Montag, 7. Februar 2011

Ein zauberhaftes Zwillingspärchen namens Skylla und Charybdis

Ich sitze in der Ubahn, lese Zeitung (wenn man weit draußen wohnt, geht das. Nicht so sehr wegen der langen Fahrt als vielmehr deshalb, weil die Ubahn auch dann, wenn alle fahren, immer zumindest in der ersten Viertelstunde so leer ist, dass man problemlos auch mit einem Meter Zeit-Spannweite bequem unterkommt. Früher, als ich gerade mal acht Minuten in der Bahn saß, habe ich innerhalb einer Woche zwar auch die Zeit geschafft, aber wegen des ganzen rücksichtsvollen Geknülles und Gefaltes war sie hinterher immer ein einziger Fetzen. Nicht schön, die Leute da geben sich doch schließlich Mühe mit dem Layout! Wie dem auch sei:) und gerate an einen Artikel über die Mit-oder-ohne-Kinder-Frage, der sehr hübsch von Tina Berning illustriert und nicht ganz so hübsch geschrieben ist, vermutlich deshalb, weil die Frau, die ihn geschrieben hat, sehr wütend war (das kenne ich und nehme das deshalb gar nicht übel). Das Thema ist kompliziert, und ich will auch gar nicht so genau darauf eingehen, worum es ging, lest doch selbst! Aber während ich lese, wird mir wieder mal klar, dass ich viel zu wenig Ahnung habe, was da auf mich zu kommt (oder auch nicht). Wie wird das werden, wenn wir irgendwann mal das Kind haben, für das ich mich heute in einer Woche schon wieder auf einen OP-Tisch schwinge? Höre ich auf zu arbeiten und erzähle anfangs noch allen, dass ich nach drei Monaten bestimmt wiederkomme, was ich aber niemals tue, woraufhin ich die nächsten Jahre meine alten Kollegen höchstens noch treffe, wenn ich zufällig mal mittags durch die Stadt schiebe mit meinem Buggy, und dann wird das Baby bewundert, und wir lächeln und sprechen mit Babystimmen, und dann machen wir ab, dass wir aber echt mal wieder telefonieren und uns mal "auf einen Kaffee" (ich trinke noch nicht mal Kaffee! Mann!) treffen? War die Firmenweihnachtsfeier, seit der mein Telefon weg ist und bleibt, die letzte in meinem Leben? Wird es irgendwann in dieser Stadt keinen Stuhl außerhalb meiner Butze mehr geben, der nur dem Zweck dient, dass ich mich draufsetze und mich konzentriere? Und wenn das alles so kommt, wird mir die Arbeit fehlen? Oder werde ich irgendwann einfach gehen, meine Kinder großziehen (Kinder. Jetzt schon Mehrzahl.) und nur noch lachen über all die Präsentationen, Meetings, Briefings und Debriefings, pdfs und jpgs und wavs und was nicht alles?
In schlechten Momenten (Montagmorgen im Februar in der Ubahn ist so einer) denke ich, na toll: entweder, ich kriege ein Kind, dann werde ich ein unausgefülltes, dauergenervtes und sich am meisten selbst auf die Nerven gehendes Hausmütterchen und heule den goldenen Zeiten nach, als Leute noch explizit wissen wollten, was ich denke, und mich fürs Denken bezahlt haben. Oder ich bekomme kein Kind, dann trauere und hadere ich ewig, warum denn AUSGERECHNET ICH? Und ist jeder Spaß, den ich im Leben habe, nur eine Illusion, in Wahrheit ist das nämlich alles hohl und leer (muss ja, ohne Kinder?).

Das Schöne ist, im Moment kann ich das alles noch auf Enantone schieben. Aber ab morgen verliert diese Begründung rapide an Gewicht, denn morgen soll ich seit fünf Monaten zum ersten Mal nicht nach vier Wochen wieder in die Klinik kommen und mir mein Spritzenrezept abholen: das war es mit Enantone.

Und nächste Woche, wenn der Pegel langsam sinkt, denke ich dann wieder, genau wie früher und hoffentlich für alle Zeiten: das wird alles gut. Entweder, ich kriege Kinder, die zauberhaft und gesund sind und die L., der seinen Beruf nicht ein Achtel so sehr liebt wie ich, großzieht zu fabelhaften Menschen. Oder ich kriege keine und kann in Zukunft bei solchen Feuilletonthemen getrost zum Kinoteil weiterblättern, die Kritiken lesen und mir keine Gedanken machen, wo ich Donnerstag Abends bitte einen Babysitter herkriegen soll.

p.s. seitdem L. und ich Abonnenten einer Biogemüsekiste sind, haben wir ein echtes Resteproblem. Auf der Veranda, im Winter der begehbare Kühlschrank, liegen Berge von Gemüse, mit dem ich so nichts anfangen kann. Wir haben die kleinste Kiste und kriegen deshalb schon mal eine Lieferung aus zwei Schwarzwurzeln, drei Möhren, einer roten Beete und einer Paprika. Was jetzt? Den weltscheußlichsten Eintopf kochen? Eher nicht, also abwarten. Seit zwei Wochen liegt dort auch ein Biowirsing, und ich habe in der Erinnerung meine Kindheit damit verbracht, Wirsing von einer Seite des Tellers auf die andere zu schieben. Deshalb lag er da so lange. Dann aber habe ich wieder mal auf Nigella vertraut. Und während ich hier schreibe, esse ich Linguine mit Wirsing, der mit Speck, Pfeffer und Parmesan geschmort wurde, und das schmeckt großartig! Falls das jemanden interessiert. Dazu trinke ich Simones Rotwein, und auch der schmeckt großartig. Ich bin froh und dankbar, dass ich zwei Wochen lang meinen Ekel vor Wirsing nicht überwinden konnte, meinen Rotweintrinkwunsch aber schon.

2 Kommentare:

  1. Beim Thema Wirsing fällt mir wiedermal auf, dass es im Café Flora lange nichts neues gab.. Ich will mich ja nicht beschweren ;) , aber würde mich freuen, dort mal wieder was zum ausprobieren zu finden, z.B. Linguine mit Wirsing oder sowas in der Art..
    Lg! von Jo

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  2. Ich habe auch ab und zu diese Gedanken. Was wird sein, wenn es irgendwann mal soweit ist. Und dann denke ich: wenn es irgendwann überhaupt mal soweit ist!! Oder kommt es gar nicht dazu...? Dann höre ich auf darüber nachzudenken, diese Gedanken mache mir dann, wenn es mal soweit ist.
    LG Lena

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