Mittwoch, 30. Dezember 2015

Re: 24.-26.12.2015

Ich weiß, zu Weihnachten mögen wir Traditionen. Aber in diesem Blog hat sich eine Tradition eingeschlichen, die ich wirklich gerne wieder los wäre. Diese Tradition geht ungefähr so: erst herrscht Schweigen, wochenlang. Dann melde ich mich wieder und entschuldige mich erst mal umständlich, wieso hier so lange Schweigen geherrscht hat (als ob es ernsthaft jemanden jucken würde). Und dann gehe ich über zu einem Post, in dem alles mit allem verwurschtelt ist, denn zum ausführlich schreiben habe ich auch jetzt schon wieder keine Zeit. Ich fürchte, der einzige Weg aus diesem langweiligen Muster wäre, wieder alle paar Tage zu schreiben. Aus irgendwelchen Gründen kriege ich das aber nicht hin, und so bleibt es wohl noch eine Weile lang dabei (bis die Kinder imstande sind, sich selbst zu beschäftigen, anzuziehen und sich eine vernünftige Mahlzeit zuzubereiten?), dass ich hier alle paar Wochen angekrochen komme wie ein Schulkind, das beim Hausaufgabenschwänzen vergessen wurde. In meinem eigenen Blog! Erbärmlich, einfach nur erbärmlich.

Also los.

Weihnachten ist vorbei, und es tut mir leid, dass es dieses Jahr in diesem Blog nicht stattgefunden hat. Das lag wohl daran, dass es im wirklichen Leben so was von stattgefunden hat: wir hatten in der neuen Bude meine Eltern, meine Schwester mit Mann, meine Schwiegermutter und meinen Bruder zu Gast. Leider muss ich sagen, dass ich kein guter Weihnachtsmensch bin. Ich kriege jedes Jahr wieder ganz viel einfach nicht hin. Meine Deko-Bemühungen sind bestenfalls spärlich, schlimmstenfalls trashig. Ich schaffe vielleicht ein Drittel der Kekse, die ich eigentlich backen wollte. Die Geschenke kommen zum Glück von Amazon, Schande über mich, aber selbst dabei gerate ich noch ins Schwitzen. Jedes Jahr hält sich bis zur Bescherung hartnäckig das Gefühl, ich hätte jemanden vergessen. Ich schreibe keine Karten, und jede, die hier ankommt, treibt mir das Blut ins Gesicht. Ich wünschte, alle wären so schlampert wie ich mit Weihnachten, dann wäre es nicht schlimm. Oder es wäre mir einfach egal. Ist es mir aber nicht, im Gegenteil, auch durch 30 Jahre perfekte Weihnachten, von meiner Mutter scheinbar mit links organisiert, sind meine Erwartungen gewaltig. Schade nur, dass ich sie selbst erfüllen muss. "Was quengelt sie denn so", denken sich jetzt sicher viele. "Dann soll sie halt im Oktober eine Liste machen und ganz in Ruhe abarbeiten, und schon läuft es ohne Herzinfarkt oder Fusselhirnmeltdown". Damit habt ihr sicher Recht, der Tipp ist ein guter Tipp, wird mir aber trotzdem niemals etwas nützen. Ich weiß einfach, dass Weihnachten für mich immer so sein wird. Jetzt ist es vorbei, und ich bin froh darüber. Obwohl ich Weihnachten eigentlich mag! Versteh das einer. Wäre das ganze Jahr Weihnachten, dann wäre ich längst schizophren.

Weihnachten und Kinder, das war allerdings immer ein dickes Thema für mich, als ich noch keine hatte und es auch nicht so aussah, als würde ich mal welche bekommen. Darum schreibe ich heute mal darüber, wie es denn tatsächlich so ist. Dieses Jahr war das erste, in dem sowohl Michel als auch Kalle imstande sind, zu verstehen, dass hier gerade etwas Besonderes im Gange ist, und dass jetzt der Moment ist für große, staunende Kinderaugen. In Michels Fall allerdings auch immer für blitzschnell arbeitende Kinderbeinchen. Es ist nicht zu fassen, wie schnell dieses Kind krabbelt. Eben saß er noch staunend an meiner Seite, jetzt wieselt er schon pfeilschnell auf den Baum zu. Auch Kalle staunt zwar nach Kräften, aber sieht sich die Sache dann lieber genauer an. Mein erstes Zwei-Kinder-Weihnachten läuft also vor allem so, dass ich versuche, die Kinder nach Kräften von Weihnachten fern zu halten. Von den Kerzen, vom Baum, vom Adventskranz, von der Deko, von den hübschen Erzgebirgs-Figürchen, die am Baum hängen und die ein Hochzeitsgeschenk meiner Eltern waren, von denen also jede einzelne eine Bedeutung hat und noch bei meinen Urenkeln am Baum hängen soll, wenn da nicht irgend eine zukünftige Endometriose oder die dusselige islamistische Revolution dazwischenfunkt. Auch von den Keksen muss ich sie fernhalten, von diversen auf Tischchen verteilten Rotweingläsern, von den Handys der Weihnachtsgäste und von feinen neuen Strumpfhosen. Meistens haben sie nicht beide das gleiche Ziel vor den großen, staunenden Augen, darum wünsche ich mir vom 24. bis zum 26. eigentlich durchgängig, ich wäre ein Tintenfisch, auch wenn das die traditionelle Suche nach einer schönen, heilen und sauberen Strumpfhose noch weiter erschweren würde. Komischerweise ist das auch dann so, wenn man wie ich eine Verwandtschaft aus lauter Babysittern hat und alle ständig springen, um die Kinder von Gefahren und Versicherungsfällen fernzuhalten. Ja, zwischendurch ist es genau so, wie ich mir das immer vorgestellt habe: wenn Michel hingerissen an einem Traditionskeks knabbert und es schafft, sich mit dem staubtrockenen Ding trotzdem von Kopf bis Antirutschsocke einzuschmieren. Oder wenn Kalle seine neue Ikea-Kinderküche (Geschenk von Oma und Opa) in Betrieb nimmt und als erstes "Weihnachten" kocht. Aber ohne Kinder war wesentlich mehr Zeit, die Weihnachtsmomente zu bemerken, zu genießen und zu verdauen. Ich weiß auch nicht, was passieren müsste, damit ich mich wohlig aufs Sofa kuscheln würde, mit einer Tasse Weihnachtstee in der Hand, und deutlich fühlen und denken würde: das hier, das ist jetzt Weihnachten, wie schön. Hier ist das Haus voller Leute, die auf die Kinder aufpassen, und zwar gerne, das Essen ist größtenteils längst vorbereitet, alle reißen sich ums Tischdecken und Spülen und Hund ausführen - was denn noch? Vermutlich Downton-Abbey-artige Zustände. Wie gesagt: meine eigenen Weihnachtserwartungen werde ich wohl nie erfüllen, und so lange das so ist, wird für mich immer der Stress die alles übertönende Note sein. Dumme, dumme Flora.

Lerne ich denn gar nichts?

Doch, ab und zu schon. Dazu morgen.

Bis dahin wünsche ich Euch das, was ich Euch jedes Jahr wünsche. Solltet ihr es inzwischen bekommen haben, dann wünsche ich Euch ersatzweise dieses Jahr nachträglich einen klaren Kopf, blitzschnelle Reflexe, ein heiteres Gemüt, ein paar Plätzchenrezepte in petto, die sich innerhalb eines Kindermittagsschlafs umsetzen lassen und einen kippsicheren Weihnachtsbaumständer.

Ach ja: in meiner Familie wurde bei entsprechendem Anlass heiß diskutiert, ob Riesling tatsächlich ein gutes Fleckenmittel für Rotweinflecken ist. Ist er.


Montag, 7. Dezember 2015

Mein elektrischer Beckenboden

Man sollte es nicht denken, wenn man z.B. mein Verhalten vor Prüfungen beobachtet oder mich beim Kofferpacken, aber ich liebe, liebe, liebe es, einen Plan zu haben und mich dann daran zu halten. Neben Nerdigkeit und der Aussicht, dass es tatsächlich funktionieren könnte, ein weiterer dicker Pluspunkt für femifree. Seit ein paar Tagen sieht dieser Plan folgendermaßen aus:
Die Kinder sind entweder im Tiefschlaf oder in der Kita. Ich bin einigermaßen frisch geduscht, und es steht kein Besuch ins Haus und auch sonst keine Aktivität, bei der ich keine Jogginghose tragen darf. Ich habe darüberhinaus eine gute halbe Stunde nichts vor, was hektische Aktivität erfordert. leichte Aktivität dagegen, die vor allem nicht viel Gelaufe und Gehopse erfordert, ist völlig ok. Jetzt ziehe ich einen meiner drei Tangas an, nehme die zwei schwarzen, mit Klettverschlüssen ausgestatteten Manschetten und wickele sie mir um Po und Oberschenkel. Das sieht, wenn man es richtig macht (wozu ich die ersten Male noch ein-zwei Anläufe brauchte) aus wie die Beine einer Radlerhose. Sitzen die Manschetten, schließe ich jede mit einem idiotensicheren Klickstecker an ein Kabel an, und das Kabel kommt an das Therapiegerät, das ich mir wiederum um den Hals hänge. Ich steige noch in die Jogginghose, um nicht eine halbe Stunde lang mit Tangapopöchen durch die Wohnung zu laufen, in der Hose hat die ganze Apparatur locker Platz. Dann drücke ich auf den Startknopf, wähle eine Impulsstärke, die knapp unter derjenigen liegt, mit der ich letztes Mal das Programm beendet habe, und los gehts. Jetzt soll ich nach Möglichkeit ruhig stehen, mit schulterbreiten Füßen und leicht gekipptem Becken - was eine viel bequemere Haltung ist, als es erst mal klingt - und das Maschinchen trainiert für mich.

Und wie ist das, diese Stromstöße? Erst mal nicht unangenehm. Wäre es unangenehm, würde ich die Stärke runterfahren. Es fühlt sich auch überhaupt nicht an, als käme das, was da passiert, von außen - meine Oberschenkel und der Beckenboden spannen sich an, ohne dass ich etwas dazu tun muss, und es britzelt ein bisschen, aber wer vielleicht mit Schrecken an den letzten Kontakt mit einem elektrischen Zaun oder dergleichen denkt, muss vor femifree keine Angst haben. Und wer trotzdem Angst hat, kann ja ganz langsam anfangen, bis er sich an das lustige Gefühl gewöhnt hat. (So habe ich es ehrlich gesagt auch gemacht und war binnen drei Sitzungen bei einer Stärke von fast 70 - so weit soll man eigentlich in den ersten ein bis zwei Wochen kommen.) Während der Sitzung kann man schon mal das Gefühl bekommen, da geht noch mehr - dann fährt man die Stärke einfach hoch.
Alle paar Sekunden fährt der Impuls durch die Muskeln, das dauert so ungefähr drei Sekunden, und danach sind wieder fünf Sekunden Ruhe. Während der Impulse soll man möglichst nicht herumlaufen, brauche ich also etwas vom anderen Ende des Raumes oder suche mein Telefon oder was auch immer, dann gehe ich entweder in den Sekunden zwischen den Impulsen jeweils ein paar Meter, oder, falls mir das zu affig ist, drücke ich auf Pause, ich tue was zu tun ist, drücke noch mal auf den Knopf, und es geht weiter. Ich finde aber, die halbe Stunde kriegt man ganz gut organisiert, ohne Pausen zu brauchen. Ich schreibe dabei z.B. (wie jetzt, brzzzz brzzzz), oder ich rühre ein Risotto, oder ich stelle mich vor die Glotze, oder ich bügele, oder was auch immer. Man soll dabei übrigens auch liegen können, habe ich aber noch nicht ausprobiert. Ist die halbe Stunde vorbei, hört das Gerät von alleine auf und piept kurz. Dann ziehe ich die Manschetten wieder aus, entstöpsele die Kabel und lege das ganze Päckchen beiseite. Man könnte alles in einem großen Schuhkarton verstauen. Oder in einer Schublade. Oder wie auch immer.
Und jetzt? Ob es wirklich funktioniert (hat), werde ich in 12 Wochen wissen, so viel Zeit braucht es wohl. Aber ich habe jetzt schon das Gefühl, es ist viel passiert. Ich will nicht ZU optimistisch sein, das war ich gerade bei diesem Thema jetzt schon ein paar Mal, aber… aber…

Bisher läuft es wirklich gut! Und obwohl das Programm vorsieht, dass man zwei Tage pro Woche pausieren kann, sehe ich absolut keinen Grund, das zu tun.

Hier der Verlauf bisher: die Zahlen sind die höchsten Impulsstärken pro Sitzung. Die speichert das femifree übrigens wohl auch, genau wie eine Menge anderer Daten, aber bisher brauche ich das noch nicht, ich kann mir das auch so ganz gut merken.
Erster Tag: 54.
Zweiter Tag: 57.
Dritter Tag: 62.
Vierter Tag: 66.
Fünfter Tag: 70.
Sechster Tag: 74.

Brzzz-Brzzz. Gibt es hier eigentlich sonst noch eine, die das mal probiert hat? Und die was dazu erzählen kann?

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Wo war ich stehen geblieben?

Und dann war da noch der Umzug. Und ich schäme mich ein bisschen vor unserem alten Haus. Dieses klamme Gefühl, von dem hier schon öfter mal die Rede war, das Heimweh, mit dem ich fest gerechnet hatte, das ich aber bereit war in Kauf zu nehmen und irgendwie halt verdammt noch mal auszuhalten - nichts davon. Einfach nichts. Kein Tränchen in der letzten Nacht im alten Haus, kein tiefer Seufzer, kein wehmütiges Streichen über das hunderttausend mal angefasste Treppengeländer, kein Abschiedsschmerz für Türklinken, Spülmaschine, Vorratskammer, knarrende Treppenstufen, noch nicht mal für den Wintergarten. Stattdessen derbe Flüche darüber, dass die Aufräumarbeiten in der alten Hütte auch drei Wochen nach dem Umzug noch nicht endgültig erledigt sind. "Wie oft sollen wir denn da jetzt noch hinfahren?" keife ich L. an, und dann schäme ich mich ein bisschen. Echt, ich sollte mich mal reden hören. Es ist fast so, als hätte ich nach zehn Jahren eine Beziehung beendet, und abends reiße ich eine Flasche mit meinen Freundinnen auf, stoße auf die Freiheit an und denke nie wieder an den Kerl. Bin ich denn so oberflächlich? Das Haus war doch kein Liebesfehlgriff! Wir hatten es da doch gut! Wie viele Stunden, Tage, Monate, Jahre wir damit zugebracht haben, dort Teppichreste von Treppenstufen zu kratzen, Farben und Lampen und Lichtschalter auszusuchen, wie oft ich dort am Fenster stand und in die Bäume geguckt habe, wie lieb mir die alte Eiche im Nachbargarten war und die Erdbeerstelle und der Park gegenüber und all das - und jetzt soll das alles schon schnurz sein? Scheinbar ja.

Vielleicht kann ich kurz ein bisschen davon erzählen, wie es jetzt hier ist, und dann kommt es mir schon nicht mehr ganz so seltsam vor. Ich sitze hier im Bett mit meinem Rechner und gucke auf einen Kanal. Es ist ein sehr hübscher Kanal. Neben mir auf dem Nachttisch steht eine Flasche Augustiner Edelstoff - ein ziemlich leckeres und nicht sehr häufiges Bier, dass es aber bis Mitternacht im Kiosk zu kaufen gibt, zu dem ich keine zwei Minuten brauche, wenn die Ampel rot ist, und kaum dreißig Sekunden, wenn sie grün ist. Fahre ich zur Arbeit (was ich neuerdings wieder tue), dann könnte ich das mit dem Fahrrad tun, ich habe aber noch kein Schloss, deshalb fahre ich Bahn. Ich fahre drei Stationen. Es lohnt sich kaum, die Zeitung aus der Tasche zu ziehen. Am ersten Abend nach dem Umzug waren die Mädchen hier, und ich war so glücklich über meine Wohnung, dass ich kaum davon abzuhalten war, mit Flüppchen in der Hand den Passanten huldvoll zuzuwinken wie die Queen. Genau genommen war ich gar nicht davon abzuhalten. Inzwischen war auch schon wieder ein Mädchenabend bei einer der anderen, ich bin mit dem Taxi nach Hause gefahren und habe 6,50 bezahlt. 6,50! Das ist ungefähr ein Fünftel von dem, was ich sonst bezahlt habe. Lese ich jetzt ein Kochbuch und stoße auf ein Rezept wie z.B. gegrillte Lammrippchen, Rotbarbe, Ochsenschwanzragout oder irgendwas mit Pfahlmuscheln, dann seufze ich nicht wie früher und klebe da ein Wir-tun-mal-so-als-ob-das-jemals-was-würde-Post-it rein, sondern ich schreibe einen Einkaufszettel und gehe Ochsenschwanz kaufen. Überhaupt ist Einkaufen gehen hier schön, und einfach nur so rausgehen, ohne Butter oder Ochsenschwanz besorgen zu müssen, ist auch schön. Man kann hier nämlich z.B. eine Zeitung kaufen und einen Kaffee trinken. Oder man kann in eine Buchhandlung gehen, in der es tatsächlich Bücher zu kaufen gibt. Oder man kann ein paar Meter weiter gehen und auf dem kleinen Weihnachtsmarkt eine Schale leckere Biopommes essen. Die Leute hier sind nett. Teilweise haben sie einen schnöseligen Ruf, aber bisher tut dieser Ruf ihnen Unrecht. Ich stand hier schon an der Kasse hinter zwei männlichen Teenies an, die der Kassiererin "ein schönes Wochenende und einen schönen ersten Advent" gewünscht haben. Allen Ernstes, die sind nicht kichernd rausgerannt. Ich stand mit offenem Mund da. Die Kästen neben den Leergutautomaten, in die man seine Bons für gute Zwecke stecken kann, quellen über. Man lässt sich gegenseitig vor, lächelt sich an auch ohne Abschleppabsicht, man kotzt sich nicht gegenseitig auf die Schuhe - echt wahr! Und L. und ich bummeln und gehen mit dem Tier spazieren und haken uns ein und lassen die Leute vor und freuen uns einfach nur fast den ganzen Tag, hier zu sein. Bisher fühlt es sich noch an wie Urlaub. Ok, einen kleinen Streit um einen Parkplatz hatte L., und das Kindermädchen hat mich gewarnt, dass wir demnächst vielleicht Ärger wegen des Doppelkinderwagens im Keller kriegen könnten, aber noch ist es Urlaub.

Und das Röntgenzentrum für das MRT ist auch direkt um die Ecke! Jetzt weiß ich nämlich endlich, was mit der Misthüfte los ist. Nach... Moment... sieben Arztbesuchen, acht mal Physio, zwei mal Osteopathie und viel zu vielen Schmerztabletten weiß ich jetzt, dass ich einfach nur einen dämlichen Bandscheibenvorfall habe und infolgedessen einen dick entzündeten Nerv, der jetzt für die wehe Hüfte sorgt, außerdem für ein wehes Bein und einen wehen Fuß. Nun bekomme ich Krankengymnastik, sobald ich dazu Zeit habe, noch wichtiger sind aber scheinbar Kortisonspritzen, die die Entzündung bekämpfen (und leider für eine uffjedunsene rote Säuferbirne sorgen) und trage ein megahottes Rückenstützkorsett, eine Art extrabreiten Motorradgürtel. (Heute gab es eine halbe Stunde, als ich gleichzeitig das Rückenkorsett, den Stützstrumpf und das Femifree getragen habe, da fühlte ich mich kurz wie Robocop.) Und die Chancen sind nicht schlecht, dass die Bandscheibe einfach von alleine wieder an Ort und Stelle flutscht.

Und jetzt sind fast alle Kiste ausgepackt bis auf die, bei denen wir nur noch darauf warten, ob L. oder ich zuerst sage, dass wir den Kram doch im Grunde nicht mehr brauchen. Und das WLAN läuft nach anfänglichen Schwierigkeiten auch. Und ich habe keine Probleme mehr, innerhalb von einer Minute mein Rechnerkabel zu finden. Und ich falle auch abends nicht mehr total erledigt von den letzten 12 Stunden Schmerzen in der Hüfte tot ins Bett. Und bei den Kindern hat sich die Aufregung über den Umzug gelegt, so dass wir die Abende wirklich für uns haben. Und es kehrt so etwas wie Normalität ein. So dass ich hoffe - versprechen will ich nicht zu viel - dass hier nun nicht wieder acht Jahre Funkstille herrschen. Ich bin noch da! Nur jetzt woanders. (Und nein, ich schreibe nicht wieder heimlich einen zweiten Blog, in dem steht, dass ich schwanger bin.) (Bin ich nicht!) (Mann! Ehrlich nicht! MRTs! Kortisonspritzen! Schmerztabletten! Augustiner Edelstoff! Fluppen! Ehrlich.)

Das Pipiproblem, siebenhundertzweiundachtzigste und hoffentlich fast letzte Folge

Ich muss mich kurz konzentrieren, um noch zusammenzubringen, was ich bisher an Geschützen gegen das Pipiproblem aufgefahren habe.
Da war zunächst mal eine Freestyle-Phase kurz nach Kalles Geburt, als ich noch dachte, das Problem verschwindet von alleine, so wie der Dammschnitt irgendwann nicht mehr zwickt. Die Freestyle-Phase sah so aus, dass ich Kegelübungen für den Beckenboden gegoogelt und dann so gut wie täglich auch gemacht habe. Ehrlich! Nur, dass das wirklich überhaupt nichts genützt hat.

Daraufhin habe ich mich im Blog beschwert und habe den Tipp mit Cantienica bekommen. Und obwohl ich sonst ziemlich Tipp-Resistent bin, habe ich mich zu einem achtwöchigen, stinketeuren Beckenboden-Spezial-Kurs angemeldet. Einmal wöchentlich habe ich Mann und Baby allein gelassen und bin nach Eimsbüttel gefahren. Das war nett! Nette Kursleiterin, nette Teilnehmerinnen, und es war schön, mal rauszukommen, und wenn es nur für zwei Stunden war. Zwischenzeitlich dachte ich auch mal, jetzt passiert was. Bis ich dann das nächste Mal wieder auf ein matschiges Blatt getreten oder über den Bordstein gestolpert bin und direkt wieder nach Hause gehen konnte, um zu duschen und mich umzuziehen.

Dann war ich auch schon wieder schwanger. Komischerweise war mir das Problem in der Schwangerschaft entweder egaler, oder ich hatte meine Blase wieder mehr unter Kontrolle, oder ich habe mich einfach vorsichtiger bewegt und instinktiv einen großen Bogen um Glatteis, Bordsteine und Salatblätter gemacht - wer weiß. Vielleicht war es auch genau so schlimm, und ich habe es vergessen. Oder das Pipiproblem trat angesichts von Kreislaufproblemen, Klumpfußdiagnose usw. einfach in den Hintergrund. Jedenfalls: ich war schwanger, Sport habe ich keinen getrieben, dann kam Michel, und mit Michel war auch das Pipiproblem wieder da.

Dann habe ich meiner Frauenärztin (nicht zum ersten Mal) besonders eindringlich davon erzählt, und sie hat mir Physio verschrieben. Die Physio war eine der nutzlosesten Erfahrungen meines Lebens. Die Übungen waren eher noch unwirksamer als mein zusammengegoogeltes Freestyle-Anspannen, die Physiotante nervte wie Hulle, meine Blase tanzte mir weiterhin auf der Nase herum.

Dann die Elanee-Gewichte. Vier Stück, von leicht nach ganz schön schwer, die ich zweimal täglich für zehn Minuten beim Stehen und Gehen tragen sollte. Es tat sich offensichtlich etwas: während ich am Anfang das leichteste Gewicht gerade mal dreißig Sekunden halten konnte, war ich nach ein paar zähen Monaten imstande, das schwerste Gewicht zu tragen und so lange zu vergessen, bis mir irgendwann auffiel, dass ich es jetzt seit fast einer Stunde herumtrug. Da musste sich also etwas getan haben. Hurra! Schade nur, dass das Pipiproblem ziemlich unbeeindruckt blieb von der neugewonnenen Muskelkraft. Ich hatte jetzt zwar seltener damit zu tun, dass auch ohne jeden Anlass einfach mal die Hose nass war - nur so zum Spaß, während ich mit hochrotem Kopf die Straße entlanglief und den Optimismus verfluchte, mit dem ich heute morgen die Pipibinde weggelassen hatte. Aber das Salatblattproblem bestand immer noch, genau wie das Hust-, Nies-, Lach-, Erschreck- oder Tanzproblem.

Und bei all dem kam das große Ziel immer noch keinen Zentimeter näher, endlich wieder die Laufschuhe anzuziehen und um den Park zu rennen.

Aber jetzt! Vor ein paar Monaten blätterte ich in einer alten Brigitte Mom, und da stand etwas von femifree: einem Gerät zur elektrischen Beckenbodenstimulation, mit dem die Muskeln gestärkt und die Wahrnehmung für die “richtige” Anspannung geschult werden sollte. Das klang ziemlich gut für mich, nicht zuletzt deshalb, weil ich als Nerd natürlich Feuer und Flamme bin für die Aussicht auf Gelpads, Elektrogebrizzel und piepende Geräte. Hätte in der Brigitte Mom etwas über ein Beckenbodentraining via Schwerelosigkeit oder Laserschwert gestanden, meine Hand wäre oben gewesen. Innerhalb von zwei Minuten war ich auf der femifree-Seite, guckte mir das Demo-Video an und zuckte automatisch nach dem Kaufen-Button. Da klingelte es an der Tür, die Nachbarin stand draußen, und irgendwie kam ich aus dem Konzept und dachte erst ein paar Stunden später wieder an das Wunderding. Zum Glück, denn in diesem Moment hatte ich die Idee: was, wenn ich das Gerät im Blog teste? Kreisch!!!!! Vorteile, wohin man schaut:
* Ein Testgerät, das mich zauberhafterweise überhaupt nichts kostet
* Eine 1a Gelegenheit, endlich mal wieder seitenweise herumzunerden
* Die eingebaute Garantie, dass ich das durchziehe - die Bloggerehre steht auf dem Spiel, da wird nicht geschwänzt, egal, warum
* Ein Testgerät, das mich zauberhafterweise überhaupt nichts kostet
* Falls es funktioniert, wovon ich erst mal fest ausgehe, tue ich auch noch ein gutes Werk, indem ich den ebenfalls unterhosenmäßig herausgeforderten Ex-Abkürzungsdamen von diesem Weg heraus aus der Tena-Zielgruppe erzähle
* Ein Testgerät, das mich zauberhafterweise überhaupt nichts kostet.

Und so kam das, dass ich erst an die Infoadresse mailte, fast sofort eine sehr nette Antwort bekam von einer Dame, die versprach, das an die Geschäftsführung weiterzugeben, und ein bisschen später kam tatsächlich noch eine Email, und so ging das weiter: femifree erzählte von femifree, ich erzählte vom Blog, und ziemlich schnell waren wir uns einig, dass die beiden gut zusammen passen würden. Ich sollte also wirklich ein Testgerät bekommen und das wohlwollend, aber trotzdem ehrlich und kritisch prüfen und darüber berichten. Dann ging das Paket auf die Reise zu mir. Und ich war nerdmäßig ungefähr so hochgestimmt wie zuletzt, als ich damals auf meine neue wii gewartet habe. Leider gab es dann noch eine kurze Verzögerung, denn das Paket kam mitten im Umzug an, und so gern ich auch sofort den Akku aufgeladen und losgelegt hätte, es ging einfach nicht, ganz davon zu schweigen, dass die einzelnen Teile des Geräts vermutlich erstmal auf Soschnellnichtwiedersehen in den achttausend Kartons verschwunden wären. Also habe ich mich zusammengerissen, den Karton erst mal nicht aufgemacht und gewartet. Und Möbel geschleppt. Und gewartet. Und Kisten ausgepackt. Und gewartet. Und Berge von Kram in “brauchen wir irgendwann mal wieder”, “ist absolut lebenswichtig” und “welcher Idiot hat das angeschafft?” sortiert. Und gewartet. Warten ist nicht meine starke Seite, aber gewartet habe ich.
Bis gestern! Gestern habe ich zum ersten Mal den Beckenboden nach der Dr.Snuggles-Methode traininert. Und was soll ich sagen: das lief nicht schlecht. Überhaupt nicht schlecht! Und davon, liebe Abkürzungsdamen und Ex-Abkürzungsdamen, berichte ich morgen.

Schnall Dich an, Pipiproblem: jetzt werden hier andere Saiten aufgezogen.