Sonntag, 31. Mai 2009

Ich langweile mich mit Synarela und ärgere mich über die Zeit

Synarela ist sicher ein wertvoller und unverzichtbarer Bestandteil eines In Vitro-Zyklus. Als Mittelpunkt eines Actionfilms würde es aber wohl nicht viel hergeben. Ich sprühe, dann muss ich niesen, das kann ich aber zum Glück unterdrücken, die Kehle brennt ein bisschen, aber das macht nicht viel. Ende der Geschichte. Was nun?

Ich könnte ja noch etwas darüber schreiben, dass ich mich heute morgen ziemlich geärgert habe, als ich ein altes Zeit-Magazin gelesen habe und darin eine Kolumne gefunden habe, in der es darum geht, dass ein amerikanischer Star, den wir alle kennen, jetzt eine ihrer befruchteten Eizellen von einer anderen Frau austragen lässt. In dieser Kolumne fand der Autor das überhaupt nicht gut. Da war vom Schicksal die Rede und von der Frage, warum so viele Frauen (und eben auch diese) scheinbar keine Adoption wollen, sondern sich unbedingt reproduzieren müssen. Der Star wurde als eins von vielen Beispielen dafür genommen, dass heute künstlich befruchtet oder von Leihmüttern ausgetragen wird - und als ein weiteres Beispiel für den Versuch, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen und "zu kaufen", was sich nicht von selbst einstellt. Dann wurde noch düster geunkt, wer sich so über das Schicksal hinwegsetze, der müsste eben dann auch damit rechnen, dass "alles Unglück, das man bei der Jagd nach dem Glück erzeugt, auf einen selbst zurückfällt". Buh!

Ich hab mich deshalb aufgeregt, weil hier scheinbar jemand nicht weiß, dass es gar nicht so leicht ist, ein Baby zu adoptieren. Vor allem nicht in dem Alter, in dem die meisten von uns überhaupt merken, dass sie von alleine nicht schwanger werden. Als wäre die Frage "adoptiertes Kind oder eigenes" eine reine Geschmacks- oder eine Charakterfrage, als würde man aus Snobismus oder Eitelkeit eine Adoption ausschließen und wäre sich zu fein dafür.

Ich habe mich noch aus ganz vielen anderen Gründen über den Artikel geärgert, aber die will ich hier gar nicht so im Detail ausbreiten, und zwar genau deshalb, weil ich im Moment immer noch wütend bin und hier nicht irgend etwas rausrotzen will, das mir morgen leid täte. Aber ich finde, dass es immer ein bisschen lahm und billig ist, wenn man anderen erzählt, sie hätten ihr Schicksal als Schicksal zu akzeptieren, und wenn man ihre Versuche, etwas daran zu ändern, entwertet und abkanzelt. Und sich dann auch noch eine so dankbare Zielscheibe für seine Spöttelei sucht - mal ehrlich, das hätte ich der Zeit und auch ihrem Magazin nicht zugetraut, dass sie ausgerechnet auf diese Frau schießt: Karrierefrau über 40, laut Presse Eheprobleme, Ruf einer harten Geschäftsfrau - ätsch, und nun kann sie kein eigenes Kind bekommen. ("ätsch" stand da nicht, aber "ätsch" denken sich mit Sicherheit viele, die das lesen, und das weiß der Autor auch genau, schlau wie er sonst ist.). Und dann haftet dieser Kritik an Leihmutterschaft und In Vitro auch noch so etwas Altväterliches an - oder sehe nur ich das so? "Dieser neumodische Kram, halten die sich denn alle für den lieben Herrgott?" Es gab auch mal Zeiten, da hat eine Blinddarmentzündung den Tod bedeutet, und irgendwo saß bestimmt auch mal jemand, wackelte mit dem Kopf und sagte "Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ob das mit diesen Blinddarmoperationen nicht dem Schicksal ins Handwerk pfuscht". Ich bin froh, dass das heute nicht mehr so ist, und ich bin froh, dass ich trotz allem vielleicht doch noch ein Kind bekommen kann.

Was ich gerade brauchen kann, ist jede Menge Normalität, meine Freunde, gute Ärzte, diesen Blog hier und viel Glück. (Glück ist ein gutes Stichwort. Vielleicht würde der Gedanke den Autor ja ein bisschen trösten, dass auch heute noch Glück dazugehört, und zwar leider eine ganze Menge davon.) Was ich definitiv nicht brauche, sind Männer über 50, die von Schicksal reden.

Freitag, 29. Mai 2009

Synarela: der schonungslose Tatsachenbericht

Ich sag mal so: wer jemals beim Fensterputzen im falschen Moment zu tief durch die Nase eingeatmet hat, den kann Synarela nicht mehr schocken. Um acht gab es einen Schuss in jedes Nasenloch, und jetzt liegt ein Sidolin-Schleier über meiner Welt. Letztes Mal war ich nach dem ersten Schuss stundenlang benommen, aber diesmal irgendwie nicht, was den Verdacht nahelegt, dass ich mir das wohl eingebildet habe nach dem Motto „Hilfe, Hormonhammer!“ Aber niesen muss ich, und wie, und kann nicht, und ich starre schon in die Sonne und alles, aber es hilft nichts.

Gut. Ich habe also bisher nichts über Stimmungsschwankungen, plötzliche Gewichtszunahme, Hautirritationen oder Wahrnehmungsverschiebungen zu berichten. Wer irre Trips will, muss schon zum Discodealer seines Vertrauens gehen! Aber wieder mal stehe ich vor einem kleinen Problem: Das Spray soll ich mir möglichst exakt alle 12 Stunden setzen. Das heißt, entweder stehe ich in den nächsten Wochen auch an Tagen, an denen ich schlafen kann, um acht kurz auf, oder ich verlagere die Sprayzeit allmählich nach hinten und trage das Fläschchen dann ständig mit mir rum, damit ich mir um elf meine Dosis verpassen kann. Das Fläschchen soll aber „stets aufrecht“ transportiert werden. Ja, was denken die sich eigentlich?
Schließlich bin ich ab Montag eine freie Frau und will doch auch was vom Leben haben! Die ganze wilde Nummer mit ausschlafen und meine Handtasche durch die Gegend schwingen, jedenfalls nicht mit einem aufrechten Plastikfläschchen auf der Handfläche durch die Welt balancieren!

Pipi-Probleme, denkt ihr? Da habt ihr wohl Recht.

Donnerstag, 28. Mai 2009

Synarela, here we come

Das Rezept habe ich seit zwei Wochen in der Tasche, und gerade habe ich es eingelöst. Zwei kleine Schächtelchen hat mir meine Apothekerin (ja, genau die, die beim letzten Mal Sorge hatte, ich wäre zu schlank, um mir Spritzen ins Bauchfett zu jagen – das Goldstück!) über den Tresen gereicht und wollte schon anfangen, mir zu erklären, wie es geht, aber ich konnte lässig abwinken und sagen: kenn ich schon, weiß ich doch alles. Auch die 160 Euro, die die beiden Fläschchen kosten, haben mir noch nicht mal ein Zucken entlocken können, routiniert hab ich meine Karte rüber geschoben und keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, wie viel 160 Euro z.B. in Abendessen, Make-Up oder CDs wären. Was sind Abendessen, Make-Up oder CDs gegen glockenhelles Kinderlachen?

Damit sind wir also wieder auf der Schiene. Die nächsten Einträge handeln wieder mehr von meinen Eiern und weniger von irgendwelchem Firlefanz ohne In Vitro-Bezug, versprochen. Mal sehen, wie viel ich dem Thema abquetschen kann, wenn die Tage vergehen und ich mich erst auf die Spritzen, dann auf die große Spritze und dann auf die OP zu bewege. Denn eine OP wird es wieder geben, letztes Mal wurden zwar elf Eier entnommen, von denen dann aber nur vier angingen, und von den vieren waren zwei leider nicht fit genug, um das Einfrieren und Auftauen zu überstehen. Die zwei anderen haben wacker zehn Tage ausgehalten und sicher tüchtig gekämpft, aber am Ende doch leider nicht das Rennen gemacht.

Heute Abend werde ich mir mein Fläschchen schon mal neben die Zahnbürste stellen, damit ich morgen im (leider immer noch) Zeitverschiebungs-Tran nicht vergesse, mir die zwei Schüsschen in die Nase zu jagen, bevor ich den Gang zum letzten Arbeitstag antrete. Dann muss ich noch dran denken, das alte Fläschchen vom letzten Mal zu entsorgen, denn das ist leider jetzt hinüber und nicht mehr zu gebrauchen, wie die Apothekerin mir erklärt hat. (Ich hatte ja mal überlegt, diese ganzen Medikamente – wer weiß, wie viele es noch werden? – aufzuheben und z.B. wie Damien Hirst in Kunstharz zu gießen, damit meine Kinder die eines Tages anstarren können und denken: das hat Mami alles für uns gemacht, und wir essen noch nicht mal unseren Spinat und treten uns nie die Schuhe ab! Aber so geht das natürlich nicht, niemand muss entsetzt sein, ich weiß ja schon, dass man so vielleicht exzentrische Independent-Regisseure großzieht, aber keine fröhlichen glücklichen Kinder, die jedem erzählen, dass Mutti die Beste ist.)

Wie zum zweiten Mal zuhause ausziehen

Vorletzter Arbeitstag. Und weil das nicht zum ersten Mal mein letzter Arbeitstag ist, weiß ich, dass das morgen alles viel zu schnell gehen wird, um irgend was zu kapieren. Ich werde den ganzen Tag rumlaufen und Leuten um den Hals fallen und fieberhaft meinen Kram vom Rechner brennen, und dann muss ich pinke Getränke trinken und Blödsinn reden und meinen Schlüssel abgeben, ach je. Deshalb ist wohl heute der bessere Tag, um sich noch mal zu überlegen, wie das eigentlich alles war und was genau ich da aufgegeben habe.

Ich werde bestimmt eine Menge Dinge kein bisschen vermissen.

Zum Beispiel den einen oder anderen Kunden und die dazugehörigen Jobs, die mich viele Stunden und Tage und Monate mit Aufgaben zugeballert haben, die so gar nicht das sind, was ich machen will. Zäher und undankbarer Kram, anstrengend und meistens dann doch für die Tonne, weil plötzlich doch alles wieder anders war.
Ich werde auch nicht dieses unnachahmliche 80er-Flair vermissen, das über diesen Räumen hängt. Nichts ist oller als „klassische“ Modernität von vor zwanzig Jahren. Klassisch. Genau. Übersetzbar mit langweilig, ein bisschen verklemmt und vollkommen freudlos. (Und ja, ich rede von Möbeln.)
Ich werde auch nicht vermissen, mit sechs Wochen Urlaub im Jahr auszukommen und zu wissen, dass auf jeden Sonntag unweigerlich ein Montag folgt und auf den ein Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag, und das mit den Jahren die Samstage irgendwann zu dem Tag vor dem Tag vor Montag werden, und die Urlaube zu der Woche, bevor es wieder losgeht, und jede Woche genau zu wissen, was einen erwartet. Jedenfalls so in etwa.

„Also, du kommst rein, und dann?“
Dann grüßt das Murmeltier.

Ich werde den Capuccino nicht vermissen, bei dem man sich jeden Tag überraschen lassen kann: Schmeckt er heute nach Ruß, nach Schmieröl, nach Nagellackentferner oder nach angebrannter saurer Milch? (Ein bisschen wie diese Sirupe bei Starbucks, nur dann doch wieder anders. So ganz anders sogar.)

Ich werde aber auch schrecklich viel vermissen. (Nein, ich bin nicht am frühen Morgen schon betrunken!)

Ich werde vermissen, Teil einer Firma zu sein, auf die ich immer noch ein bisschen stolz bin. Und ich werde viele Leute vermissen, jeden auf seine Art. Wer jetzt sagt: ach, was soll’s, die, auf die es ankommt, kann man ja immer noch treffen – erstens ist das im wirklichen Leben Blödsinn, denn es passiert viel seltener, als ich mir heute gerne einreden würde, und es wäre zweitens nicht das Gleiche. (Die chicen und klassischen Möbel würden fehlen, unter anderem.)
Ich werde vermissen, dass ich jeden Monat genau weiß: noch drei Tage, und dann liegt ein schöner Batzen Geld auf dem Konto.
Ich werde vermissen, dass ich bei Migräne in den meisten Fällen meinen Arbeitstag im Bett und überm Klo verbringen kann, und nicht am Schreibtisch und überm Firmenklo hängen muss.
Ich werde die unsagbar peinlichen und sehr schönen Firmenpartys vermissen.
Und mein Büro, meine email-Adresse, meine Visitenkarten, meinen Rechner, meine Jungs und meine Mädchen, denen ich was beibringen kann.
Die Präsentationen werden mir fehlen. Immer dieses zusammenstehen und frieren und rauchen vorm Flughafen im Abgasqualm der Taxis. Und die Geschichten, die man hinterher erzählen kann.
Diese ganzen Hasen hier im schlimmsten Stress und im schlimmsten Suff zu erleben, sie mit Augenringen am Montag hier anlaufen zu sehen, mitzukriegen, wie sie sich mit noch nicht mal 30 fast einen Herzfehler holen und zu denken: das geht nicht mehr lange gut, und dann zu sehen: die müssen nur eine Mittagspause in der Sonne haben, dann ist es wieder gut. Die alle zu kennen und zu wissen: denen kann am Ende nichts passieren, egal was passiert.
Ach je. Das ist alles nicht so leicht. Aber nächste Woche habe ich vermutlich schon die Hälfte von all dem vergessen. Wie gesagt, vermutlich.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Läuft

Heute war Tag der Abrechnung. Ich will mich ja nicht selbst loben, aber ich bin keine Frau der leeren Worte. Was ich mir vornehme, ziehe ich durch. Wenn ich sage: bis zum nächsten Zyklus verschwindet die Kugel vorm Bauch, dann fackel ich nicht lange, sondern sorge dafür, dass die Kugel verdammt noch mal verschwindet. Zack-Zack!
Und spätestes seit heute morgen auf der Waage weiß ich: mit eiserner Disziplin kann man alles erreichen. Wenn man nur will!
Ich sage nur: 300 Gramm. Nicht zehn, nicht zwanzig, nicht fünfzig, nicht hundert und nicht zweihundert Gramm. Sondern dreihundert. 300! Um euch vor Augen zu führen, wie viel 300 Gramm sind, habe ich gerade ausgerechnet: Wenn man sich 300 Gramm Schnupfenbazillen vorstellt, von denen eine immer auf den Schultern der anderen steht, dann würden diese Bazillen von hier bis zum Mond reichen. Ganz bestimmt sogar.

Na? Was sagt ihr jetzt?
300 Gramm, einfach weg. Als wären sie nie da gewesen. Ich gucke in den Spiegel und sehe einen ganz neuen Menschen. Fast muss man sich Sorgen machen, dass das zu schnell geht. Denn wir wissen ja: wenn die Pfunde zu schnell purzeln (so sagt man doch, oder?), dann leidet nicht nur die Laune, sondern auch die Gesundheit. 300 Gramm in vier Wochen – hart an der Grenze, ich weiß. Aber trotzdem bin ich auch stolz auf das, was ich erreicht habe.
Und ich weiß: was ich kann, könnt ihr auch!

Na gut. Ich war genau zwei mal laufen, ich habe alles gegessen, was mir in die Finger kam, ich habe gerade eine Woche im Fast-Food-Wunderland hinter mir, und ich muss die kostbaren Tage nutzen, in denen Wein erlaubt ist. Einerseits standen die Zeichen also sogar auf Zunehmen statt auf Abnehmen, und wenn man bedenkt, dass ich nach den ewigen Figurnaturgesetzen drei Kilo hätte zulegen müssen, habe ich sogar eigentlich 3.300 Gramm abgenommen. Das hört sich doch schon anders an! 3.300 Gramm in gestapelten Schnupfenbazillen, das kann sich ja kein Mensch vorstellen! Ein unvorstellbar gewaltiges Gewicht!

3.300 Gramm. Nicht übel, überhaupt nicht übel! Sag ich doch: was ich will, das schaffe ich. (Da soll noch eine sagen, ich will nicht genug. Na, Kommentarschwester, was sagst du jetzt?)

Dienstag, 26. Mai 2009

Was wichtig war

Ach ja, und dann war da ja noch New York. Aber ich kann doch auch nicht mehr. Alles so anstrengend hier. Kunden und Jobs und Kunden und Jobs, es ist ein Elend. Eigentlich bin ich sogar zu gar nichts mehr fähig außer dazu, gleich meine Bude hier dicht zu machen, in einen Bus zu steigen und nach Hause zu fahren und zu schlafen, dass es nur so kracht.

Aber vielleicht kann ich ja in den nächsten Tagen peu à peu abarbeiten, was sonst noch wichtig war.

Die Amato-Oper muss natürlich zuerst dran kommen.
Die Amato-Oper ist jetzt 61 Jahre alt, und 62 wird sie leider nicht mehr. Wer noch eine Vorstellung erleben will, muss sich jetzt ein Ticket nach New York kaufen, hingehen und hoffen, dass irgendwer den Verstand verliert und seine Karte zurückgibt. Die Amato-Oper ist das Lebensprojekt von Tony Amato und seiner Frau Sally, die mit Anfang 20 nach New York kamen und den Traum hatten, eine eigene Oper zu bauen. Eine Oper, in der jeder für wenig oder gar kein Geld die Oper liebgewinnen kann. In der Amato-Oper gab es früher keine Eintrittspreise (heute schon, aber selten hab ich Geld so sinnvoll angelegt), und auch die Sänger wurden bis vor zwei Jahren angeblich nicht bezahlt. Manche Sänger waren richtig gut oder wurden sogar Stars, sie hatten hier ihre ersten Bühnenauftritte oder waren schon vorher groß, wollten aber so eine feine Sache mit ihrer Stimme unterstützen. Manche Sänger waren auch einfach nur irgendwer, der denkt, dass er singen kann. Und manche Sänger waren wohl auch nur mit jemandem befreundet, der denkt, dass sein Cousin singen kann. Es ist ein Riesenspaß. Die Oper ist ungefähr so groß wie mein alter Chemiesaal in der Schule, in unsere alte Schulaula würde sie dreimal passen. Die Bühne ist ein bisschen größer als ein Bushäuschen, das Orchester sitzt darunter in einem winzigen Loch, aus dem Orchestergraben steht nur ab und zu der Dirigent auf wie Kai aus der Kiste, und man sieht ein paar weiße Haarbüschel von Tony Amato, der jede Vorstellung persönlich als Souffleur und Anheizer begleitet. Er kennt die Texte von vierstündigen Opern auswendig und hilft gerne, wo er kann, er winkt wie ein Fluglotse, wenn jemand nicht da steht, wo er soll, und er fängt an zu klatschen, wenn er wünscht, dass geklatscht wird. Wir haben den Figaro gesehen. Auf der Bühne standen hübsche junge Chormädchen ohne Stimme, alte pferdegesichtige Chormädchen mit Bombenstimme, eine Art singender Pizzabäcker mit dickem Gesicht und Leberfleck, der sich bewegte wie der Held in dieser Oper, die sich Robert de Niro als junger Mann im Paten ansieht, es gab zum Heulen schöne Musik und Blumen und Luftballons und Luftschlangen, und weil wir Karten in der ersten Reihe hatten, liefen alle ständig um uns herum. Es war, als hätten wir uns zwei Campingstühle auf eine Opernbühne gestellt. So schön! Ich hätte nach vorne greifen und Tony Amato an den Haaren ziehen können, aber das macht man natürlich nicht bei einem über 80jährigen Wohltäter. Vor ein paar Jahren ist seine Frau Sally gestorben, und nun kann er nicht mehr und hat außerdem etwas Besseres zu tun: er will nach zehntausenden von ausverkauften (bzw. ausverschenkten) Vorstellungen seine Memoiren schreiben, und die will ich sehr gerne lesen, wenn sie fertig sind.
Falls das übrigens jemand tatsächlich tun will – also bis zur letzten Vorstellung am 31.Mai noch da hin – die Amato Opera ist in der Bowery, zwei Häuser neben dem ehemaligen CBGBs (heute ein teurer Klamottenladen mit Klimaanlage, in dem die Ramones nur noch eine Deko-Idee sind). Und das passt sehr gut, diese kleine Desperado-Oper neben dem größten aller Punk-Clubs. Was wohl aus der Amato-Oper wird? Bitte kein Starbucks.

Das Unterbewusstsein ist eine blöde Kuh

Es gab immer eine Standard-Szene bei der Modelshow, die mich wahnsinnig gemacht hat: die Stelle, an der das arme Mädchen vor der Jury steht und gesagt bekommt, dass die Jury das Gefühl hat, sie WILL das einfach nicht genug. Also irgendwie. Unbewusst halt. Dass da irgendwie... also irgendwie etwas mit ihrer Einstellung nicht stimmt. Klar, sie ist hübsch und hat eine tolle Figur und ganz viel Ausstrahlung und ist SUPERfotogen und alles, aber irgendwie... irgendwie nimmt man ihr nicht ab, dass sie das wirklich will.
An dieser Stelle fließen dann manchmal Tränen. (manchmal rollen die Mädchen auch die Augen oder keifen hinterher in der Garderobe trotzig rum, aber das sind dann die Mädchen, die es sowieso nicht mehr lange machen.) Aber die Tränen sind nicht schlimm, die Tränen sind gut, denn die Tränen zeigen: das Mädchen will nämlich DOCH, und die Jury hat ihr gerade auf den richtigen Weg geholfen. Dann muss das Mädchen manchmal noch sagen, dass sie an sich glaubt, dann muss sie das noch mal lauter sagen und noch mal, „wir können dich nicht hören“, und am Ende sind die Tränen getrocknet und nun kann doch noch alles gut werden.
Ich weiß nicht, was ihr tätet, aber ich wäre ganz sicher eine von denen, die die Augen rollen. Und deshalb ist es bestimmt gut und richtig, dass ich keine Kandidatin in einer Modelshow bin, sondern einen anderen Beruf habe (wenn auch nur noch vier Tage, hihi) und so schnell niemand zu beurteilen hat, ob ich meine Ziele auch doll genug erreichen will, ganz tief drinnen.

Dachte ich. Denn jetzt habe ich innerhalb weniger Tage erst gehört, dass ich das mit dem Baby vielleicht einfach zu doll will (dann kann es ja nichts werden!) und dann wieder, dass ich das mit dem Baby einfach nicht doll genug will (dann kann das ja nichts werden!). Ich bin nicht die erste, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzen muss (muss ich?), in den Blogs und Foren geht es oft darum, dass man sich entspannen/konzentrieren/befreien/darauf einschwingen/innerlich reinigen oder sonstwas muss, um auch nur die geringste Chance auf eine erfolgreiche In Vitro-Befruchtung zu haben.

Mich macht das sauer. Ja, kann ja sein, dass inzwischen längst erwiesen ist, wie viel die richtige Einstellung zur erfolgreichen Therapie beiträgt – aber wieso wird das immer dann plötzlich so unfassbar wichtig, wenn es um Frauen und ihre Krankheiten geht? Wenn ich mir das Bein breche, dann muss ein Arzt das vernünftig richten, ich muss mich eine Weile lang schonen und vermutlich auch genug Calcium essen oder irgendwas, und dann wird das wieder gut. Ich muss nicht den Gedanken loslassen, dass meine Knochen funktionieren müssen, ich muss mich nicht damit trösten, dass ich zwar gerade nicht so toll laufen kann, aber dafür sehr schön singen, und vor allem fragt sich niemand, ob ich das denn auch wirklich WILL, dass mein Schienbein wieder zusammenwächst. Oder ob ich das zu doll will und damit meine Knochen blockiere. Das hier sollte mehr Medizin sein und weniger Selbst-Hypnose. Geht das bitte?

Ach je. Vielleicht sehe ich mich und meinen Unterleib ja zu kalt und mechanistisch. („Und genau an dieser Sichtweise liegt es, dass du...“ Danke.) Aber ich fände es schön und erfrischend, wenn mir jemand sagen würde: nimm deine Medikamente pünktlich und wie angeordnet, iss weniger von den Sachen auf der roten Liste und mehr von denen auf der grünen Liste, schlaf tüchtig, und nach drei Runden klappt es, wirst schon sehen.

Drüben im Nachbarbüro niest eine Kollegin sich die Lunge aus dem Leib, sie hat Heuschnupfen. Tja. So geht es eben, wenn man es einfach nicht schafft, auch unterbewusst die Natur zu umarmen und nicht nur zu denken, sondern auch zu fühlen: Haselnüsse, Birken und Gräser, das sind alles Freunde, keine Feinde. Grrrrrrrr.

Montag, 25. Mai 2009

Please hold the line

So wenig Zeit und so viel zu erzählen! Ich fürchte leider, das muss alles warten, bis ich morgen hundemüde an meinem Schreibtisch sitze. In den letzten Tagen waren wir in einer winzigen und unfassbar rührenden Oper, die es bald leider nicht mehr geben wird, wir haben in Brooklyn die lässigsten Kellner der Welt erlebt, wir haben uns im Tenement Museum angeguckt, wie das vor hundert Jahren war mit den Tellerwäschern und den Millionären, ich hab mir ein wii-Fitness-Programm mit einer Amerikanerin gekauft, deren größtes Vorbild G.I.Jane zu sein scheint (wie ich mich drauf freue, dass sie mich durch einen Autoreifen-Parcours jagt! Was wir für einen Spaß haben werden!), wir waren im Village und im anderen Village und im CBGBs-Gedenk-Klamottenladen, wir haben uns den besten Burger der Welt und den schlechtesten Burger der Welt geteilt, wir haben uns weiter die Hacken abgelaufen und festgestellt, dass die Pudel und Dackel heute Manhattan unter sich aufteilen und Möpse so gut wie abgemeldet sind, wir haben weiterhin keinen Promi gesehen (worüber ich überhaupt nicht böse bin) und haben gerade unsere Koffer gepackt - ich kann es nicht fassen, dass wir schon wieder fliegen, dieser Redeschwall hier entspricht so ungefähr der Erlebnisdichte, und deshalb kommt es mir vor, als wären wir schon vier Wochen hier, und wieso denn jetzt schon wieder nach Hause?

Um in Ruhe aufzuschreiben, was da sonst noch alles war, um in den letzten Paar Jobtagen noch die Zeit danach zu organisieren, um in deiner Wohnung in deinem Bett zu schlafen und in deiner ungechlorten Dusche zu duschen, um diesen Ausschlag wieder loszuwerden, den du hier vermutlich dem Wasser oder dem vielen Süßstoff im Essen zu verdanken hast, um dir was zu essen zu kochen, das keinen orangefarbenen Käse enthält, und vor allem, um mal fünf Minuten einfach nur ein und auszuatmen und dich zu beruhigen. Das ist doch auch was, oder?

Samstag, 23. Mai 2009

Wunsch ist Wunsch

Gerade habe ich einen Kommentar bekommen, den ich gelesen und sofort gelöscht habe. Das tut mir jetzt leid, ich hätte ihn doch gerne aufgehoben - meinen ersten Kommentar, der mich nicht glücklich gemacht hat. Sinngemäß stand da, dass es ja gut und schön ist, zu versuchen, In Vitro mit Humor zu nehmen, aber dass das Geheimnis dahinter bei mir wäre, dass ich mir eben nicht so richtig doll ein Kind wünschen würde - ein bisschen halbherziger als andere, wie zum Beispiel die kommentierende Frau. Sie hat das noch nicht mal unfreundlich geschrieben, sondern es war einfach ihre Interpretation von dem, was ich hier tue. Ich kann dazu nur sagen: doch, ich wünsche mir ein Kind, und zwar sogar sehr. Ich sehe, wie L. ein Kind angrinst und wünsche mir nichts mehr, als dass er irgendwann mal selbst Vater ist und Sonntags mit den kleinen Würstchen zum Fußball geht. Er würde das toll machen. Ich sehe meine alten Kinderbücher und stelle mir vor, wie schön das wäre, sie jemandem vorzulesen. Ich suche Sonntags meine Muskatreibe, finde stattdessen meine Ausstecher und stelle mir vor, dass ich irgendwann mit meinen Kindern Weihnachtskekse backe. Ich stelle mir überhaupt hundert andere Sachen vor, die mit Kinderpflastern auf Knien und mit Badeenten und mit Fäustlingen und Gummistiefeln zu tun haben. Ich muss das nicht näher ausführen, oder? Solche Sachen stellt sich hier wohl jede vor. Ich hätte sowieso nicht gedacht, dass ich das mal hierher schreibe, weil jemand anzweifelt, dass ich das alles auch gerne hätte. Und wenn ich die Zeit, bis es hoffentlich so weit ist, nicht mit Händeringen, Heulen und damit verbringen will, Frauen mit Kinderwagen giftig anzustarren, dann kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, was daran falsch sein soll oder ein Signal dafür ist, dass es mir nicht so ernst ist mit meinem Wunsch. Verflixt noch mal, wie kommt jemand auf so eine Idee? Da kann ich nur den Kopf schütteln. Und vielleicht probehalber ein bisschen die Hände ringen. Also wirklich.

Erst kein richtiger Hai, und jetzt auch noch kein richtiger Kater

So wenig war noch nie los an einem Tag in New York: gestern habe ich tatsächlich nicht mehr geschafft, als zu frühstücken, eine Stunde bei Barnes&Noble die Kochbücher zu streicheln, mir bei Saks einen Lippenstift zu kaufen (der sowieso demnächst fällig wäre, also keine Verschwendung, sondern vernünftige Vorratshaltung... genau. Glaubt mir kein Wort. Ich wollte nur unbedingt einmal schnicksig da durchlaufen und dachte, eine hauseigene Tüte am Arm würde mich dabei etwas seriöser aussehen lassen. Hat aber funktioniert, ich hab mich tatsächlich als vollwertige Kundin in einem Laden gefühlt, in dem für mich vermutlich sogar die Socken zu teuer wären.)
Und dann war es auch schon Zeit für das Treffen mit L.s Freundin. Und es zeigte sich: aus alter Gewohnheit ist meine Phantasie mit durchgegangen, die Freundin arbeitet zwar in der Wall Street, ist aber alles andere als ein Berufshaifisch, sondern nur eben da angestellt. Und irgendwie kam es dazu (und ihr müsst mir glauben, diesmal war ich nicht die treibende Kraft!), dass wir zu dritt erst eine Flasche Wein getrunken haben, dann noch eine und dann noch eine. Und ich war schon nach der ersten nicht mehr ganz bei mir, tagsüber Alkohol kann ich nicht so. Trotzdem standen wie durch Zauberhand immer wieder neue appetitlich beschlagene Gläser vor uns, und das Ende vom Lied war, dass ich wieder mal sehr, sehr sentimental wurde, die ganze in vitro-Geschichte mit ihr diskutiert habe und ihr vermutlich eine ziemliche Frikadelle ans Ohr geredet habe. Was sie aber ganz zauberhaft und freundlich aufgenommen hat. Hähämm. Und dann waren wir zu nichts anderem mehr imstande, als ins Hotel zu schwanken und einzuschlafen. Ich hab mich noch nicht mal mehr abgeschminkt, und das schaffe ich sonst immer. Immer! Um elf sind wir wieder aufgewacht, L. hat sich geopfert und uns an der Ecke noch etwas zu essen geholt (das hier ist zum Glück nicht nur die Stadt, die niemals schläft, sondern auch die Stadt, die immer kocht), das haben wir dann im Halbschlaf in uns reingestopft, und dann war dieser Tag auch schon zu Ende. Phiu. Angesichts dessen, dass wir den Wein sehr fair unter uns aufgeteilt haben, mache ich mir ein bisschen Sorgen, wie die Freundin den restlichen Tag überstanden hat. Die hatte nämlich noch eine einstündige Fahrt mit der Fähre nach New Jersey vor sich, wo sie von ihren beiden sicherlich extrem munteren und lebhaften Kindern erwartet wurde. Sind die beiden schon an der Haustür auf und ab gehüpft? Haben sie dabei laut "Mami, Mami" gerufen? Wollten sie, dass sie sofort mit ihnen ins Kinderzimmer kommt und mit ihnen ein lautes und extrem schnelles Computerspiel spielt? Oder wollten sie lieber, dass sie sich sofort in die Küche stellt und ihnen ihr Lieblingsessen kocht? Ach, Kinderlosigkeit hat manchmal schon auch Vorteile. Nach Hause kommen, um fünf schlafen gehen und sich mit nichts anderem herumschlagen als der eigenen Ausnüchterung und der Sorge, gerade etwas Spannendes zu verpassen.

Freitag, 22. Mai 2009

Warum hat Hamburg keine hundertjährige Holzachterbahn?

Nach einer verschwitzten Nacht gab es heute morgen kein Wasser im Hotel, Menschen im Bademantel begegneten sich auf der Hintertreppe und bekamen rote Köpfe (ist das endlich diese berühmte amerikanische Prüderie?). Jetzt ist aber alles wieder gut. Besser als gut! Heute sollte eigentlich der Tag sein, den wir auf den Hamptons verbringen (die feine Madame, drunter tut sie's nicht? Doch, drunter tut sie's auch.), aber jetzt ist L. mit einer alten Freundin verabredet, also ändern wir den Plan, ich mach mich schick und geh in das hoffentlich voll klimatisierte Museum of Natural History, um meinen Coney Island-Sonnenbrand zu schonen, dann das treffen mit der sehr netten, bodenständigen Freundin, die es trotzdem geschafft hat, sich einen dieser Haifisch-Wallstreet-Jobs zu angeln, dann ein Bümmelchen durch Greenwich und East Village und heute Abend Essen irgendwo an der Bedford Street in Brooklyn. Brooklyn war gestern unser Schicksal. Denn wie sich zeigte, waren da so viele Legenden meines Fernsehlebens abzuarbeiten. Wir hatten so viel zu tun! Wir mussten Corn Dogs und Hot Dogs bei Nathan's am Rummelplatz essen, wo jedes Jahr am Unabhängigkeitstag das große Hotdog-Wettessen stattfindet (meistens gewinnt ein sehr schmächtiger Japaner, vermutlich wieder so eine Disziplinsache), dann mussten wir mit dem Cyclon fahren und wurden dabei automatisch fotografiert (dieses Foto ist so sensationell scheiße geworden, ich spiele mit dem Gedanken, es hier einzustellen, das glaubt mir sonst kein Mensch - aber wenn ich es täte, könntet ihr mich nie wieder ernst nehmen, also lass ich es wohl doch), sind also knapp an einem grausamen, lächerlichen und unnötigen Ende vorbeigeschrammt, hatten dabei aber den Spaß des Jahrtausends (und ich kann einen weiteren Haken hinter meine Zwischen-den-Zyklen-To-Do-Liste machen, da stand nämlich auch Achterbahn fahren drauf), wir waren im komplett russischen Brighton Beach georgisch zu Mittag essen in einem Lokal, das der Deko nach abends zum Puff wird, wir haben in einem russischen Deli saure Gurken gekauft (die leider voller Haare waren), sind mit dem Q-Train gefahren neben einem christlich rappenden 150-Kilo-Bruder, sind wieder unendlich weit gelaufen (für Statistiker: von der Clark Street Ecke Henry bis zur U-Bahn in der Bedford), wir haben uns im Schatten der Brooklyn Bridge fast ein Eis gekauft und waren fast im River Café, wir haben uns durch verödete Industriegebiete geschleppt, sind über das orthodoxe Ende der Bedford Avenue gelaufen und haben koscheres Wasser und koschere Cranberry-Limonade getrunken, sind dabei von den vielen braven Mädchen mit den schwarzen Strumpfhosen und den Glockenröcken und den kleinen Jungs mit den Schläfenlocken ein bisschen angestarrt worden, haben uns aber nicht getraut zurückzustarren, haben Immobilienaushänge angesehen und uns letztlich nicht entscheiden können zwischen einem Loft im kommenden Viertel Dumbo und einem Stadthaus in Brooklyn Heights, sind mit dem L-Train zurück nach Manhattan gefahren, haben uns Sushi geholt und eine Flasche Weißwein von Francis Ford Coppolas Weingut (den ganzen Abend war ich der Meinung, wir trinken Wein von Martin Scorsese - das wäre irgendwie schräger gewesen), unsere Sonnenbrände und wunden Füße verhätschelt und sind, wie es sich für deutsche Touristen gehört, gegen elf in einen klaftertiefen Schlaf gefallen. Hapüh. Was gibt es sonst noch zu erzählen? Alle, die hier beim Fernsehen arbeiten, klingen wie Kent Brockman, der Fernsehmann bei den Simpsons. Die New Yorker Frauen sind (aber das ist ja nichts neues) alles andere als giftige Bitches, sondern sie sind unfassbar freundlich und sehr freigebig mit Komplimenten an wildfremde Touristinnen. Und ich freue mich sehr, dass ihr dran bleibt, obwohl ich immer noch weder schwanger noch vielleicht schwanger noch demnächst schwanger bin, sondern erstmal einfach nur hier.

Donnerstag, 21. Mai 2009

Voll Sorry, aber:

Liebe In Vitro-Frauen da draußen, es tut mir sehr leid, aber momentan ist leider in dieser Hinsicht nichts los hier. Nüschte. Wenn euch also mein Geschwärme von New York, meine joblichen Verwicklungen, mein Speiseplan und der ganze Rest meines normalen Lebens nicht so richtig interessieren, kann ich Euch nur um Entschuldigung bitten und auf die Zeit in einer Woche vertrösten, wenn der Synarela-Startschuss fällt und es ernsthaft losgeht. Aber ich habe im Moment leider nichts mit Kinderwunsch-Bezug zu schreiben. Es sei denn, ich quetsche mir aus der Tastatur, dass hier eine Menge Frauen unterwegs sind, die ihren Kinderwagen schieben und es scheinbar selbst noch nicht so richtig glauben können. Denen lächle ich im Vorbeilaufen zu, und sie grinsen zurück und gucken so, als wollten sie sagen "Verrückt, oder? Das ist doch irgendwie alles nicht wahr, ich meine, ICH hab ein Baby?". Während sie zuhause in Hamburg oft eine etwas breitere mütterliche Bugwelle haben, als wäre völlig klar für sie, dass sie sich selbst-ver-ständ-lich vermehren können, wäre ja gelacht! Oh, war das ihr Fuß unter meinem Zwillingskinderwagen? Hätten sie aber auch mal besser aufpassen können.

Aber sonst? Kann ich eigentlich nur schreiben, dass man manchmal auf den spießigen Reiseführer hören soll: das tollste an Staten Island ist die Fähre, die alle halbe Stunde völlig umsonst vom Battery Park aus da hinfährt, von dieser Fähre aus hat man nämlich eine großartige Aussicht auf die Freiheitsstatue und Ellis Island. Aber dann sollte man sich sofort anstellen für die Fahrt zurück, denn auf der Insel sieht es aus wie in einer hässlichen amerikanischen Kleinstadt, in der man irgendein Beruhigungsmittel ins Trinkwasser gemischt hat, die hängen und lungern da alle irgendwie rum. (Täte ich auch, wenn ich mein Leben auf Staten Island verbringen müsste.) Angeblich gibt es da irgendwo ein ganz tolles Restaurant für Cajun Cooking, aber bis dahin haben wir es nicht geschafft, die Insel hatte uns schon nach dreihundert Metern fast völlig narkotisiert, und mit letzter Kraft sind wir zurück auf die Fähre gestolpert.
Dann kann ich noch schreiben, dass ihr nicht alles glauben dürft, was euch bei Sex and the City erzählt wird (aber das wisst ihr, oder? Da muss nicht erst ich kommen?), dass es nämlich vollkommen ok ist, auch in den besten Gegenden von New York NICHT immer auf High Heels unterwegs zu sein. Weiterhin dürft ihr nächstes Mal die Augen verdrehen, wenn in einem Film mit New York-Bezug jemand ächzt und sagt "Ich bin zu Fuß gegangen, die ganzen 20 Blocks!" Wir haben es gerade ausgerechnet, und wir sind bisher in drei Tagen 450 Blocks zu Fuß gelaufen. So. Und nein, nicht alles auf High Heels.
Dann ist mir gestern noch etwas passiert, das mir im ganzen Leben tatsächlich noch nie passiert ist (aber dazu kommt man ja her, oder?): ich habe so viel gegessen, dass ich danach zwei Stunden lang den Mund zulassen musste, um nicht alles wieder auskotzen zu müssen. Wir waren bei Miss Mamie's in Harlem (und ja, wir waren zu Fuß da, von der 17. bis in die 110. Straße), und ich hatte Schweinerippchen, Rinderrippchen, Hühnchen, Fisch und Gambas und Süßkartoffeln und Maccaroni&Cheese und eine Art Grünkohl, nur besser, alles auf einem riesigen Teller, und das war alles viel zu gut um aufzuhören, und außerdem war es so eine Art Mutprobe, weil wir die einzigen Nicht-Harlemer in dem Laden waren und auf keinen Fall scheitern wollten, und so kam das. Uff. Ich hatte große Pläne, was das Essen hier betrifft, und ich kann sagen, bisher bin ich ihnen gerecht geworden. Aber wir sind nicht nur zum Essen hier (L. schon gleich gar nicht!), heute wird es knackeheiß, wir fahren nach Coney Island. Liebe Blog-lesenden Hasen, wenn ihr nie wieder was von mir hören solltet, dann liegt es daran, dass L. mit mir in der hundertjährigen Holz-Achterbahn fahren will, von der ihm schon sein Physiklehrer in der sechsten Klasse vorgeschwärmt hat. Na gut. Wenigstens sterben wir dann zusammen, Hand in Hand.

Dienstag, 19. Mai 2009

Es könnte entschieden schlechter laufen

Gestern Mittag sind wir in New York gelandet. Seitdem haben wir schon an einer sonnigen Straße unter Bäumen gesessen, dunkles Bier getrunken und Muscheln mit Fritten gegessen (es stimmt: wenn man hier Mayonnaise zu Fritten bestellt, dann tuscheln die Kellner und kichern. Auch, wenn ich das nicht für möglich gehalten hätte.), haben den ganzen langen Flug und die kurze Nacht davor innerhalb von drei Stunden wieder aus unserem System geratzt, waren auf einem Konzert in Brooklyn, haben uns mit dem L-Train verfahren, haben hinterher so geschlafen, als wäre es hier nicht sechs Stunden, sondern sechs Minuten früher als zuhause, und sind heute morgen mit unserem Kaffee über den Union Square geschlendert. Genau. Ich muss mich immer wieder erinnern, das ich das bin, die hier zwischen den gelben Taxis herumspaziert, als wäre nichts dabei. Und jetzt sitze ich auf der Treppe vor unserem Hotel in der Sonne, habe einen riesigen Cappucino neben mir und überlege, womit der Rest des Tages draufgehen soll: fahren wir mit der Circle Line? Gucken wir uns Brooklyn Heights an oder kriegt die Upper West Side eine zweite Chance, in der es letztes Mal so doof und wurschtegal aussah? Huch, und nun reitet eine Polizistin vorbei, die das gar nicht so besonders gut kann. Ich glaube, ihr tut der Hintern weh, aber genau weiß ich es natürlich nicht.

Hach, schrecklich, was für ein Schicksal. Macht sich ja niemand eine Vorstellung von, wie grauenvoll das Leben ist, wenn man gerade zwischen zwei In Vitro-Versuchen steckt. Diese Ungewissheit, diese Unerfülltheit, diese ewige Frage: warum ich? Was hab ich denn getan? Warum muss gerade ich so leiden?

Sonntag, 17. Mai 2009

Ein Eintrag, der am Bügelbrett beginnt und in Hollywood endet

Ca. 90 Minuten Bügeln liegen vor mir. Gut, ich bin auch nicht besonders schnell im Bügeln, andere würden sagen: 30 Minuten Bügeln liegen vor mir. Leider bin ich nicht nur eine langsame Büglerin, sondern ich bekomme auch extrem schlechte Laune davon. (Vergleichbar hausarbeitsbezogene schlechte Laune bekomme ich vom Bettenbeziehen, vom Weihnachtsbaumrausschmiss Mitte Januar und davon, wenn ich dreckiges Geschirr, das andere einfach in die Spüle gestellt haben, aus der inzwischen angesammelten trüben Sauce fischen und tropfend in die Spülmaschine stellen muss.)
Um mich vom Bügeln abzulenken und mich noch doller auf New York freuen zu können, werde ich dazu meine DVD von „Alle sagen I love you“ ansehen. Und aus diesem Anlass gibt es jetzt eine Liste von großartigen Filmen, die man sich auch im tiefsten In Vitro-Blues gefahrenlos ansehen kann.

1.Alle sagen I love you. Angeblich ist das der Woody Allen-Film für Leute, die Woody Allen-Filme hassen. Es wird gesungen (was ausnahmsweise schön, rührend und gut ist), und am Ende glaubt man sogar für fünf Minuten, dass Julia Roberts sich in Woody Allen verliebt (oder fände es jedenfalls schön, wenn es passieren würde).

2. Welcome to the dollhouse. Ein Film, in dem Eltern und Geschwister so dermaßen ätzend zu einem Unglückswurm von Teenie-Mädchen sind, dass man sofort unterschreiben würde, dass ein Familienleben sowieso eigentlich nichts erstrebenswertes ist.

3.Rushmore. Ein 16jähriger Junge droht, von seiner geliebten Schule zu fliegen, obwohl er die Bienenzucht-AG, den Schachclub und noch acht andere AGs mit dem Charme eines großen Feldherrn leitet. Dann verliebt er sich auch noch in seine Englischlehrerin und konkurriert gegen Bill Murray. Zu der Filmmusik würde ich gerne Skiurlaub machen. Und wenn ihr mit Rushmore durch seid, dann seht euch die Royal Tenenbaums an.

4.Der Exorzist. Guckt sie euch nur an, die Kleine! So kann's nämlich auch gehen!

5.Alle Filme mit geheimnisvollen und einsamen Helden. Batman, Indiana Jones, Sherlock Holmes (die alten schwarzweißen aus England), die Star Wars-Filme, V for Vendetta oder auch die Ringe-Trilogie, falls ihr nicht meine Allergie gegen romantisches Tin Whistle-Geflöte und über Generationen erfülltes Schicksal habt. Außerdem alle James Bond-Filme. Zur Definition des einsamen Helden gehört es, dass er wenig Gesellschaft hat, und Kinder zählen wohl als Gesellschaft.

6.Zum großen Teil deckungsgleich mit Nr.5, aber trotzdem: alles, was in die Kategorie „Jungsfilme“ fällt. Aus irgend einem Grund sehen sich Männer scheinbar nicht gerne Filme an, in denen Besuche beim Frauenarzt vorkommen. Deshalb sind wir in ihrem Revier ziemlich sicher. Für mich sind Jungsfilme: die Matrix, X-Men, alle Horrorfilme, der Pate, Goodfellas, die üblichen Verdächtigen, Ocean's Eleven, alles mit Bud Spencer und die Untouchables (gut, es gibt die Kinderwagen-Szene im Bahnhof und das kleine Mädchen am Anfang, aber ihr könnt euch währenddessen ja ein Getränk holen oder euch nebenan die Zehennägel frisch lackieren).

7.Stolz und Vorurteil in der BBC-Fassung. Rammdösige Teenies, ein dumpfes und hysterisches Muttertier, jede Menge Verwicklungen und Verwechslungen und Missverständnisse, Pferde und Kostüme und Landhäuser und eine Liebesgeschichte, in der es über Stunden und Stunden nur darum geht, ob sie sich kriegen und nicht darum, ob sie ein Baby kriegen.

8.Fast alle Filme aus den 40ern und 50ern. Zu dieser Zeit galt es wohl als schlechtes Benehmen, gynäkologische Themen in Unterhaltungsfilmen zu verbraten. Wird trotzdem mal jemand schwanger, dann gibt es auf diese Nachricht hin erst mal eine Runde Martinis. Außerdem eine sichere Bank: alle Filme, zu denen die Musik von Henry Mancini stammt (schmierige Ausnahme: Love Story. Aber es kann sowieso keine Lebenslage geben, in der dieser Film richtig wäre.)

Jetzt muss ich wohl leider wirklich mit dem Bügeln anfangen, Shampoo aus großen Flaschen in kleine Flaschen umfüllen, meinen Pass suchen und Koffer packen. Aber die Liste wird fortgesetzt.

Samstag, 16. Mai 2009

Vorfreude auf die Vorfreude

Jetzt, wo der Abschied näher rückt, werde ich sentimental. Und genau das wollte ich doch nicht! Auf einmal fällt mir bei jedem Kollegen ein, was ich an ihm mag, ich sehe sogar die üble Kaffeemaschine und die schäbig gewordenen Zeitschriftenständer, die Mikrowelle mit den Ravioli-Spritzern und den Schwarzweiß-Kopierer voller Wehmut an, dass wir uns jetzt bald trennen werden. Und zwar vermutlich für immer. Die Sentimentalität treibt mich dazu, mehr Bier zu trinken, als gut für mich ist, und dann am nächsten Tag fast einzugehen vor Scham, was für einen Unfug ich wieder mal geredet habe. Jedenfalls, falls ich mich korrekt an alles erinnere. Ein Glück hab ich noch vor Mitternacht nach Hause gefunden, das hätte übel enden können. Vielleicht fühle ich mich auch nur so blöde, weil ich verkatert bin. Scham als chemisches Abfallprodukt. Warum warum warum kann ich nicht einfach nur blöd tanzen oder zu viel essen wie andere, wenn sie zu viel trinken? Bei mir reichen schon zwei Bier, und ich werde plötzlich sehr, sehr zutraulich und nett und erzähle jedem, was für ein großartiger Mensch er für mich ist. Und angeben kann ich! Brrrrrrrr.

Morgen früh werde ich aufwachen, einen klaren Kopf haben, und dann werde ich mit Sicherheit wissen, wie toll das ist, dass die nächsten Wochen jetzt wieder mit einem festen Plan verbunden sind. Einem Plan, in dessen Verlauf ich nicht nur meine Befreiung aus der ollen Mühle feiern können werde und endlich den Urlaub mache, den ich schon im Dezember machen wollte, nur diesmal mit Sonne und Wärme und ohne Hunderttausende von Menschen im Weihnachts-Shopping-Rausch um mich herum, sondern ein Plan, den ich jetzt schon auf einem gelben Zettel habe. 29.5. (nicht 26., wie ich zuerst dachte) – Nasenspray, 10. Juni – Ultraschall und vermutlich Start der Spritzen, und so ca. 12 bis 14 Tage später die nächste Follikelpunktion. Das ist fast, als wäre der Stuhl jetzt schon mit Papier für mich ausgelegt und die Narkose jetzt schon für mich aufgezogen. Sehr gut. Wer hätte gedacht, dass man ausgerechnet mich mit einem Terminplan so glücklich machen kann?

Freitag, 15. Mai 2009

Der Plan

Gut. Angesichts dieses blitzsauberen Ultraschalls schwöre ich hiermit feierlich:
1. Ich will versuchen, mich nicht mehr wegen irgendwelcher Malaissen verrückt zu machen.
2. Ich will versuche, falls ich mich doch verrückt mache, das nicht gleich hier im Blog allen zu erzählen.
3. Ich will auch meine Freunde nicht hibbelig machen mit Sorgenemails und -Anrufen, sondern mir einfach vorstellen, ich hätte diese Email geschrieben und sie hätten geantwortet, Schatz, mach dir keine Gedanken, alles wird gut. So dass wir uns dieses kleine Sorgen- und Streichelschleifchen in Zukunft sparen und die dadurch freigewordene Zeit nutzen können, um uns z.B. einen Kaffee zu holen oder über etwas anderes zu sprechen.

Außerdem will ich angesichts des anstehenden Urlaubs versuchen,
1. Wenigstens ab und zu wie geplant in einem WLAN-Dings zu sitzen und etwas zu schreiben.
2. Diesen Urlaub nicht als „Ich und meine Eizellen in New York“ zu betrachten, sondern als „Ich und L. in New York“.

Gut. Damit ins Wochenende. An dem ich übrigens noch mal jede Menge zu tun haben werde, wie sich gerade spontan im Telefonat mit Kunden ergeben hat. Nicht nur ist dieses letzte Gehalt hart erkämpft, sondern auch dieser Urlaub. Um so schöner wird der Moment, in dem wir das Flugzeug besteigen und bitte jetzt alle elektronischen Geräte abschalten.

Es ist vorbei, bye bye Ultraschall

Die schlechte Nachricht ist: ich bin scheinbar doch hysterisch. Denn für all das Zwicken, Ziehen, Drücken, die kleinen Zwischenblutungen, die Krämpfe und so gab es keinen Grund, der auf dem Ultraschall zu sehen gewesen wäre. Schöner Mist. Ich hab mir immer eingebildet, ich wäre keine von denen mit Zipperlein. Von dieser Vorstellung kann ich mich wohl verabschieden.

Die gute Nachricht ist: ICH KANN FLIEGEN!
Und die andere gute Nachricht ist: AM 26.5. GEHT ES LOS MIT SYNARELA!

Das Rezept hab ich schon, den neuen gelben Therapieplan auch, am 10. Juni ist der nächste Arzttermin, und dann fangen auch die Spritzen wieder an. Ich hab den Therapieplan jetzt seit knapp 45 Minuten und hab ihn schon zehnmal angefasst. Ob ich ihn lieber in eine Plastikhülle stecke, damit heute Abend noch was von ihm übrig ist?

Was mich allerdings böse gefuchst hat, ist, dass die Sprechstundenhilfe mir vor zwei Wochen auf Nachfrage gesagt hatte, ich sollte die ganz normale einwöchige Pillenpause machen. Und ich tu ja, was die sagen. Nun fragte mich mein Arzt, während ich im Kabüffchen meine Hose auszog: „Sie nehmen ja derzeit die Pille, oder?“ Und war ziemlich von den Socken, dass ich gerade pausiere – „aber wieso das denn, dann bekommen sie doch Zysten?“

Das muss alles ein Missverständnis sein. Genau. Bestimmt hab ich mich verhört, war verwirrt oder zu übereifrig, als ich mit der Sprechstundenhilfe gesprochen hab. Oder? Fusselhirn, das ich bin, kann das die einzige Erklärung sein. Denn sonst würde das ja bedeuten... nein, da denke ich lieber nicht weiter drüber nach, denn spätestens seit diesem Termin heute ist die Klinik mein Freund und alle, die dort arbeiten, sind Engel. Alle!

Donnerstag, 14. Mai 2009

Zuckungen

Der Ultraschall hat gerade meine volle Kaffeetasse umgeworfen und über die Arbeit von zwei Stunden geschüttet. Also von vorne. Was für ein Riesenspaß. Andererseits: auf die Art kann ich mich jetzt hier so müdeschuften, dass ich diese Nacht schlafe wie ein Steinchen. Und bevor ich morgen auch nur beide Augen richtig auf habe, ist der Ultraschall Geschichte.
Jaaaha, schiel ruhig nach der Reset-Taste. Du machst mir keine Angst!

Mein Ultraschall und ich

Der anstehende Ultraschall und ich waren heute schon duschen, sind zur Arbeit gefahren, haben uns drei Capuccinos aus der verkeimten Büromaschine geholt, haben uns gefreut, dass wir das nun nicht mehr lange tun, sondern demnächst den köstlichen Capuccino der Freiheit kosten dürfen, haben zwei Broschüren geschrieben, hatten einen Banktermin wegen der anstehenden Selbständigkeit (schließlich wollen der Ultraschall und ich ja nicht, dass die Bank sich was Blödes denkt, wenn nächsten Monat mein sauer verdientes Gehalt aus diesem Laden nicht auf dem Konto erscheint), wir hatten heute schon zwei Meetings, haben uns was zu Essen geholt, haben zwei Emails an die Mädchen geschrieben, und nun nutzen wir das letzte Zipfelchen Mittagspause noch, um einen neuen Blogeintrag zu schreiben. Der Ultraschall war heute den ganzen Tag bei mir, und ich freue mich schon sehr darauf, wenn morgen so gegen 9 mein Ultraschalltermin überstanden ist und wir uns erst mal nicht wieder sehen. Die eine Minute denke ich, ich bilde mir dieses Rumoren nur ein, das wird mit Sicherheit alles blitzsauber sein da unten, so dass der nächste Zyklus (und vorher die Reise nach New York) genau wie geplant stattfinden können. Die nächste Minute denke ich, du redest dir das schön, denn obwohl du hoffst, mit diesem Gang zum Arzt deine Seelenruhe wiederzubekommen, weißt du doch genau, dass da was sein wird. Wäre ja auch nicht zum ersten Mal, oder? So oder so vergeht heute keine Minute ohne den Ultraschall.

Hilft ja nichts. Mal sehen, was mein Ultraschall und ich heute sonst noch so tun. Ich glaube, ich mach uns noch einen Kaffee. Oder lieber einen Beruhigungstee? Irgendwas mit einer Yoga-Übung auf der Packung? So oder so werde ich morgen gegen 9 dem Ultraschall einen kräftigen Tritt verpassen und hoffentlich so schnell keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden. Du weißt das, oder, Ultraschall? Deshalb klammerst du dich auch so fest. Du witterst das Ende meiner Besessenheit von dir. Das ist die nackte Panik, die da aus dir spricht.

Zwick mich kräftig in die Nierengegend, wenn du mich verstehst.

Aaargh!
Siehst du? Wusste ich doch.

Mittwoch, 13. Mai 2009

Kein Schwein

Als ich klein war, hatte ich Lego, jetzt hab ich diesen Blog. Etwas, womit man spielen, sich stundenlang beschäftigen, Sachen bauen und die Zeit rumkriegen kann, bis endlich Kinder zum Spielen vorbeikommen.

Das klingt jetzt gleich vielleicht ein bisschen zu doll so, als würde ich die letzten Tage als Durchbruch betrachten. Als würden sich gleich Zeitungen ins Bild drehen, mein Blogname überm Broadway aufgezogen werden oder sonstwas. Ich hab schon verstanden, dass hier bisher 600 Menschen waren, das zählt nicht unbedingt als Erdrutsch. Aber für mich fühlt es sich ein bisschen so an. Und zwar nicht, weil ich das alles gemacht habe, um groß rauszukommen oder so, sondern weil man sich als unfruchtbares Mädchen schnell ein bisschen wie jemand fühlt, der außerhalb von etwas steht. Und dass nun immerhin 600 Leute gerne hier vorbeilesen (oder immerhin vorbeilesen, ob gerne oder zufällig oder weil sie auf die Tastatur gefallen sind und dabei ausgerechnet die tasten e,i,e,r,t,a,n,z,b, usw. gedrückt haben) gibt mir das Gefühl, zwar vielleicht im Moment noch außerhalb von der Kombifahrer- und Doppelkinderwagen-Welt zu stehen, aber deshalb noch lange nicht alleine.

Ich werde bestimmt nicht die Zeit haben, immer auf jeden Kommentar zu antworten (ich hab einen Job, einen Mann, Freunde, und die Einträge müssen auch irgendwann geschrieben werden, auch wenn ein Schreibmaschinenkurs irgendwann vor ca. 20 Jahren mir da wirklich hilft, schneller zu sein), aber angesichts von bisher bombastischen drei Kommentaren, die mich alle sehr glücklich gemacht haben, will ich schon mal pauschal sagen: vielen Dank, ihr seid toll, wir schaffen das, und wenn wir es nicht schaffen, schaffen wir auch das.
Oder?
Bin aber auch wirklich sentimental gerade.

Perhaps, perhaps, perhaps

Gestern hat mich eine Freundin angerufen und gesagt, sie findet das gut, dass ich das alles so locker nehme, und ich soll bitte genau so entspannt bleiben. Vielen Dank, ich will es versuchen. Aber ich will nicht zu viel versprechen. Denn dass es mir im Moment so gut mit all dem geht, ist keine Garantie dafür, dass es morgen auch so sein wird oder in zwei Monaten oder einem Jahr. Ich versuche manchmal, mir auszumalen, wie ich das nehmen würde, wenn der nächste, übernächste und überübernächste Zyklus wieder nichts wird. Und die Antwort ist, ich hab keine Ahnung. Aber ich weiß auch, dass es garantiert nichts nützt, sich jetzt schon auszumalen, was für eine Katastrophe das wäre, dass mein Leben ohne Kinder sinnlos wäre etc. oder jetzt schon die Zähne zusammenzubeißen und sich feste vorzunehmen, alles mit einer Bombenhaltung durchzuziehen wie die Heldin in einem 40er Jahre-Film. Was wäre, wenn Katherine Hepburn an IVF scheitern würde? Siehst du, und genau so machen wir das auch, gell? Abgemacht!

Vor ein paar Jahren hatte ich mit den Mädchen mal so einen Abend mit viel Prosecco und unzähligen Kippen an der offenen Balkontür, an dem eine das Thema aufgebracht hat, was wir täten, wenn unser Freund uns betrügen würde. Würden wir ausrasten, ihn sofort rausschmeißen, könnten wir nie wieder auch nur im gleichen Raum mit ihm sein? Eins der Mädchen sagte, damit wäre für sie alles aus, und zwar sofort. Sie war sich da vollkommen sicher. Ich kann verstehen, dass man das so sieht, und ich glaube auch ganz sicher, dass sie das genau so tun würde, schon allein deshalb, weil sie es jetzt schon so sicher weiß. Vielleicht kennt sie sich auch einfach sehr gut. Aber ich tue mich schwer damit. Denn ich habe einfach keine Ahnung, was dann passieren würde. Wenn es blöd läuft, werde ich vielleicht eines Tages feststellen, dass ich noch nicht mal Fremdknutschen verzeihen kann, selbst, wenn ich es wollte. Vielleicht würde ich auch verstehen, dass jemand in einem schwachen Moment etwas macht, das ihm später sehr leid tut, und dass „es hat nichts zu bedeuten“ manchmal nicht nur eine Phrase ist. Vielleicht würde ich das auch beim ersten Mal noch verzeihen, und nach dem dritten Mal wäre es mir schon wurscht und der Ofen aus. Buh. Weg, blödes Gespenst, jetzt will ich nicht weiter über etwas nachdenken oder schreiben, was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, auch wenn es mir schon passiert ist, wenn auch nicht mit L., ein Glück. (L. war übrigens noch nirgenwo auch nur zu erahnen, als dieses Gespräch unter Mädchen stattfand.) Aber auch bei diesen Gelegenheiten, bei denen meine Exfreunde mich auf irgend eine Art betrogen haben, war es jedes Mal anders. Und es hätte mich in keiner dieser Situationen irgendwie weitergebracht oder klüger gemacht, wenn ich mir vorher einen Psycho-Schlachtplan zurechtgelegt hätte, den ich dann wie einen Plan zur Evakuierung einer Fähre durchgezogen hätte. Wenn es knallt, geh ohne dich umzudrehen immer entlang der grünen Linie bis zum Sammelpunkt und warte, bis dir jemand sagt, was du jetzt zu tun hast.

Fremdgehen hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was mich gerade beschäftigt. Aber sich zu überlegen, wie es einem in einer Lage gehen wird, in der man vielleicht niemals sein wird, hat eine Menge mit IVF zu tun. Ich stelle mir vor, wenn es klappt, wäre ich sehr glücklich, und wenn es nicht klappt, sehr traurig, aber wild entschlossen, weiterzumachen. (Überraschung! Als nächstes erzähle ich euch, dass ich nicht gern zum Zahnarzt gehe, Ferien mag und mich in Tiefgaragen grusele.) Vielleicht wird es aber auch anders. Vielleicht erwischt mich schon der nächste Fehlversuch völlig auf dem falschen Fuß, und ich schmeiße das Ganze erst mal hin. Vielleicht würde ich ihn auch einfach abschütteln und daran denken, dass L. von Anfang an gesagt hat, dass es erst frühestens beim dritten Mal klappt. Vielleicht würde ich sogar denken „Ein Glück, die Hochzeit ist gerettet“ und mich gleichzeitig schuldig fühlen gegenüber dem armen kleinen Zellhaufen, der jetzt kein Baby wird und der dafür noch nicht mal betrauert wird, weil Mutti mit ihren Freundinnen und ihrem Liebsten bis vier Uhr früh tanzen will. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. (Gibt es eigentlich eine deutsche Version von Doris Days Lied? Wenn ja, wurde sie vermutlich von Gitte mit der Gummiboot-Stimme gesungen.)

Dienstag, 12. Mai 2009

Goldene Regeln für die Zeit zwischen den Zyklen, Teil 1

1. Du kannst natürlich einfach da sitzen und warten. Aber warten ist zwischen den Zyklen viel anstrengender als während der Zyklen, weil die Zeit im Hinblick auf deine IVF-Pläne viel unstrukturierter ist. Bis auf vielleicht die Pille und Folsäure gibt es nichts, was du einnehmen kannst, keine Arzttermine, keine Ultraschalls und keine Laborergebnisse. Besser also, du versuchst, nicht zu warten. Nutz die Zeit lieber, das zu tun, wozu du während des Zyklus keine Kraft oder keine Zeit hattest. Mach eine Reise. Hau entsetzlich rein im Job. Geh abends aus und iss in deinem Lieblingsrestaurants alles, was du ab demnächst wieder nicht darfst. Spül es mit einem phantastischen Wein herunter. Versuche, ein bisschen von dem angesammelten Hormonspeck loszuwerden. (Ok, steht im Widerspruch zum vorangegangenen Fress-Tipp, aber mach einfach!)

2. Triff dich mit Leuten, deren Leben sich nicht um Hormone oder Babys dreht, wenn du das Glück hast, welche zu kennen.

3. Eigentlich ein Tipp, der noch unter 1 gehört, aber für mich so wichtig, dass er einen eigenen Punkt verdient: Fang etwas Neues an. Irgendetwas, das du vorher nicht getan hast, das dich glücklich macht oder entsetzlich nervt (glaub mir, es ist eine schöne Abwechslung, mal von etwas anderem genervt zu werden als deinen Eizellen.), das dich beschäftigt und dich davon ablenkt, dauernd nur an diese Eiergeschichte zu denken. Wenn du dich nicht wie eine Legehenne fühlen willst, dann benimm dich auch nicht wie eine. Mach Musik. kauf dir eine Digitalkamera (die werden immer besser und billiger!), lerne thailändisch kochen, und kauf dir im Zweifel lieber eine Tageszeitung als eine Klatschzeitschrift, in der doch wieder nur steht, was für eine arme Wurst XY ist, weil sie als ausgebuchter, stinkreicher und wunderschöner Hollywoodstar ihren Babywunsch immer noch nicht erfüllen konnte. Etwas Neues zu tun, hat außerdem den 1a Nebeneffekt, dass du das Gefühl loswirst, irgendwie zu spät dran zu sein und den Anschluss an den Rest der Frauen zu verpassen, die schon Babys haben. Hier kommt deine Chance, dir einen Vorsprung zu verschaffen.

4. Wo wir schon in der Chakka-Abteilung sind: Wenn ich an die Menschen denke, historische Personen oder Figuren aus Büchern, die ich bewundere, dann weiß ich von vielen davon noch nicht mal, ob sie Kinder hatten. Diese Leute sind für mich Vorbilder, weil sie besonders mutig, gut, klug, integer, witzig oder unangepasst waren. Offensichtlich haben sie ein gutes Leben geführt. Und zwar nicht trotz Kinderlosigkeit oder wegen ihrer vielen Kinder, sondern aus Gründen, die mit Kindern überhaupt nichts zu tun haben.

5. Nun genug von aufmunternden Allgemeinplätzen und Motivationsparolen. Eigentlich bin ich ja mehr fürs Praktische. Tu in dieser Zeit deinem Körper so viel Gutes, wie du kannst. Lass ihn in der Biosauna schwitzen, treib ihn in milde gemächlichem Trab-Tempo um den Park, strecke ihn beim Yoga, füttere ihn mit dem besten Essen, das du dir leisten kannst, koch ihm die guten Sidroga-Tees aus der Apotheke, spendiere ihm eine Stunde bei der Kosmetikerin oder beim Friseur, kauf ihm neue Kleider. Und wenn du beim Kleiderkaufen bist, verschwende keinen Gedanken daran, dass dir die Sachen im vierten Monat nicht mehr passen könnten. Im Moment bist du im nullten Monat.

6. Bleib dran bei deinem Arzt. Werde nicht die größte Nervensäge in seiner Kartei, aber ruf spätestens nach zwei Wochen an. Frage nach den Laborergebnissen und danach, wann es weitergeht. Für deinen Arzt und seine Helferinnen sind das alles Routinen, ein alter Hut. Es kann gut sein, dass er gar nicht auf die Idee kommt, dass du als Anfängerin nicht weißt, wann es wie weitergeht und was du bis dahin tun sollst.

7. Folgende Wette: Geh an einem Samstag in ein Café an einer geschäftigen Straße. Setz dich, bestell dir ein Kalt- oder Heißgetränk deiner Wahl und gucke eine halbe Stunde lang nur den Passanten zu. Wetten, dass die nicht alle schwanger oder Mütter oder Babys sind? Wenn doch, schick mir die Rechnung, ich bezahle sie ohne mit der Wimper zu zucken.

8. Gegen Hormonpickel und Immer-noch-kein-Baby-Akne hilft mir die Effaclar-Reihe von Roche-Posay aus der Apotheke. Wie es bei dir anschlägt, weiß ich natürlich nicht, aber ich würde denen gerne Blumen schicken.

Teil II für die Zeit zwischen den Zyklen folgt, sobald ich noch ein paar Erfahrungen mehr gemacht habe.

Dem Zysten-Rappel keine Chance

Die News des Tages in ungeordneter Reihenfolge:
Zu Ehren der neuen Leser habe ich mein Label-System überdacht und zwischen zwei Jobs schnell umgekrempelt. Aber wirklich der Weisheit letzter Schluss ist das System noch nicht. Wonach sortiert man Einträge am Besten, streng nach den medizinisch relevanten Begriffen (z.B. Medikamente, OPs, Vorgeschichte, Nebenwirkungen etc.)? Der Vorteil wäre, dass Leute, die einfach nur Informationen suchen, schneller fündig werden. Aber dafür bin ich vermutlich nicht sachlich und informiert genug, und dafür gibt es wikipedia.

Oder nach irgendwelchen Gefühlslagen? Auf anderen Unfruchtbarkeitsblogs sind die Einträge oft danach sortiert, ob die Frauen, die da schreiben, gerade vollkommen verzweifelt, am Rande des Nervenzusammenbruchs, frustriert, melancholisch, stinksauer oder vorsichtig optimistisch sind. Hm. Das bin ich auch nicht.

Oder ich mach es so wie eine meiner Lieblingszeitschriften und gründe für jeden Pups eine eigene Kategorie, so dass ich am Ende eine Sparte für Mayonnaise, eine für Pickel durch Hormone, eine für zwickende Jeans und eine für verschlampte Behandlungspläne habe. Dann kann ich das mit dem System aber auch lassen.

Ich tüftele noch daran, genau wie an der Frage, ob Fotos gut wären oder nicht.

Ich kann mir nicht helfen, im Moment macht es mir mehr Spaß, mich mit dem Schreiben über IVF zu beschäftigen als mit IVF.

Vermutlich liegt es auch daran, dass ich nun am Freitag zu unchristlicher Zeit einen Ultraschall-Termin habe. Ich habe selbst darum gebeten, mein Arzt hielt ihn eigentlich nicht für nötig. Aber ich habe immer noch ein merkwürdiges Gefühl (womit ich keine Stimmungslage, sondern eher eine Zwick- und Drück-Lage meine), und weil ich am Montag ein Flugzeug nach New York besteige, wollte ich vorher sicher sein, dass sich da unten nicht schon wieder blinde Passagiere eingenistet haben. Wem schon mal in der Öffentlichkeit eine große, fiese 7-cm-Zyste geplatzt ist, der kann vermutlich nachvollziehen, dass mir das bitte nicht nochmal im Flugzeug passieren soll. Es tut nicht nur gemein weh und ist ziemlich furchteinflößend, wenn man das noch nie hatte und diese Schmerzen nicht einordnen kann, sondern es wird nicht schöner dadurch, wenn man von den Reihen 4 bis 11 dabei beobachtet wird, wie man sich den Pullover vollspuckt und von zwei Stewardessen die Stirn gestreichelt bekommt. "Nein, Tabea, die Frau stirbt jetzt nicht." Ibäh.
Ich bin also froh, dass ich diesen Termin noch bekommen habe und einen Arzt habe, der solche Bedenken versteht, und gleichzeitig macht der Termin mir Angst, und ich denke lieber darüber nach, was auf meinem Blog falsch sein könnte als darüber, was in meiner Bauchhöhle nicht stimmen könnte.

Montag, 11. Mai 2009

Mimikry

Ist es peinlich, ein Schwangerschaftshemdchen zu tragen, wenn man nicht schwanger ist? Gestern habe ich mein kariertes Hemd aus Schweden ausgeführt, wir waren bei einem alten Schulfreund von L., und nachdem ich schon zwei Gläser Cava und ein Glas Rotwein getrunken hatte, sagten zwei der anderen Leute am Tisch irgendwas, woraus klar hervorging, dass sie dachten, ich wäre schwanger. Genau. „Einen nehm ich noch, ach was, mach nen Doppelten draus.“ Danach habe ich versucht, so zu sitzen, dass es sich nicht mehr gebauscht hat und hoffentlich klar war: Na gut, das Hemd ist so geschnitten, dass notfalls ein Bauch drunter passen würde, wenn ich einen hätte – aber ich hab keinen, seht ihr?

Nun könnte man sich ja fragen, warum eine unschwangere Frau mit einem Schwangerschaftshemd rumläuft. Ich bin mir da selbst noch nicht so ganz sicher. Eine Antwort ist, dass mir das Hemd gut gefiel. Und ich war in dem Laden nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil ich mit Freundinnen unterwegs war, die etwas für kleine Kinder kaufen wollten. Ich stand also nur zufällig rum, als ich es da hängen sah. Ich hätte nicht gedacht, dass man sofort sieht, dass es ein Schwangerschaftshemd ist. Eine andere Antwort ist, dass ich damals wirklich glaubte, ich könnte es vielleicht ja irgendwann brauchen. Und bis es so weit ist – oder falls es so schnell nicht dazu kommt – ist es immer noch ein sehr hübsches Karohemd, das bestens zu Jeans passt und unter dem man einen 19-Cheeseburger-Bauch locker verstecken könnte. Das haben Schwangerschaftsklamotten so an sich.
Vielleicht glaube ich ja auch irgendwo ganz weit hinten in meinem Fusselhirn, dass ein Schwangerschaftshemd schon dafür sorgen wird, von der Wirklichkeit eingeholt zu werden. Feng Shui für Eizellen.

Jetzt habe ich kurz Angst bekommen und dachte: Herzchen, du wirst wunderlich. Bitte reiß dich am Riemen, bevor es mit dir so weit kommt wie mit der älteren Frau, die in der Nähe deiner Firma immer mit einem Buggy voller kleiner, pink angezogener Hunde mit Schnullerketten um den Hals herumschiebt. Vielleicht hat die ihren Buggy ja auch mal aus Feng Shui-Gründen angeschafft.

Andererseits: es ist nur ein kariertes Hemdchen im Empireschnitt, das sich bis 60° waschen lässt. Einatmen, ausatmen. Gut. Und jetzt weitermachen.

Der ICE Bellybutton wird sich um zwei Wochen verspäten, wir bitten um Ihr Verständnis

Gerade Telefonat mit der Klinik. Und es dauert noch. Den Bindenvorrat meiner Freundin werde ich zwar anknuspern, aber auf keinen Fall ganz wegputzen. ich hatte Synarela schon aus dem Kühlschrank genommen und im Badezimmer da platziert, wo ich sie sehen kann, damit ich nicht den Start verpasse. Aber jetzt wird sie heute Abend zurück in den Kühlschrank wandern, ich fange nächsten Montag einen ganz normalen Pillenzyklus an, und erst ein paar Tage später kommt Synarela dazu. Irgendwie hatte ich das anders in Erinnerung. Irgendwie ging das schneller. Irgendwie hatte ich schon wieder diese Torschlusspanik, was leckeres Essen, Wein und Sport betrifft. Also noch zwei Wochen Gnadenfrist, und noch mindestens eine Periode mehr in Aussicht, bevor ich irgendwann meinen eigenen Brummer in die vollkommene Glückseligkeit und Apathie schaukeln kann. (Ich bin im Netz Frauen begegnet, die jetzt vermutlich ihren Taschenrechner rausholen und den Geburtstermin neu berechnen würden. Kein Quatsch.)

Und bevor ich es vergesse: ich habe einen Kommentar, meinen ersten, und fast hätte ich ihn übersehen, weil ich schon so daran gewöhnt war, dass das hier nur ein paar Freundinnen, zwei Versprengte und rätselhafterweise jemand in London regelmäßig lesen. Dann gab es noch Laufkundschaft, also Leute, die irgend etwas googeln, kurz hin- und dann gleich wieder wegklicken. Wenn ich also gesagt habe, ich mache das vor allem für mich, dann war das weniger eine Philosophie, sondern einfach nur die harte Wahrheit. Aber übers Wochenende hat sich meine Besucherzahl plötzlich vervielfacht, man könnte sogar sagen, sie ist explodiert, und ich habe Post! Vielen Dank dafür, liebe Leela, viel Glück zurück! Nun fühle ich mich plötzlich wie die Gans in der Friedrich K. Waechter-Zeichnung, in der wahrscheinlich wieder kein Schwein guckt.

(Nein, keine Angst, ich kann euch nicht sehen, ich weiß nicht, was ihr letzten Sommer getan habt, ich weiß nur, wo in etwa ihr wohnt und wie lange ihr hier seid. Uff, hab ich euch kurz erschreckt?)

Wie wir. Wie die anderen.

Letzte Woche haben die Mädchen und ich eine Freundin besucht, die im Dezember ihr Baby bekommen hat. Jetzt lebt sie außerhalb der Stadt, und auch wenn sie das selbst kaum fassen kann, wohnt sie nun im eigenen Haus in einer Wohnsiedlung mit Plastikrutschen und Trampolins in den Gärten, Carports, auf denen die Lasur noch nicht richtig getrocknet ist, und Spielstraßen. Auf der Fahrt aus der Stadt haben wir uns wie böse Stiefschwestern gefühlt. Eine von uns (und so leid es mir tut, ich war es nicht) war erst morgens um sechs nach Hause gekommen. Und jetzt ein sonntäglicher Ausflug ins Familienglück mit Kuchen auf dem Schoß – merkwürdig. Als wir uns zuletzt mit der Freundin getroffen hatten, war der Plan mit dem Haus noch ganz frisch und ihr selbst nicht geheuer. „Hier sitze ich jetzt und rede über Eichendielen und darüber, dass ‚wir uns gegen eine Sauna, aber für eine offene Küche entschieden haben’. Das kann doch nicht wahr sein?“
Damals waren die niedliche Altbauwohnung mitten in der Stadt, der Job und solche Abende in der Küche mit vielen Fluppen und Prosecco auf Eis die Wahrheit und das Siedlungsleben im Speckgürtel vollkommen irreal. Jetzt ist es umgekehrt. Sie hat jetzt Nachbarn, zwei Autos, vermutlich eine Heizölrechnung und irgendwann, wenn der Kleine laufen kann, so eine Holzleiste mit bunten Tieren drauf, auf der man einträgt, wie groß er ist. Sie näht Gardinen und Quilts (die ganz wunderhübsch sind) und hat das ganze Haus so hell, niedlich und unkitschig eingerichtet, dass man sich sofort fühlt wie in den Ferien irgendwo in Skandinavien. Nur, dass es für sie eben nicht die Ferien sind, sondern das ganz normale Leben.
Der Kleine hat einen riesigen Kopf, als ich ihn gesehen habe, dachte ich nur „Pressen!“. Und genau so war es wohl auch. Wir hatten reihum das Baby auf dem Schoß, ich habe versucht, das Wippen seiner Schlafwiege zu simulieren und habe mich nach einer Viertelstunde vollkommen durchgesportelt gefühlt. „Er ist aber auch ein Brummer, oder?“ Ja, ist er.
Als die Mutter kurz nicht hingehört hat, hat eins der Mädchen mich gefragt, ob das jetzt schlimm für mich ist?
Nein. Nichts davon ist auch nur das kleinste bisschen schlimm. Es ist auch nicht eigentlich schlimm, aber ich bin tapfer. Ich muss nicht tapfer sein, weil es nicht schlimm ist. Was soll daran schlimm sein, wenn eine nette Freundin ein Baby hat, und ich hab es auf dem Schoß und wippe damit herum? Niedlich war das. Und schön, die Freundin mal wieder zu sehen und wie sie jetzt wohnt. Und es war schön, zu sehen, dass es ihr so gut geht. Und dann wieder in die Stadt zu fahren, das war auch schön.

Freitag, 8. Mai 2009

Meine Nase ist schlimmer dran als mein Bauch

Noch bis Sonntag die Pille. Dann ab Dienstag Periode. Und mit etwas Glück danach erst mal zehn Monate lang keine Krämpfe, Schmerzen, Snoopy-Unterhosen, Flecken auf weißen Leinenhosen und knisternden Binden mehr. Schade, dass eine Freundin, die wegen Endometriose die Pille durchnimmt, mir gerade ihren gesammelten Schatz an Binden geschenkt hat. Aber sie werden ja zum Glück nicht schlecht, sondern werden geduldig im obersten Kleiderschrankfach auf mich warten und mir nur ab und zu auf den Kopf fallen, wenn ich Bettwäsche rausziehe und vergesse, dass sie da sind. Flüpp!

Nun geht es wirklich wieder los. Das gute alte Nasenspray mit dem hübschen Namen Synarela ist wieder da. Man kennt sich schon: Jeden Morgen und jeden Abend ein Schüsschen links, ein Schüsschen rechts ins Nasenloch. Dann läuft einem dieser Fensterputzmittel-Geschmack die Kehle runter, nach zehn Minuten muss man niesen, und ich weiß noch, dass ich immer versucht habe, es noch ein bisschen rauszuzögern, weil ich dachte, es wirkt schlechter, wenn man zu früh niest. Und vielleicht wird mir in den ersten Tagen ein bisschen schlecht davon. (Ob mir letztes Mal wohl wirklich schlecht war, oder ob ich mir das nur eingebildet hatte? Ich werde das beobachten und berichten). Diesmal werde ich nicht mit wackligen Knien auf meinen gelben Therapieplan gucken und abzählen, wann mir die erste Spritze droht, denn sie droht mir ja nicht mehr, sie kommt einfach nur und ist ganz harmlos. Pipikram! Kein Problem und im Schmerzniveau in etwa vergleichbar mit... hm... einem ausgerissenen Haar? Einem Mückenstich? Schon ein Papierschnitt ist viel schlimmer. Oder mit der Zahnseide ein bisschen abzurutschen. Oder wenn einem jemand beim Tanzen auf den Fuß tritt. Oder wenn man eine Plastiktüte mit zehn Dosen Tomaten nach Hause schleppen muss und der Griff so in die Handfläche einschneidet. Das ist alles viel schlimmer als ein Gonalspritzchen, ein Gonälchen! Ich glaube, es ist klar geworden, dass Hormonspritzen jedenfalls nicht wehtun. Ich schaffe das. Und wenn ich das schaffe, dann schafft das jede andere auch. Soll ich euch was sagen? Ich finde das Spray fast schlimmer als die Spritzen. Die schmecken wenigstens nicht nach irgendwas.

Außerdem verdanke ich den Spritzen eins der schönsten Erlebnisse der letzten Jahre: ich stehe in der Apotheke, löse mein Spritzenrezept ein, und die Apothekerin (die ca. 50 Kilo wiegt) erklärt mir geduldig und Schritt für Schritt, wie das geht mit der Spritze. Ich stehe vor ihr in einem sackartigen Hängerchen, in dem ich den Umfang einer hundertjährigen Eiche habe. Und sie sagt: "Die Nadel stechen sie sich am besten ins Bauchfett, das kneifen sie so mit Daumen und Zeigefinger zusammen. Je fester sie kneifen, desto weniger spüren Sie die Nadel. Ich sehe, sie sind ja sehr schlank, da wird es vermutlich schwierig, genügend Bauchfett zu finden. Am besten rollen sie sich so ein bisschen nach vorne ein, damit sie wenigstens ein kleines Röllchen zusammenkriegen. " Also wenn das nicht der perfekte Moment war, dann weiß ich es auch nicht.

Donnerstag, 7. Mai 2009

Sowas von OK

Gerade war ich in einem Laden, in dem es auch Kindersachen gibt. Und kurz vor dem Ausgang steht eine Frau mit Klemmbrett und fragt mich: „Haben Sie Kinder?“ „Nein.“ Sie strahlt mich an: „Das macht doch nichts!“

Genau! Stimmt eigentlich! Richtig. Ausgezeichnet.

Mittwoch, 6. Mai 2009

Goldene Regeln für den nächsten IVF-Zyklus, Teil 1

Die großen Hormonferien sind bald zu Ende. Zeit für ein paar Tipps, erstens an die Frauen, für die es demnächst das Erste Mal sein wird, und zweitens an mich, damit ich nicht vergesse, mich daran zu erinnern, wenn die Hormone mir wieder das Hirn vernebeln.

1.Im Laufe dieser Sache wirst du jede Menge Papierkram bekommen. Von deiner Krankenkasse, von deinem Arzt, von deinem anderen Arzt, von den Sprechstundenhilfen. Hebe das alles gut auf, am besten ganz spießig in einer großen Mappe. Und bring die jedes Mal mit, wenn du mit irgend einem Arzt sprichst, egal worum es geht. Denn sie wollen jedes Mal irgend etwas aus der Mappe sehen, und sie bitten dich vorher nie darum, es mitzubringen. Und wenn es so weit ist, dann kannst du lässig wie die Toffifee-Mutter sagen: klar, hab ich!
2.Hab keine Angst vor den Spritzen. Ich hatte Angst vor den Spritzen, ganz schreckliche Angst sogar, und dann hatte ich keine mehr, und das war alles gar nicht schlimm.
3.Wenn du in die Apotheke gehst und deine Bestellung rüberreichst, und die Apothekerin holt erst eine ganz, ganz große Tüte und fängt an, hin und her zu laufen und Sachen einzutippen, und am Ende erscheint in der Kasse ein Betrag, der über 500 Euro hinausgeht: Das soll so. Die hat sich nicht vertippt. Du wirst dir in den nächsten Tagen die Schuhe in den Bauch spritzen, die du dir nie leisten wolltest.
4.Du kannst nicht verhindern, dass du dich verrückt machst. Aber du kannst dich davon abhalten, Dinge zu tun, die dafür sorgen, dass du vollkommen durchdrehst. Schwangerschaftstests aus der Drogerie sind so ein Ding. Oder die frühen Anzeichen einer Schwangerschaft zu googeln. Oder 80 Blogs zu lesen und sie nicht als persönliche Ansichten zu verstehen, die oft unter hohem emotionalen Druck geschrieben werden, sondern als das und genau das, was dir passieren wird.
5.Wenn du nicht willst, dass die Leute es wissen, erzähle es nicht. Aber denk dir kein Alibi aus. Du brauchst kein Alibi. Willst du auf einer Firmenfeier keinen Alkohol trinken, während du sonst gerne die Veranstaltungsvollste warst, dann erzähl nicht irgend eine Geschichte von Antibiotika, sondern lass dir trotzdem ein Glas geben, halte es eine Weile in der Hand und stell es dann irgendwo ab. Irgendwer wird es schon trinken. Im Zweifel die neue Veranstaltungsvollste. Davon abgesehen: Wir sind alle viel zu egozentrisch. Niemand fragt sich wirklich, warum zum Teufel du dein Steak gut durch möchtest oder warum du deinen Salat ohne Mozzarella willst. Die überlegen selber gerade, was auf ihre Pizza soll.
6.Wenn die große Maschine erst mal anläuft, fallen dir plötzlich ein paar Sachen ein, die du gerne noch kinderlos erlebt hättest. Reisen, Weltraumflüge, dieser japanische Kugelfisch. Entspann dich: erstens kannst du vorher nie alles schaffen, irgendwas fällt dir immer noch ein. Das heißt nicht, dass du nicht gelebt hast. (Oder doch? Mein Gott!). Und außerdem: die Chancen bei jedem einzelnen Versuch sind nicht gerade überwältigend. Du kannst dich also beruhigen mit der Vorstellung, dass du in ein paar Wochen immer noch diese Sache mit dem Krokodil, der Rakete und den Netzstrumpfhosen durchziehen kannst. Und wenn nicht, bist du schwanger. Auch nicht schlecht!

Rühreier statt Soufflé

Tagelange Funkstille. Und eine Erklärung dafür, die ich aber im Moment noch nicht geben kann. Nicht so richtig jedenfalls. Sie hat damit zu tun, dass hier zwei Medizin-Welten aufeinander gekracht sind wie Güterzüge: auf der einen Seite meine IVF-Behandlung mit all den Spritzen und Ärzten und Ultraschalls und Tests, und auf der anderen Seite der Vorschlag, die Hintergründe meiner Unfruchtbarkeit mit alternativen Methoden erst zu erkunden und dann anzugehen. Das klang für mich erst mal toll. Aber dann hat mich das alles vollkommen durcheinander gebracht, und mein Durchdreher hat in L. ungeahnte Beschützerinstinkte entfesselt. Und nun haben wir den Salat. Ich weiß weder, wie ich in Zukunft noch mit dem gleichen Vertrauen an den nächsten IVF-Zyklus rangehen soll, noch habe ich auch nur die geringste Lust oder Energie, mich jetzt mit der Alternative auseinanderzusetzen. Ich bin ziemlich durcheinander und wünsch mir nur, dass endlich eine Woche vergangen ist (so lange dauert das bei mir erfahrungsgemäß, bis sich derartige Verwirrung legt). Und das schlimmste ist, dass eine Freundin nun vollkommen von der Rolle und sehr traurig ist, denn eigentlich wollte sie doch nur Gutes. Ein Drama, wohin man schaut. Ich hoffe wirklich, das klärt sich alles. Uff.