Sonntag, 31. Januar 2010

Die Neue in der Klasse

Hat jemand Verwendung für zwei Welpenbücher? Es scheint fast so, als bräuchten wir unsere nicht mehr. Denn jetzt ist wieder alles anders. Als ich gestern Lilis Lehrerin fragte, was wir denn falsch machen, dass unser Hund nach einer Woche immer noch dann und wann in die Wohnung pischert, erschallte überall um uns herum fröhliches Gelächter. "In meinem Welpenbuch steht, dass das vier bis fünf Tage dauert, und wir machen doch eigentlich alles richtig!" Neues Gelächter. Mit sehr viel Geduld in der Stimme erklärte mir die Lehrerin dann, dass vier bis fünf Wochen die realistischere Schätzung sind. Aha. Auch Sitz machen mit Hand auflegen ist verkehrt. Nicht nachhelfen, der Hund muss es selbst hinkriegen, um zu wissen, was gemeint ist! Stattdessen wird ein Leckerchen von ihrer Schnute Richtung Schwanz geführt, dann setzt sie sich von ganz alleine. Braver Hund. Anfangs dachte ich noch, Mäuschen, wieso hast Du nur von allen Welpen hier am meisten Schnee im Fell? Sie war tobig und auch für den größten Idioten klar als die Neue in der Klasse zu erkennen. Sie zerrte an der Leine, wand sich wie ein Aal und war kaum zu halten. Und eine Stunde später stehe ich fassungslos daneben, wie der Hund wenige Zentimeter von einem Stück Fleischwurst entfernt ruhig dasitzt und die Wurst nicht anrührt, bloß weil ich Nein gesagt habe. Gute Schule ist das. Leider nicht jeden Tag. Zum Abschied hat Lili noch eine Schultüte mit Leckerchen bekommen, und nächsten Samstag kommen wir wieder.

Freitag, 29. Januar 2010

Alles nicht so einfach.

L. hat ein Buch bei 2001 gekauft über Hundeerziehung, und weil es von allen unseren Büchern das freundlichste, netteste war, nämlich ohne "Schutzhundeprüfung", ohne Kopffleisch und ohne "Schussfestigkeit", haben wir uns sofort entschieden, dass dieses Buch nun der Leitfaden unserer Welpenerziehung wird. In diesem Buch steht, wenn der Hund Wasser getrunken hat oder geschlafen hat und aufgewacht ist, muss er nach draußen, Wasser lassen. Wir haben das beide jetzt ca. zehn mal gelesen und uns feste vorgenommen, alles richtig zu machen. Aber es ist alles nicht so einfach. Im Moment sind es draußen zwar mollige ca. zwei Grad unter null, aber das war in den letzten Tagen schon mal anders und wird auch ab morgen wieder anders sein, und all dieses Scheißwetter hat uns nicht davon abgehalten, jeden Tag (und jede Nacht) mehrere Stunden mit Lili draußen zu sein. Ich wache nachts um vier davon auf, dass sie komische knurpsende Geräusche macht, ich springe im Halbschlaf in Kleider und Stiefel, und zwei Minuten später stehen wir auf der Wiese wie ein denkbar zackiger Hunde-Feuerwehrmann, dem nur noch die Stange zum Runterrutschen fehlt. (Ich wär für die Stange. L.?). Nichts. Sie macht nichts. Ich denke mir, Geduld ist der Schlüssel, und stehe nachts um vier eine Stunde lang in der verschneiten Wiese. Wenige hundert Meter entfernt kühlt mein Bett langsam aus, und L. dreht sich noch mal um. Ich stehe, ich spiele, ich streichle, ich gehe auf und ab mit dem Satansbraten im Schlepptau, ich mach Pischi-Geräusche, ich spreche von Springbrunnen und Niagara-Fällen, sie macht nichts. Dann irgendwann denke ich: vielleicht hat das Tier nur schlecht geträumt! Kann ja immerhin sein! Und gehe mit von der Kälte steifen Gelenken nach Hause. Sie springt freudig vorweg. Dann kommen wir in die Wohnung, ich mache sie von der Leine, gebe ihr noch ein paar freundliche Worte mit, woraufhin sie sich lächelnd ins Wohnzimmer verzieht und eine dicke Wurst hinsetzt.

Ich glaube ja (ja. ich glaube fest daran.), dass das ein Zeichen ihrer besonderen Intelligenz ist. Sie hat einfach viel zu viel zu schnüffeln und zu tun da draußen, um sich um ihre Verdauung zu kümmern. Da waren hundert Hunde auf der Wiese, denen sie hinterherschnuffeln muss, sie muss Äste knabbern, Schnee verjagen, sich einen guten Romananfang überlegen. Wer denkt da an Pipi und A-A? Ich habe Verständnis und eine dicke Küchenrolle.

Ehrlich, ihr Mütter da draußen, Baby kann nicht viel schlimmer sein.

Neues Blogbaby

Ok, noch sieht das Baby reichlich beschissen aus, und ich habe auch erst zwei Rezepte gepostet, aber trotzdem kann ich hiermit verkünden, dass es nun noch einen Blog gibt, und zwar einen, der mit Kinderwunsch nicht das ALLERgeringste zu tun hat. Ich habe ihn Café Flora genannt, und wer will, findet ihn unter cafeflora.blogspot.com.

Für eins wäre ich euch allerdings sehr dankbar: tut mir den Gefallen und postet auf dem Fressblog keine Kommentare, die ihn mit diesem Blog in Verbindung bringen. Denn diese Abkürzungssache hier soll doch weiterhin unser Geheimnis bleiben. Ok?

Gestern Abend, beim Abheften meiner Klinikunterlagen

Wir werden jetzt nämlich erwachsen. Mit eigenem Rechner, mit selbständiger Steuernummer, mit Hund und Ehemann und jetzt auch mit Ordner für Steuerkram und Bankkram und Versicherungskram und Eierkram. Jedenfalls hatte ich alle Rechnungen und Rezepte und Verträge und Informationsblätter vor mir liegen, hab sie noch mal gut durchsortiert und festgestellt, dass der Papierstapel nach zwei IVFs und einer Kryo-Übertragung einen Zentimeter dick ist. Dann hab ich Löcher in all die Papiere gestanzt und sie abgeheftet. Nun kommen sie mir nicht mehr jedes Mal zwischen die Finger, wenn ich bloß eine Briefmarke suche oder meine TANs für die Bank. Aber aus irgend einem blöden, sentimentalen Grund hab ich es irgendwie nicht übers Herz gebracht, auch Löcher in die Therapiebögen zu stanzen. Dabei sind die so hundertmal gefaltet, zerknittert und durchgerockt - aber trotzdem haben sie als einzige eine Klarsichthülle spendiert bekommen. Eines Tages, wenn es geklappt hat, bekommen sie vielleicht sogar einen Bilderrahmen. Vorher ist es ganz gut, dass sie aus den Augen sind.

Damit zu den Standards:
Das Tier: Das Tier bekommt nun jeden Tag eine andere Aufgabe, und die braucht es auch dringend. Wie sich zeigt, ist Lili nicht damit ausgelastet, täglich ca. zwei Stunden spazieren zu gehen, jeden Ast auf dem Weg zu zerkauen, jeden Grashalm ausführlich zu beschnüffeln, sich mit jedem Passanten anzufreunden und mit jedem Hund zu spielen, vom Labrador bis zum Pekinesen. Da bleibt immer noch genug Energie übrig, um ein kleines Airedale-Kraftwerk aufzumachen, mit dem man halb Hamburg versorgen könnte. So lange die Technik noch nicht so weit ist, muss ich mir was anderes einfallen lassen. Gut. Heute ist der Tag, an dem sie lernt, nicht mehr an Frauchen zu knuspern. Halbherzig hab ich das auch schon in den letzten Tagen versucht, aber heute wird's ernst. "Gar nicht knuspern?" Nein, kein kleines bisschen. "Auch nicht an der Hand?" Nein. "Am Bein?" Nein. "Haare?" Njet.

Der Plan: Es sind schon eine Menge Striche auf der kleinen Leinwand neben meinem Bett. Jedenfalls mehr als 100/10 geteilt durch 12 Monate. Wenn ich ehrlich bin, dann hatte ich auch nichts anderes erwartet. Wichtig ist auch nicht, dass es mehr sind als am 1.Januar geplant. Viel wichtiger ist, dass es mit Sicherheit nur halb so viele (oder sogar noch weniger) sind wie in einem anderen Januar der letzten zehn Jahre. Vermutlich werde ich die 100 nicht schaffen. Aber noch werfe ich die Flinte nicht ins Korn. Ziel der Sache war, weniger zu trinken, und im Moment trinke und rauche ich wirklich viel weniger. Da sind immer noch Abende mit Mädchen oder Familie oder Kaminfeuer, die ich mir schlecht vorstellen könnte ohne lecker Cremant oder Rotwein. Aber da sind auch ganz viele Abende auf dem Sofa oder vorm Rechner, an denen es früher auch was zu trinken gegeben hätte, kistenweise Feierabendbierchen, die ich jetzt nicht trinke, sondern stattdessen die leckersten Tees, die ich auftreiben kann. Und das geht gut, ich fühle mich besser, kann mich besser konzentrieren und bin auch ein bisschen stolz. (Und soll ich euch mal erzählen, was für leckere Sachen man von den gesparten Alkohol-Kalorien essen kann an, sagen wir mal, einem eiskalten und ungemütlichen Donnerstagabend? Feine Sachen.)

Und dann hab ich noch einen Plan zu vermelden: Ich weiß, ich hatte mal einen Fortsetzungsroman als Blog angekündigt. Den plane ich immer noch, und jetzt, wo ich diesen wunderschönen neuen Rechner habe, bin ich motiviert wie lange nicht mehr. Aber ein anderer Plan hat sich vorgedrängelt: ich will mal all die losen Zettel mit Rezepten, die hier rumfliegen, sammeln und ganz blöd und stumpfig runterschreiben. Das wird nicht schick oder fancy, ich kann leider so tolle Sachen nicht wie die Delicious-Days-Frau (in meiner Blogroll), einfach nur Rezepte und manchmal eine kleine Geschichte dazu. Vermutlich noch nicht mal Fotos, oder Fotos dann nachgereicht, wenn ich das Rezept mal wieder koche. Wie ich den Blog nenne, weiß ich noch nicht, aber ich sag euch Bescheid, vermutlich heute noch.

Mittwoch, 27. Januar 2010

Rosebud

Als ich elf war, bekam ich zu Weihnachten ein perlmuttfarbenes Mädchenrad mit rotem Lenker und rotem Sattel. Es war von Hercules, hieß "Varena" und war wunderschön. Ich konnte tagelang kaum Luft holen vor Freude und hätte niemals mit einem so großartigen Geschenk gerechnet. Ich war so glücklich, dass ich bei zehn Grad unter null mit dem Rad durch die vollkommen erfrorene Landschaft fahren musste. Dabei fühlte ich mich wie eine Königin beim Ausritt. Das Glück wurde noch nicht mal dadurch getrübt, dass sich später herausstellte, dass das gleiche Fahrrad das Fahrrad von Gabi der Pfote in der TKKG-Kinderserie war, und mich der Junge, in den ich kläglich und völlig umsonst verknallt war, wochenlang damit aufzog, ich hätte mein Rad aus einer Kinderserie, die gut zu finden so ziemlich das uncoolste war, was man als Elfjährige tun konnte. Es war zwar unangenehm, aber egal. So schön war das Rad.
Eines Tages, während ich kurz für meine Mutter Brot holte, guckte sie aus dem Fenster und sah, wie zwei assig aussehende Jungs um die zwanzig mein Fahrrad in einen Kleinbus warfen und damit abhauten. Ich kam mit einem Kastenweißbrot und einem Kommissbrot (ungeschnitten) zurück, es war weg, und ich hab es nie wieder gesehen.

Das Rad gehört trotz des traurigen Endes in die Liste der schönsten Dinge, die ich je besessen habe. Vielleicht nicht auf die Art schön, dass sie ins MOMA aufgenommen würden oder sich sonst irgendwer in Unkosten stürzen würde, um sie zu besitzen, aber für mich so schön, dass ich sie am liebsten als erstes sehen würde, wenn ich morgens aufwache, und das wochenlang. So schön, dass ich am liebsten sogar das Geschenkpapier in Ehren gehalten hätte. "Rosebud"-Gegenstände. (Kennt ihr den Film "Citizen Kane"? Hoffentlich ja? Jedenfalls handelt er vom Aufstieg eines Medienmannes, und am Ende, als er in seinem gewaltigen Palast als alter mächtiger Mann im Sterben liegt, murmelt er als letztes das Wort "Rosebud". Wer oder was ist Rosebud, eine Frau, mit der er mal zusammen war? Ein Schatz? Oder ein Codewort? Es stellt sich heraus, dass Rosebud ein Schlitten war, den er als kleiner Junge hatte. Mein letztes Wort wird zwar vermutlich nicht "Varena" sein, aber ich gebe ehrlich zu, dass ich noch oft an das Fahrrad gedacht habe.)
In die Liste gehören außerdem mein Wellensittich, eine Snoopy-Thermoskanne, die ich zwischen acht und zwölf hatte, mein erstes Taschenmesser, ein Luftkissenschlitten, der viel länger gehalten hat, als es irgendwer für möglich gehalten hätte, eine aufblasbare Riesenschildkröte, meine ersten eigenen Kerzenleuchter, ein paar Fotos und Bilder, ein paar schwarz-weiße Turnstiefelchen aus England, die Skimedaillen, die ich als Kind gewonnen habe, eine Locke von meinem ersten Hund, und im Moment bestimmt die kleine Lili.

Aber dieser Rechner hier, der gehört ganz sicher auch auf die Liste. Ich sitze seit fast zehn Jahren an Macs, und noch nie hat mir einer davon gehört, der nicht gebraucht und oll gewesen wäre. Entweder, sie gehörten meiner Firma, oder die Firma wollte sie nicht mehr haben und hat sie mir für hundert Euro gnädig überlassen, worauf sie bei mir nach ein paar Monaten schrecklichem Gegurke und Gemurkse auch gestorben sind. Dieser hier war neu. Ich bin in den Apple-Laden gegangen, habe gesagt "Ich möchte diesen Rechner da", habe eine Versicherung für ihn abgeschlossen, hatte keine Fragen mehr, wollte auch nicht beraten werden, und dann bin ich mit ihm durch die Kasse gegangen und hab ihn, Zack, einfach bezahlt. Nicht auf Raten und nicht mit irgendwelchen Papieren und Unterschriften. Jetzt gehört er mir. Höchstens L. darf noch dran, der sich aus irgend einem Grund in den Kopf gesetzt hat, jetzt zu lernen, Apps zu programmieren und damit reich zu werden. So lange die Arbeitsteilung ist "Flora überlegt sich, was ein Telefon in einer perfekten Welt alles könnte, und L. schlägt sich mit nerdigen Informatikbüchern rum und sitzt fluchend bis nachts um vier da, um dann festzustellen, dass das eine Scheißidee war", soll mir das Recht sein.

Der Rechner hat mir gerade mitgeteilt, dass es acht Stunden dauern würde, die Musik von meinem alten Rechner auf meinen neuen Rechner zu überspielen. Ja Sakra! Wieso kann ich mich nicht einfach mit einer "buena vista socialdings"-CD und ein bisschen Coldplay zufrieden geben wie andere Leute auch?

HACH JA. GUCKT MAl, jetzt bin ich zum ersten Mal auf die Capslock-Taste gekommen, und ihr wart dabei! Ruhig, Mäuschen, ich klick da nochmal drauf, und alles ist wieder gut, huffhuffhuff. Jedenfalls wollte ich eigentlich schreiben, vielleicht liest das ja eine und findet das albern: da sitze ich hier und kriege immer noch kein Kind, und stattdessen geht es hier nur noch um Rechner und Schlitten und Klamotten und Geld und Jobs. Das war so nicht abgemacht, war denn der Kinderwunsch nur eine Laune?

Nein, war er nicht. Aber das wäre wirklich ein jämmerliches Leben, in dem man nicht mehr normal bescheuert sein darf, nur weil der Unterleib leider nicht ganz normal ist.

Das ist aber auch wirklich ein besonders schöner Rechner. Lili, was meinst du? Findet sie auch.

Dienstag, 26. Januar 2010

Hier liegt eine und träumt im Halbschlaf den großen Konsumtraum

Das Geld von meinem letzten dicken Auftrag ist da, und nun ist der Moment gekommen: morgen hab ich ein paar Stunden hundefrei, dann gehe ich in die Stadt und kaufe mir endlich wieder was zum anziehen, worin ich nicht aussehe wie andere Leute zum Renovieren. Ich weiß, dass das ein derartiges Klischee ist, dieses "ich hab nichts anzuziehen", aber glaubt mir, ich hab wirklich nichts anzuziehen. Abgesehen von ca. acht wirklich schönen (wenn auch ein bisschen exaltierten) Ausgehkleidern, aber weil ich zu den bedauernswerten 99,9% der Bevölkerung gehöre, die sich nicht erst abends um sieben zum ersten Prosecco erheben, brauche ich auch tagsüber Kleider, und die habe ich nicht. Wenn nicht in den letzten Monaten L. ständig Jeans und Pullis ausgemustert hätte, würde es sogar noch erbärmlicher in meinem Kleiderschrank aussehen.

Vielleicht glaubt ihr mir das nicht. Dieses Misstrauen tut mir weh. Ich bitte darum eins der Berliner Mädchen, einen kurzen entsprechenden Kommentar zu hinterlassen, der bezeugt, dass man angesichts meiner Garderobe einfach keine Tränen mehr hat.

Aber viel wichtiger ist, dass ich mir morgen meinen neuen Mac leisten werde. Den ersten neuen Mac meines Lebens. Das ist ein großer Tag. Bisher hatte ich immer nur fünf Jahre alte gebrauchte mit angegilbgrauten Tasten, zwischen denen anderer Leute Schmodder (Krümel, Wimpern, Popel, Staubmäuse, aber die undefinierbaren Sachen waren am ekligsten) steckte. Kein Wunder, dass ich vor solchen ekligen Tastaturen so häufig zum Glas griff.

Diesen Eintrag schreibe ich auf L.s Rechner. Morgen gibt es noch mal unter Lebensgefahr einen letzten Post vom alten Dings. Und dann bricht eine neue Zeit an.

Und bis dahin will ich nur noch schlafen. Ich kann nicht mehr, der Hund allerdings schon. Die Umsiedelung nach Hamburg war ein Kulturschock. Gestern Abend war ich in Sorge, der Hund war angesichts der vielen Autos und Menschen und Hunde völlig von der Rolle und hat sich im Schlaf die halbe Nacht fiepend hin und her geworfen. Aber über Nacht hat sie beschlossen, dass das alles supi ist. Jetzt will sie von jedem Menschen, den wir auf der Straße treffen (und sei es aus 100 Metern Entfernung auf der anderen Straßenseite) geliebt werden. Sie wartet als kleines pelziges Empfangskomitee auf jeden Passanten, wirft sich ihnen entgegen, und wenn sie einfach weitergehen, dann dreht sie vor Kummer durch und will nur noch hinterher, bis das Schicksal ein Einsehen hat und jemand vorbeikommt, der zufällig in unsere Richtung muss. Klar bin ich stärker als sie, aber was ist damit, dass Welpen ihre Umgebung erschnüffeln und erkunden sollen, um ihren Charakter und ihre Intelligenz zu bilden? Ich kann doch so ein kleines Müffi nicht auf dem eiskalten Boden hinter mir herziehen wie eine böse Disney-Stiefmutter! Also nehme ich sie auf den Arm, wo sie versucht, meine Mütze zu fressen. Zum Glück ist meine Mütze wie alle meine Kleidungsstücke, siehe oben, alt und hässlich. Für einen Weg, den ich alleine in fünf Minuten zurücklege, brauchen wir zwanzig. Und zum Thema "Welpen müssen noch nicht so viel raus, zwanzig Minuten am Tag reichen dicke" würde ich gerne Prof. Dr.Lili in die Expertenrunde schicken, das hält sie nämlich für Quatsch. Ich überlege, ob ich sie morgen vor einen Schlitten spanne. Oder vor einen Schneepflug. (Überall im Land stecken die Menschen im Schnee fest, das Streusalz ist knapp, die Räumdienste überfordert. Aber niemand klingelt und fragt einfach mal bei uns freundlich um Hilfe. SOO schlimm kann es also wohl nicht sein!)

Eintrag von einer, die heute früh um sieben bei minus 12 Grad ihrer Nachbarin im Schlafanzug im Garten begegnet ist

Um Missverständnissen vorzubeugen: nein, der Hund bleibt nicht so klein, wenn sie groß ist, wird sie ein Airedale, und wie es aussieht, ein ziemlich riesiger, denn sie hat Pfoten wie ein junger Tiger. Im Moment ist sie allerdings noch ein Rauhhaardackel mit zu großen Füßen.

Und ich glaube immer noch fest daran, dass dieser Hund zu Großem berufen ist. In der ersten Nacht musste ich mit ihr um neun, um zehn, um halb drei, um halb vier, um fünf, um halb sechs und um sieben raus. In der zweiten Nacht um neun, um elf, um fünf, um sechs und um sieben. Und heute, in der dritten Nacht, um zehn, um elf, um viertel vor zwei (das war aber L.s Idee, nicht ihre), um viertel vor sieben (falscher Alarm) und um acht (wir können Haufen und Pischi vermelden. Feiner Hund.) Wenn das so weiter geht, dann habe ich sie in sechs Wochen so weit, dass sie mittags ihren dicken Spaziergang hat, morgens einen mitteldicken Spaziergang, dann um elf noch mal raus muss und mich ansonsten morgens und nachts schlafen lässt. Andere Hunde hat sie auch schon getroffen (liebt sie, sie umarmt sie immer sofort und gibt ihnen ein Küsschen und vergießt bittere Tränen beim Abschied), Autos (Hassliebe, manchen will sie hinterher, vor anderen hat sie Angst), Fahrräder (böse. Böses Fahrrad.) und andere Menschen (Freunde! Überall Freunde!). Ich weiß, dass junge Hunde erst mal ganz behutsam ihre nähere Umgebung kennen lernen sollen, aber so ist das eben in der Stadt, ich hab die Autos, Hunde, Menschen und Fahrräder nicht gerufen, die kommen einfach so. Wir fahren allerdings ganz bald, sobald sie hier wirklich glücklich zuhause ist, zu ihrem Zweitwohnsitz aufs Land, wo wir die ersten beiden Tage waren. Wozu hat der Hund schließlich ein Wochenendhaus?

Jetzt drängt sich natürlich endgültig die Frage auf, wieso? Ist der Hund mein Babyersatz? Habe ich aufgegeben, kann das aber noch nicht zugeben? Ich hab mir auch schon Gedanken gemacht, und ich glaube, ich kann bestimmt nicht behaupten, dass der Hund zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts, rein gar nichts, mit meinem verflixten Kinderwunsch zu tun hat. Natürlich ist es schön, etwas Kleines zum Kümmern zu haben, und auch sonst tut sie ständig Dinge, die man als "Salz in die Wunden streuen" bezeichnen könnte, wenn da Wunden wären. Sie jammert nachts ein bisschen im Schlaf, sie kommt angeschwänzelt und will gestreichelt werden, sie läuft mir überallhin hinterher, sie ist eben auch ein Baby, wenn auch eins mit reichlich viel Haaren auf dem Rücken. Aber ich bin immer noch ihr Frauchen und nicht ihre Mutti, eine Mutti hat sie nämlich schon, ich hab sie gesehen und gestreichelt, sie sah mir nicht ähnlich. Sie kriegt keinen Schnuller und keine Küsschen, und falls ich in den nächsten Jahren sterben sollte, wird sie auch nicht mein Alleinerbe.
Alle, die mich auch außerhalb des Blogs kennen, wissen, dass ich immer schon einen Hund wollte, auch zu Zeiten, als weder L. noch ein Kinderwunsch irgendwo am Horizont auszumachen waren, und auch schon zu Zeiten, als ich dachte, um schwanger zu werden, muss ich nur die Pille mal ein bisschen zu spät nehmen und im falschen Moment zu lässig sein. Manche Wünsche hat man jahrelang, und sie warten bis zu dem Moment, wo sie richtig gebraucht werden, und dann macht man das eben. Ich wollte auch immer schon mal in Italien leben oder in New York, und vielleicht passiert irgendwann irgend etwas, was dafür sorgt, dass ich es eines schönen Tages wirklich tue. Wenn es so weit ist, kann ich mir auch sagen, ach ja, es geht hier nicht um Italien, sondern um diese blöde Sache, die mir gerade passiert ist. Das ist ja nur ein Ausgleich! Dazu würde ich mir dann aber antworten, erstens: was heißt hier "nur", und zweitens: dieses neunmalkluge Psychogedeute ist mir pipikackegal, lass also stecken, Flora.
Jetzt hab ich also einen Hund, und das ist eine feine Sache. Ein Hund war Teil des Traums vom herrlichen Freiberuflerleben, der wahr geworden ist (wer weiß, vielleicht werden die Tage mit Laptop im Park oder das Mini-Büro mit Dachterrasse und einem Kühlschrank voller Rosé ja auch noch wahr?). Ich kann es kaum abwarten, bis sie groß ist und mit mir durch die Heide und den Schwarzwald wandert. Geplant ist eines fernen Tages auch eine Alpenüberquerung. Und am Ende - wenn alles noch besser läuft, als ich es mir jemals vorstellen kann - hat das Tierchen auch noch den "wenn man schon ein Kind adoptiert hat, klappt es plötzlich"-Effekt. Nicht das Wunder der ungespritzten Empfängnis, aber einfach ein bisschen mehr Glück beim nächsten Mal.

Wollen wir den Hund übrigens der Einfachheit halber Lili nennen?

Montag, 25. Januar 2010

Eigentlich fand ich das immer schlimm, wenn Leute sich Bilder von ihren Tieren zeigen, aber dieses Tier ist schließlich anders

So. Hier sehen wir den Hund, während er sich gerade nach einer anregenden Diskussion über die Frage "Ist Pop wirklich tot?" ausruht.



Hier entdeckt der Hund gerade etwas Neues, hat sich aber entschieden, sich mit voreiligen Kommentaren zurückzuhalten.




Hier denkt der Hund voller Trauer über die Frage nach, was das nur für Menschen sind, die einen unschuldigen Welpen zwingen, in so einer Welt aufzuwachsen.

Die kleine Universalgelehrte frisst gerade meine Kleidung

Ruhig, ruhig, nachher fahren wir nach Hause, und dann bekommt ihr Fotos, versprochen.
Ich bin immer noch schockverknallt. Bestimmt sagen das alle Frauchen, aber ich glaube wirklich, sie ist ein Glücksgriff. Wenn ihr Leben eines Tages verfilmt wird (wovon ja fest auszugehen ist),dann müßte in ihrem Kostüm schon einer der intelligentesten Hollywoodstars stecken, um ihrem Charakter und ihren Qualitäten gerecht zu werden. Ich denke da an Jodie Foster, Natalie Portman oder Sharon Stone. Laut vier verschiedenen Welpenbüchern, die sich ausnahmsweise einig sind, muss ein Welpe in den ersten Tagen noch gar nichts können außer vielleicht die ersten Lektionen von "gepinkelt wird draußen". Sie hat ihr letztes Teppichpipi gestern morgen gemacht, kommt auf Zuruf, weiß schon, das sie nicht an Kabel darf und hat sich so gut wie abgewöhnt, meine Haare zu fressen. Und seit heute morgen kann sie mit dem Schwanz wedeln. Und ich stehe nachts um vier auf, um sie rauszulassen, habe die Taschen voller Leckerchen, könnte durchgehend schlafen und kann mir noch nicht mal ansatzweise vorstellen, dass es da draußen Leute gibt, die ihr Wochenende in acht verschiedenen Clubs verbracht haben, aber ohne Welpen. Die spinnen doch! Das geht doch gar nicht!

Müffi, lass mein Halstuch los.

Sonntag, 24. Januar 2010

Mein Lieblingsfelldings auf diesem Planeten

Der Hund ist so niedlich,dass ich kaum noch weiß, wie ich heiße. Jetzt liegt sie in ihrem Körbchen und schläft, und das würde ich auch gerne tun, denn letzte Nacht haben wir insgesamt fünf Kilometer im Schnee (und im Schlafanzug) zurückgelegt, um ca 50 ml Welpenpipi in den Garten zu kriegen. Gestern wusste sie noch nicht, wer wir sind, und heute hört sie schon auf ihren neuen Namen, kommt, wenn ich sie rufe, und scheint auch sonst so ziemlich alles zu können, was nötig ist, um mir das Herz zu brechen. Ich bin sehr glücklich.

Freitag, 22. Januar 2010

Alufolie war erst der Anfang

Vor ein paar Wochen, kurz nachdem wir uns das Tier zum ersten Mal angesehen hatten und ich tagelang nichts anderes mehr denken konnte als "niiiiiiiedlich", habe ich mir ein Buch über Welpen gekauft. Ein ganz normales Buch aus einem ganz normalen Ratgeberverlag, keine Doktorarbeit. In diesem Buch stand, das einzig wahre Futter für Welpen wäre eine Mischung aus rohem Rindfleisch (nicht irgendein Rindfleisch, sondern nur bestimmte Körperteile müssen reihum verwendet werden, Kopffleisch, frisch durch den Wolf gedreht, ist z.B. eine feine Sache), blanchiertem und gehacktem Gemüse (am liebsten frische Brennesselblättchen), frisch pürierten Kalbsknochen, Blütenpollen, Distelöl, im Winter auch gerne Lebertran und noch ein paar Zutaten wäre das beste. Andererseits stand da auch, man sollte das weiterfüttern, was der Züchter gegeben hat, und das war bei uns Rindfleisch und HAferflocken. Oha! Haferflocken fand mein Ratgeber gar nicht gut. Ich sah mich schon täglich eine Stunde mit der Zubereitung der Hundemalzeiten zubringen. Und ich hatte gedacht, das Thema geht mich ja demnächst was an, da kaufe ich so ein Buch, danach fühle ich mich sicherer und weiß besser, was ich tue. (Dass ich selbst schon mal einen Hund hatte und L. sogar zwei, war mir in dem Moment egal, hab ich schon mal erwähnt, dass ich grundsätzlich nichts im Leben anfangen kann, ohne dass ich mir einen passenden RAtgeber kaufen und mich dann über ihn aufregen muss? Andere Leute müssen sich immer als Erstes das passende Outfit kaufen, ich das passende Buch.) Aber nachdem ich durch war mit dem Buch, war ich nur noch besorgt und hatte das flaue Gefühl im Magen, dass ich ja wohl die letzte bin, der man einen kleinen Hund anvertrauen kann. Das wurde auch nicht besser, als noch drei andere Ratgeber dazu kamen. Unser erstes Problem wird sein, das Tierchen stubenrein zu kriegen. Seit ich die vier Kapitel in den vier Büchern miteinander verglichen habe, kann ich mich eigentlich nur noch wundern, dass in der Geschichte der hundehaltenden Menschheit überhaupt IRGENDEIN Hund jemals stubenrein geworden ist. Alles, was man tun kann, wird von einem Experten als schlimmstmöglicher Fehler betrachtet, während es für jemand anderen die einzige vernünftige Lösung ist.

An irgendwas erinnert mich das alles. An was nur? Ich komm nicht drauf, aber gleich hab ichs.

Morgen holen wir den Hund. Dann wird er uns schutzlos ausgeliefert sein! Falls er morgen Abend noch lebt, werde ich berichten. Wünscht uns viel Glück, aber dem Hund noch mehr. Er kann es brauchen.

Mittwoch, 20. Januar 2010

Auf Struppi kommt einiges zu

Inzwischen wieder auf Pille stellen sich erstaunlicherweise folgende Nebenwirkungen ein: Übelkeit, merkwürdige Geräusche aus meinem Bauch (ziemlich peinlich sind sie außerdem), angeklatschte Mützenfrisur, Pickel an Stellen, an denen man keine Pickel haben sollte (gibt es Stellen, an denen man welche haben sollte?).
Erstaunlicherweise deshalb, weil ich mit kurzen Unterbrechungen die Pille nehme, seit ich 17 bin, und damit nie auch nur ein Fünkchen Ärger hatte. Andererseits verdanke ich meine Entstehung der Tatsache, dass meine Mutter damals die Pille nicht vertrug und die Übelkeit irgendwann nicht mehr ausgehalten hat. Später Einsatz von Familienbanden?
Aber was tut man nicht alles für zukünftige Würmchen, und bei den anderen Medikamenten bin ich ja bisher sehr glimpflich davongekommen. Außerdem gibt mir die Mützenfrisur die Gelegenheit, mir jetzt täglich die Haare zu waschen, an manchen Tagen sogar zweimal, und dadurch kann ich meine neue Shampoo-Entdeckung öfter verwenden: das Roche Posay-Shampoo für empfindliche Kopfhaut in der hellblauen Flasche. Dieses Shampoo riecht wie kein anderes, ein bisschen nach Hafen, ein bisschen nach Schwimmbad, ein bisschen nach Gewitter und ein bisschen nach dem Eis, das nach dem Markt da im Gulli liegt, wo ein Fischstand war. Wer das nicht verlockend findet, sollte es mal ausprobieren, erst wundert man sich und dann hängt man am Haken. (Früher musste ich mir nur so ungefähr alle drei Tage die Haare waschen, und ich weiß, einige werden mich jetzt ein bisschen eklig finden. Ich schwöre aber, öfter war nicht nötig! Erster Tag: Country-Sängerinnen-Look, nach allen Seiten abstehender Haarbusch. Zweiter Tag: vernünftige Haare. Dritter Tag: vernünftig aussehender Pferdeschwanz.)

Ich bin also auf Pille. Und die nächsten Crinone-Röhrchen sind noch vom letzten kläglichen Versuch übrig. Und an all das würde ich ab übermorgen wieder mit voller Kraft denken können und mir auch nachts den Kopf zerbrechen, wie das alles werden soll und was wird, wenn es nichts wird, denn dann endet meine Buchung. Allerdings steht dann ein neues, Aufmerksamkeit in riesigen Batzen verschlingendes Ereignis ins Haus: das Tier kommt.

Ich habe übrigens nicht vor, ihm rosa Babysachen anzuziehen und es in Kinderwagen durch die Gegend zu schieben, dazu wird es auch ziemlich schnell zu groß sein. Dieses Tier wird nicht der entwürdigte Augenstern einer unfruchtbaren Schachtel, sondern ein feiner, gut erzogener Hund. Ich habe vor, ihm kleine Tricks beizubringen, damit er sich im Haushalt ein bisschen nützlich machen kann. Proseccoflaschen mit den Zähnchen öffnen (für Gäste natürlich! Der Plan ist immer noch im grünen Bereich, jedenfalls nicht völlig aus dem Ruder gelaufen.)...

An dieser Stelle folgt auf Wunsch von L. ein Exkurs: Er bittet mich, in meinen Blog zu schreiben, dass ich mich gerade geirrt habe, als ich dachte, die "is wien warmer Sommerregen" Nivea-Soft-Creme, die er sich ins Gesicht schmiert, wäre eigentlich nicht fürs Gesicht gemacht. Das ist sie nämlich doch, ich hatte Unrecht und er Recht. Ende des Exkurses.

...Aschenbecher leeren, kleine Besorgungen machen (Einkaufszettel und kleinen Schein ins Täschchen am Halsband, zum Supermarkt laufen und niedlich gucken, bis jemand sich erbarmt und die Satteltaschen vollpackt, dann schnell nach Hause), und natürlich Frauchen morgens und Abends beim Verabreichen IVF-relevanter Medikamente assistieren. (Igitt, denkt ihr vielleicht, wie soll das denn bei Crinone... neinnein, aber bei den anderen vielleicht ja doch?), und natürlich mich später zum Frauenarzt begleiten und mir moralisch beistehen, während ich auf Ultraschalls warte. Später wird das Tier dann der unzertrennliche, treue Freund der Würmchen, bringt sie zur Kita, trägt ihnen die Bütterchen hinterher, räumt ihr Zimmer auf, rettet sie aus eingestürzten Goldminen... so in etwa!

Ich spinne. Das muss die Pille sein.

Samstag, 16. Januar 2010

Ist das eine Kerze in ihrem Nasenloch, Herr L.?

Eigentlich sollte doch auch hier inzwischen langsam wieder irgend etwas laufen mit Crinone oder so, ich sollte mich auf einen Rückübertragungstermin zubewegen, und wenn ich mich lassen würde, würde ich auch schon wieder versuchen auszurechnen, in welchem Monat dann zukünftige Kindergeburtstage gefeiert werden würden. Hm.

Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich die Sache sehe, aber mein Unterleib scheint dagegen zu sein. Am 24. Dezember, morgens im Londoner Hotelzimmer, hab ich meine Tage bekommen. Danach habe ich aus Gründen, die ich jetzt nicht mehr nachvollziehen kann, beschlossen, dass ich es diesmal ohne die Pille versuche. Ich weiß genau, dass ich ein großes Risiko eingehe, dass mir Zysten wachsen, wenn ich weder schwanger noch auf Pille bin. Aber ich hatte die durch nichts belegte eigene Theorie entwickelt (genau genommen ist "Theorie" und "entwickelt" schon eine Nummer zu dicke, stellt es euch eher als eine Art quersitzenden Hirnfurz vor), dass ja auch andere Frauen erst mal ein paar Monate brauchen, um schwanger zu werden, wenn sie die Pille absetzen. Dass das bei den meisten vermutlich daran liegt, dass sie erst mal keinen Eisprung haben, was ja für unsereins kein Problem ist, das war dem Hirnfurz egal. Also: ohne Pille. Bisher ist mir zwar nichts geplatzt im Bauch. Aber letzten Sonntag, am 10.Januar, habe ich schon wieder meine Tage bekommen. Irgendwas ist offensichtlich gewaltig durcheinandergeraten. Und das soll sich nun erst mal wieder einkriegen, bevor wir weitermachen. Es geht zwar "nur" um zwei weitere Tiefkühleierchen, aber auch die hab ich mit viel Liebe ausgebrütet und will sie nicht als Kanonenfutter verschleudern. Vielleicht also Februar. Oder März. Und bevor hier die Kommentare einschlagen, ja, inzwischen bin ich wieder auf Pille.

So. Und wieso gab es in letzter Zeit so wenig Posts, gearbeitet hab ich doch auch früher schon, und es hat mich nicht abgehalten? Das, liebe Freunde, ist die Freiberuflichkeit. In meiner alten Firma war mir irgendwann alles so dermaßen egal, dass ich mich auch mal in der Mittagspause oder, was solls, irgendwann am Nachmittag an den Blog gesetzt habe. Wenn das irgendwem in der inzwischen schon stark dezimierten IT aufgefallen wäre und es daraufhin nicht nur Getuschel über meine Hormonabenteuer gegeben hätte, sondern einen Rauswurf, dann hätte ich zwar dumm geguckt, aber wäre nach spätestens zwei nervösen Tagen drauf gekommen, dass das vermutlich besser so ist. Aber jetzt ist alles anders, ich werde in ziemlich fetten Tagessätzen bezahlt, und ich wäre bescheuert, an der Berechtigung dieser Tagessätze irgend einen Zweifel aufkommen zu lassen, indem ich in der Mittagspause Wein trinke (verträgt sich sowieso nicht mit 100/10), einfach mal zwei Stunden shoppen gehe oder meinen privaten Muckelblog schreibe, auch wenn es nur für fünf Minuten ist. Vielleicht werde ich ja mit der Zeit noch lässiger. In meinem Job gibt es haufenweise Leute, die stundenlang aus dem Fenster starren, jeden Tag zwanzig neue Internetseiten entdecken oder mehr Zeit an der Kaffeemasschine als am Schreibtisch verbringen und sich trotzdem als hart arbeitende Menschen betrachten, und je nachdem, welche Aufgabe sie gerade haben, haben sie damit noch nicht mal so Unrecht. Deswegen kann es sein, dass ich irgendwann auch zu der Überzeugung komme: zehn Minütchen für ein Pöstchen müssen ok sein, und wer das anders sieht, der kann mich mal. Aber noch ist es lange nicht so weit.

Dann kam noch der neu-im-Kindergarten-Effekt dazu. Nachdem ich so viel Zeit fast nur zuhause oder allein auf Spaziergängen verbracht habe, war mein Immunsystem scheinbar nichts mehr gewöhnt. Wie ein neues Kind im Kindergarten hatte ich plötzlich alles, was die anderen Kinder auch haben. Und weil zuhause bleiben bedeutet, kein Geld zu verdienen, bin ich eben trotzdem hingegangen. Glaubt mir, mit Durchfall und Kotzerei reicht schon ein zehnstündiger Arbeitstag, und wenn euch jemand abends den Rechner auf einem Tablett mit brennenden Kerzen und Blumensträußen ans Bett stellen würde, dann würdet ihr ihm die Kerzen sonstwohin rammen. Die Blumen je nach Sorte auch, wenn es z.B. Calla-Lilien wären... aber egal.

(Wieso denke ich eigentlich, ich muss das erklären? Demnächst lasse ich mir eine Entschuldigung schreiben, wenn ich nicht dazu komme, zu bloggen. Was ist das hier, Hausaufgaben?)

Freitag, 15. Januar 2010

Welcher Tag ist heute nochmal, irgendwas mit F?

Ich sitze auf dem ollen grünen Sessel in der Küche, der riecht wie ein alter Hund, auf dem Herd blubbert das Gulasch, das ich gerade angesetzt habe, und nu ist auch mal gut, denn nu ist Wochenende, was nach zwölf Arbeitstagen auch wirklich mal Zeit wurde. Auf dem Heimweg bin ich an lauter Bars vorbeigelaufen, in denen Leute sitzen, die fröhlich ihre vor-dem-Kino-Getränke in sich reingekippt haben und das Ganze heute Abend bestimmt noch ca. achtzigmal wiederholen. Da wäre ich gerne auch dabeigewesen, aber ich bin kaputt. Gestern war ich, obwohl am Abend vorher stocknüchtern (fragt mich nach dem Plan. Los, fragt mich.), ein Wrack. Während eines langen, anstrengenden Arbeitstages, an dem ich nicht nur jede Menge Kram aufschreiben musste, sondern mich dafür auch noch durch einen Riesenberg technischer Artikel wühlen, musste ich nicht weniger als viermal spucken. Alles auf dem Firmenklo, und das Firmenklo, es wird auch nicht besser, lag direkt neben dem Chefbüro. So ist das Leben als Freiberufler nunmal, noch vor einem Jahr wäre ich sofort nach Hause gegangen und hätte mich ins Bett gelegt.

LANGWEILIG! Immer dieses Gerede über Job und Stress und Wehwehchen und Müdigkeit. Wie alt sind wir denn, Madame, etwa 36? Genau das sind wir.

Aber nu ist, wie gesagt, gut, denn nu ist Wochenende. Und ich hab vor, es auszunutzen. Ich werde in einer Mädchenküche sitzen und ein-zwei blubbernde Getränke trinken, bloggen, viel kochen und noch mehr essen, mit der Zeitung rascheln und das letzte Wochenende ohne das Tier genießen. Vielleicht lasse ich ja auch absichtlich alles auf dem Boden liegen, ohne Angst, dass es jemand frisst oder vollpinkelt. Das Tier wiegt inzwischen übrigens fünfeinhalb Kilo, und sein noch sehr zarter Knochenbau erfordert es, dass ich es jedes Mal, wenn es raus oder rein muss, die Treppe runter- und rauftrage. Und es wird oft rausmüssen.

Heute war nicht nur der letzte Tag vor dem Wochenende. Heute war auch der Tag, an dem ich vor Schlemmermeyer in eine Straßensperre aus Kinderwagen geraten bin, aus der es kein Entkommen gab. Ich hätte drüberspringen müssen, aber diese Wagen waren so gewaltig, dass ich dabei sofort an diese Stunts denken musste, bei denen Evil Knievel auf dem Moped über acht LKWs springt. Ich stand da also und sagt zweimal freundlich "Entschuldigung" oder sowas, aber es tat sich nichts, die Damen hatten anderes zu tun, und dann kam der Moment, in dem ich sie laut und giftig angeflucht hab "Ich muss hier durch, verdammich!" und das ohne das leiseste Zwicken im Kopf von wegen "jetzt ist es so weit, ich bin die verbitterte Kuh ohne Kinder" oder "also, wenn DAS meine Art ist, damit umzugehen..."
Das macht das Arbeiten. Plötzlich wird Unfruchtbarkeit wieder zum Nebenjob. Kann ich nur empfehlen.
Die HABEN sich aber auch breitgemacht, die Weiber.

Freitag, 8. Januar 2010

Horror, Schock, Keuch

Ich hatte mich an den Gedanken gewöhnt, dass ich mich demnächst von meinem lieben alten angegilbten Mac verabschieden muss. Ich habe sogar schon ab und zu heimlich (und natürlich nicht mit seiner Hilfe) geguckt, welchen ich mir nach seinem Tod zulegen soll. Ich wollte das Ende so sanft wie möglich. Bis mir das alte Mistvieh in den letzten Tagen einen Schrecken nach dem anderen eingejagt hat. Zuletzt der dickste Klops: angeblich war mein Blog nicht mehr mein Blog, sprich, ich konnte mich nicht mehr einloggen. Ich war fertig mit der Welt. Mein erster Ausruf war sogar ironischerweise "Mein BAAABYYYY!"

Nun ist alles wieder gut. Von L.s Rechner aus geht es, ich habe ein paar mal ein- und ausgeatmet, und wir müssen uns keine Sorgen mehr machen. Uffuffuff. Trotzdem kann ich heute nicht mehr schreiben als das hier, denn es wartet Arbeitarbeitarbeit. Und zwar das ganze Wochenende lang. Ich hoffe, ich schaffe trotzdem wenigstens einen Eintrag in den nächsten zwei Tagen.

Hier der Schnelldurchlauf:
1. Das Tier wird den Fotos im Netz zufolge von Tag zu Tag niedlicher, ich kann den 23. kaum noch abwarten, ab dann dürfen wir ihn holen.
2. Gleichzeitig bin ich ein bisschen aufgeregt, denn je mehr ich über Welpenpflege erfahre, desto mehr kann ich scheinbar falsch machen. Ihr glaubt mir das jetzt vielleicht nicht, aber IVF ist ein Scheiß dagegen!
3. Liebe neue Stammtischinteressentin aus Hamburg, ich hatte die letzten Tage auch mit meinen Mailprogrammen ziemliche Probleme, an denen mein Rechner Schuld war. Ich hab Dich aber nicht vergessen und verspreche, beim nächsten Stammtisch Bescheid zu sagen - ich freu mich sehr, wenn Du kommst! Wann es so weit sein wird, kann ich gerade noch nicht so sagen, aber wir kriegen auf jeden Fall noch mindestens ein Treffen vor Ende Februar hin (oder lüge ich? Ev?). Man munkelt aber, dass es in Hamburg noch einen anderen IVF-Stammtisch gibt, der sich auch häufiger trifft. Ich habe ihn zwar noch nie gegooggelt oder so, aber bin sicher, dass der irgendwie online aufzustöbern ist.

Was hab ich gesagt vom Gras auf der anderen Seite? Ihr werdet lachen, soooo grün ist es nun auch wieder nicht. Uff. Bin kaputt und sitze hier mit der Aussicht auf weitere 14 Arbeitstage bis zum nächsten freien Tag.

Montag, 4. Januar 2010

Ein ernüchternder Abend

Manche Menschen zucken innerlich zusammen, wenn sie von jemandem lesen, der für sie immer ein Vorbild war, und erfahren, dass er seinen ersten Film, seine erste Platte oder seinen Debutroman zustandegebracht hat, als er zehn Jahre jünger war als sie. Sie freuen sich natürlich auch, wenn ihnen jemand über den Weg läuft, der viel älter ist als sie und groß rausgekommen ist. Seht euch XY an, da war sie nun achthundert Jahre lang Hausfrau und hat nichts anderes getan als Kinder großzuziehen, der Depp vom Dienst für ihre ganze versoffene und stinkende Familie, dann lässt ihr Mann sie sitzen, und zehn Jahre später... seht sie euch an!

Bei mir hat dieses Gefühl nicht so sehr mit dem Alter zu tun, sondern mit der fixen Idee, dass das hier für mich weniger schlimm wäre, wenn ich von genug Frauen höre, die wirklich klug, lustig und rundum gut sind und die keine Kinder haben und scheinbar auch nicht besonders darunter leiden. Und weil diese fixe Idee Mutter des Gedankens zu sein scheint, habe ich in letzter Zeit scheinbar öfter wie selbstverständlich angenommen, dass solche Frauen (also die klugen, lustigen und rundum guten) im Zweifel keine Kinder haben.

Gerade komme ich von meinem ersten Arbeitstag in diesem Jahr nach Hause, und L. sitzt vor dem Fernseher und sieht sich im Zuge seines großen Frühjahrsausmistens eine alte Ladykracher-DVD im Schnelldurchlauf an, um zu entscheiden, ob sie rausfliegt oder bleibt. Und ich frage mich laut, ob Anke Engelke eigentlich einen Freund hat, und L., der feine Herr, der zwar immer nur FAZ und Handelsblatt liest, aber sich trotzdem viel besser im Leben von Prominenten auskennt, weiß natürlich Bescheid und sagt, ja klar, mit dem hat sie doch die Kinder.
Wieder eine weg.

Muss ich davon ausgehen, dass ich eine missgünstige und sehr grobschlächtig denkende Person bin, wenn ich scheinbar unbewusst meine Welt mittlerweile in blöde Muttis und tolle Nicht-Muttis einteile? Geht das wieder weg, wenn ich mich konzentriere und dagegen angehe? Was fällt mir eigentlich ein?
Ach, man kann scheinbar doch machen, was man will, irgendwann kriegt es einen klein. Was aber nicht heißen muss, dass ich aufhöre zu zappeln.

Wie fusselhirnig kann man sein, und das ohne einen Tropfen Alkohol?

Sonntag, 3. Januar 2010

Guckt es euch an und gebt quietschende Laute von euch. Los doch!

Darf ich vorstellen: das Tier.





So sieht es im Moment aus. Irgendwann ab dem 23. können wir es abholen, dann wohnt es bei uns, und wenn ich es schaffe, es nicht aufzufressen, dann wird es eines Tages in etwa so aussehen:



In dieser Wohnung wird es bald ein Körbchen geben, eine dicke schwarze Nase, eine zernagte Leine und irgendwas aus Gummi, das quietscht, wenn man drauftritt. Es wird jemanden geben, der mich morgens mit der Zunge aufweckt und der sich auf dem Sofa breitmacht. Und falls ihr das dachtet, hier ist nicht von L. die Rede. Ich freu mich mehr auf das Tier, als ich sagen kann. Bis dahin braucht es noch einen besseren Namen als den, den es schon hat (neun Hunde, die alle einen Namen mit A brauchten. Ihr könnt es euch vorstellen.), ich muss zum ersten Mal seit fast 10 Jahren in eine Zoohandlung, und dann leiht mit L.s Mutter noch ihre Hundbücher. Außerdem müssen wir eine vernünftige Hundeschule auftreiben. Und irgendwann mittendrin steht mir vermutlich der nächste Tiefkühlversuch bevor.
Also, dass der jetzt erst ganz am Ende dieses Posts Erwähnung findet, das halte ich für ein gutes Zeichen.

Samstag, 2. Januar 2010

Fröhlich sein ohne Alkohol

Liebe Abkürzungsbande! Nach einem Tag, der ohne Alkohol oder Zigaretten vollkommen problemlos über die Bühne ging (gut, die arme Wurst möchte ich sehen, die den ersten Januar nicht ohne hartes Getränk übersteht) und einem sehr selbstzufriedenen Blick auf den immer noch weißen, weil strichlosen Rahmen auf meinem Nachttisch beim Aufwachen, möchte ich das noch mal kurz erläutern, was das alles überhaupt soll.

Ich habe immer feste dran geglaubt, dass Normalität besonders für uns wichtig ist - für Leute, in deren Leben gerade scheinbar so wenig so läuft wie bei "allen anderen". Dass "alle anderen" längst nicht "alle anderen" sind, dass die Frage noch zu klären wäre, welche Lebensform eigentlich normal ist, und dass das alles halb so wild ist, wenn man versucht, nicht schon beim Betreten der Kinderwunschklinik in Schnappatmung zu verfallen - das wissen wir alle, und das muss ich vermutlich gar nicht erst hinschreiben. Trotzdem lässt sich das nicht wegentspannen und wegalbern, dass wir jetzt ein Leben führen, bei dem wir uns Spritzen in den Bauch jagen und uns von allen Seiten die bescheuertsten Ratschläge anhören müssen, und das Schlimmste ist, mitten in der Nacht kommen wir sogar allen Ernstes ins Grübeln, ob nicht doch was dran ist an dieser Sache mit dem Leitungswasser. (Wieso eigentlich "wir"? Zuerst mal ich. Vielleicht seid ihr ja auch alle viel gefestigter und vernünftiger als ich.)

Jedenfalls, Normalität. Und zur Normalität hat für mich immer auch gehört, mein Leben, so wie ich es kenne und wie es mir Spaß macht, zu verteidigen. Und zu meinem Leben hat es immer auch gehört, bei Bedarf zu rauchen, zu trinken und zu essen, was immer mir einfällt, und wenn es ein Kilo fettige, gegrillte Spareribs sind, dann sind es ein Kilo fettige, gegrillte Spareribs.

Und jetzt das. 100 Getränke, das ist ziemlich wenig. Das ist sogar noch weniger, als die WHO Frauen in meinem Alter erlaubt, und die WHO, das wissen wir, ist nicht berühmt für ihren Rock'n'Roll-Lebensstil.

Bevor jetzt eine denkt, ich wäre in das andere Lager übergelaufen, das Lager, in dem Leitungswasser und Kupfertöpfe verboten sind und Beziehungen vor allem aus liebevollen Nackenmassagen und gemeinsamen Spaziergängen in Funktionskleidung bestehen, muss ich euch sagen: ich tue das nicht (oder längst nicht nur), weil ich glaube, das verbessert meine Chancen, doch noch schwanger zu werden. Ich habe nur in der Weihnachtszeit mal grob überschlagen, wie viel ich wohl im letzten Jahr getrunken habe. Und dabei entstand in meinem Kopf ein Bild, wie man sie von früher aus dem Biobuch kennt: die deutsche Familie vor einem Tisch, auf dem alle Lebensmittel aufgebaut sind, die sie innerhalb eines Jahres verzehrt hat. Der Tisch in meinem Kopf bog sich unter den Cremant- und Rotweinflaschen, im Bildhintergrund stapelten sich Paletten mit Bierkisten, und ich stand bis an die Knie in Kronkorken. Egal, ob Kinderwunsch oder nicht, letztes Jahr war es zu viel. Das will ich nicht mehr. Ich sehe das 100-Getränke-Jahr vor allem als sportliche Herausforderung. Denkt nicht an schwäbelnde Protestanten, die alle bitten, ihren Rauch in eine andere Richtung zu blasen, denkt an Straight Edge-Punks oder zum Beispiel an Farin Urlaub, der ja angeblich auch seit 20 Jahren keinen Alkohol trinkt! Gar keinen! Nicht mal am Geburtstag, nicht mal bei Liebeskummer, nicht mal, wenn jemand französische Musik auflegt!
Noch 364 Tage. Und noch 100 Getränke.

Freitag, 1. Januar 2010

Hundert, zehn und 2010

Ich bin nicht besonders anfällig für Neujahrsvorsätze, aber für Katervorsätze. Andere klagen über Kopfweh am Tag danach, mich packt immer der große Katzenjammer. Was hab ich nur getan? Hab ich was getan? Ein diffuses Gefühl großer Schande macht sich kurz nach dem Aufwachen in mir breit und verfliegt erst gegen Abend wieder. Und zwar unabhängig davon, ob ich mich ein bisschen danebenbenommen habe oder nicht. Ich fühle mich unwürdig, blöd, peinlich und im Ganzen hundeelend.

Diesmal fällt mein Katervorsatz aber mit dem neuen Jahr zusammen, deshalb braucht er wohl ein bisschen mehr Bombast als sonst. Und ich bin auf folgende Idee gekommen, wie im nächsten Jahr mein Alkoholkonsum geregelt sein wird:
Bis zum nächsten Silvester darf ich insgesamt hundert alkoholische Getränke zu mir nehmen. Egal, ob das nun hundert Doppelkorn, hundert Gläser Wein oder hundert Biere sind. Und egal, ob ich diese hundert Getränke sauber auf das Jahr verteile oder mich einmal im Monat nach Gutsherrenart dichtziehe. Die Vorteile liegen auf der Hand: ich trinke weniger und muss mich dabei konzentrieren, aber ich muss mir auch keine Vorwürfe machen, wenn wieder mal so ein Plöpp-Plöpp-Plöpp-Abend hinter mir liegt. Dann werden es eben nur ein paar Striche mehr auf der Liste und bedeutend weniger prickelnde Getränke in den nächsten Wochen. Das ist gut für die Figur, den Teint, die Fruchtbarkeit, die Laune, den Kopf und überhaupt.

Dieses Jahr wird nicht nur das Jahr der hundert Getränke, sondern auch das Jahr der zehn Zigaretten. Diese zehn Zigaretten muss ich mir schon besser einteilen. Ich könnte z.B. fünf an meinem Geburtstag rauchen und fünf an Silvester. Auf diese Art weiß ich, dass im Notfall, im alleräußersten Notfall die Aussicht auf ein Flüppchen besteht. Aber eben nur im Notfall. Bus verpasst oder Regenwetter zählen nicht als Notfall. Und wenn doch, dann ist eben im echten Notfall keine Fluppe mehr übrig. Meine Mädchen werden das hier lesen und die Augen rollen. Nicht schon wieder, und dann geht das Gequengel los! Liebe Mädchen, ich verstehe gut, dass ihr die Augen rollt, aber wir wollen mal sehen, wie weit ich diesmal komme. Und L. und seine Nerven wollen wir mit all dem gar nicht erst belasten. Wenn er mich fragt, was denn der kleine Bilderrahmen mit der Strichliste neben meinem Bett macht, dann werde ich rätselhaft lächeln und schweigen.

Es wird euch freuen zu hören, dass ich heute bisher null Getränke und null Zigaretten zu mir genommen habe.