Dienstag, 31. Dezember 2013

Ndogo mit den Scherenhänden

Wer wissen will, ob die Kinderfrau gerade arbeitet oder nicht, muss nur einen Blick in mein Gesicht werfen. Mit und ohne sieht ungefähr so aus wie die Nachher-Vorher-Fotos unseriöser Anbieter von diesen Kosmetikwunderdingen, die in den Gratis-Fernsehzeitschriften verkauft werden. Wobei: die Knutschflecken am Kinn habe ich mit oder ohne. Mein Kind sieht mich und wirft sich sofort mit strahlendem Gesicht und weit aufgerissenem Mund auf mein Kinn, wo er sich festsaugt und ein bisschen nuckelt. Das tut gar nicht weh und dauert auch gar nicht lange, und eine Stunde später gucke ich in den Spiegel und habe einen mandelgroßen, dunkellila Knutschfleck im Gesicht. Bzw. inzwischen vier, denn natürlich nimmt er jedes Mal eine neue Stelle. Klar könnte ich das dick überschminken, aber jemand, der sich schon fast von Diskussionen über den Schaden von Biogläschen aus dem Konzept bringen lässt, geht eher durch die Welt wie ein Prügelopfer, als seinem kostbaren Baby die Zutatenliste meines Heavy-Duty-Makeups zuzumuten. Meistens jedenfalls. Tagsüber. Wenn es nicht unbedingt sein muss. Genau wie bei Pipiproblemen, Dammschnitten oder Mutterbandschmerzen bleibt Papa auch diesmal ganz herrlich unbeschwert und verschont, der stoppelt so doll und wird nicht angesaugt. Die Knutschflecken habe ich also immer, an die habe ich mich auch schon fast gewöhnt. Nein, der große Unterschied zwischen Mit und Ohne sind die winzigen, aber trotzdem blutigen Wündchen überall im Gesicht. Denn ich würde mich niemals, niemals trauen, Ndogo die Fingernägel so ratzekurz zu schneiden wie die Kinderfrau. Woher sie die eisernen Nerven nimmt, ist mir ein Rätsel, ich muss immer schon kurz die Augen zumachen, wenn die Tierärztin den Hunden die Krallen stutzt. Er meint das gar nicht böse! Er greift mir eben nur gerne ins Gesicht, und bevor ich auch nur vorsichtig und sanft sein Händchen zu fassen habe, hat er mir schon den Nasenflügel gepierct. Er braucht dazu auch gar keine Barbra-Streisand-Krallen, ein winziges weißes Rändchen, das laut Babybuch ja sein muss, reicht ihm schon. Wie ist das bei euch, andere Ex-Abkürzungsdamen? Gibt es einen Trick für die Nägel? Muss ich mich einfach abhärten? Wie viele Schnitte habt ihr heute morgen gezählt? Wann hört das auf? Sich selbst verletzt er übrigens anders als andere Babys nicht damit, nur Mamas mit viel Sorgfalt und Tonnen von Kosmetika gepamperte Haut muss dran glauben. Und obwohl die Stoppel dabei nicht stören sollten, kommt Papa auch hier davon. Autsch.

Bääääää bliiiiprrrrpfffff. Gogol. Öööööhmpf.

Morgens um halb neun schlage ich die Augen auf, weil da ein kleines, niedliches Geräusch an meine Ohren dringt: Ndogo ist wach in seinem Bett nebenan und erzählt sich was. Mein Kind ist ein Morgenmensch, ist das zu fassen? Ein Morgenmensch, der trotzdem lange schläft. Nach seinem Fläschchen und einer frischen Windel lege ich ihn in sein neues Babyreservat, ein riesiges, sechseckiges Ding, das er von meinen Eltern zu Weihnachten bekommen hat, und dann kann ich mich fast drauf verlassen, dass er eine halbe Stunde lang alle seine Knister- und Klingel- und Rasseltiere begrüßt und mit seinen Füßen und Händen spielt. Es sei denn natürlich, ich verlasse mich darauf und plane für diese Zeit irgend etwas Erwachsenes fest ein. Dann ist alles anders. Aber wer macht heute schon noch erwachsene Pläne?
Ach ja, wir ja doch. Heute Abend haben wir das erste Mit-Baby-Silvester, und das wird so laufen, wie ich das sonst nur von meinen Eltern kenne: treffen mit zwei Paaren mit Kindern, Fondue (ich mache fünf Saucen für das Fondue. Drei davon habe ich gestern Abend fertig gemacht, zwei erst heute, weil gestern glatte Petersilie aus war. Die drei von gestern sind alle drei brüllend scharf, ich hoffe, die zwei heute werden etwas sanfter, sonst gucken die anderen Erwachsenen mich wieder so an. Keine Gute Idee ist es übrigens, abends mit unbehandschuhten Händen, weil L. entgegen meiner Anweisungen keine Latexhandschuhe, sondern diese riesigen flappigen Plastiktütenhandschuhe für solche Zwecke besorgt hat und in diesem Haushalt ja immer nichts weggeschmissen werden darf, bevor es aufgebraucht wurde oder schimmelt, harrrrgh - mit unbehandschuhten Händen jedenfalls zwölf riesige rote Chilischoten zu zerteilen und zu entkernen und sich dann am nächsten Morgen ohne ein ausgiebiges Handpeeling mit einer dieser Automechaniker-Waschpasten die Kontaktlinsen einzusetzen.), vielleicht ein bisschen milde Knallerei für die größeren Kinder, Frohes neues Jahr, Küsschen links und Küsschen rechts und dann Zähneputzen und ins Bett. Das wird nett! Außerdem, was will ich denn? Ich bin 40, L. ist 43, der Ärmste, und abgeböllerte Finger, Alkoholvergiftungen und Knutschflecke, über deren Herkunft man am nächsten Morgen nur rätseln kann, sollten eigentlich hinter uns liegen. Wobei, Knutschflecke... anderes Thema.
Achtzehn Posts in achtzehn Tagen waren vielleicht ein bisschen zu ehrgeizig. Aber weil ich bisher keinen einzigen Silvestervorsatz habe, will ich wenigstens dieses kümmerliche kleine Ziel erreichen. Damit das klappt, muss ich ein bisschen schummeln. Seid mir nicht böse, wenn das etwas unbeholfen wird. Man sollte es nicht glauben, aber ich habe meine komplette Schul- und Unizeit ohne einen einzigen Spickzettel hinter mich gebracht, da tut man sich ein bisschen schwer. (Nicht aus Tugendhaftigkeit übrigens, sondern weil ich so ein Schisshäschen bin, das noch nicht mal Schwarzfahren kann.) Gerade bin ich bei Nr.6. Ich kann das alles noch schaffen! Und los.

Donnerstag, 26. Dezember 2013

Dreihundertzweiundsechzigmal werden wir noch wach

Es gibt Familien, bei denen sieht der Baum jedes Jahr anders aus. Der Kranz auch. Und auf gar keinen Fall gibt es immer das Gleiche zu Essen an Heiligabend. So eine Familie sind wir nicht. Nicht, dass es keine Veränderungen gegeben hätte. Die frühesten Heiligabende, an die ich mich erinnere, waren die Heiligabende in unserem alten Haus in der Musterhaussiedlung, die größeren Geschenke waren immer hinter einem der grünen Sofas versteckt oder auch mal auf der Terrasse, und es gab Fleischfondue. Fleischfondue war allerdings nicht einfach wegen der Feuergefahr, unser Rechaud hatte seine Mucken, und mein Vater hatte neben dem Essen noch ständig Brandmeisterpflichten zu erfüllen. Irgendwann stellten wir das also um, ich glaube, es gab noch eine Zwischenphase mit Raclette, und dann irgendwann und bis heute eine Kombination aus Lachs, Krabben und entweder Bündnerfleisch oder Schinken und hinterher rote Grütze. Als wir klein waren, gab es außerdem die Tradition, dass meine Mutter den Baum allein schmückte und auch die Geschenke allein unter den Baum/hinter das Sofa legte, und wir nur durch die Butzenscheiben der Durchreiche ein paar Schemen erkennen konnten. Niemand durfte vor der Bescherung den Raum betreten. An Heiligabend blieb der Fernseher aus. Und ausgepackt wurde nach Alter: der Jüngste zuerst. Irgendwann kamen andere Traditionen dazu und verschwanden wieder aus dem Repertoire: meine Schwester und ich haben ein paar Jahre lang selbst Geschenkpapier aus Packpapier gemacht, mit Kartoffelstempeln. Mein Bruder hat sich angewöhnt, uns beide beim Schminken zu ärgern. Und am nächsten Morgen wache ich gerne früh genug auf, um vor allen anderen noch ein bisschen im Schlafanzug auf dem Sofa zu sitzen, rote Grütze zu essen und Weihnachtsbücher zu lesen.
Seit ein paar Jahren sind unsere Familientraditionen etwas in Unordnung geraten. Einmal wurde ich kurz vor Weihnachten operiert und war nicht reisefähig. Einmal war ich zwar reisefähig, saß aber mit L. bis Heiligabend in London fest, weil drei Zentimeter Schnee den englischen Flugverkehr lahmgelegt hatten. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal alle in Hamburg bei uns gefeiert, dieses Jahr zum zweiten Mal. Und ich kann mir nicht helfen, ich finde, ich kriege das irgendwie nicht so hin mit den Traditionen. Nicht, dass alles unbedingt so laufen müsste wie früher, das will weder ich noch meine Familie. Aber ich habe Ndogo im Arm und denke: eines Tages werde ich mal die sein, die sein Weihnachten macht. Kriege ich das hin? Gerade habe ich nicht das Gefühl. Nicht, dass uns über Weihnachten die Milch ausgehen würde oder ich vergessen hätte, Kerzen für den Baum zu kaufen - es ist nur... ach, ich weiß auch nicht. Irgendwie ist dieses "Weihnachten mit Baby" so ein Möhrchen, mit dem ich mir selbst manchmal vor der Nase rumgewedelt habe, als ich noch mitten in der Abkürzungszeit gesteckt habe. Und jetzt ist es da, das Baby und das Weihnachten, und ich habe mich selten so als Mutter gefühlt wie in den letzten paar Tagen. Vielleicht ist Weihnachten für mich selbst immer noch eine zu dicke Sache. Vielleicht geht das allen frischen Müttern so. Vielleicht habe ich einen kleinen Weihnachtsrappel. Wer weiß?

Heute nacht schläft Ndogo zum ersten Mal in seinem Zimmer. Vier Nächte lang hatte jetzt mein Bruder sein Matratzenlager darin, und ich hatte beschlossen, dass Ndogo nun endgültig reif für den Auszug aus der Babybay ist, bevor wir ein Brecheisen brauchen, um ihn morgens aus dem winzigen Ding zu stemmen. Das Gitterbett stand an unserem Fußende, und er hat wie fast immer mustergültig darin geschlafen. Jetzt ist alles wieder an seinem Platz, und das Bett steht nun drei Meter weiter weg als an unserem Fußende, direkt wenn man zur Babyzimmertür reinkommt, die übrigens offen steht. Dort liegt er jetzt in seinem Schlafsack und hat keine Ahnung, was seine Mutter hier schon wieder für Hirnfürze hin und her wälzt.
Ach, kleines Kerlchen - ich hoffe, dein erstes Weihnachten hat dir gefallen. Ich schmiede gerade schon erste Pläne für dein zweites.

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Wie ist denn nun Weihnachten mit Baby?

Bisher ist es ziemlich betriebsam. Hier ist Rehgulasch zu kochen und zu essen, Kuchen zu backen, Feuer zu machen, Geschenke ein- und auszupacken, für Fotos zu posieren und noch so allerhand. Ich glaube aber, Ndogo findet es gut. Mit fünf Monaten ist er jetzt endgültig rausgewachsen aus dem Babybay, und wir haben das große Gitterbettchen eingeweiht. Allerdings noch am Fuß unseres Bettes, denn in Ndogos Zimmer hat mein Bruder sein Schlaflager eingerichtet. Weil unser Baby aber tatsächlich die ganze Nacht durchratzt, ohne einen Piep von sich zu geben, kann es da gerne noch ein bisschen stehen bleiben. Außerdem ist er jetzt aus seinem Stubenwagen rausgewachsen, stattdessen hat er ein fabelhaftes sechseckiges Laufgitter von meinen Eltern bekommen, in dem er jetzt liegt und mit seinem Holzfrosch spielt. Das Laufgitter schlägt im Moment den brennenden Weihnachtsbaum um Längen, was große Kinderaugen angeht, vielleicht brennen hier aber auch so oft Kerzen und Feuer, dass Ndogo das nicht weiter doll findet, wenn sie zur Abwechslung mal an einer Tanne befestigt sind. Obwohl meine Mutter ihn fast pausenlos auf dem Schoß hat und bespaßt, ist das jetzt gerade tatsächlich die erste Gelegenheit, mal untätig und tippend auf dem Sofa zu sitzen. Aber noch sind die 18 Tage ja auch nicht rum, ich habe noch alle Gelegenheit der Welt für 18 Posts.

Jetzt allerdings muss ich Tee trinken. Ich wünsche allen Abkürzungsdamen fröhliche Weihnachten, ob mit oder ohne Baby, und spätestens im nächsten Jahr einen schönen Schwall Milchspucki auf dem Sonntagskleid!

Samstag, 21. Dezember 2013

ALARRRRRRMMMMMM! Das Kind schläft.

Sobald Ndogo tagsüber mal die Augen zumacht, bricht hier hektische Aktivität aus. Jetzt z.B.: ich war noch kurz im Supermarkt mit ihm, dabei schläft er immer ein, und so lange die Ruhe da unten anhält, will ich versuchen, folgende Punkte von der Liste zu haken: Post schreiben, Weihnachtsplaylist machen, Kuchen backen, Nigellas Union Square Café Nüsschen machen, um sie an nette Nachbarn zu verteilen, Trockner anschmeißen, Waschmaschine anschmeißen, Gästebetten für Familie beziehen und ganz vielleicht sogar noch Staubsaugen. In diesen kostbaren Viertelstunden verwandele ich mich immer in einen dieser Straßenmusiker, die es nur in Karrikaturen gibt: so einen, der gleichzeitig Mundharmonika, Pauke, Rumbarassel und Trompete spielt. Na? Tut sich was?

Nein. Also los.

Laufen war für mich immer eine hoch emotionale, rockymäßig aufgeladene Angelegenheit. Vor der ersten Cantienica-Stunde sollten wir der Kursleiterin schriftlich mitteilen, was genau uns in diesen Kurs treibt. Ich habe geschrieben, ich mache mir seit der Geburt in die Hose, was insgesamt natürlich unerfreulich ist, aber VOR ALLEM deshalb, weil ich so nicht wieder laufen gehen kann. Wer es noch nie erlebt hat, kann es sich nicht vorstellen, aber nichts ist so verhängnisvoll wie laufen, wenn man ein Pipiproblem hat. Ich könnte mir vorstellen, Springreiten, Trampolinspringen oder Rasensprengen sind weniger schwierig, auch wenn ich noch nichts davon seit der Geburt ausprobiert habe. In dem Kurs habe ich eine Menge gelernt. Z.B., dass richtige, klassische Bauchübungen nach einer Geburt das letzte sind, was man tun sollte: in der Schwangerschaft werden die Bauchmuskeln in der Bauchmitte nach links und rechts gedrückt und brauchen eine Weile, um wieder zurück zu wandern, wenn das Kind auf der Welt ist. Macht man zu früh richtige Bauchübungen, dann bleibt das so: man hat dann quasi ein Loch in der Bauchmitte. Also keine Situps und keine Klappmesser bei Cantienica. Außerdem haben wir den Bauch nicht einfach eingezogen für die Übungen, sondern uns vorgestellt, wir würden ein X mit unserem Bauchnabel machen. Es klingt bescheuert, aber hat man es erst mal gelernt, dann sieht man in einer Sekunde ungefähr fünf Kilo leichter aus und hat tatsächlich das Gefühl, gerade die Muskeln hinter den doch eigentlich auch ziemlich tiefsitzenden Pilates-Muskeln zu trainieren. Ich will nicht alles verraten, schließlich sollen ja auch noch ein paar Damen in die Cantienica-Schule gehen, aber irgendwas daran scheint zu funktionieren, wenn auch anders als gedacht. Eigentlich neige ich zu viel zu frühen und viel zu harschen Urteilen bei solchen Kursen, aber obwohl ich nach wie vor keiner Ubahn fünf Schritte hinterherrennen kann und noch weit entfernt von meinem ersten Lauf im Park bin, habe ich doch das Gefühl, so ganz, ganz langsam tut sich etwas. Und ich weiß jetzt schon, wenn ich irgendwann die Stöpsel in die Ohren stecke, die Nike Frees zuschnüre und tatsächlich eine halbe Stunde locker durch den Park trabe, mit trockener Hose, dann wird das so ungefähr das Gefühl sein wie damals bei Heidi, als Clara wieder laufen konnte. Auch, wenn die Hose trocken bleiben wird, die Augen werden es nicht. (Ich versuche es also auf jeden Fall erst nach Einbruch der Dunkelheit oder vor Sonnenaufgang.) Und auch, wenn einige Damen im Kurs scheinbar nicht so glücklich mit dem Ergebnis waren, würde ich sagen: abenteuerlustige Damen sollen es ruhig mal versuchen. (Es gibt auch einen Cantienica-Kurs, der das Gesicht faltenfrei und straff halten soll. Ich spiele ja mit dem Gedanken...)

Das Kind schläft immer noch, vielleicht mache ich sicherheitshalber schon mal die Playlist für diesen Anlass?

Damit zum nächsten Punkt auf der Liste.

Freitag, 20. Dezember 2013

Und wieder ein Grund, dankbar zu sein.

Manchmal geht es gut aus. Freunde von Freunden und andere Freunde von Freunden haben ihren Mut zusammengenommen und ein Pflegekind aufgenommen, und nach einigen Nervenkrisen und mit Sicherheit vielen schlaflosen Nächten, die nichts mit Babygeschrei und alles mit Bürokratie zu tun hatten, durften sie die kleinen Würmchen adoptieren und behalten, für immer, egal was. Und manchmal geht es so aus wie jetzt gerade in Hamburg. Gestern konnte ich immer nur denken: das könnten wir sein. Diese Leute aus Rotherbaum, die jetzt vermutlich die Welt nicht mehr verstehen und auch nie mehr verstehen werden. Wenn ich das wäre, müsste man mich besser für die nächsten Wochen irgendwo sicher verstauen, zu meinem eigenen Schutz, aber auch dem Schutz dieser Jugendamtmitarbeiter und zum Schutz dieses grauenvollen, assigen, gottverlassenen und widerlichen Elternpaares. Wann man mich gefahrlos wieder freilassen könnte, weiß ich allerdings auch nicht: wann ist so etwas vorbei? In zwei Monaten? In drei Jahren? Nie? Und ich hab Ndogo im Arm, der gerade jedes Mal wenn er mein Gesicht sieht freudig loskreischt, als wäre ich Take That, und habe das Gefühl, gerade fast von einem Panzer überrollt worden zu sein. Aber eben nur fast.

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Achtzehn Tage, achtzehn Posts: schön wär's.

Wäre die Uhr an meinem Agenturrechner heute ausnahmsweise mit einem laut hallenden Donnerschlag von 17:59 auf 18:00 umgesprungen, hätte ich davon sowieso nichts mitbekommen, denn ich war damit beschäftigt, in die Hände klatschend und brüllend um den Tisch zu hüpfen. Achtzehn freie Tage liegen vor mir. Achtzehn! Mein mieses Handwerkerkarma hat diesmal ausnahmsweise für mich gearbeitet und dafür gesorgt, dass auch diesmal die Fensterboys bei der Konstruktion unserer Wintergartenfenster deutlich hinterher hinken und nicht, wie geplant, jetzt, zwischen den Feiertagen oder in der Woche danach hier anrücken können. Ich bin sowas von gar nicht böse darüber, muss aber L. zuliebe zumindest ein bisschen so tun, als würde mich das nun nerven.

Was ich abgesehen von Weihnachten mit der Familie noch so vorhabe, weiß ich noch gar nicht und will ich auch jetzt noch gar nicht beschließen, sonst schrumpfen diese achtzehn Tage ganz schnell zu einem Terminmarathon zusammen. Noch will ich mich für ein paar Stunden der Illusion hingeben, ich könnte mit dieser Zeit tatsächlich frei und großzügig wirtschaften. Aber eine Sache würde ich gerne versuchen: ich würde gerne in achtzehn Tagen achtzehn mal posten. Ich finde, ich habe den Blog ganz schön schleifen lassen. Damit ist jetzt Schluss!

Jetzt allerdings ist es schon nach zehn, Ndogo ist erst vor ca. zwanzig Minuten eingeschlafen, ich bin völlig kaputt und kriege wieder mal nur einen Schnelldurchlauf hin.

Cantienica ist jetzt vorbei, und wegen einmal Migräne, einmal Wien-Urlaub und einmal in der darauffolgenden Woche wegen verlorenem Rhythmus verpennt habe ich jetzt drei von acht Stunden verpasst. Da darf man eigentlich nicht meckern, auch wenn ich wirklich viel Zeit damit zugebracht habe, die Übungen zuhause oder auch mal möglichst unauffällig in der Bahn zu machen. Ich hätte in meiner Naivität gehofft, es würde schneller wirken. Noch tut es das nicht, noch ist es eher schlimmer denn je. Bzw. war, seit vielleicht vier, fünf Tagen geht es langsam bergauf. (Sagte sie und hoffte, dass der nächste steile Bordstein oder die nächste gerade noch erwischte Ubahn nicht einen Rückschlag bringen.) Zum Pipithema fehlt mir jetzt gerade die Energie, aber dazu noch mal mehr. (Es sei denn, ihr findet das alle so ekelig und peinlich und daneben, dass da kein Bedarf besteht? Davon abgesehen, dass das Thema sowieso keine von uns wirklich brauchen kann und will?)

Ndogo isst weiter hochzufrieden seine Gläschen, und ich kann wieder mal mein Glück nicht fassen: nicht nur, dass er meine Schlafenszeiten hat (Augen zu so ungefähr um zehn, Augen das nächste mal auf um sieben) und uns in der Zeit zwischen elf und halb sechs insgesamt vielleicht acht mal geweckt hat in den fast fünf Monaten, die er auf der Welt ist - die ersten Tage im Krankenhaus mal nicht mitgerechnet - sperrt er auch noch bei bisher fast allen Gläschensorten schön den Schnabel auf und greift sogar schon nach dem Löffel, wenn ihm das nicht schnell genug geht. Ich glaube, das mit der Babykocherei geht hier demnächst mal los.

Der nächste Versuch muss leider noch ein bisschen auf sich warten lassen. Zwar hatte ich inzwischen meine Tage, aber treffsicher wie immer hat mein Quatschbauch in dem Moment losgelegt, in dem die Punktion und die Rückübertragung genau in die Weihnachtsferien meiner Klinik fielen, da war dann nichts zu machen. Jetzt warten wir auf die zweite Runde, die hoffentlich in der ersten Januarhälfte losgeht.

Womit wir in der zweiten Januarhälfte wären und damit beim Stammtischtermin: im Spiel waren dritter und 17. Januar. Für L., der babysitten muss, gehen beide vorgeschlagenen Termine, zwei von den Kommentardamen können aber nicht am 3., und damit bekommt den Zuschlag der 17. Januar.

Wir haben einen Termin! Uff. Und ich hole mir jetzt ein Glas Weißwein und freu mich darauf, dass nun endlich, endlich meine Weihnachtszeit beginnt.

Sonntag, 1. Dezember 2013

Einerseits in tiefer Zerknirschung, andererseits aber trotzdem von einem Ohr zum anderen grinsend

Ich habe ein Baby. Hatte ich schon mal erwähnt, oder? Im Moment schläft es nebenan im Stubenwagen in der Küche, aber jede Sekunde kann es wieder wach sein, und dann geht der Spaß weiter mit greifen und brabbeln und kichern und fuchteln. Noch nie vorher gab es das, dass ich ihn achtzig mal am Tag anstarre und denke wie zum ersten Mal: ich habe ein Baby. In den letzten Tagen habe ich so viel Zeit mit ihm verbracht, dass es sich manchmal anfühlt, als wären wir an der Hüfte zusammengewachsen, und fast jede Minute davon hat Spaß gemacht. Seit Donnerstag bekommt er mittags Gläschen, und ich bekomme schon eine leise Ahnung davon, was für großartige Zeiten wir zwei rund ums Essen erleben werden. Erster Tag: Apfel pur aus dem Glas. Er hat gegessen, aber Begeisterung sieht anders aus. Wie Begeisterung aussieht, habe ich dann am Freitag erlebt, als wir zum ersten Mal Kürbis hatten. Gestern dann die zweite Hälfte des Kürbisgläschens, und heute - mal sehen? Gerade gab es zum dritten Frühstück eine kleine Schale zermatschte Banane mit Premilch angerührt, und er hat mir sehr höflich zu verstehen gegeben, dass ich das bitte so schnell nicht noch mal versuche. Mein Kind mag salzig lieber als süß! (Bevor jetzt hier jemand vor Schreck einen Schlaganfall bekommt, nein, ich tue kein Salz an die Gemüsegläschen.) Auch da kommt er nach mir. Noch mal zum Gläschen- vs. Selbstkoch-Thema: Ich bleibe dabei. So lange die Gläschen aus einzelnen Zutaten bestehen, sehe ich absolut keinen Grund, das selbst zu machen - im Gegenteil, ich gehe fest davon aus, dass die Gläschenfirma das besser hinkriegt: frischeres Gemüse ohne Umweg über Großmarkt und Edeka-Lieferant, auf die Sekunde genau austarierte Garzeit, gesetzlich vorgeschriebene penibelste Hygiene-Standards. Da kann ich mit meinem Pürierstab und meinem Mikrowellen-Dämpfkorb nicht gegen an. Aber bald beginnt die Zeit, in der Ndogo auch mal was Spannenderes probieren darf. Und dann lege ich los, dass es nur so knallt. Das passende Post-Label hab ich schon mal eingeführt.

Heute ist L. bei seinem Nerdsport, und wir machen es uns weihnachtlich. Gerade habe ich eine große Dose Spritzgebäck mit dem Fleischwolf meiner Oma produziert, während das Baby (ich habe nämlich ein Baby.) in der Wiege danebenlag und hingerissen die eine Kerze am Adventskranz angestarrt hat. Dazu lief meine Weihnachtsplaylist, und nachher zünden wir vielleicht noch die Kerzen an der Weihnachtspyramide an. Nicht, dass ich all das nicht auch die letzten Jahre schon veranstaltet hätte, Weihnachten kann ich auch gut alleine. (Und auch dieses Jahr bringt mich diese niederträchtige Ferrero-Plakataktion "Was wäre Weihnachten ohne Kinder?" wieder zur Weißglut wie eh und je. Denken die eigentlich nicht nach? Oder denken die sehr wohl nach, aber machen es einfach trotzdem?) Trotzdem bin ich gerade so dermaßen dankbar, dass mir eigentlich Marzipan aus den Ohren quellen müsste. Ich habe ein Baby. Ist das zu fassen?

Damit zum Stammtisch. Und ich weiß, ich hab es versprochen, und ich wollte wirklich, aber es ist wie verhext. An einem der Montage bin ich auf einem Geburtstag eingeladen. Am anderen Montag will meine Auftraggeberagentur - Überraschung! - dass ich mit ihr über Nacht zur Agenturweihnachtsfeier fliege. Und der dritte angebotene Termin ist futschi, weil sich für diese Nacht im Kielwasser einer anderen Agenturweihnachtsfeier Besuch aus Berlin angekündigt hat, den ich schon viel, viel zu lange nicht mehr gesehen habe. Bitte verbucht es nicht unter "War ja klar, sobald Flora ein Baby hat, sind die Abkürzungsdamen nicht mehr wichtig", sondern unter "So ist das eben vor Weihnachten, eben noch wochenlang ein freier Tag neben dem anderen, dann macht es einmal leise 'Puff' und alles ist voll mit irgendwelchen Terminen." Ich wäre aber sehr dafür, dass wir jetzt schon einen Termin für Januar festmachen und schlage hiermit vor: Freitag, der dritte, oder Freitag, der siebzehnte. An beiden Terminen hat L. Zeit, den Babysitter zu machen. An keinem der Termine hat jemand Geburtstag.

Und jetzt wünsche ich allen Abkürzungs- und Ex-Abkürzungsdamen einen schönen ersten Advent.

Montag, 25. November 2013

Pre-Milch, deine Tage sind gezählt.

Das Wichtigste zuerst: das Kind lebt noch und hat uns zur Begrüßung ziemlich verschlafen angestrahlt, bevor es dann hellwach war und anfing, quiekend vor Freude mein Kinn zu essen. Heute Nacht haben wir händchenhaltend geschlafen, noch passt er gerade so in sein Babybay. Wenn es ihm in irgend einer Weise geschadet haben sollte, dass er für ein paar Tage von meiner Mutter betreut wurde statt von uns, dann lässt er es sich nicht anmerken. Ich hatte zwischendurch immer mal wieder eine kalte Stelle, fünf Minuten, in denen ich mich nicht mehr für dieses ganze Wiendings interessiert habe, sondern nur seufzend die Fotogallerie in meinem Telefon durchgesehen habe. Aber davon abgesehen hatten wir ein paar schöne Tage im Nieselregen, ich war zwei mal im Kino (ein Film in Ordnung, der andere sturzblöd, aber auch schon egal, es war zu toll, wieder mal mit einem Eimer Popcorn im Dunkeln zu sitzen), zweimal im Theater sowie in der fabelhaft verqualmten Theaterkneipe Bendel, ich habe zwei Bücher gelesen und einmal zwölfeinhalb Stunden am Stück geschlafen, war in der Sauna und habe als nachträgliches Geschenk zur Geburt einen alten Mantel aus New York bekommen, in dem ich mir jetzt vorkomme wie Katherine Hepburn. Dass ich jetzt direkt drei Tage arbeiten gehen muss, tut mir leid, nächstes Mal organisieren wir das so, dass ich in der darauffolgenden Woche Mittwoch-Donnerstag-Freitag arbeite. Wobei L. mir gerade per Telefon berichten konnte, dass Ndogo die Kinderfrau mit lautem Freudengegluckse begrüßt hat.

Die Hydra Dings BB Cream von Dior ist eine Pleite. Es sei denn, man wünscht sich von einer BB-Cream, das Gesicht gelblich-beige zu färben und speckig zu machen. Die Verkäuferin, auch nicht blöd, hat mir diesen Glanz als "Perlmuttschimmer" verkauft. Das ist er auch in der ersten halben Stunde, danach speckt es wirklich nur noch. Pudern hilft, aber wenn ich am Tag sieben mal pudere, brauche ich auch keine BB-Cream. Die Farbe sollte sich eigentlich nach wenigen Minuten meinem natürlichen Hautton anpassen und perfekt für "englische Typen" wie ich angeblich einer bin gemacht sein. Nix da, beige bleibt beige, und in meinem Gesicht gibt es normalerweise keine beigefarbene Zelle. Das Ergebnis ist ungefähr so wie damals bei meiner ersten BB-Cream, die von Garnier war und um die sieben Euro gekostet hatte, die habe ich nach dem ersten Versuch weggeworfen. Das werde ich mit dieser hier nicht tun, weil sie so teuer war - eigentlich irrational, beige ist beige. Die Lehre, die ich daraus ziehe, ist nicht nur, diese Creme bestimmt nicht noch mal zu kaufen, sondern auch, in Zukunft auf der Suche nach einem neuen Kosmetikprodukt nicht mehr ins Alsterhaus zu gehen, denn dort ist alles nach Marke sortiert. Es gibt dort niemanden, zu dem ich gehen kann und sagen "Guten Tag, ich hätte gerne eine schöne BB-Cream mit hohem Lichtschutzfaktor, die zu meinem Hautton passt bitteschön". Ich muss zu Dior oder zu Shiseido marschieren, und dann kriege ich eben das, was die haben. Die einzig gute Nachricht ist, dass es nun doch kein stinketeures Produkt in meine Standardausrüstung geschafft hat, im Zweifel begeistere ich mich lieber für 15-Euro-Creme als für 60-Euro-Creme. (Normalerweise hätte ich die enttäuschende Tube gar nicht weiter erwähnt, aber eine Kommentardame hatte darum gebeten. Das meiner Meinung nach beste Duschgel der Welt ist übrigens Fabulously Fresh von Burt's Bees, einer Marke, deren Produkte mich sonst nicht so überzeugt hatten. Es ist ölig und damit leicht rückfettend und riecht so extrem nach Minze, dass es zu vor-Baby-Zeiten schon im Alleingang Kater und bis heute Müdigkeit und schlechte Laune beseitigt hat. Im Sommer erfrischt es, im Winter wärmt es - ich find's toll. Man bekommt es unter anderem im Online-Shop der Apotheke am Rothenbaum.)

Vor einer ziemlichen Weile hatte ich mich mit Stammtischdame Nina mal auf der Schanze getroffen, und zum Ende des Babybummels waren wir noch bei Budni. Da fragte sie mich dann, wie ich das denn vorhätte mit Zufüttern: selber kochen oder Gläschen? "Quatsch, das Kind isst, was wir essen" dröhnte ich damals noch dummselbstbewusst. Seitdem habe ich zum Glück ein bisschen dazu gelesen und nehme jetzt alles zurück. Ndogo ist jetzt vier Monate alt, damit im besten Alter für erste Experimente mit Möhrchen usw., und sobald diese Arbeitswoche am Donnerstag vorbei ist, stürze ich uns in dieses Abenteuer. Gerade habe ich schon die ersten drei Bio-Gemüsegläschen bei Budni besorgt. So lange noch nicht richtig klar ist, was er mag und was ihm bekommt, werde ich nichts selber kochen. Erstens ist die Tiefkühltruhe voll, in dieses Chaos aus undichten 8-Kräuter-Packungen und undefinierbaren Alufoliepäckchen will ich seine Babyportiönchen nicht versenken, ich könnte sie zu leicht mit eingefrorenem Eiweiß oder Weißweinrestchen verwechseln, nicht auszudenken. Zweitens ist mir das Frustpotential zu hoch: ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlt, an einem Babytag mit ihm loszuschieben, feinstes Biogemüse zu besorgen, zu waschen, zu putzen, zu schnibbeln, zu dämpfen, zu pürieren und dann erwartungsfroh mit dem Löffel auf das Mäulchen zuzusteuern, nur damit er mir das alles um die Ohren wirft und losbrüllt und ich die schönen Pastinaken/Topinambur/Kürbisbreichen für nix und wieder nix fabriziert habe. Ganz zu schweigen von den unvermeidbaren Schuldgefühlen, sollte er mein Essen wirklich essen und anschließend den Dünnschiss oder die Verstopfung seines kleinen Lebens haben. Drittens glaube ich ehrlich gesagt, dass ein Biogläschen im Zweifel aus frischerem Gemüse und schonender gegart ist, als ich das mit normalen Edeka-Hausmitteln hinkriege. Ich freue mich also schon sehr darauf, für Ndogo zu kochen, aber ich glaube, am Anfang baue ich lieber auf Alnatura usw.
In meiner Bürotasche liegen jetzt drei Gläschen: Frühkarotten, Kürbis und Pastinake. Und Donnerstag Mittag haben Ndogo und ich eine Verabredung zum Essen. Mein Baby wird erwachsen! Ich find's toll.

Dienstag, 19. November 2013

Für vernünftige Überleitungen fehlt mir gerade die Energie.

Neulich habe ich irgendwo gelesen "die Minuten kriechen, die Tage rasen" - so oder so ähnlich. Und ziemlich genau so ist es mit einem Baby. Die Zeit zwischen halb neun und halb zehn abends zum Beispiel, wenn er einfach nicht einschlafen will, nicht mit Geduld und Gesinge und Geschaukel und Fläschchen und trotzdem nicht - die gibt mir das Gefühl, ich trage ihn gerade schon seit drei Tagen durchs Wohnzimmer, und immer knarrt die gleiche Stelle, während ich mit ihm um den Esstisch laufe und L. nebenan schon wieder eine Folge meiner Lieblings-Krimiserie guckt. Oder wenn ich nachts wach bin und neben mir dieses kleine Profil zwischen zwei geballten Fäustchen liegt, dann scheint es fast, als wären das nicht zehn Minuten, sondern die Ewigkeit. Und dann ist plötzlich November, Ende November sogar, und dabei war doch gerade noch September? Während ich hier drinnen schleppe und wickele und füttere und klitzekleine Kleidungsstücke wasche, werden da draußen Firmen gegründet und Filme gedreht und Ehen geschieden und vor allem jede Menge Laub mit Hilfe extrem lauter Geräte zusammengepustet. Davon mal abgesehen - von den merkwürdigen Dingen, die mit meiner Zeit passieren, und davon, dass ich zu eigentlich fast allem, was mir mal wichtig war, nicht mehr komme, und davon, dass ich eigentlich immer gerade vor irgend etwas Angst habe, sowie davon, dass über allem, was ich tue und lasse, das Gefühl hängt, den Dingen nicht gerecht zu werden und in zunehmende Unordnung zu geraten - von all dem abgesehen bin ich sehr glücklich. Und dankbar. Und glücklich. Und dankbar. Und glücklich.

Morgen abend kommen meine Eltern, dann erkläre ich meiner Mutter, wie das neue Fläschchendesinfizierungsdings funktioniert und der Autokindersitz, dann packen wir, und Donnerstag früh steigen wir ins Flugzeug und kommen erst Sonntag wieder. Jede, die sich denkt, "das täte ich nicht", kann sich sicher sein: ich denke das auch oft genug, aber das ist vermutlich eine dieser Sachen, die man einfach trotzdem machen muss. Ihr kennt meine Mutter nicht, ich schon, und ich habe manchmal das dumpfe Gefühl, bei ihr ist das Kind fast in besseren Händen als bei mir. Ihm wird also nichts passieren. Ob ich dagegen in den drei Tagen manchmal trübe und voller Melancholie auf meine Buchteln starre oder das Treiben auf der Akademietheaterbühne eher teilnahmslos verfolge, werde ich abwarten. L. freut sich wie verrückt auf drei Tage nur mit mir, was ich mal als Kompliment werte, und das Kompliment würde ich eigentlich gerne zurückgeben.

Meine alte BB-Creme war alle, die war von Smashbox und kostete ca. 25 Euro pro Tube (glaube ich, ich komme sehr, sehr lange mit so was aus, da vergesse ich meistens bis zur nächsten Tube den Preis), und obwohl ich eigentlich ganz zufrieden damit war, war ich doch nicht wirklich bis in alle Ewigkeit begeistert. (Ich bin einer dieser Tröpfe, die tatsächlich glauben, es gäbe so etwas wie das perfekte Kosmetikprodukt in jeder Kategorie, ich müsste nur lang genug suchen. Aber beim Duschgel habe ich es tatsächlich gefunden!) Und irgendwie kam das plötzlich nach einigem Gegoogel und ca. sieben Pröbchen so, dass ich gestern im Alsterhaus bei Dior war und mir eine Tube Hydra Life BB Cream gekauft habe. Auch, wenn diese Tube drei Jahre halten sollte, werde ich trotzdem nicht vergessen, dass sie 58 Euro gekostet hat. Beschwingt bin ich mit meinem Dior-Tütchen zurück an den Schreibtisch gegangen. Heute morgen bin ich aufgewacht, habe kurz auf das schlafende Gesicht zwischen den zwei geballten Fäustchen neben mir geguckt und dann aber sofort als nächstes gedacht "Neue Creme! Heute erster Tag mit neuer Creme!" und dann auf einmal gedacht "Schöner Mist. Neue Creme für 58 Euro fühlt sich auch nicht anders an als früher mal mit neuem Tintenkiller für eine Mark fünfzig in die Schule".
Und nachpudern muss man auch noch.

Stammtischtermine bis Jahresende werden langsam dünn. Jetzt oder nie bzw. erst 2014. Also jetzt. Sonntag bin ich wieder da. Nächsten Freitag habe ich schon was vor. Am sechsten Dezember haben L. und ich Jahrestag. Am 20. habe ich zwar noch nichts, aber dieses Jahr kommt meine komplette Familie zu Weihnachten, und am 20. werde ich vermutlich schon mit Schürze um irgendwas schmoren oder mit Speck bardieren oder was weiß ich. (Spätestens dann, nach täglich vier Stunden im Küchendunst, kann die schicke BB-Creme zeigen, was sie drauf hat.) Wie wäre also der 13. Dezember? Das wäre mein Lieblingstermin. Damit es nicht so nach "Friss oder stirb" aussieht, biete ich euch außerdem an: Montag, den neunten Dezember, oder Montag, den 16. Dezember. Und sollten alle Stricke reißen, dann eben noch mal zum Samstags- oder Sonntagsbrunch. Oder?

Ich hoffe übrigens, dass bis Weihnachten der nachgeburtliche Haarausfall überstanden ist. Der Fachliteratur ist zu entnehmen, dass während der Schwangerschaft nur sehr wenige Haare ausfallen (was stimmt, ich habe in neun Monaten zwei mal meine Haarbürste gereinigt). Dann kommt die Geburt, und irgendwann danach fallen innerhalb kürzester Zeit all die Haare aus, die man sonst in den neun Monaten verloren hätte, bis wieder alles beim Alten ist. Ich dachte schon, ich wäre davongekommen, aber jetzt ist sie da: die Zeit, in der ich mich einmal kurz übers Waschbecken beuge und meine Zähne putze und hinterher vier lange Haare beseitigen muss. In der ich fast eine Genickstarre kriege, weil ich zigmal am Tag über meine Schultern gucken und unzählige helle lange Haare von meiner dunklen Jacke pflücken muss. Und in der ich ehrlich gesagt Angst davor habe, für Gäste zu kochen, denn es ist so gut wie unmöglich, kein Haar ins Essen fallen zu lassen. Fies, denn der einzige Ort, an dem ich Haare nicht unappetitlich finde, ist festgewachsen auf dem Kopf.

Liebe Abkürzungsdamen, die Mittagspause ist vorbei, das war es dann schon wieder. Ich versuche, mich aus Wien zu melden. Sollten zufällig irgendwelche Einbrecher mitlesen, die außerdem technisch gewieft genug sind, um meinen Wohnort herauszufinden: wenn ihr euch jetzt die Hände reibt und denkt, da räumen wir dann in den nächsten Tagen mal schön die Bude aus - da sind noch zwei große, im Zweifel bissige Hunde. Und meine Eltern, die zwar nicht beißen, aber trotzdem sicher ihre ganz eigenen Methoden haben, mit euch fertig zu werden.

Samstag, 9. November 2013

Diesen Post verdanke ich einem unerwarteten kurzen Mittagsschlaf

Liebe Abkürzungsdamen, es tut mir leid, dass die Stammtischplanung hier gerade dermaßen schiefläuft, aber ich muss noch mal alles umwerfen. Die freien Donnerstage sind mir in den letzten Tagen um die Ohren geflogen wie Popcorn, an einem Donnerstag wird es also leider nichts werden. Mittwoche sind bei mir fest verplant als Mädchenabende, da treffe ich mich mit meinen Freundinnen, und nachdem ich es diese Woche wegen zu viel Arbeit nicht geschafft habe und mich schon nach diesem einen Termin ein bisschen wie amputiert fühle, würde ich ungern noch einen Mittwoch verpassen. Dienstags ist L. bei seinem Nerdsport. Montags ginge, ist aber für einen bunten Abend nur mittellustig. Freitag? Wie wäre Freitag? Sagt mal Piep? Und ich verspreche auch, diesmal kriege ich das hin mit dem roten Kringel im Termin und dem reservierten Tisch. Ich würde übrigens vorschlagen, wie immer im Gloria.

Inzwischen hat es sich mit unserem Kindermädchen ganz gut eingependelt, jedenfalls erzählt L. mir das. Ich kriege entgegen der Absprache mit meinem Auftraggeber, auch öfter mal von Zuhause aus arbeiten zu können, davon so gut wie gar nichts mit. Letzte Woche war ein wichtiger Termin für die Agentur, der jetzt vorbei ist, und ich hoffe schwer, nun wird es wieder weniger wichtig, an welchem Schreibtisch genau ich sitze. Nachdem mir zuhause meist doppelt so viel einfällt wie im schicken Innenstadtbüro, wüsste ich eigentlich nicht, was dagegen sprechen sollte. Jeden Montag, Dienstag und Mittwoch pelle ich mich also zu grausam früher Zeit aus dem Bett, wickele und füttere im Halbschlaf das Kind, dusche, führe die Hunde aus, und wenn ich endlich die Augen richtig auf habe, finde ich mich zu meiner Überraschung in der Ubahn in die Innenstadt wieder. Da spiele ich dann neun Stunden Erwachsen, mit Mittagspause und Meetings und so, und dann fahre ich wieder nach Hause. Donnerstags muss L. auch noch mal ran, da gehe ich zum Cantienica.

Ach, Cantienica. Das ist ein ganz eigenes Thema. Wenn ich ehrlich sein soll: Spaß macht mir das überüberhaupt nicht. Alles, was ich an Sportkursen mag, fällt weg: kein Gehopse, kein Schweiß, kein "Noch 7, noch 6", keine müden Knochen und prickelnden Muskeln hinterher. Man sitzt und liegt nur so da und versucht, Zonen seines Körpers zu bewegen, die man eigentlich kaum bewegen kann. Eine Dame aus dem Kurs beklagte sich in der ersten Stunde: "Da tut sich gar nichts. Ich kann das nicht. Das ist, als sollte ich eine Stunde lang mit den Ohren wackeln." Und da hatte sie teilweise weg. Cantienica ist wahnsinnig anstrengend, weil man sich so konzentrieren muss und an etwas arbeitet, was so klein und schwer zu fassen ist. Gleichzeitig ist es für meinen Geschmack zu wenig anstrengend, ich möchte angefeuert werden und zwanzig Einheiten von irgendwas schaffen. Trotzdem habe ich ganz allmählich das Gefühl, es wirkt. Woran ich das festmache, weiß ich auch nicht, denn ich mache mir nach wie vor mehrmals pro Woche in die Hose und stehe dann da, hilflos vor Scham und unfähig, irgend etwas dagegen zu tun. Es kann passieren, wenn ich auf zwei Fingern nach den Hunden pfeife. Oder wenn ich die letzten drei Stufen der Ubahntreppe runterrennen will, um noch schnell in die Bahn zu springen. Oder wenn ich die grüne Ampel noch erwischen will. Oder wenn ich den Wasserhahn aufdrehe. "Dann lass das doch alles einfach sein", könnte man mir raten, aber ich vergesse das auch zwischendurch - außerdem rechne ich nicht immer damit, das Pfeifen und sein Effekt war z.B. eine Überraschung. Gerade sollen wir uns halten, wie eine Buschfrau, und überhaupt ganz viel mit geradem Rücken tun. Und zwischendurch sollen wir immer wieder diese klitzekleinen und trotzdem anstrengenden Übungen machen. Ich bleibe dran, fünf Stunden hab ich noch vor mir, und ich hoffe, bis dahin bin ich wieder der Boss meiner Blase. Das, was man sonst so an Tipps hört für den Beckenboden, soll übrigens Bäh und eher schädlich sein: kein Bauchmuskeltraining, kein Pipi-Anhalten, und schon gar keine Gewichte. Falls es euch interessiert, erzähle ich auch gerne, was die Cantienica-Tante dazu gesagt hat.

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Warum? Darum.

Einige der Gründe, warum es für mich grauenvoll ist zu arbeiten.
Weil ich mich manchmal so fürchterlich hohl fühle. Nicht hohl im Sinne von doof, sondern hohl im Sinne von leer und ausgehölt. Das Gefühl ist nach ein paar Minuten vorbei, aber man vergisst es nicht so schnell.

Alles ist in Unordnung. Als ich nur zuhause war, habe ich es irgendwie geschafft, die Bude bewohnbar zu halten. Jetzt... huaaaarg. Und noch nie hat mir das so viel ausgemacht wie jetzt.

Mein Lebensgefühl ist auch in Unordnung. Irgendwo habe ich neulich von Müttern gelesen, die das 1a hinkriegen: sich voll auf das Kind zu konzentrieren, wenn sie beim Kind sind, und dann zwei Stunden später total in ihrer Arbeit aufzugehen, wenn sie am Schreibtisch sitzen. Die würde ich gerne mal kennenlernen und sie fragen, wie sie das machen. Vermutlich lautet die Antwort ganz einfach: tja, wir sind eben nicht solche Fusselhirne wie du.

Ich kriege die Angst nicht aus dem Kopf, dass etwas Schlimmes passieren könnte, während ich nicht bei meinem Kind bin. Ich weiß, dass diese Angst irrational und das Erster-Klasse-Ticket in den Wahnsinn ist. Ich weiß auch, dass ich sie vermutlich nur durch Gewöhnung und die täglich wiederholte Lektion loswerde, dass eben im wirklichen Leben nichts Schlimmes passiert. Ich hoffe, der Effekt tritt demnächst ein. Wieso habe ich diese Angst? Ich weiß es nicht. Denn wenn ich ehrlich bin, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit dem Kind auf dem Arm die Treppe runterfalle, mindestens so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand anderem passiert (der erstens nicht so ein Fusselhirn ist und zweitens im Gegensatz zu mir räumliches Sehen hat, das extrem nützlich ist beim Treppenhinabsteigen). Ich weiß das! Nützt aber nix, wie das mit Ängsten so ist.

Alles, was mir rund um meinen Job schon vor dem Baby dämlich erschien, erscheint mir jetzt noch viel dämlicher. Und durch den einen Monat zwischen Mutterschutz und Job, für den ich volles Elterngeld bekomme statt des Basisbetrages von 300 Euro für gutverdienende Ex-Abkürzungsdamen weiß ich jetzt leider, was ich monatlich bekäme, wenn ich es einfach lassen würde. Ach, ach, ach, ich Ärmste, hätte ich diese Zahl doch nie gelesen. Jedes Mal, wenn ich früher nur gedacht habe "Oh Mann. Na gut. Gesichtsmuskeln unter Kontrolle bringen, weitermachen." denke ich jetzt "(hier eine phantastisch hohe Zahl einfügen)". Zuletzt dachte ich sogar an die Zahl, als im vegetarischen Mittagspausenrestaurant die Auberginen noch roh waren und ein Haar im Nachtisch.

Weil ich mich jetzt, gerade dann, wenn ich am wenigsten an die Zahl denke, trotzdem pünktlich loseisen und das alles hinter mir lassen muss. Eigentlich habe ich mich gern reingesteigert in meinen Job, zumindest manchmal. Ich war zwar nicht mehr bereit, wie vor zehn Jahren 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, aber wenn es auf den wichtigen Präsentationstermin zugeht, habe ich auch gerne eine Schippe mehr draufgepackt und mir mit roten Augen noch letzte Ideen abgepresst. Jetzt sitzen wir im Konferenzraum, und jemand sagt zu mir: "Ach so. Ja, du musst ja jetzt gleich los, oder?" Ja, muss ich, und es ist ja auch gut und richtig so, aber trotzdem fühle ich mich in dem Moment wie ein Nichtschwimmer.

Weil es so ziemlich eine der demoralisierendsten Erfahrungen ist, auf einem Firmenklo zu knien und Muttermilch ins Klo auszustreichen, weil ich sonst leider explodiere.


Einige der Gründe, warum es für mich trotzdem gut ist zu arbeiten.
Weil ich heute mein erstes selbstverdientes Geld seit der Geburt auf dem Konto hatte und sich das toll angefühlt hat.

Weil ich nie wieder meinen Mann um Geld bitten will. Nicht, weil er darauf so blöd reagieren würde, sondern einfach so. Ich fühle mich besser, wenn ich das nicht tue.

Weil ich schon Angst hatte, ich würde verblöden. Ich hatte in den letzten Monaten manchmal Telefonate mit Leuten, die mir wirklich wichtig sind, die mir Dinge erzählten, die ihnen wirklich wichtig waren, und alles, was mir dazu nach den ersten zwei Minuten einfiel war "Das ist doch gut. Hm-hm. Das ist doch gut. Sehr schön. Das ist doch gut. Hm-hm." Ich sehe die Arbeit gerade auch ein bisschen als Rückbildung fürs Hirn. (Oh Gott. Bitte bitte, mitlesende Damen, denkt nicht, dass ich sage, als zuhause bleibende Mutter verblödet man. Ich und nur ich bin hier wieder mal das Thema, und mir ging es leider ein bisschen so.)

Weil ich jetzt an jedem Arbeitstag zwei mal 25 Minuten in der Ubahn habe und damit drei mal 50 Minuten zum Lesen. Letzte Woche war ein Kontrolleur da, der etwas länger zum Kontrollieren brauchte, den habe ich fast angeschnauzt. (Nur fast. Aber es ging um meine Lesezeit!)

Weil es unfassbar schön ist, abends nach Hause zu kommen. Mein Kind aus dem Stubenwagen oder aus L.s Armen zu nehmen, an mich zu drücken und an seinem Kopf zu riechen, ist eine einzige Bewegung. Dann stapfe ich schnell nach oben mit ihm und stille ihn (wird auch allerallerallerhöchste Zeit, falls die Exabkürzungsdamen verstehen, was ich meine) und habe meinen Frieden.

Weil ich jetzt die Zeit mit ihm wirklich, wirklich in mich aufsauge wie den Duft seines Kopfes.

Weil er das Kindermädchen wirklich gern hat. Diese Woche war ich einen Tag zum Arbeiten zuhause und habe gesehen, wie er gestrahlt hat, als er ihr Gesicht gesehen hat. Die Welt eines Babys ist klitzeklein, und seine ist gerade um eine Person bereichert worden. Ihr solltet sein Gesicht sehen, wenn sie ihm spanische Kinderlieder vorsingt.

Weil ich jetzt nicht zuhause sitze und ständig denke, ich bezahle dieses Babyjahr damit, dass ich hinterher zurück in eine Jobwelt muss, in der von mir als freier Texterin erwartet wird, an einem Buchungstag bis weit nach Mitternacht zu arbeiten und jederzeit bereit zu sein, mal eben für zwei Wochen nach Berlin oder München zu ziehen, und zwar ab... äh... morgen?

Weil es mir gut tut, mich an drei Tagen in der Woche präsentabel anzuziehen, touche eclat aufzutragen, BB-Cream und Wimperntusche und Mittagspausen zu haben und Abstimmungen und Espresso zu trinken, der einfach so aus einer Maschine kommt, ohne dass ich Kaffee, Wasser oder saubere Tassen organisieren muss.

Weil L. und der Kleine mit jedem Tag enger zusammenwachsen. An drei Tagen in der Woche ist er jetzt vormittags mit ihm alleine. Wäre ich zuhause, würde ich angelaufen kommen, sobald ich ihn meckern höre. "Muxi! Was hast du denn? Mama ist ja da." Und schwupps, hätte ich ihn L. aus dem Arm genommen und wäre mit ihm nach oben geschwebt zum Stillen oder anderer Papa-wird-hier-nicht-gebraucht-Aktivität.

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Schatz, es wird etwas früher heute.

Lange Jahre hab ich mit männlichen Kollegen gearbeitet, die zuhause Frauen und kleine Kinder sitzen hatten. Dann spielten sich z.B. Szenen wie die folgende ab:

Es ist 19:27 und das Ende dieses Arbeitstages ist gerade in der vernichtenden Abstimmung in weite Ferne gerückt. Jetzt sitzen wir im Büro des Kollegen zusammen und versuchen irgendwie, die Scherben zusammenzusammeln, dieses Discofiepen im Ohr wegen des Gebrülls unserer Chefs wieder loszuwerden und einen Plan zu machen, wie es weitergeht.

Das Telefon klingelt. Der Kollege geht ran, anfangs noch erfreut über den Anruf und die Stimme am anderen Ende.
"Hallo! Oh Mann, hier ist gerade alles im Arsch. Wir müssen alles noch mal neu machen. Ich glaube..."

Wir erahnen am anderen Ende der Leitung einen deutlich verschärften Ton.

"... was... nein, kann ich nicht, ich muss... oh Mann, ich mach das doch nicht absichtlich? Ich wär doch jetzt auch gerne... NEIN, natürlich bist du mir nicht egal! Ich... nein, natürlich ist mir das auch wichtig! Aber... können wir später re... Hallo? Hallo?"

Und mit hängenden Schultern und plötzlich dreimal so dunklen Augenringen legt er auf.

"Arme Wurst", dachte ich damals meistens. "Wenigstens hab ich keine Familie. Wenigstens sind es nur meine Nerven und meine Magengeschwüre, die ich hier gerade strapaziere."


Später wurde dann das Klima und die Arbeitszeiten etwas lockerer. Männliche Kollegen mit kleinen Kindern und dazugehörigen Freundinnen und Frauen zuhause hatte ich immer noch. Nur gab es jetzt immer mehr, die sich nicht die Nächte für total superduperwichtige Vorstandspräsentationen um die Ohren hauten und sich mit letzter Kraft nachts um zwei irgendetwas aus dem ausgelutschten Gehirn wrangen. Die taten nur so. Die arbeiteten bis sechs, vielleicht auch bis sieben, und dann begann der gemütliche Teil des Arbeitstages. Dann holten sie sich Bierchen aus dem unerschöpflichen Agenturkühlschrank, bestellten sich vielleicht noch eine Pizza, und dann legten sie die Füße hoch und guckten sich Youtube-Videos an und dachten sich vielleicht zum Spaß noch irgendeine Quatschidee wie einen Flashmob oder dergleichen aus - aber eigentlich war das Freizeit, getarnt als Jobstress. Es war klar: reißt sich Papa jetzt von diesem netten Gedaddel und Gesüffel los und kommt nach Hause, dann wartet da eine Frau, die den ganzen Tag das Baby geschleppt und getröstet und gefüttert und noch mehr geschleppt hat, und deren Feierabend beginnt leider erst dann, wenn Papa übernimmt. Also wurde es eben heute wieder etwas später.

"Blöde Wurst", dachte ich dann. "Dann leg Dir eben keine Familie zu."

Und je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, was für ein Glücksfall das gerade alles ist: drei Tage in der Woche gehe ich zur Arbeit. Und ist die Arbeit vorbei - zum Glück sehen sowohl meine Chefs als auch ich das so, dass das um 18:00 der Fall sein sollte - dann fahre ich nach Hause, freue mich auf mein Kind, und L. hat nicht den ganzen Tag alles allein gemacht und wartet schon hinter der Haustür, sondern wir haben beide noch jede Menge Reserven.
Ich muss ehrlich sagen, schon kurz nach der Geburt habe ich damit angefangen, mir schon mal prophylaktisch Sorgen zu machen, wie das alles wird, und ogottogott, was, wenn alles grandios vor die Wand fährt. Mir diese Sorgen jetzt nicht mehr machen zu müssen und die erste Woche hinter mir zu haben, ohne dass es irgendwem von uns schlechter geht, ist für mich so toll und so befreiend, dass ich mich seit gestern Abend fühle wie frisch massiert. Die erste Cantienica-Stunde heute war vielleicht auch deshalb nicht so spektakulär, aber das erzähle ich in den nächsten Tagen mal in Ruhe. In der Klinik war ich auch: meine Ärztin hatte strahlend Michel auf dem Schoß, freute sich ehrlich und ganz herzlich mit uns, machte dann noch, wo ich schon mal da war, einen Ultraschall, stellte fest, dass zumindest mein linker Eierstock einen sehr guten Eindruck macht (das ist nichts Neues, der rechte ist in Endometriose eingewickelt wie Loriots Kohlroulade und sagt kaum noch was) und wir haben ausgemacht, dass ich mich melde, wenn ich meine Tage bekomme, was irgendwann demnächst der Fall sein sollte. Außerdem soll ich mal feststellen, wie viele Milliliter genau Michel noch bei mir trinkt, und sollte es wirklich nur noch ganz wenig sein, dann brauche ich vor der Stimulation noch nicht mal endgültig abzustillen.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Leicht verrissener Köpper.

Große Übergänge und Veränderungen im Leben machen mir Angst. Die letzten drei Tage vor dem ersten Jobtag waren ziemlich ekelhaft, aber nichts gegen die Nächte. "Noch drei mal nicht schlafen" dachte ich am Donnerstag, und genau so war es dann auch. In den ollen, klammen Stunden zwischen Mitternacht und Dämmerung liege ich oft wach, da brauche ich gar keinen besonders bombastischen Anlass, aber das war auch für meine Verhältnisse ein Festival der Grüblerei und der unguten Gedanken. Inzwischen kannte ich mich wenigstens gut genug, um zu hoffen, dass ich von diesem Zwölfer eben einmal springen muss und dann - wer weiß? - vielleicht sogar schneller, als man gucken kann, die Leiter wieder hochklettere und noch mal will.

Genau so war es dann nicht gerade, aber trotzdem bin ich nach zwei Tagen vorsichtig optimistisch.

Meine erste Erkenntnis habe ich früher von anderen schon ca. achthundertmal gehört, aber irgendwie nie so richtig geglaubt. Jetzt kann ich das bestätigen: ein Tag in einem netten Innenstadtbüro ist ungefähr ein Viertel so anstrengend wie ein Tag mit einem schlechtgelaunten Baby. Verglichen mit einem gutgelaunten Baby ist er ca. halb so anstrengend. Wie leicht auf einmal alles ist! Wie einfach! Wie viel Zeit man hat! Ich hatte zwar schon zwei Tassen Tee, aber jetzt hätte ich gerne noch eine. Nur zu! Ich gehe einfach in die Küche und mache mir eine. Jetzt ist Mittag. Was hole ich mir denn, einen Salat? Oder ans vegetarische Buffet? Oder einen Burger mit Fritten? Und wer kommt mit? Diese kleine popelige Schüssel Salat, die ich gerade in einer Papiertüte zurück in die Agentur trage, macht mich glücklich. Wieso? Spinnt die jetzt? Denken sich sicher manche Abkürzungsdamen. Ich sage nur, ich wünsche euch viel Glück für den nächsten Versuch, und dann wartet's mal ab. Es ist natürlich nicht alles toll, in Meetings nerven die gleichen Dinge wie vorher, und auch an bisher zwei Arbeitstagen hatte ich eine Menge Momente, in denen ich mir innerlich vor den Kopf geschlagen habe, aber davon abgesehen: das hier ist der leichte Teil meines Lebens. Das kann ich. Ich weiß, wie das geht. Vielleicht hat es auch geholfen, dass ich mit dem Schlimmsten gerechnet habe. Und das Schlimmste ist nicht passiert. Das Zweit- und Drittschlimmste auch nicht.

Fies ist natürlich, wenn man am ersten Tag nach der vierten Tasse Tee zum Telefon greift und mal hören will, wie es zuhause so läuft, und dann brüllt das Baby, und L. ist mit den Nerven auch schon runter. Aber ich habe mich mit Gewalt davon abgehalten, zwanzig Minuten später schon wieder anzurufen (Kann man auch nicht brauchen, mit brüllendem Baby nach dem Handy zu wühlen, so viel habe ich in drei Monaten auch gelernt), und kurz darauf war auch zuhause der Himmel schon wieder blau. Das Kindermädchen ist wider Erwarten tatsächlich aufgetaucht, hat fröhlich seine Arbeit getan und ist wieder gegangen. Am ersten Tag hat das Baby nicht so viel getrunken wie sonst, aber das hat er dann nach meiner Heimkehr im Affenzahn nachgeholt, und heute ging es schon viel besser.

Ist das zu fassen? Ich bin eine arbeitende Mutter.

Heute habe ich ca. 17mal sämtliche Fotos von Kalle auf meinem Handy durchgeguckt. Und von der Ubahn nach Hause bin ich eigentlich mit ausgebreiteten Armen gerannt. Es war unfassbar schön, nach zehn Stunden ohne ihn meinen kleinen Kalle mit den Pustebacken und den blauen Augen in den Arm zu nehmen. Ich hoffe, ich habe ihm im Überschwang keine Rippe gebrochen. Beschwert hat er sich nicht, im Gegenteil, er hat mich fröhlich angekräht. Morgen noch ein Tag, und dann ist der Spuk für diese Woche auch schon wieder vorbei. "Wie kriegt man das denn hin, mit Baby und Arbeit?" hat mich heute eine gefragt. Mit L., der gerade zu Hochform aufläuft. Mit Karlchen, der ein gesundes Grundvertrauen mit auf die Welt gebracht zu haben scheint und seine Ersatzmutter von Anfang an ins Herz geschlossen hat. Mit Chefs, die bereit sind, einiges für mich zu tun, wenn ich etwas für sie tue. Mit einem Kindermädchen, das Kalle gern hat und das auch bereit ist, drei Stunden mit ihm auf dem Arm durchs Esszimmer zu schwoofen und spanische Schlaflieder zu singen. Und davon abgesehen macht man das wie ein Alkoholiker, der aufhören will: immer einen Tag nach dem anderen.

(Verflixt noch eins. Wieso habe ich das Gefühl, diese Euphorie schreit danach, eins auf die Nase zu bekommen? Und morgen wird es schrecklich und der ganze schöne Plan ist wieder im Eimer?)

Was habe ich sonst noch zu berichten?

Niemand soll sagen, ich bin grundsätzlich ignorant und pampig gegenüber gutgemeinten Ratschlägen. Vor einer Weile, als ich über mein Pipiproblem klagte, haben mir Kommentatorinnen geraten, es mit Cantienica zu versuchen. Und tada, ich bin angemeldet in einem Cantienica-Rückbildungskurs, der am Donnerstag beginnt. Davon erzähle ich dann mal. Ich hoffe, es wird nicht gesungen.

Bei der Osteopathin war ich auch, die sollte etwas gegen meine Rückenschmerzen tun. Jeden Tag mehrere Stunden das Baby zum Teil in nicht orthopädisch korrekter Haltung hochzuheben und rumzuschleppen, fordert seinen Tribut. Danach war es erst schlimmer (wie von ihr angekündigt), aber nach zwei Thermacare Wärmepflastern besser.

Donnerstag gehe ich nicht nur zu Cantienica, sondern auch zum ersten Mal wieder in meine Kinderwunschklinik. Davon erzähle ich dann auch, ganz bestimmt.

Unser erster Flugurlaub mit Baby wird jetzt unser erster Flugurlaub ohne Baby. Meine Mutter hat sich angeboten, für die vier Tage Kalle zu hüten, und das Angebot haben wir angenommen, nachdem ich schon erwogen hatte, mir zwanzig Einwegfläschchen ins Hotel liefern zu lassen, um das Vaporisierproblem zu lösen. (Für Abkürzungsdamen: Fläschchen zu spülen, reicht leider nicht. Keimfrei müssen sie sein, das erreicht man, indem man sie minutenlang auskocht oder in einem Dampfbehälter in die Mikrowelle stellt. Das nennt man Vaporisieren. Jetzt gibt es in den meisten Hotelzimmern weder Mikrowellen noch Kochplatten.) Ein bisschen traurig finde ich das, ich hätte Kalle gerne Wien gezeigt. Andererseits erspare ich ihm vermutlich so eine Menge Stress, meine Mutter freut sich wie eine Schneekönigin, er liebt sie auch heiß und innig, und wir können zusammen ins fabelhafte Wiener Theater.

Den Stammtisch möchte ich so bald wie möglich machen, allerdings würde ich gerne den Termin in der Abkürzungsklinik abwarten, um um die heiße Phase der nächsten IVF herumplanen zu können. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass es am Ende ein Donnerstag im November wird. Könnten interessierte Hamburger Damen vielleicht schon mal kurz kommentieren, an welchen Donnerstagen es auf keinen Fall klappt bei ihnen? Bei mir ist der 21. raus, denn da werde ich mit etwas mit "erl" am Ende im Bauch im Theater sitzen, während hier meine Eltern die Stellung halten.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Friendly Fire: p.s.

Wieso überhaupt so viel an anderen herumgekrittelt und reingegrätscht wird, ist natürlich auch eine interessante Frage. Aber die Frage, die mich gerade viel mehr beschäftigt, ist folgende: Wenn man schon so dermaßen vom ehrenhaften Anliegen umgetrieben wird, dass es bitte allen Babies so gut gehen soll wie den eigenen, dann gibt es doch so viel lohnendere Gelegenheiten sich einzubringen, als den Feldzug gegen andere gutwillige und ambitionierte Mütter, die eben ein-zwei Dinge ein bisschen anders anpacken als man selbst, ob im Internet, in der Krabbelgruppe oder auf dem Spielplatz. Meine Lieblingsbloggerin dooce (die ihr in meiner Blogroll findet) engagiert sich z.B. bei "Every Mother Counts", einem Projekt, das dafür kämpft, dass schwangere Frauen in Afrika nicht mehr mit Wehen teilweise 50 Kilometer zu Fuß zur nächsten Behelfsklinik laufen müssen, nur um dort dann wegen Überlastung wieder weggeschickt zu werden und ihr Kind allein irgendwo im Staub zu bekommen. Ich bin sicher, eine Stunde am Rechner, nachdem das eigene Kind glücklich, warm, satt und behütet eingeschlafen ist, fördert Dutzende von tollen Initiativen zutage, die es wert sind, diese Energie und die Leidenschaft für das Kindeswohl dort einzubringen.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Friendly Fire.

Jetzt bin ich schon seit fast drei Monaten Mutter und vorher eine Ewigkeit erst noch nicht schwanger und dann schwanger gewesen, und ich verstehe es immer noch nicht.

Da sind auf der einen Seite die Mütter, die sich Mühe geben. Die alles richtig machen wollen, nach besten Kräften, die ihr Kind so gut lieben und groß ziehen wollen, wie es nur geht. Die Testergebnisse googeln, bevor sie einen Schnuller kaufen, die sich für Kurse anmelden und Strampler aus Biowolle kaufen, nicht aus Sorge um die Schafe, sondern aus Sorge um ihr Baby.

Und dann sind da auf der anderen Seite manche, die einen Freund haben, der das Kind verprügelt, und sie tun und sagen nichts. Die, denen ihre Kinder schlichtweg egal sind. Die ihrem Zweijährigen eine schallern, weil sie jetzt gerade ihre Soap gucken wollen und keine Lust auf sein Gebrüll haben. Die schwanger Kette rauchen. Die sich vernünftige Babynahrung nicht leisten wollen und stattdessen dann einfach Milchpulver nehmen. Die, die ab und zu einen Moment haben, in dem sie denken "Ach, das Würmchen. Wie es ihm wohl geht?" und dann ein Tränchen zerdrücken und zehn Minuten später trotzdem so weiter machen.

Und gäbe es noch eine dritte Seite, wären da vielleicht die, die keine Wahl haben. Die irgendwie allein mit drei Kindern und ohne Mann klar kommen müssen und eben arbeiten und das Kind bei der Nachbarin lassen, auch wenn sie manchmal das Gefühl haben, mit der stimmt irgendwas nicht. Die manchmal die Tür zumachen und das Kind brüllen lassen, weil es einfach nicht mehr geht. Die kein Geld haben für einen neuen Kindersitz, wenn das Kind aus dem alten rausgewachsen ist, oder die erst gar keinen Kindersitz haben. Die... ach, ihr wisst, was ich meine.

Was mir nicht in den Kopf will ist, warum Gruppe 1 - die Glücklichen, die ihre Kinder wollen und lieben und gleichzeitig die Möglichkeit haben, alles für sie zu tun, die also genau da sind, wo sie sein wollen und eigentlich einfach nur zufrieden sein müssten - sich ständig ankläffen und rumschikanieren muss. Wieso sich die Frauen, die grundsätzlich überhaupt nie Alkohol trinken, im Forum auf die arme Seele stürzen, die auf einer Hochzeit zwei Glas Sekt getrunken hat, als sie noch nicht wusste, dass sie schwanger ist. Warum engagierte Online-Scharmützel geführt werden über die richtige Art, ein Kind voll zu stillen. Warum ich auf einmal eine ganz Miese und total daneben bin, weil ich nach drei Monaten wieder arbeite - auch deshalb, weil ich sonst einen extrem familienfreundlichen Job aufgeben würde, um mir dann nach einem Jahr Elternzeit einen extrem familienunfreundlichen suchen zu müssen. Wobei, ich kann das ab. Andere trifft es bestimmt härter. Ich frage mich eben nur...

Es wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben.

Aufholpost

Es ist ein bisschen so, wie wenn man einen ganz alten und sehr guten Freund hat, den man viel zu selten sieht und mit dem man einmal im Monat telefonieren sollte. Und dann verbammelt man es und denkt fast täglich: den muss ich unbedingt anrufen, am besten heute. Und man verbammelt es aber immer noch, und irgendwann hat man erstens ein schlechtes Gewissen und zweitens inzwischen so viel zu erzählen, dass es mit einem üblichen 30-Minuten-Telefonat nicht mehr zu schaffen ist, und plötzlich ist ein halbes Jahr vergangen und man hat nicht telefoniert. Liebe Abkürzungsdamen, es tut mir sehr leid, dass ich in letzter Zeit so postfaul bin, aber irgendwie kommt das so. Ich stehe auf, füttere das Baby, und plötzlich kommen die Nachrichten und der Tag ist vorbei und ich bin völlig kaputt und zu nicht mehr imstande, als vielleicht noch einen Krimi zu gucken. Das hier muss also wieder mal ein Sammelpost werden.

Die Suche nach der Kinderfrau ist immer noch in vollem Schwung. Bisher hatten wir sechs Damen hier sitzen, vier letzten Donnerstag und zwei gestern. Wenn man bedenkt, dass ich heute in sechs Tagen wieder am Schreibtisch sitze, ist das sowas von haarscharf, aber so ist das wohl mit mir, ich komme auch immer am liebsten in dem Moment auf den Bahnsteig, wenn der Zug einfährt, statt da noch zehn Minuten rumzustehen. Zwei mehr hatte ich zwar eingeladen, aber die eine musste wegen eines Notfalls in einer anderen Familie abspringen, die andere kriegte es nicht hin vorbeizukommen, weil ihr ständig ihre Gesundheit querschoss. Blieben also sechs. Davon waren es zwei auf gar keinen Fall, die eine war so unsicher und gebeutelt, dass sie noch nicht mal Speedy in die Augen gucken konnte, geschweige denn uns, und die andere - die andere war offensichtlich wahnsinnig, und weil dieses Auswahlverfahren zeitlich mit den ersten Folgen von "Hannibal" zusammenfällt, wird die mich noch die eine oder andere Nacht um den Schlaf bringen. Puh. Dann waren da noch eine, die zwar perfekt war - herzlich, erfahren, zupackend und sofort mit einem tollen Draht zu Speedy, aber die wollte statt der 15 Wochenstunden, die wir sie brauchen, lieber 25 arbeiten. Wieso sie sich dann überhaupt vorgestellt hat und uns mit sich als perfektem Babysitter vor der Nase herumwedeln musste, um unsere Standards zu ruinieren und uns dann zu eröffnen, dass wir sie uns nicht leisten können, weiß der Himmel. Die also auch leider nicht. Dann gab es noch eine ältere, sehr spröde Dame mit einem ganzen Stapel hervorragender Zeugnisse. Bei der dachten wir, wenn die im Haus ist, werden wir automatisch grader sitzen und nicht so krümeln, was ja bestimmt kein Fehler ist. Wir dachten aber auch, die fängt an und sagt uns nach zwei Wochen, dass ihr das alles hier zu chaotisch ist und die Hunde sie überfordern, und dann geht die Suche wieder von vorne los, nur dass bei dieser Runde alle Damen rausfallen, denen wir im ersten Anlauf abgesagt haben, weil sie jetzt beleidigt sind. Und dann waren noch zwei sehr nette Mädchen da, von denen es bei einer leider nichts werden wird, weil sie sich eigentlich um einen Ausbildungsplatz bewirbt, den sie, wenn es irgend eine Gerechtigkeit auf der Welt gibt, auch bekommen wird, und dann hat sie demnächst wieder keine Zeit für uns. Blieben übrig: nettes Mädchen Nr.2 und die spröde alte Dame. Die spröde alte Dame haben wir zuerst angerufen, und sie hat uns abgesagt, weil Speedy auf ihrem Arm so gebrüllt hatte - das wertete sie als schlechtes Vorzeichen. Es nützte auch nichts, dass wir ihr gesagt haben, sie soll das bitte auf keinen Fall persönlich nehmen, es würde sich bestimmt bald bessern - sie wollte nicht. Und jetzt warten wir gespannt wie Flitzebogen auf den Rückruf von nettem Mädchen Nr.2. Wird sie es? Und wenn nicht, was dann? Muss Mama am Ende ihren ramponierten Körper verkaufen, um der Supernanny 25 Stunden die Woche zu zahlen? Wir werden sehen.

Speedy macht sich inzwischen ganz großartig. Wir haben tatsächlich ein Baby, das die ganze Nacht friedlich schlafend neben mir im Babybay liegt und schläft. Eine Weile lang ist er immer um fünf Uhr aufgewacht und hatte Hunger. Jetzt wache ich um fünf auf, starre ihn an und kann nicht fassen, dass er a) tatsächlich dort liegt und ruhig atmet und b) jetzt vermutlich noch zwei oder drei Stunden weiterratzen wird. Tagsüber ist er entsprechend ausgeschlafen, hellwach und möchte eigentlich den ganzen Tag herumgetragen werden. Wobei er seit ein paar Tagen auf mal zwanzig Minuten alleine in seinem Wagen liegt und hingerissen mit dem über ihm baumelnden Plüsch-Schaf spielt. Lege ich ihn auf meine Knie und lächele ihn an, dann grinst er zurück und erzählt mir einen. Seine Lieblingswörter bisher: Anke, Gaugin, Gogol, Gruhuhu, Ruhe und Girls. Wobei sogar ich zugeben muss, dass Gruhuhu eigentlich kein Wort ist. Am schönsten ist es, wenn Speedy meine Nase sieht, strahlend den Mund aufreißt und anfängt, daran zu saugen. Oder, wenn er knötterig wird und ich mich mit ihm für eine halbe Stunde ins Bett lege, damit er ein bisschen trinken kann. Dann schläft er nämlich nach drei Minuten ein, und ich liege für ein Weilchen mit meinem schlafenden Baby im Arm da und kann gleichzeitig ein paar Seiten lesen. Oder, wenn er seinen Eisbären-Anzug anhat, den L. ihm von seiner ersten Soloreise mitgebracht hat, und wir ihn durch den Herbstwald schieben. Oder, wenn er mich reitet wie ein zahmes Pony: ich habe ihn auf dem Arm, und er faucht und fuchtelt so lange, bis ich da hingelaufen bin, wo er mich haben will und wo er irgend etwas Interessantes entdeckt hat. Eigentlich ist fast alles am schönsten. Und jetzt muss ich schon wieder aufhören, denn offensichtlich findet Speedy gerade etwas nicht so schön. Sprechen wir bald mal wieder? Tun wir, ganz bestimmt.

Freitag, 4. Oktober 2013

Das Ende der Pyjamaparty

Ich weiß noch nicht, wie lange die Ruhe aus dem Stubenwagen anhält. Deshalb das Wichtigste zuerst: Ich würde Euch wirklich, wirklich gerne mal wieder bei einem Stammtisch treffen. Letztes Mal waren wir frühstücken, das war sehr nett. Aber wie wäre es mal wieder mit einem Abend? Mit Wein und fettigem Essen?

Seit Neuestem bin ich Mama. Das kommt vielen nicht wie eine Neuigkeit vor, aber für mich ist es eine. Ich bin Mama wie in "Die Mama geht nur schnell die Wäsche anwerfen und ist gleich wieder da." oder in "Pupsi, nicht weinen, die Mama kommt schon." Wie konnte das passieren? Gerade war ich noch ich wie in "Ich lese gerade Zeitung" oder in "Danke, ich nehme lieber roten", jetzt bin ich Mama.

Noch zweieinhalb Wochen, und die Mama geht wieder arbeiten. Ich weiß noch nicht, wie ich mich dabei fühlen soll. Nein, das stimmt nicht, ich weiß genau, wie ich mich dabei fühle: grauenvoll. Im Moment kommt mir wenig verlockender vor als ein Jahr zuhause mit meinem Kind und den Hunden und viel Zeit und Vormittagen im Schlafanzug. Ach, Schlafanzug: ich weiß nicht, wie das kommt, aber bevor ich auch nur meine Zähne geputzt habe, ist es elf. Wie ich demnächst, sehr demnächst sogar, um neun in kundentauglichen Klamotten an meinem Schreibtisch ca. acht Kilometer von hier sitzen soll, ist mir ein Rätsel. Und habe ich das tatsächlich geschafft, dann fühle ich mich vermutlich hundeelend. Ich will hier sein und mit dem Finger das Profil meines Babys entlangfahren. Im Moment sage ich mir zwei Dinge, um mich davon abzuhalten, das Ganze abzublasen:

Erstens. Ich glaube, dass es gut für mich sein wird, hier mal rauszukommen. An etwas Anderes zu denken, mich an etwas Anderem aufzureiben, mit Leuten zu sprechen, die sich nicht für Stillen vs. nicht Stillen interessieren. Etwas zu tun, was ich gut kann, und dafür gut bezahlt zu werden. Vielleicht sogar etwas zu lernen? Und dann nach Hause zu kommen und mich auf Zeit mit Rainer Maria zu freuen.

Zweitens. Zwar wird es anstrengend sein und kompliziert und auch oft furchtbar. Aber lasse ich diesen Job jetzt sausen, ist er weg. Wenn das Jahr dann vorbei ist, müsste ich mich wieder auf den Markt für freie Texter werfen. Und die werden naturgemäß dann gebucht, wenn Not am Mann ist: wenn eine Präsentation bevorsteht und alle schon viel zu spät dran sind, wenn sich die Arbeit seit Wochen stapelt und niemand da ist, der sie erledigt, wenn ein Kunde kurz vor dem Absprung ist. Und das macht aus jedem gebuchten Tag einen Arbeitstag von neun bis Mitternacht oder später. Und das kann ich erst recht nicht mehr. Das will ich auch nicht mehr.

Und drittens, falls erstens und zweitens nicht reichen, sind es nur drei Tage in der Woche.

Und ich weiß, dass ich eigentlich nicht zu viel über Rainer Maria schreiben wollte. Aber heute war der Tag, an dem er einen kleinen, geerbten Teddy gesehen, ihn angestrahlt und mit ihm gesprochen hat und ihn dann mit beiden Händen gegriffen und zu sich herangezogen hat.
Der Teddy hatte übrigens einen Schlafanzug an.



Mittwoch, 25. September 2013

Ich mach hier nur meinen verdammten Job, Mister.

Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet. Ich hätte gedacht, mein dickster Auftraggeber hustet mir was, wenn ich ihm mit meinen Vorstellungen von Tagessatz-Erhöhung komme. Ich dachte, der denkt sich: die kommt als Mutter zurück, leistet vor lauter Baby-Entzug und unvorhergesehenen Zwischenfällen von Krankheit bis verschollenem Kindermädchen in Zukunft nur noch ungefähr zwei Drittel von dem, was sie vor der Schwangerschaft gebracht hat, will größtenteils zuhause arbeiten, und jetzt will sie mehr Geld? Pah!

Genau das wollte sie. Denn aus meiner Sicht stellte sich das so dar: ich gehe wieder arbeiten, auch deshalb, weil wir das so abgesprochen hatten und ich mein Wort halten wollte. Ich weiß jetzt schon, ich werde mich streckenweise schäbig fühlen dabei. Ich werde mich als Werberin außerdem öfter als bisher schwer tun, einen echten, wirklichen und lebendigen Sinn in dem zu sehen, was wir da so austüfteln. Ich werde vermutlich täglich einen Krach mit L. haben, wessen Termine nun wichtiger sind, wer sich nach wem zu richten hat, wer wohin zu spät kommt und wessen Schuld das ist usw.. Und weil ich zur Verhinderung schlimmeren Übels wenigstens vier Stunden am Tag eine Kinderfrau oder einen Kindermann bezahlen will, würde ich also die gleiche Arbeit wie bisher tun, nur mit einem riesigen ranzigen Sahnehäubchen aus Stress und Streit und Schuldgefühlen obendrauf, und dank Kinderfrau (oder Mann, jaja) für ca. 500 Euro netto weniger? Auch Pah!

Mit gezücktem Klappmesser wollte ich nicht ins Gespräch gehen, deshalb habe ich nicht gesagt: wenn ihr das nicht macht, dann gehe ich in Elternzeit, und ihr könnt sehen, wer in Zukunft meine Arbeit tut. Ich hätte ihnen angeboten, noch vier Wochen zu arbeiten, damit sie nicht ganz nackig dastehen, und dann wäre ich weg gewesen. Jetzt bin ich ganz froh, dass ich das nicht gesagt habe, denn nach kurzer Bedenkzeit haben sie mich angerufen und mir gesagt, dass sie mir die Erhöhung zahlen. Gerne sogar! Haben sie gesagt.

Und jetzt sieht der Plan so aus: am 21. Oktober gehe ich wieder arbeiten. Wie bisher dreimal die Woche, Montag, Dienstag und Mittwoch, es sei denn, ich oder die Agentur hat einen triftigen Grund, einen der Tage zu verschieben. Vormittags übernimmt L. Thorsten. Wobei ich ihn sicher auch mal auf dem Schoß und auf dem Arm haben werde, eine Windel wechsele oder was auch immer. In dieser Zeit werde ich vor allem nachdenken und versuchen, mir etwas einfallen zu lassen. Dabei wird das beim iphone eingebaute Diktiergerät wohl mein bester Freund werden. Und nachmittags kommt die Kinderfrau, und dann kann ich bei Bedarf in die Agentur fahren. Oder ich bleibe auch dann zuhause, hacke konzentriert die Einfälle vom Vormittag in den Rechner oder denke mir neue aus, und abends geht eine schöne dicke Erntemail an die Agentur. Sollte meine Anwesenheit auch mal vormittags wichtig sein, muss entweder L. ganz ran, oder ich frage die Kinderfrau, ob sie vormittags statt nachmittags kann. Dazu könnte ich mir vielleicht noch eine zweite Dame in der Hinterhand anlachen, die wenig zu tun hat und ein bisschen flexibler ist. Der Plan klingt einleuchtend, denkt mein Kopf. Der Plan klingt wie das Ticket in den Wahnsinn und die Ehekrise, denkt mein Bauch. Aber erst mal werde ich das so versuchen. Und denke ich nach zwei Wochen, das geht nicht, das ist alles Unfug und mir bricht das Herz dabei, und graut mir ab Samstag vor Montag, dann werde ich der Agentur freundlich sagen, dass ich mich da wohl gewaltig überschätzt habe, dass es alles hinten und vorne nicht hinhaut und dass sie sich jetzt doch jemand anderen suchen müssen. Und dann gehe ich eben doch in Elternzeit. Und einen ganz anderen Plan habe ich sowieso noch in der Hinterhand, aber an dem will ich in jedem Fall dranbleiben, egal ob mit oder ohne Agentur.

Sonntag, 22. September 2013

Laufen lassen.

Rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, und jetzt immer so weiter. Eigentlich ist nicht zu erklären, dass Laufen mich so rührt. Tut es aber. Mein Lauf-Playlist besteht zu großen Teilen aus Liedern, die ich mir sonst nur im Vollrausch anhöre ("I need a hero" von Bonnie Tyler ist nur eins davon). Laufen erfüllt mich mit dem, was andere Menschen empfinden, wenn ihr Land die Fußball-WM gewinnt. Als ich schwanger war und nicht gelaufen bin, habe ich manchmal Tränen in die Augen bekommen, wenn mir und meinem Bauch laufende Frauen begegneten. Es gab mal einen Werbespot von Nike, da war das Jahr 2000 da, und am 1. Januar lief ein verkaterter Mann durch das völlig verwüstete San Francisco, während Bomben über den Himmel zischten und Autos brannten und überall das Chaos regierte, das dieser Bug angerichtet hatte, der dann doch nicht kam. Den fand ich toll. Natürlich habe ich die Nike+-Lauf-App auf der ersten Seite meines Telefons, und natürlich speichere ich jeden Lauf, und natürlich träume ich davon, eines Tages mal einen Marathon mitzulaufen. Jeder noch so alberne Meilenstein, den die App mir bescheinigt, macht mich glücklich. ("Der erste Lauf an einem Dienstag! Wow!")

Ich war einfach zu müde, die Schwangerschaft war zu wackelig, ich war zu ängstlich, und wenn einen schon eine Treppe fast umkippen lässt, muss man über das Laufen wohl nicht erst nachdenken. Aber jetzt, dachte ich, geht es wieder los. Nach zwei Monaten und nachdem ich wieder beim alten Gewicht bin, sollte es gehen. Und das Laufprogramm, mit dem ich letztes Jahr gelaufen war, fängt so langsam an - fünfzehn Minuten, immer eine Minute gehen und eine Minute langsam laufen -

ich dachte wirklich, das kann ich. Und ich war ganz gerührt bei der Aussicht darauf. Und ich hatte extra mein Telefon ganz aufgeladen. Und ich hatte mir schon morgens die Laufsachen rausgelegt. Und L. schon ungefähr fünfmal gefragt, ob er nachher den Kleinen mal für zwanzig Minuten nehmen kann, ich will nämlich laufen gehen, hab ich das schon erzählt?

Und dann war ich im Park, Abendsonne und milde Brise und sonntägliche Spaziergänger, und ich... ich...

Ok, raus damit. Ich hab mir wieder in die Hose gemacht. In jeder Lauf-Phase ging etwas rein. Flottes Gehen war ok, aber Laufen nicht. Und ich konnte den Beckenboden anspannen, wie ich wollte, es nützte nichts. Meine Beine wollten unbedingt, mein Unterbauch nicht. Ich hatte keinerlei, wirklich nicht das kleinste bisschen Kontrolle darüber. Ich bin weiter gelaufen, war ja nur eine Viertelstunde. Aber ich war wirklich, wirklich am Ende. Zuhause angekommen, bin ich direkt durchgegangen ins Bad, um zu duschen und mich umzuziehen. Ich weiß noch nicht (googeln zu diesem Thema ist schwerer als gedacht), ob weiterlaufen hilft. Dass es etwas für meinen Kreislauf und meine Beinmuskeln tut, ist klar, aber leiere ich beim Laufen den Beckenboden am Ende weiter aus? Hilft Training auf dem Crosstrainer? Wieso dachte ich eigentlich, ich komme davon? Und ist das nicht alles völlig egal, wo sich doch mein größter Wunsch erfüllt hat? Nein, ist es nicht.
Ich bitte sonst nicht so oft um Rat, ich weiß, aber hatte hier vielleicht eine andere Ex-Abkürzungsdame das gleiche Problem und kann mir irgend einen Tipp geben? Oder mir sagen, dass sich das Problem irgendwann demnächst von allein erledigt?

Reine Logik, lieber Watson.

Beim vorletzten Besuch der Hebamme erklärte sie mir, dass Werner ruhig mal knöttern und motzen darf, wenn ich ihn hinlege. So lange er nicht wirklich weint oder brüllt, gehört das bei vielen Babys dazu, wenn man sie hinlegt. Ich sollte ihm zwei-drei Minuten geben, um sich zu beruhigen und einzuschlafen. Beschwert er sich dann immer noch, dann kann ich ihn wieder aus dem Stubenwagen nehmen.

Beim letzten Besuch fünf Tage später kam sie genau in dem Moment, in dem ich ihn abgelegt hatte. Ich habe ihn vorher singend und schunkelnd durchs Zimmer gewiegt, der Strampler saß einwandfrei, die Windel war frisch, und ein großes warmes Fläschchen hatte er auch gerade bekommen. Dann legte ich ihn in seinen Stubenwagen. Er knötterte, ein eindeutig eher motziges als trauriges, ängstliches oder sonstwie notleidendes Geräusch. Ich machte ein paar Schritte um die Ecke, setzte mich in einen Sessel und sagte: "Also. Die Medela-Sauger, muss ich sagen, machen leider..."

"Wieso machst du das?" unterbrach sie mich.

"Was, das weggehen?"

"Ja. So kann er dich ja nicht mehr sehen."

Weil sich Mütter erster Kinder bei so ziemlich allem irgendwas denken, war ich nicht unvorbereitet auf diese Frage und hatte sofort eine Antwort:
Weil es - auch, wenn es nur für zwei Minuten ist - eine kleine Frustration für Werner ist, wenn er motzt und nicht sofort jemand herbei eilt, um alles wieder gut zu machen. Weil es mit Sicherheit noch viel, viel frustrierender für ihn ist, wenn die Person, die normalerweise auf jedes seiner Bedürfnisse reagiert, direkt daneben steht und keinen Finger rührt, um ihm zu helfen. Und weil ich auf ihn nicht nur beruhigend wirke, sondern eben auch Unterhaltungswert für ihn habe - und er sich eher beruhigt, wenn er auch wirklich Ruhe hat und nicht gucken muss, was die schusselige Tante mit den Locken und der Milch jetzt schon wieder macht. Für mich klang das sehr logisch und einleuchtend.

"Naja", sagte die Hebamme.
"Aber wenn er dich sieht, ist die Situation für ihn an sich schon gleich viel beruhigender. Er will dich in der Nähe haben, dann ist alles gut, und er kann einschlafen. Und auch, wenn du nur dastehst und ihn nicht hoch nimmst, ist deine Anwesenheit doch für ihn auch die Reaktion auf sein Gemecker. Und das heißt, es ist schon fast so, als hättest du ihn hoch genommen."

Aha. Auch das klingt irgendwie logisch. Und jetzt?

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich hatte noch nie vor Werners Geburt mit so vielen genau gegensätzlichen Aussagen zu tun, was ich tun und lassen soll, die alle für sich betrachtet total einleuchtend klingen. Und das mir. Wo ich meine Welt (im Gegensatz zu meiner Küche oder meinem Schreibtisch) so gern hübsch ordentlich in richtig und falsch sortiert habe.

Freitag, 20. September 2013

Zwei Monate, Teil 3: was ist jetzt anders?

Vor zehn Minuten habe ich ihm eine halbe Flasche gegeben und ihn schlafen gelegt, und wunderbarerweise schläft er jetzt tatsächlich, obwohl es noch nicht zehn ist. (Dass Ernst Stavro Mamas mangelndes Schlaftalent geerbt hat, habe ich glaube ich schon mal geschrieben?)

So lange ich also aus dem Stubenwagen nur leises Schnäufeln höre statt lautes Gebrüll, dachte ich, schreibe ich noch mal kurz auf, was eigentlich anders ist, seitdem er bei uns ist.

1. Nachdem ich ein paar Jahre unter Vollstress in einer Werbeagentur gearbeitet hatte, kam ein Gedanke immer wieder: wie wahnsinnig viel effektiver, schneller und erfolgreicher ich hätte studieren können, wenn ich nur erst gearbeitet und mich dann an der Uni eingeschrieben hätte. in schwachen Momenten hätte ich heulen können beim Gedanken daran, wie vollgepackt mir zu Unizeiten ein Tag vorkam, an dem ich drei Seminare hatte und dann noch in die Unibibliothek musste. Wie mich ein 45minütiges Referat vier Wochen lang umtrieb (davon vielleicht fünf Stunden tatsächlich aktiv). Wie superduperfix das alles gegangen wäre, hätte ich eine Ahnung gehabt, wie arbeiten wirklich geht. In echt, für Erwachsene. Hätte, hätte, Herrentoilette. Dieses Gefühl ist jetzt wieder da, es bezieht sich auf den Haushalt. Fast kein Tag vergeht, an dem ich mir nicht mindestens einmal einbilde, eine freie Stunde täglich würde reichen, um das Haus immer auf Hochglanz zu halten. Mit jahreszeitlicher Deko! Und Kuchen! Und Schnittblumen! Das ist eine meiner neuen Lieblingsphantasien. (Wir wissen alle, dass das nicht passieren würde. Eine freie Stunde mehr am Tag würde einfach so verschwinden, ohne irgendwie sichtbares Resultat, und ich bin und bleibe einfach keine Musterhausfrau, egal wie viele freie Stunden der Tag für mich bereit hält.)

2. Wäscheberge hin, Abwasch her, ich hab mich noch nie so wohl und zuhause so zuhause gefühlt. Liegt das nur an dem niedlichen kleinen Mama-Magnet in dem Stubenwagen? Oder daran, dass sich das Zuhause jetzt mehr wie ein Zuhause anfühlt? Ist es nur die Gewohnheit, weil ich jetzt eben fast immer hier bin? Der kleine schnörchelt, und ich denke, das ist unser Haus. Das ist meine Familie. Hier gehöre ich hin. Und jetzt klinge ich schon wie ein Heimatfilm.

3. Mit meiner Mutter habe ich mich noch nie so gut verstanden wie jetzt. Und ich glaube, es liegt noch nicht mal nur daran, dass ich jetzt "weiß, was sie mitgemacht hat" oder dergleichen. Da ist noch was anderes. Was, weiß ich noch nicht, aber ich sage Bescheid, wenn ich der Sache näher gekommen bin.

4. Über die Hausarbeit hatte ich ja schon geschrieben. Aber noch nicht darüber, dass sie jetzt - ähnlich wie früher in Prüfungsbüffelphasen - manchmal fast verlockend ist. Natürlich ist es toll, mit meinem eigenen Baby zu der gerade per Post angekommenen Christiane&Frederik-CD "Der Cowboy Jim aus Texas" singend durchs Wohnzimmer zu tanzen. Aber es macht plötzlich auch Spaß, ihn kurz L. in die Arme zu legen und in den Keller zu rennen, um Wäsche zu waschen.

5. Singen ist auf einmal nicht mehr peinlich. Genau wie Selbstgespräche (die irgendwie nicht als Selbstgespräche zählen, wenn ich dabei einen Kinderwagen schiebe). Oder Flecken auf dem Pulli. Oder... meine Schamgrenze wurde vermutlich in dem Moment ein für allemal ausradiert, als ich breitbeinig und unten ohne mit einer verrutschten Sauerstoffmaske im knallroten Gesicht auf einem dreckigen Kreißsaalbett kniete und brüllte "da kommt Stuhl! Ich weiß genau, da kommt Stuhl!" trotz der gegenteiligen Beteuerungen der Ärztinnen. Gestern habe ich einfach so einem anderen Menschen an die Nase gegriffen und liebevoll einen Popel entfernt. (Keine Angst, es war Ernst Stavros Popel. Aber der Tag wird kommen, da greife ich reflexhaft der Bäckerin oder dem Postboten an die Nase.)

6. Ich denke ziemlich viel darüber nach, was aus mir und meinem Leben werden soll. Und je länger ich das tue, desto klarer wird mir, dass ich nicht in fünf Jahren noch witzige Broschüren und pfiffige Anzeigen für irgendwelche Produkte schreiben will, die ich manchmal mag, manchmal nicht und bei denen ich manchmal heimlich denke, je weniger davon verkauft wird, desto besser. (Nicht, dass das jemals dazu geführt hat, dass ich mir keine Mühe gegeben hätte... ) Ich weiß, wir Werber haben alle diese Momente, und dann geht der Moment vorbei und wir machen doch weiter. Mal sehen, was aus meinem Rappel wird.



Zwei Monate, Teil 2

... uuuuuund jetzt hat er wieder aufgehört, da bin ich wieder. Denn eigentlich war ich noch nicht fertig. Zum zweimonatigsten Geburtstags seines Säuglings fängt man sich schnell den Ruf ein, ziemlich oberflächlich zu sein, wenn einem dazu nicht mehr einfällt, als nebulös von joblichen Plänen zu faseln und mit seinem (völlig unverdienten) Gewichtsverlust anzugeben.

Denn es gibt noch eine Menge mehr zu erzählen.

War da was? Ein leises Knöttern? Nein, da war nichts.
Das ist z.B. so etwas. Ich hätte nie gedacht, dass ich - Konzentrationsversagerin seit jeher - mich den ganzen langen Tag und den Abend (und genau genommen auch die ganze Nacht) immer zumindest mit der Hälfte meines Gehirns auf genau eine Sache konzentrieren können würde. Auf mögliches Gequäke, auf dieses milchige Rasseln, das laut Hebamme und Kinderarzt so viele Babys nach dem Essen haben, und bei dem ich ganz genau zuhören muss, ob es nicht jetzt gerade umgeschlagen ist in Verschlucken? Husten? Möglichen Erstickungstod? Nein? Egal, was ich tue, immer ist ein Teil - mal kleiner, mal größer - bei Ernst Stavro. Und es fühlt sich noch nicht mal an wie etwas Anstrengendes. Im Gegenteil: Anstrengend wird es schnell, wenn ich das gerade nicht kann.

Wobei: auch das geht. Ich weiß, als Mustermutti ist man verpflichtet zu sagen, dass man körperlich nicht imstande ist, auch nur einen Abend, und sei es auch in einem fabelhaften Restaurant vor einem Teller mit fabelhaftem Essen und mit L. oder den Mädchen als Gegenüber, getrennt von seinem Kind zu verbringen. Doch, bisher geht das. Es tut nur weh, wegzugehen. Und dann zwischendurch immer mal wieder für ein paar Minuten. Und dann muss ich mir innerlich kurz in den Hintern treten und zu mir sagen: diese Momente sind selten genug. Genieß sie gefälligst. Und wenn du das nicht kannst, dann tu so, als könntest du, und früher oder später hast du selbst dich überzeugt und kannst. Wir verabreden jetzt einfach folgendes: wenn du bei Ernst Stavro bist, dann bist du bei Ernst Stavro und gehörst ihm. Und wenn du nicht bei ihm bist, wenn du mal Ausgang hast, dann bist du eben anderswo und genießt es gefälligst. Denn mit einer Mutti, die zehn Kilometer von ihrem Kind entfernt in einem Restaurant sitzt und nur daran denkt, wie es ihm wohl gerade geht und ob er das überleben wird, wenn seine liebevolle und extrem erfahrene Oma ihn betüdelt, ist niemandem gedient.

Genau. Und irgendwann wird diese Botschaft auch in den entlegenen Urviech-Regionen meines Gehirns ankommen.

Ist eigentlich sonst schon mal jemandem aufgefallen, dass sich mit einem Baby jeder Zustand so anfühlt wie für immer? Er brüllt seit zehn Minuten, und ich fühle mich, als wäre ich diesem schrecklichen, nervenzerfetzenden Geräusch jetzt seit Monaten ausgesetzt. Er lacht mich an, und ich denke: was für ein kleiner Sonnenschein, wenn das mal nicht das fröhlichste Baby der Welt ist? Er schläft, und ich lümmele mich aufs Sofa und denke, ist doch ganz entspannt mit Kind, was haben die nur alle? Er will getragen werden, und ich erzähle einer Freundin am Telefon, dass ich ihn wirklich den ganzen, den ganzen Tag herumtragen muss, und in diesem Moment glaube ich das sogar selbst, denn es fühlt sich so an. Alles, wirklich alles fühlt sich so an, als wäre es immer so. Ist das nur mein Fusselhirn? Oder könnt ihr das bestätigen, liebe Ex-Abkürzungsdamen da draußen?

Aber jetzt. Knöttern, eindeutig.
Also schön, bis später. Das Geburtstagskind ruft, und Geburtstagskinder soll man nicht warten lassen.

Zwei Monate

Heute wird Ernst Stavro zwei Monate alt, und nicht zu viel über ihn zu schreiben, ist mir selten so schwer gefallen. Als ich vor ein paar Tagen Fotos an meine Familie geschickt habe, hat meine Schwester geschrieben, er wäre jetzt kein Neugeborenes mehr, sondern ein richtiges Baby, und da hat sie wie eigentlich immer Recht. Jeder Tag fängt damit an, dass er mich aus der Babybay anstrahlt, und nach dem Essen bocke ich ihn gerne mit angezogenen Beinen auf meinen Oberschenkeln auf und unterhalte mich mit ihm. Guu? Bogaa! Ange? Ernst Stavro, das sehe ich doch ganz genau so!

Ich weiß, dass ihr auf Fotos mit Maske wartet, aber das Problem mit der Maske ist, dass ich die anlässlich meines Personalgesprächs in der Innenstadt besorgen wollte, und dieses Personalgespräch - ja, also, dieses Personalgespräch, das ich mir eigentlich für Juni gewünscht hatte und das mir auch versprochen worden war, das hat immer noch nicht stattgefunden. Ja! Ich hab genau so gestaunt! Diesen Montag ist es nun aber fest vereinbart, danach schiebe ich mit ihm zu Fahnen Fleck, wo wir uns mit Masken eindecken, und sollte es diesmal wieder nicht stattfinden, dann habe ich vielleicht gar keinen Bedarf mehr an einem Personalgespräch. (Hier rumort gerade Einiges, was meine berufliche Lebensplanung betrifft. Es gibt tatsächlich Menschen, die sich auch mit 40 noch fragen, was sie mal werden wollen, wenn sie groß sind.)

Gerade habe ich ihn noch mal kurz gestillt, dabei ist er eingeschlafen, und die Gelegenheit nutze ich für einen Post. Sollte ich gleich von oben Geknötter hören, wird er ziemlich abrupt enden. Das mit dem Stillen ist übrigens gerade von einem Reizthema zu einem extrem Haut- und Magenfreundlichen Schmeichelthema geworden. Die Milch wird nicht mehr, aber auch nicht weniger, und wann immer mir und ihm danach ist, lege ich ihn an. Er trinkt dann, obwohl ich die Medelasauger ziemlich schnell nach dem Abgang der Hebamme eingemottet habe, denn auch, wenn er die Technik schnell raushatte, da Milch rauszukriegen, dauert es doch länger, und die Hälfte der Flasche wird immer kalt. Außerdem lag das Plastik nicht so schön in der Hand wie das schwere Glas der Nukflaschen. Und was soll ich sagen? Beim Stillen ist seine Saugetechnik 1a. Er holt sich also, was er kriegen kann, und schläft dann ganz ruhig und friedlich ein. Nicht für lange, nie für lange, außer nachts: immer nur so zwanzig Minuten. So bin ich ziemlich schnell (für meine Verhältnisse) darauf gekommen, dass ich ihn auch zur Beruhigung anlege, wenn gar nichts anderes mehr hilft, und es ist die Wundermethode geworden, wenn ich mitten am Tag mal 20 Minuten für was auch immer brauche, die er absolut nicht im Stubenwagen zubringen will. Fast schade, dass demnächst damit Schluss sein wird, wenn der Hormonzirkus wieder los geht - wobei ich das Gespräch mit meiner Ärztin am 24. mal abwarten werde. Ich weiß nämlich noch nicht, ob es daran scheitern wird, dass mir dann einfach die Milch wegbleibt, oder ob die Medikamente in die Milch gehen und für Ernst Stavro schädlich sind. Ersteres wäre viel einfacher, denn dann kann er immer noch nuckeln und kuscheln. Aber spätestens zur Periode am Start des Zyklus wird sie wohl verschwinden. Dann heißt es Tschüss, Muttermilch!

Hallo, Rotwein. (Ich habe eine Nachbarin, die kann hellsehen. Ich kann das manchmal auch! Ich sehe jetzt schon ganz deutlich einige Kommentare vor mir, die meine nahe Zukunft für mich bereithält!)

Zwei Monate nach der Geburt reiße ich mich also am Riemen, nicht zu viel über ihn zu schreiben. Bleibt die Frage, was sich in dieser Zeit bei mir getan hat?
Die Kugel ist weg. Die Kugel ist sogar mehr als weg. Ich fand es fast ein bisschen schade, dass nach der Geburt so schnell keine Ahnung mehr blieb von der dicken Babykugel, sondern als größtes Souvenir nur der verflixte Dammschnitt. Die Linea Nigra ist noch da, in kräftigem senfgelb, das auf weißer Haut nicht sehr schick aussieht. Auch ein paar erweiterte Äderchen sind mir am Bauch geblieben, die verblassen aber auch jetzt schon und verschwinden im Bikini (zum Glück fand ich immer schon Bikinis wie in den 50ern mit viel Stoff schöner, die entsprechen auch mehr meinem ziemlich tobigen Schwimm- und Plansch-Stil). Und mein Bauchnabel sieht etwas verwohnt aus. Aber der Bauch ist weg und hat sogar noch drei Kilo mitgenommen, so dass ich jetzt weniger wiege als vor der Schwangerschaft. Ich weiß, beim Stillen darf man keine Diät machen, weil sonst der ganze Müll meines 40jährigen Lebens als Gierschlund seinen Weg in die Milch findet, und ich schwöre, ich habe keine gemacht. Das ist einfach so passiert. Was dagegen nicht mehr passiert ist: ich bin sehr glücklich, nicht mehr in die Hose gemacht zu haben. Und weil ich die Pilates-mit-Baby-DVD nur zweimal durchgeturnt habe, weiß ich nicht, ob es daran liegt oder ob die freestyle-Kegelübungen endlich angeschlagen haben. (Ihr kennt das, oder? Samantha macht sie nebenbei, während sie einen Martini trinkt. Man sitzt so da, sieht ganz entspannt aus und tut dabei sekundenlang so, als müsste man Pipi anhalten. Das wiederholt man, so lange man Lust hat. So lange man das jeden Tag macht, wirkt es angeblich.)

Oha, oben regt sich was. Ernst Stavro hat gehustet. Jetzt quengelt er. Bis später, liebe Damen!

Montag, 16. September 2013

FAQ, Teil 1

"Wieso steckst du den Kleinen nicht ins Tragetuch oder die Manduca, wenn er brüllt?"

Ein toller Tipp, wenn's funktioniert. Was es an manchen Tagen tut. Am Samstag habe ich z.B. einen Pflaumenkuchen gebacken, bei dem ich mit Erich in der Manduca in aller Seelenruhe zwei Kilo Zwetschgen erst halbieren und entkernen konnte und dann auf dem Mandel-Rührteig drapieren. Wenn es klappt, denke ich jedes Mal, das mache ich jetzt immer so. Immer! Bis ich ihn dann das nächste Mal vorschnalle und er schon beim Anblick der Manduca in markerschütterndes Gebrüll ausbricht, das auch nicht abflaut, wenn ich ihn dann an Ort und Stelle habe und ein paar Runden mit ihm um den Esszimmertisch gedreht habe. Fünf Minuten gebe ich uns. Brüllt er dann immer noch, betrachte ich den Versuch als gescheitert, befreie ihn aus seiner Not und freue mich auf den nächsten Versuch in ein paar Stunden. Aber dann! Ich hab mit der Manduca schon Wäsche gewaschen und getrocknet (Bügeln traue ich mich allerdings als Grobmotorikerin nicht, mit dem heißen Bügeleisen in der Nähe des Kindes klingt nach keiner guten Idee... davon abgesehen, dass ich mich schon als Streberin fühle, mit Baby Kuchen zu backen, bügeln klingt nach Superhausfrauoverdrive), den Hund spazieren geführt, mir ein Ei gebraten oder abgewaschen. Ich hoffe und bete, dass er irgendwann immer mitspielt, wenn er zum Kängurubaby werden soll.


"Wie läuft das, wenn Du demnächst wieder arbeitest?"

Ich hatte um drei Monate Ruhe nach der Geburt gebeten, die mein wichtigster Auftraggeber mir zähneknirschend gewährt hat. Die sind Ende Oktober um. Ich habe vor, zu meinem Wort zu stehen, auch wenn ich im Moment noch keine Ahnung habe, wie das werden soll und mir bei der Vorstellung auch nicht wenig graust. Wir haben schon vereinbart, dass ich einen Großteil der Arbeit zu Hause tun kann. Das ist einerseits ein Segen, andererseits kann es auch zum Fluch werden, denn ich weiß noch nicht, ob L. und Erich so ohne Weiteres und in letzter Konsequenz verstehen, dass ich zwar am Esstisch sitze und in meinen Rechner hacke, aber eigentlich nicht da bin und jetzt gerade nicht gut Vorsingen, Baby schunkeln und Fläschchen geben kann. Deshalb habe ich mir jetzt überlegt, mich schleunigst auf die Suche nach jemandem zu machen, der zumindest vier bis fünf Stunden an den Arbeitstagen das Babysitten übernimmt. Hat jemand einen Tipp? Bzw., noch besser, eine Telefonnummer für mich?


"Wann geht es wieder los mit der Kinderwunschbehandlung?"

Heute habe ich in der Klinik angerufen. Meine Kinderwunschärztin ist ziemlich heißbegehrt (verständlicher- und berechtigterweise!) und fährt in ihren wohlverdienten Urlaub, so dass ich jetzt erst am 24. Oktober einen Termin bei ihr habe. Aber dann geht es wieder los mit Sprays, Spritzen und Schmiere. Bleiben Sie dran! Allerdings haben L. und ich jetzt besprochen, dass wir uns und dem Hormonfasching ab dann ein Jahr geben. Nicht auf den Tag, aber so in etwa. (Sollten am 24. Oktober 2014 noch zwei kleine, nicht besonders vielversprechende Tiefkühlembryonen auf Eis liegen, dann kommen sie zum Einsatz, das ist klar. Aber 2016 wird uns niemand mehr mit dicken Tüten und um 1000 Euro ärmer die Apotheke verlassen sehen, begleitet von den Segenswünschen und tiefen Verbeugungen der Belegschaft.)



"Was ist eigentlich mit L.?"

Das hier ist mein Blog, nicht L.s, deshalb kommt er hier nur zu besonderen Anlässen vor, denn er hält sein Privatleben lieber aus dem Internet fern. Sogar bei facebook hat er sich abgemeldet! Dass er hier kaum vorkommt, liegt also eher daran, dass ich seinen Wunsch respektiere als daran, dass er sich aus Erichs Versorgung komplett raushält und auf der faulen Haut liegt.

Sonntag, 15. September 2013

Wie Pfannkuchenmix, nur anders

Meine Küchengöttin Nigella hat in einem ihrer neueren Kochbücher ein Rezept für Pfannkuchenmix. Sie mischt Mehl, Backpulver und ein bisschen Zucker und muss dann, wenn die Zeit für Pfannkuchen - in ihrem Leben ist das Sonntag Morgen - kommt, nur noch Eier, Milch und ein bisschen geschmolzene Butter dazu rühren. "Nur noch"? Vielleicht kommt der Moment ja noch, wenn Wolfgang und sein Pfannkuchenhunger wachsen. Aber momentan finde ich noch, von der ansonsten fünfminütigen Zubereitungszeit von Pfannkuchenteig zwei Minuten abzuzwacken, ist den Aufwand nicht wert und schon gar nicht den Platz, den eine weitere Aufbewahrungsbüchse neben meinem Herd schlucken würde. (Ganz zu schweigen davon, dass ich ein Teil mehr regelmäßig von Bolognesespritzern und anderer Küchenschmiere reinigen müsste.) Nigella schwört jedoch darauf: morgens, wenn sie eigentlich nicht in der Verfassung für 50er-Jahre-Supermutti-Showeinlagen ist (und frische Pfannkuchen zum Frühstück riechen definitiv danach), macht der schon fertige Pfannkuchenmix und das Gefühl, schon ein Stück des Weges hinter sich zu haben, den entscheidenden Unterschied zwischen Pfannkuchen für die Kleinen und Ich-glaub-es-hackt.
Pfannkuchenabkürzungsmix gibt es in meiner Küche also noch nicht. Aber in Bezug auf so ziemlich alles andere habe ich das Prinzip inzwischen mit Haut und Haaren geschluckt. Wolfgang ratzt zwar nachts wie ein sehr müder Engel, aber tagsüber ist es so gut wie unmöglich, ihn zu mehr als zehn Minuten Schlaf am Stück bzw. zehn Minuten friedlich und zufrieden im Wagen liegen am Stück zu bewegen. In diesen zehn Minuten spielt sich der Rest meines Lebens ab. Sobald sich seine blauen Augen schließen, bin ich schon auf dem Weg in ein anderes Stockwerk, um an einem vorbereiteten und beiseite gestellten Projekt weiter zu werkeln. Kuchen backe ich so wie Nigella Pfannekuchen: ich wiege Zucker und Mehl und gemahlene Mandeln ab, stelle die Butter in Stückchen auch schon mal am Vorabend raus oder fette die Form acht Stunden, bevor ich den Teig einfüllen kann. Denn ich weiß genau, es gibt nicht die allergeringste Chance, tagsüber 25 Minuten am Stück zu haben, um es einfach in einem Rutsch zu tun - dreimal zehn Minuten sind aber drin. Das kann auch gründlich schief gehen, gestern z.B. hatte ich die Butter vorher vergessen und sie dann in den vorheizenden Ofen gestellt, damit sie weich wird. Ja nun. Zum Glück (und zu L.s ewigem Ärger) kann ich keinen Supermarkt ohne mindestens zwei Stück Butter verlassen, ich wusste immer, es kommt der Tag, wo ich das Extrastück brauche, und gestern war er da! Na? Na? (L. sagt, das ist auf 40 Jahre gerechnet eine wirklich miese Rechthabe-Quote.) Dieser Post hat bisher drei Zehn-Minuten-Einsätze gefordert, mal sehen, wie viele es noch werden. Eigentlich funktioniert das alles ganz gut, nur dass die zehn Minuten manchmal keine zehn Minuten sind und das Gedächtnis einer wenn auch nur teilstillenden Mutter leider dazu neigt, angefangene und jäh unterbrochene Dinge einfach komplett zu vergessen. Dann kommt es vor, dass ich zwei Stunden später zu meiner bereits mit Zahnpastaschaum umhüllten Zahnbürste zurückkehre. Oder nach zwei Stunden einen schicken Steinkohleauflauf aus dem Ofen ziehe. Oder erst gegen zweiundzwanzig Uhr merke, dass ich heute nur links Mascara getragen habe. Oder - Tierfreunde wegsehen - irgendwann aus dem Fenster gucke und sehe, dass ich den Hund draußen vor dem Haus angeleint hatte, um schnell nach drinnen zu witschen und Wolfgängchen in seinen Wagen zu legen und rauszuschieben, um dann mit den beiden eine Runde durch die Schrebergärten zu schieben, und das brave Tier sitzt da die ganze Zeit und denkt sich vermutlich seinen Teil. War noch was? Hier sind gerade wieder zehn Minuten um.