und meine üblen Träume einfach vom Tisch, indem sie sagte: "Das ist Blödsinn. Kompletter Blödsinn. Diese Endometrioseverwachsungen können ganz unterschiedlich aussehen, und ja, an Chlamydien darf man dabei als Operateur auch mal denken, aber bei Ihnen nicht. Sie - haben - keine - Chlamydien."

Na bitte. Damit zur Frage, wie es weitergehen soll. Sie sagte, wir dürften auch ruhig noch mal ein halbes Jahr nach Hause gehen und es alleine versuchen. Aber das wollte ich nicht. Nicht, weil ich so wahnsinnig scharf darauf bin, mein Leben sechs Wochen lang von Spritzen und Tabellen lenken zu lassen, sondern aus wohldurchdachten, erwachsenen 1a Gründen.
Nämlich:
1. Innerhalb weniger Monate ist einer meiner Eileiter wieder zugegangen. Was, wenn der andere ihm das jetzt heimlich nachmacht? Bis zur nächsten Bauchspiegelung hätten wir keine Chance, zu erfahren, was genau da unten vor sich geht, und würden es immer weiter probieren... und probieren... und probieren.
2. Die Endometriose, Myome und anderen Verwachsungen scheinen ziemlich fix zu sein in meinem Bauch, egal, wie wir dagegen anspritzen. Ich bin mir nicht sicher, ob mir ein halbes Jahr bleibt, bis alles wieder zugewachsen ist und die nächste OP anstehen würde. Und ich glaube, dank dieser Schling- und Würge-Gewächse sind meine Chancen in freier Wildbahn sowieso schon nicht besonders gut.
3. Im Zweifel kriege ich eher sechs Wochen hin, bei denen ich mich nach drei Fixpunkten - Ultraschall, Punktion und Rückübertragung, richten muss als sechs Monate, in denen wie durch Zauberhand immer entweder L. und ich zum entscheidenden Zeitpunkt an zwei verschiedenen Orten sind oder der entscheidende Zeitpunkt sich trotz perfekter Planung dauernd verschiebt.
4. Ich kenne das schon, ich hatte schon zwei IVFs, und ich fand, das lässt sich aushalten. Das jetzt noch mal zu machen und dadurch die Chance zu erhöhen, innerhalb von wenigen Zyklen schwanger zu sein, klingt wie etwas, das ich hinkriege. Und L. sagt, er kriegt das auch hin.
5. Aus irgend einem Grund traue ich meiner fabelhaften neuen Ärztin zu, dass sie das noch besser kann als meine alten Ärzte. Die soll das ruhig auch mal versuchen dürfen.

Heute habe ich also noch mal Blut dagelassen und mir ein Enantone-Rezept abgeholt. Am Montag rufe ich an, und falls der Enantone-Vorrat der letzten Monate inzwischen von meinem Stoffwechsel aufgeknuspert sein sollte, gebe ich mir Montag noch einmal eine Spritze. Die soll Synarela ersetzen. Das wird Phase 1. Und nach ca. drei Wochen fangen wir dann an, zu stimulieren. Das wird Phase zwei. Und zwischendurch soll ich einmal monatlich zur Osteopathin gehen und mich mit meinem Chinamann besprechen, ab wann er wieder ran soll.

Wieder mal habe ich eine lange, lange Wartezeit hinter mich gebracht, ohne es überhaupt zu bemerken. Die letzte Behandlung war nur eine Rückübertragung und fand vor ziemlich genau einem Jahr (glaube ich) statt. Jetzt sind es plötzlich nur noch etwas mehr als drei Wochen bis zur nächsten Gonal. Eieiei! Die letzte von denen hatte ich wohl im Juni 2009? In einem Sommer vor langer, langer Zeit... vor der Selbständigkeit, vor dem Umzug, vor Lili, vor der Fehlgeburt, vor der kirchlichen Hochzeit - Gonal war ewig nicht mehr da. Das ist ja fast so wie die Wiedereinführung von Brauner Bär!

Haltet mich für bekloppt, aber ich freue mich auf den Hormonzirkus. Ich will endlich mal wieder rauf auf dieses geistesgestörte Pony mit den rosa Federn auf dem Kopf.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Sie hat das C-Wort geschrieben, sie hat das C-Wort geschrieben

Es gibt nicht mehr viele Gelegenheiten, zu denen man ein Fax bekommt oder verschickt. Ich hab heute beides gemacht. Meine Klinik rief an, denn morgen habe ich den Nachsorge-Termin, bei dem außerdem besprochen werden soll, wie es weitergeht mit mir und der Unbegabtenförderung für meine Eizellen. Das geht aber nicht ohne den OP-Bericht von meiner letzten Bauchspiegelung, der bisher dort nicht eingetroffen war. Also habe ich im Krankenhaus angerufen und darum gebeten, mir den Bericht zu faxen. Komischerweise fühlt es sich immer noch viel mehr wie ein Wunder der Technik an, wenn Sekunden später das Papier aus meinem Drucker quillt, als wenn ich einen interaktiven Film, der auf meine Stimme reagiert, per Email bekomme. Das Papier quoll, und ich dachte, bevor ich das weiterfaxe an meine Kinderwunschklinik, gucken kann ich ja schon mal.

Rarara, Desinfektion der Bauchdecke, Einführung von diversen Dingens, rarara, Eröffnung und Entfernung verschiedener Fremdworte, und dann: wieder Verwachsungen zwischen Uterus und anderen Teilen, dringende Empfehlung für ein... warte mal... wie bitte? ein Chlamydienscreening.

Das C-Wort, da war es wieder. Chlamydien. Diese fiese Angelegenheit, auf die ich schon beim Eintritt in beide Kliniken getestet worden war, ohne dass irgend ein Test ausgeschlagen hätte. Aber noch viel wichtiger: diese fiese Angelegenheit, wegen der ich vor anderthalb Jahren einer Freundin mit dem Arsch ins Gesicht gesprungen bin bzw. L. das stellvertretend übernommen hat, weil ich mich immer noch bleich und verstört in eine Ecke des Zimmers drückte, als sie das nächste mal anrief. Sie war extrem alternativmedizinbewegt und hatte zusammen mit ihrer Heilpraktikerin per Ferndiagnose festgestellt, dass ich mit Sicherheit Chlamydien hätte. Und dann machte irgendwas plopp in meinem Kopf, und es kam zu einer Kettenreaktion unguter Assoziationen und Gefühle, und das Ende vom Lied war die Sache mit dem Arsch und dem Gesicht. Es war schrecklich. Wir haben seitdem nie wieder gesprochen. Und was tue ich nun? Springe ich meinem Fax mit dem Arsch ins Gesicht oder warte ich erst mal ab? Ich warte wohl erst mal ab.

Aufregender Termin wird das morgen. Sehr, sehr aufregend.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Flora Klickerklacker meldet sich zum Dienst.

Folsäure ist zurück. Die Bald-Baby-Rassel rasselt in meiner Tasche.

Ich weiß, ich bin spät dran. Eigentlich sollte man schon drei Monate, bevor man überhaupt darüber nachdenkt, schwanger zu werden....

Aber eigentlich sollte man auch schon im Herbst Weihnachtsgeschenke kaufen, ab Februar den Garten in Angriff nehmen, seine Kontoauszüge abheften und imstande sein, mit einem Lippenstift für tagsüber, einem für abends und einem für die frühen Morgenstunden auszukommen.

Und wie immer, wenn ich eine neue Dose Folsäure kaufe, hoffe ich, dass ich an dem Tag, an dem ich nur noch eine letzte Klickerklackerpille in der Dose übrig habe, eine Apotheke betreten werde und zu der Apothekerin sage, dass ich gerne eine Dose Folsäure ohne f hätte, denn jetzt wäre ich schon so gut wie im dritten Monat.
Wird das geschehen? Wir wissen es nicht. Ich weiß aber, dass ich heute den dämlichen Online-Wahrscheinlichkeits-IVF-Test so oft gemacht habe, bis ich ihn so weit getrickst hatte, die Chancen auf 28% raufzusetzen. Was denn! Ein Mädchen wird doch noch hoffen dürfen!

Freitag, 18. Februar 2011

Morgen vor zwei Jahren

Im Oktober 2008 saß ich zum ersten Mal im Sprechzimmer meines alten Kinderwunschdoktors, L. neben mir. Ich drückte mir einen Tupfer in die Armbeuge auf das Löchlein vom Hepatitis- und HIV-Test und hörte dem Onkel zu, der uns darauf vorbereiten wollte, was da auf uns zu kommt. Und dann sagte er: "An ihrer Stelle würde ich heiraten, das vereinfacht das alles sehr." Und bevor ich noch Zeit gehabt hatte, zu versteinern, rot zu werden oder mir die Ohren zuzuhalten und "Lalalala" zu schreien, hatte L. geantwortet "Ja, das hatten wir sowieso vor, dann machen wir das eben jetzt ein bisschen früher."
Äh, nun. Bis zu diesem Moment hatten wir über das Thema noch überhaupt niemals gesprochen, wir waren noch nicht mal zwei Jahre zusammen, und ich war nie eins der Mädchen gewesen, die in der Mittagspause Fettflecken an die Schaufenster von Brautmodeläden machen. Nicht, dass ich irgendwann beschlossen hatte, nie zu heiraten. Ich hatte in puncto heiraten überhaupt nichts beschlossen, gehofft, befürchtet oder sonstwas. Das Thema spielte einfach keine Rolle. Bis zu diesem Moment. Danach sind wir zu Fuß durch die Innenstadt gelaufen und haben über ca. zehn andere Dinge gesprochen, nur nicht über diese H-Bombe. Und zwei Monate später, als ich auf einer Matratze in unserem Wohnzimmer lag und mich vorm Fernseher von meiner letzten Bauchspiegelung erholte und von der Nachricht, verstopfte Eileiter zu haben, hat L. mich dann gefragt.

Ende Februar sollte es losgehen mit der ersten Runde Synarela. Nein, wir wollten nicht aus irgend einem grauenhaften Geldgrund heiraten, aber wenn wir schon heirateten, dann doch am besten so, dass wir uns das Gezacker mit der Krankenkasse ersparen. Also bis Ende Februar. Auch wenn ich mir noch nie viele Gedanken über meine Traumhochzeit gemacht hatte, war trotzdem klar, dass Schneematsch und Absagen von der Hälfte der längst verplanten Gäste dabei nicht vorkamen. Wir waren ein bisschen in Not. Es musste schnell gehen und trotzdem richtig schön werden. Dann kam L. eines Abends mit einem Bombenplan nach Hause: wir fliegen nach New York, heiraten da auf dem Amt (wozu man angeblich nur seinen Pass und zwei Tage Zeit braucht), sagen keiner Menschenseele was, kommen zurück, fangen die Behandlung an und engagieren irgendwann im Sommer Peter Jordan, der einen Standesbeamten spielt (was er mit Sicherheit mit Schmackes getan hätte, Tatort-Komissar war er auch noch nicht, das hätte kein Mensch gemerkt), um noch mal mit allen Freunden und Familie zu heiraten. Na, ist das eine Idee? Fand ich auch. Das Problem war nur, ich hatte Muffen und eklige moralische Skrupel. So ist uns die Chance auf eine Hochzeit mit dem Zeug zur Legende entgangen. Stattdessen hatten wir eine standesamtliche Hochzeit mit einer kleinen Mannschaft vor dem Kamin eines niedlichen kleinen Restaurants, dann zwei IVFs und eine große, kirchliche Hochzeit auf dem Land fünf Tage nach meiner Fehlgeburt im August. Die Februarhochzeit war morgen vor zwei Jahren. Morgen früh geben wir Lili zu meiner Schwiegermutter und feiern, so gut das vier Tage nach der Bauchspiegelung geht. Und wem haben wir das zu verdanken? Danke, liebe alte Klinik.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Da fällt mir ein, Konfetti hätten wir sowieso nicht im Haus

Einen Tag danach liege ich ächzend und schnaufend auf der Matratze im Wohnzimmer, der Bauch ist immer noch dick (ich sollte vielleicht mal messen?), ich blute auch - aber alles ist im Rahmen dessen, was auf dem Zettel steht, den ich zur Entlassung mitbekommen habe. Neben dem Rat, möglichst bald zu meiner Kinderwunschärztin zu gehen - denn "jetzt, wo alles so schön aufgeräumt ist da unten", sollen wir bald weitermachen. Ja gut. Die Erfahrung zeigt, dass mein Bauch da wieselflink ist: die Zeit, die man nach einer OP im Schongang verbringen muss - nicht Rad fahren, nicht joggen und schon gar kein neuer Befruchtungsversuch - diese Zeit nutzt er effektiv aus, um wieder vollständig zu verkrauten. Aber vielleicht wird ja diesmal alles anders.

Gerade wird mir klar, dass ich gerade jetzt um diese Zeit zweijähriges IVF-Jubiläum feiere. Ich glaube, letztes Mal ging es Ende Februar los, nachdem wir von der kleinen ersten Hochzeitsreise zurück waren. Noch nicht so richtig, aber mit Synarela. Wir waren damals schon seit ein paar Monaten in unserer alten Klinik, hatten Aids-Test und erste Voruntersuchungen überstanden, ich hatte die Babyfoto-Collagen im Flur gesehen und gedacht, das hier wird ein Spaziergang für uns - wäre doch gelacht, wenn das bei uns nicht auch klappen würde. Jetzt, zwei Jahre später, stehen angeblich die Chancen so gut wie nie: immerhin ein Eileiter ist frei, das größte und mieseste Myom ist aus dem Weg geräumt, und mein Bauch ist "aufgeräumt". Dazu kommt auch noch, dass wir gerade perfekt eingerichtet wären auf ein Kind. Wir haben ein großes Haus mit jeder Menge Platz, der Hund ist aus dem Gröbsten raus, ich kann fast so arbeiten, wie ich will, der Spielplatz ist direkt gegenüber, ich muss nur aus dem Wohnzimmerfenster gucken. Wieso kriege ich mich gerade auf meiner Matratze nicht dazu, innerlich mit Konfetti zu werfen?

Und trotzdem - ich weiß nicht, wie mein Hirn das anstellt - bin ich mir ganz sicher, dass ich in zwei Jahren ein Kind habe. Oder sogar zwei. Dass ich mit einem klobigen Zwillingskinderwagen durch die Welt schiebe und Bahnreisenden und Fußgängern entsetzlich auf die Nerven falle mit dem Riesending. Dass ich den Tag noch verfluche, an dem ich mir meine erste Spritze gesetzt habe, weil mir an einem Sonntag morgen um sechs plötzlich wieder einfällt, wie sehr ich früh aufstehen hasse, und dass ich nicht halb so oft mit den Kindern Pasta kneten oder Plätzchen backen werde, wie ich mir jetzt vornehme.

Dienstag, 15. Februar 2011

Abzüge für Enantone in der B-Note

Ich bin wieder zuhause, liege hier mit einem Bauch wie der Nikolaus (Gas- und Adept-gefüllt) und habe es überstanden. Aber da war wieder alles voller Endometriose. Über zwei Stunden haben sie an mir herumgeschnitzt. Und mein rechter Eileiter ist auch wieder dicht. Was genau hat dieses Enantone da unten eigentlich getrieben, außer für Haarausfall und miese Laune zu sorgen?

Montag, 14. Februar 2011

Das fängt ja augezeichnet an.

Diese Bauchspiegelung ist schon jetzt anders als alle anderen zuvor: ich soll um zwölf im Krankenhaus sein. Um zwölf! Nicht um halb sieben, um sieben oder um sechs, sondern um zwölf. Ich bin begeistert. Die Tasche mit dem dicken glucksenden Adept-Beutel ist gepackt, ich habe etwas Weites an, in das morgen mein Adept-gefüllter und malträtierter Bauch passt, und ich bin wirklich, wirklich bester Dinge. Nicht zuletzt auch deshalb, weil diesmal das beste aller Krankenlager zuhause auf mich wartet: Lili zu Ehren, die noch keine Treppen steigen darf, haben wir unser Bett im Wohnzimmer aufgebaut. Direkt in Reichweite von Telefon, Fernseher und Kamin. Und nur ein paar Trippelschritte zur Küche.

Liebe Abkürzungsdamen, bitte Daumen drücken, dass mein Bauch sich heute von seiner allerlangweiligsten Seite zeigt!

Donnerstag, 10. Februar 2011

Kinderlosigkeit ist auch bei Hunden kein Spaß

Kurz vor Weihnachten war ich mit Lili eines Abends zum letzten Gang unterwegs, als wir auf der Wiese einem Mann aus dem Viertel begegneten, der mit einer kleinen Digitalkamera Fotos von seinem Hund machte. Es war zwar stockdunkel und die Wiese war eine eisige, matschige Kraterlandschaft, aber die Fotos sollten hübsch werden: der Hund sollte sitzen und bleiben, also still halten. Lili, grundsätzlich begeistert, andere Hunde zu treffen, störte das Shooting. Der Mann wurde aber nicht böse, sondern ließ nur resigniert die Schultern hängen. "Es geht nicht mehr. Zu Weihnachten müssen wir ihn einschläfern lassen." Ich brummte etwas Teilnahmsvolles und streichelte dem todgeweihten Hund über den dicken Kopf. Das war alles zu schrecklich. Jeder, der schon mal ein Haustier verloren hat, weiß, dass es schlimmer zwar grundsätzlich immer geht, aber dass nichts anderes auf genau diese Art schlimm ist.
"Als wir Nola einschläfern lassen mussten und die Ärztin mit der Spritze reinkam, hat sie sogar noch mit dem Schwanz gewedelt" hat meine Schwiegermutter heute erzählt, und wir haben nur genickt. Dazu muss man gar nichts weiter sagen, so sind sie. Ich bin heute noch froh und dankbar, dass ich nicht mit erleben musste, wie unser Königspudel Grobi erst nach einem Schlaganfall wochenlang vor sich hinvegetierte und dann im Kreis der ganzen Familie minus Flora eingeschläfert werden musste. Ich saß damals in Hamburg mit ganz eigenen Sorgen, mein Freund hatte mich im astreinen Soap-Opera-Stil sitzenlassen, während mein Exfreund im astreinen Akte-X-Stil durchdrehte. Dieses Sahnehäubchen blieb mir also erspart.

Gerade eben, als ich zum ersten Mal seit dem frisch geschliffenen Fußboden am Schreibtisch meines neuen Arbeitszimmers saß und nach draußen auf die Wiese guckte, lief gerade der Mann vorbei. Er rauchte und trottete ein bisschen träge einem zotteligen, quirligen Welpen hinterher, der kreuz und quer durch den Matsch fegte. Ich dachte, gut, dass er sich wieder einen Hund geholt hat. Man kann gar nichts dagegen tun, von einem Welpen getröstet zu werden, und wenn man noch so trauern will.

Vor ein paar Tagen habe ich im Magazin der Süddeutschen gelesen, wie erstaunlich das ist, dass Menschen ihr Hundchen immer lieben. Man fährt in einen Ort, in dem man nie vorher war und auch vermutlich später nie wieder sein wird, steht in einem Schuppen vor der schier unmöglichen Aufgabe, sich einen von zehn Welpen auszusuchen, tut es dann trotzdem, nimmt das Tier ein paar Wochen später mit nach Hause, und 48 Stunden später ist man verknallt. Es ist wie das unwahrscheinliche Happy End einer arrangierten Hochzeit. Aber für mich ist das fast noch erstaunlichere Wunder, dass es umgekehrt auch funktioniert: unser Hund liebt uns. Wenn jetzt jemand mit der Futtergeschichte kommt und mir erzählen will, Lili wäre eine kleine Chappie-Nutte, dann lasse ich ihn einfach stehen. Wir sind die Leute, die damals vor ungefähr einem Jahr in ihrem Schuppen standen, noch kurz zwischen ihr und ihrer kleineren, zarteren Schwester geschwankt haben (sie war ein Riesenbrummer, der erste Welpe, der rauskam, immer die erste an der Zitze und am Futternapf) und dann doch unbedingt sie haben wollten. Wir sind die mit dem viel zu kleinen Auto, wo sie sich immer zwischen die Füße quetschen muss, die deren Kleider sie manchmal fressen darf und manchmal nicht, was ja wohl kein Mensch verstehen kann, und die, die ständig anderes Futter kaufen, obwohl in allen schlauen Hundebüchern steht, dass Hunde immer das Gleiche fressen wollen. Und all das ist genau so egal wie unsere Frisuren, unser Gewicht, unser Einkommen, ob wir unsere Schuhe putzen und ob wir in den richtigen Läden verkehren (in denen wir sowieso seit Lili viel, viel weniger verkehren, egal ob richtig oder falsch). Dieses Tier wurde durch reinen Zufall und die Nachhilfe einer ebay-Kleinanzeige in unseren Haushalt verpflanzt, und sie tut so, als wäre das alles ein Naturgesetz und in jeder Hinsicht richtig.

Was sie bisher nicht ahnte, ist, dass sie ihr Hundeherz an zwei Monster gehängt hat.

Wir haben uns heute morgen den Wecker auf sieben Uhr gestellt, dann haben wir geduscht und uns angezogen, und dann sind wir mit der nichts ahnenden Lili zu Fuß zum Tierarzt gegangen. Sie bekam eine Beruhigungsspritze, die scheinbar weh tat, ist uns prompt in die Arme gesprungen, dort langsam ein bisschen dösig geworden, dann auf den Boden gerutscht, wir haben sie zusammen auf den Tisch getragen, sie hat nach ca. neun Anläufen einen Zugang in die Vene an der rechten Vorderpfote bekommen, dann eine Narkose, und dann mussten wir mit ansehen, wie der völlig bewusstlose und sonst so energiegeladene Hund nach nebenan getragen wurde, und die Tür ging zu. Und als wir sie zwei Stunden später wieder in Empfang genommen haben, war sie kastriert.
Richtig: Ich habe heute meinen Hund kastrieren lassen. Natürlich ist das alles in ihrem Interesse. Hündinnen, die keine Jungen bekommen, bekommen fast immer später Krebs. (Bei Grobi war das auch so, leider.) Sie werden alle paar Monate für drei Wochen heiß, dürfen dann nicht ohne Leine laufen, und je älter sie werden, desto öfter und länger sind sie heiß. Angenommen, Lili hätte doch Junge bekommen, dann wären wir die Kleinen - meistens sind es so um die zehn - vermutlich nur schwer an nette Hundeeltern losgeworden, denn weder Lili hat Papiere, noch hätte die irgend einer ihrer Welpen, und leider ist das für viele Leute sehr wichtig. Es hätte damit geendet, dass wir irgendwann hätten einsehen müssen, dass wir nicht sieben Hunde haben können, und ein paar davon hätten wir ins Tierheim geben müssen. Ins Tierheim! Das wäre nicht gegangen. Es wäre alles ein fürchterliches Elend gewesen. Für alle beteiligten war das gut so heute, auch für Lili, die jetzt beste Aussichten auf ein langes, krebsfreies und leinenloses Leben hat. Trotzdem fühle ich mich wie... Kinderwunschfrauen, denen der ganz normale Psychowirbel irgendwie zu langweilig und farblos erscheint, sind herzlich eingeladen, sich einen Welpen zu kaufen und ihn ein Jahr später kastrieren zu lassen. Das zwiebelt.

Ach je. Und jetzt kommt sie an und legt ihren Kopf mit dem "Kragen" (einem steifen Trichter aus Plastik um ihren Hals, der dazu da ist, sie davon abzuhalten, sich die Fäden schon mal selbst zu ziehen, was sie natürlich nicht weiß und auch nicht verstehen wird, so lange sie das Ding nun tragen muss - zehn Tage!) auf meinen Schoß. Ich bin ein Monster.

Mittwoch, 9. Februar 2011

In Hamburg sagt man Tschüß

Heute wäre eigentlich der Tag gewesen, an dem ich mir meine fünfte (sechste? Ich weiß es nicht mehr) Enantone-Spritze abgeholt hätte. Die Klinikärztin meinte aber, wir lassen das jetzt mal, und nun fühle ich mich fast schon, als würde ich mir gerade ein bisschen Freiheit zurückerobern. Jetzt heißt es wohl erst mal Abschied nehmen von einer ganzen Rotte an Nebenwirkungen: Tschüß, Haarausfall. Ich hoffe, in den nächsten Wochen und Monaten wächst mein Pferdeschwanz wieder zu einem Umfang an, der dicker ist als mein Daumen. Und ich hoffe, demnächst wird sich mein Haar wieder benehmen und nicht so dermaßen pubertierender-Dark-Wave-Fan-mäßig herumsträhnen, dass ich alle 12 Stunden unter die Dusche will.
Tschüß, Morgendepression. Das war nicht nur der Winter, ich mag den Winter! Niemand soll mir also erzählen, der Winter wäre Schuld, dass ich in den letzten Monaten morgens dreißig Minuten brauchte, um mit dem Jammern und Heulen aufzuhören und aus dem Bett zu steigen. Und die Mittags- und Abenddepression können ruhig da bleiben, wo ihre große Schwester demnächst hingeht.
Tschüß, Müdigkeit. Ab sofort kann ich hoffentlich wieder von anderen Dingen träumen als davon, endlich mein Pölterchen wieder anzuziehen und ins Bett zu dürfen, und zwar von morgens um halb acht bis abends um elf. Manchmal war ich sogar so müde, dass ich nachts im Schlaf davon geträumt habe, endlich schlafen zu dürfen!
„War“. Ich schreibe schon war, dabei bin ich es immer noch. Aber mit Glück ab sofort mit jeder Stunde ein bisschen weniger. Der Hormonwinter ist erst mal vorbei. Ich freu mich schon auf die ersten Frühjahrsboten: Gonal, Ovitrelle und Crinone!

Montag, 7. Februar 2011

Ein zauberhaftes Zwillingspärchen namens Skylla und Charybdis

Ich sitze in der Ubahn, lese Zeitung (wenn man weit draußen wohnt, geht das. Nicht so sehr wegen der langen Fahrt als vielmehr deshalb, weil die Ubahn auch dann, wenn alle fahren, immer zumindest in der ersten Viertelstunde so leer ist, dass man problemlos auch mit einem Meter Zeit-Spannweite bequem unterkommt. Früher, als ich gerade mal acht Minuten in der Bahn saß, habe ich innerhalb einer Woche zwar auch die Zeit geschafft, aber wegen des ganzen rücksichtsvollen Geknülles und Gefaltes war sie hinterher immer ein einziger Fetzen. Nicht schön, die Leute da geben sich doch schließlich Mühe mit dem Layout! Wie dem auch sei:) und gerate an einen Artikel über die Mit-oder-ohne-Kinder-Frage, der sehr hübsch von Tina Berning illustriert und nicht ganz so hübsch geschrieben ist, vermutlich deshalb, weil die Frau, die ihn geschrieben hat, sehr wütend war (das kenne ich und nehme das deshalb gar nicht übel). Das Thema ist kompliziert, und ich will auch gar nicht so genau darauf eingehen, worum es ging, lest doch selbst! Aber während ich lese, wird mir wieder mal klar, dass ich viel zu wenig Ahnung habe, was da auf mich zu kommt (oder auch nicht). Wie wird das werden, wenn wir irgendwann mal das Kind haben, für das ich mich heute in einer Woche schon wieder auf einen OP-Tisch schwinge? Höre ich auf zu arbeiten und erzähle anfangs noch allen, dass ich nach drei Monaten bestimmt wiederkomme, was ich aber niemals tue, woraufhin ich die nächsten Jahre meine alten Kollegen höchstens noch treffe, wenn ich zufällig mal mittags durch die Stadt schiebe mit meinem Buggy, und dann wird das Baby bewundert, und wir lächeln und sprechen mit Babystimmen, und dann machen wir ab, dass wir aber echt mal wieder telefonieren und uns mal "auf einen Kaffee" (ich trinke noch nicht mal Kaffee! Mann!) treffen? War die Firmenweihnachtsfeier, seit der mein Telefon weg ist und bleibt, die letzte in meinem Leben? Wird es irgendwann in dieser Stadt keinen Stuhl außerhalb meiner Butze mehr geben, der nur dem Zweck dient, dass ich mich draufsetze und mich konzentriere? Und wenn das alles so kommt, wird mir die Arbeit fehlen? Oder werde ich irgendwann einfach gehen, meine Kinder großziehen (Kinder. Jetzt schon Mehrzahl.) und nur noch lachen über all die Präsentationen, Meetings, Briefings und Debriefings, pdfs und jpgs und wavs und was nicht alles?
In schlechten Momenten (Montagmorgen im Februar in der Ubahn ist so einer) denke ich, na toll: entweder, ich kriege ein Kind, dann werde ich ein unausgefülltes, dauergenervtes und sich am meisten selbst auf die Nerven gehendes Hausmütterchen und heule den goldenen Zeiten nach, als Leute noch explizit wissen wollten, was ich denke, und mich fürs Denken bezahlt haben. Oder ich bekomme kein Kind, dann trauere und hadere ich ewig, warum denn AUSGERECHNET ICH? Und ist jeder Spaß, den ich im Leben habe, nur eine Illusion, in Wahrheit ist das nämlich alles hohl und leer (muss ja, ohne Kinder?).

Das Schöne ist, im Moment kann ich das alles noch auf Enantone schieben. Aber ab morgen verliert diese Begründung rapide an Gewicht, denn morgen soll ich seit fünf Monaten zum ersten Mal nicht nach vier Wochen wieder in die Klinik kommen und mir mein Spritzenrezept abholen: das war es mit Enantone.

Und nächste Woche, wenn der Pegel langsam sinkt, denke ich dann wieder, genau wie früher und hoffentlich für alle Zeiten: das wird alles gut. Entweder, ich kriege Kinder, die zauberhaft und gesund sind und die L., der seinen Beruf nicht ein Achtel so sehr liebt wie ich, großzieht zu fabelhaften Menschen. Oder ich kriege keine und kann in Zukunft bei solchen Feuilletonthemen getrost zum Kinoteil weiterblättern, die Kritiken lesen und mir keine Gedanken machen, wo ich Donnerstag Abends bitte einen Babysitter herkriegen soll.

p.s. seitdem L. und ich Abonnenten einer Biogemüsekiste sind, haben wir ein echtes Resteproblem. Auf der Veranda, im Winter der begehbare Kühlschrank, liegen Berge von Gemüse, mit dem ich so nichts anfangen kann. Wir haben die kleinste Kiste und kriegen deshalb schon mal eine Lieferung aus zwei Schwarzwurzeln, drei Möhren, einer roten Beete und einer Paprika. Was jetzt? Den weltscheußlichsten Eintopf kochen? Eher nicht, also abwarten. Seit zwei Wochen liegt dort auch ein Biowirsing, und ich habe in der Erinnerung meine Kindheit damit verbracht, Wirsing von einer Seite des Tellers auf die andere zu schieben. Deshalb lag er da so lange. Dann aber habe ich wieder mal auf Nigella vertraut. Und während ich hier schreibe, esse ich Linguine mit Wirsing, der mit Speck, Pfeffer und Parmesan geschmort wurde, und das schmeckt großartig! Falls das jemanden interessiert. Dazu trinke ich Simones Rotwein, und auch der schmeckt großartig. Ich bin froh und dankbar, dass ich zwei Wochen lang meinen Ekel vor Wirsing nicht überwinden konnte, meinen Rotweintrinkwunsch aber schon.

Sonntag, 6. Februar 2011

Zum Glück kann Lili nicht "wie sieht's denn hier aus" sagen

In wenigen Minuten - eigentlich jede Sekunde - kommt die kleine Fellwurst aus ihrem Urlaub zurück. Zehn Tage war sie auf dem Lande und wurde bespielt, behütet, beschnuppert von den anderen Gästen und richtig gründlich durchgespaßt. Jeden Abend schlief sie glücklich und hunde(harr)müde ein. Ich freue mich wie blöde, dass sie gleich wieder da ist, sie hat mir gefehlt, und laut L. hab ich im Schlaf ständig von ihr gesprochen. Gleichzeitig habe ich zwei Sorgen: 1. was, wenn sie wieder tagelang schmollt, weil sie ihre neuen Freunde vermisst, und ich mich wieder zergräme, wir würden dem Hund kein schönes Leben bieten? 2. was, wenn sie all die rohen Holzfußböden im Haus ruiniert? Es ist nämlich so. Während unserer vier Tage Berlin waren Handwerker im Haus, die im Treppenhaus, auf den Absätzen und in meinem Arbeitszimmer den Boden abschleifen und anschließend neu ölen, versiegeln, streichen, was auch immer sollten. In Berlin verging kein Tag, an dem ich nicht mindestens einmal in die Hände geklatscht und auf der Stelle getrampelt habe vor Freude, dass während ich hier gerade klatsche und trampele unser Fußboden piccobello fertig wird.
Dann kamen wir gestern Abend voller Erwartungen zurück, nur um festzustellen, dass zwar alles abgeschliffen ist, aber nichts gestrichen. Eine falsche Bewegung mit der Teetasse, dem Rotweinglas oder der matschigen Hundetatze, und wir haben einen Fleck auf dem Boden, den man nicht wieder wegbekommt. Draußen versinkt die Welt im Matsch, und drinnen habe ich gleich einen Hund, der tagelangen Trubel gewohnt war und mit dem ich eigentlich zur Feier des Tages am liebsten sofort zu einem dreistündigen Spaziergang durchs Moor aufbrechen würde.
Warum tun Handwerker so was? Immer? Die gleichen Handwerker haben vor einem halben Jahr hier die ca. dreifache Fläche in unserer Anwesenheit abgeschliffen und versiegelt und dafür insgesamt fünf Stunden gebraucht. Warum reichen jetzt vier Tage nicht? Wieso kommen wir schon wieder nach Hause, nichts ist fertig, alles ist dreckig, überall liegen Maschinen rum, und eigentlich müsste man einen Bauhelm tragen?
L. hat eine kluge Freundin, die gesagt hat, alles, was mit Handwerkern zu tun hat, dauert immer drei mal so lang wie angekündigt. Da hat sie wohl recht.

Was Lili noch nicht weiß und was ihr auch bitte keine von euch verraten sollte, ist, dass sie diese Woche am Donnerstag morgen fröhlich auf den Tisch der Tierärztin steigen wird und ihn zwei Stunden später im Narkosetran und kastriert wieder verlässt. Ich grusele mich entsetzlich. Der vernünftige Teil von mir weiß, dass das genau das richtige ist und es nun mal sein muss. Mein erster Hund, ein Königspudel, war nicht kastriert, sollte aber (genau wie Lili) keine Jungen bekommen, und sie hat sich die letzten fünf Jahre ihres Lebens mit unzähligen Tumoren und anderen Beschwerden rumplagen müssen. Das soll Lili nicht passieren. Also ist eigentlich alles klar. Aber ich glaube, ich muss euch nicht erklären, warum ich mir trotzdem lieber einen Zehennagel ziehen lassen würde, als meine Hündin kastrieren zu lassen. Ich weiß schon, dass das vorbei geht. Spätestens Montag früh, wenn ich selbst auf den Tisch muss, habe ich wieder andere Sorgen.

Dienstag, 1. Februar 2011

Freie Assoziationen zum Feierabend.

Auf dem Kamin steht eine Schachtel mir unbekannten Inhalts mit der Aufschrift "Wunderblitz". Ich gehe mal davon aus, das ist Kaminanzünder, den L. gekauft hat, aber trotzdem muss ich an Nazifilme aus dem nichtdeutschsprachigen Ausland denken, da würden die Gestapodeppen dauernd so etwas wie "Wunderblitz!" brüllen. "Wienrrrschnitzel Wunderblitz! Hände hoch!"

Letzten Donnerstag kam ich irgendwann abends von meiner ursprünglich auf drei Stunden angesetzten Ärzte- und Chinamann-Tour zurück mit einigen winzigkleinen Akupunkturlöchern im Körper und einem zwei Kilo schweren Plastesack mit klarer Flüssigkeit unterm Arm. Das ist Adept, meine neue Freundin. Erst lag sie im Bücherregal, wo sie immer drohte, vom Bord zu rutschen und als teuerste Wasserbombe der Welt auf dem Parkett zu zerplatzen, dann hab ich sie ins oberste Fach meines Kleiderschranks gepackt, wo sie bis zur OP am 14. auf mich wartet und mir das Gefühl gibt, ich hätte meine Ernte schon trocken und sicher in der Scheune. Was ich übrigens an Adept besonders mag - mal ganz unabhängig davon, ob sie nun funktioniert oder nicht - ist dieses Selbstmitbringelement. Am 14. werde ich mit einem hinten offenen Hemdchen in diesen OP marschieren, mit meinem Adept unter dem Arm, wie ein Partygast, der eine Quiche mitgebracht hat. Oder wie eine Mutti, die im Biergarten ihre Tuppereien auspackt! Ich mag das. "Sie das Bier, ich die Radieschen" ist ein bisschen wie "Sie die Skalpelle, ich das Adept".

Heute habe ich etwas im Süddeutschen Magazin gelesen, das mir gefallen hat. Nach langer Zeit habe ich mal wieder in einer Zeitung ironiefrei davon gelesen, dass es ohne Frage besser ist, Vegetarier zu sein, Minderheiten schützen zu wollen, für die Armen in der Welt zu spenden und sich für Verständigung, Frieden und Umweltschutz stark zu machen als sich hämisch darüber lustig zu machen, wenn jemand das tut. Es ist eigentlich so klar, dass man es gar nicht schreiben müsste (schreibe ich als eine, die keine Vegetarierin ist, den Armen viel zu wenig spendet und mit dem Gedanken spielt, sich ein katalysatorloses Auto zu kaufen, weil es so hübsch ist - nur spielt bisher, aber trotzdem), aber trotzdem nehmen die Leute leider allmählich überhand, die so tun, als wären Moral und Menschlichkeit ein peinlicher Haarschnitt.

Merkt ihr was? Das hier sind keine freien Assoziationen, sondern ein einziges Gegurke. Ich mache einen Riesenbogen um das Thema, das mich eigentlich gerade abschreckt, fast so als wäre es ein peinlicher Haarschnitt samt Permanent Make-Up: es geht wieder los. Ernsthaft sogar. Zwar noch nicht heute und auch nicht morgen, genauer gesagt vermutlich frühestens zwei Wochen nach der OP. Aber dann geht es wieder los, ich KÖNNTE wieder schwanger werden, und ich habe keine Ahnung, was jetzt passiert. Noch vor Kurzem war ich mir ganz sicher, dass in dieser neuen Klinik alles gut wird, aber jetzt, wo es Ernst wird, habe ich schon wieder Riesenbammel vor der Hoffnung. Die Ärztin ist nett, warm und sagt vernünftige Sachen, ich bin in einem guten Krankenhaus für meine OPs, meine Eileiter sind wieder frei... ja, da müsste doch...?

Nein, da muss immer noch gar nichts.

Hoffnung bringt in meiner Welt gerade Unglück. So sieht es nun mal aus. Überhaupt drüber zu reden, bringt Unglück.
Da spricht vermutlich vor allem die olle Tante Enantone aus mir, das geht auch wieder weg, aber gerade bin ich nicht dazu aufgelegt, über meine Aussichten zu schreiben und darüber, dass ich mir jetzt schon wieder vorstelle, auf der Finca im Sommer schwanger zu sein.