Donnerstag, 31. Oktober 2013

Warum? Darum.

Einige der Gründe, warum es für mich grauenvoll ist zu arbeiten.
Weil ich mich manchmal so fürchterlich hohl fühle. Nicht hohl im Sinne von doof, sondern hohl im Sinne von leer und ausgehölt. Das Gefühl ist nach ein paar Minuten vorbei, aber man vergisst es nicht so schnell.

Alles ist in Unordnung. Als ich nur zuhause war, habe ich es irgendwie geschafft, die Bude bewohnbar zu halten. Jetzt... huaaaarg. Und noch nie hat mir das so viel ausgemacht wie jetzt.

Mein Lebensgefühl ist auch in Unordnung. Irgendwo habe ich neulich von Müttern gelesen, die das 1a hinkriegen: sich voll auf das Kind zu konzentrieren, wenn sie beim Kind sind, und dann zwei Stunden später total in ihrer Arbeit aufzugehen, wenn sie am Schreibtisch sitzen. Die würde ich gerne mal kennenlernen und sie fragen, wie sie das machen. Vermutlich lautet die Antwort ganz einfach: tja, wir sind eben nicht solche Fusselhirne wie du.

Ich kriege die Angst nicht aus dem Kopf, dass etwas Schlimmes passieren könnte, während ich nicht bei meinem Kind bin. Ich weiß, dass diese Angst irrational und das Erster-Klasse-Ticket in den Wahnsinn ist. Ich weiß auch, dass ich sie vermutlich nur durch Gewöhnung und die täglich wiederholte Lektion loswerde, dass eben im wirklichen Leben nichts Schlimmes passiert. Ich hoffe, der Effekt tritt demnächst ein. Wieso habe ich diese Angst? Ich weiß es nicht. Denn wenn ich ehrlich bin, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit dem Kind auf dem Arm die Treppe runterfalle, mindestens so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand anderem passiert (der erstens nicht so ein Fusselhirn ist und zweitens im Gegensatz zu mir räumliches Sehen hat, das extrem nützlich ist beim Treppenhinabsteigen). Ich weiß das! Nützt aber nix, wie das mit Ängsten so ist.

Alles, was mir rund um meinen Job schon vor dem Baby dämlich erschien, erscheint mir jetzt noch viel dämlicher. Und durch den einen Monat zwischen Mutterschutz und Job, für den ich volles Elterngeld bekomme statt des Basisbetrages von 300 Euro für gutverdienende Ex-Abkürzungsdamen weiß ich jetzt leider, was ich monatlich bekäme, wenn ich es einfach lassen würde. Ach, ach, ach, ich Ärmste, hätte ich diese Zahl doch nie gelesen. Jedes Mal, wenn ich früher nur gedacht habe "Oh Mann. Na gut. Gesichtsmuskeln unter Kontrolle bringen, weitermachen." denke ich jetzt "(hier eine phantastisch hohe Zahl einfügen)". Zuletzt dachte ich sogar an die Zahl, als im vegetarischen Mittagspausenrestaurant die Auberginen noch roh waren und ein Haar im Nachtisch.

Weil ich mich jetzt, gerade dann, wenn ich am wenigsten an die Zahl denke, trotzdem pünktlich loseisen und das alles hinter mir lassen muss. Eigentlich habe ich mich gern reingesteigert in meinen Job, zumindest manchmal. Ich war zwar nicht mehr bereit, wie vor zehn Jahren 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, aber wenn es auf den wichtigen Präsentationstermin zugeht, habe ich auch gerne eine Schippe mehr draufgepackt und mir mit roten Augen noch letzte Ideen abgepresst. Jetzt sitzen wir im Konferenzraum, und jemand sagt zu mir: "Ach so. Ja, du musst ja jetzt gleich los, oder?" Ja, muss ich, und es ist ja auch gut und richtig so, aber trotzdem fühle ich mich in dem Moment wie ein Nichtschwimmer.

Weil es so ziemlich eine der demoralisierendsten Erfahrungen ist, auf einem Firmenklo zu knien und Muttermilch ins Klo auszustreichen, weil ich sonst leider explodiere.


Einige der Gründe, warum es für mich trotzdem gut ist zu arbeiten.
Weil ich heute mein erstes selbstverdientes Geld seit der Geburt auf dem Konto hatte und sich das toll angefühlt hat.

Weil ich nie wieder meinen Mann um Geld bitten will. Nicht, weil er darauf so blöd reagieren würde, sondern einfach so. Ich fühle mich besser, wenn ich das nicht tue.

Weil ich schon Angst hatte, ich würde verblöden. Ich hatte in den letzten Monaten manchmal Telefonate mit Leuten, die mir wirklich wichtig sind, die mir Dinge erzählten, die ihnen wirklich wichtig waren, und alles, was mir dazu nach den ersten zwei Minuten einfiel war "Das ist doch gut. Hm-hm. Das ist doch gut. Sehr schön. Das ist doch gut. Hm-hm." Ich sehe die Arbeit gerade auch ein bisschen als Rückbildung fürs Hirn. (Oh Gott. Bitte bitte, mitlesende Damen, denkt nicht, dass ich sage, als zuhause bleibende Mutter verblödet man. Ich und nur ich bin hier wieder mal das Thema, und mir ging es leider ein bisschen so.)

Weil ich jetzt an jedem Arbeitstag zwei mal 25 Minuten in der Ubahn habe und damit drei mal 50 Minuten zum Lesen. Letzte Woche war ein Kontrolleur da, der etwas länger zum Kontrollieren brauchte, den habe ich fast angeschnauzt. (Nur fast. Aber es ging um meine Lesezeit!)

Weil es unfassbar schön ist, abends nach Hause zu kommen. Mein Kind aus dem Stubenwagen oder aus L.s Armen zu nehmen, an mich zu drücken und an seinem Kopf zu riechen, ist eine einzige Bewegung. Dann stapfe ich schnell nach oben mit ihm und stille ihn (wird auch allerallerallerhöchste Zeit, falls die Exabkürzungsdamen verstehen, was ich meine) und habe meinen Frieden.

Weil ich jetzt die Zeit mit ihm wirklich, wirklich in mich aufsauge wie den Duft seines Kopfes.

Weil er das Kindermädchen wirklich gern hat. Diese Woche war ich einen Tag zum Arbeiten zuhause und habe gesehen, wie er gestrahlt hat, als er ihr Gesicht gesehen hat. Die Welt eines Babys ist klitzeklein, und seine ist gerade um eine Person bereichert worden. Ihr solltet sein Gesicht sehen, wenn sie ihm spanische Kinderlieder vorsingt.

Weil ich jetzt nicht zuhause sitze und ständig denke, ich bezahle dieses Babyjahr damit, dass ich hinterher zurück in eine Jobwelt muss, in der von mir als freier Texterin erwartet wird, an einem Buchungstag bis weit nach Mitternacht zu arbeiten und jederzeit bereit zu sein, mal eben für zwei Wochen nach Berlin oder München zu ziehen, und zwar ab... äh... morgen?

Weil es mir gut tut, mich an drei Tagen in der Woche präsentabel anzuziehen, touche eclat aufzutragen, BB-Cream und Wimperntusche und Mittagspausen zu haben und Abstimmungen und Espresso zu trinken, der einfach so aus einer Maschine kommt, ohne dass ich Kaffee, Wasser oder saubere Tassen organisieren muss.

Weil L. und der Kleine mit jedem Tag enger zusammenwachsen. An drei Tagen in der Woche ist er jetzt vormittags mit ihm alleine. Wäre ich zuhause, würde ich angelaufen kommen, sobald ich ihn meckern höre. "Muxi! Was hast du denn? Mama ist ja da." Und schwupps, hätte ich ihn L. aus dem Arm genommen und wäre mit ihm nach oben geschwebt zum Stillen oder anderer Papa-wird-hier-nicht-gebraucht-Aktivität.

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Schatz, es wird etwas früher heute.

Lange Jahre hab ich mit männlichen Kollegen gearbeitet, die zuhause Frauen und kleine Kinder sitzen hatten. Dann spielten sich z.B. Szenen wie die folgende ab:

Es ist 19:27 und das Ende dieses Arbeitstages ist gerade in der vernichtenden Abstimmung in weite Ferne gerückt. Jetzt sitzen wir im Büro des Kollegen zusammen und versuchen irgendwie, die Scherben zusammenzusammeln, dieses Discofiepen im Ohr wegen des Gebrülls unserer Chefs wieder loszuwerden und einen Plan zu machen, wie es weitergeht.

Das Telefon klingelt. Der Kollege geht ran, anfangs noch erfreut über den Anruf und die Stimme am anderen Ende.
"Hallo! Oh Mann, hier ist gerade alles im Arsch. Wir müssen alles noch mal neu machen. Ich glaube..."

Wir erahnen am anderen Ende der Leitung einen deutlich verschärften Ton.

"... was... nein, kann ich nicht, ich muss... oh Mann, ich mach das doch nicht absichtlich? Ich wär doch jetzt auch gerne... NEIN, natürlich bist du mir nicht egal! Ich... nein, natürlich ist mir das auch wichtig! Aber... können wir später re... Hallo? Hallo?"

Und mit hängenden Schultern und plötzlich dreimal so dunklen Augenringen legt er auf.

"Arme Wurst", dachte ich damals meistens. "Wenigstens hab ich keine Familie. Wenigstens sind es nur meine Nerven und meine Magengeschwüre, die ich hier gerade strapaziere."


Später wurde dann das Klima und die Arbeitszeiten etwas lockerer. Männliche Kollegen mit kleinen Kindern und dazugehörigen Freundinnen und Frauen zuhause hatte ich immer noch. Nur gab es jetzt immer mehr, die sich nicht die Nächte für total superduperwichtige Vorstandspräsentationen um die Ohren hauten und sich mit letzter Kraft nachts um zwei irgendetwas aus dem ausgelutschten Gehirn wrangen. Die taten nur so. Die arbeiteten bis sechs, vielleicht auch bis sieben, und dann begann der gemütliche Teil des Arbeitstages. Dann holten sie sich Bierchen aus dem unerschöpflichen Agenturkühlschrank, bestellten sich vielleicht noch eine Pizza, und dann legten sie die Füße hoch und guckten sich Youtube-Videos an und dachten sich vielleicht zum Spaß noch irgendeine Quatschidee wie einen Flashmob oder dergleichen aus - aber eigentlich war das Freizeit, getarnt als Jobstress. Es war klar: reißt sich Papa jetzt von diesem netten Gedaddel und Gesüffel los und kommt nach Hause, dann wartet da eine Frau, die den ganzen Tag das Baby geschleppt und getröstet und gefüttert und noch mehr geschleppt hat, und deren Feierabend beginnt leider erst dann, wenn Papa übernimmt. Also wurde es eben heute wieder etwas später.

"Blöde Wurst", dachte ich dann. "Dann leg Dir eben keine Familie zu."

Und je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, was für ein Glücksfall das gerade alles ist: drei Tage in der Woche gehe ich zur Arbeit. Und ist die Arbeit vorbei - zum Glück sehen sowohl meine Chefs als auch ich das so, dass das um 18:00 der Fall sein sollte - dann fahre ich nach Hause, freue mich auf mein Kind, und L. hat nicht den ganzen Tag alles allein gemacht und wartet schon hinter der Haustür, sondern wir haben beide noch jede Menge Reserven.
Ich muss ehrlich sagen, schon kurz nach der Geburt habe ich damit angefangen, mir schon mal prophylaktisch Sorgen zu machen, wie das alles wird, und ogottogott, was, wenn alles grandios vor die Wand fährt. Mir diese Sorgen jetzt nicht mehr machen zu müssen und die erste Woche hinter mir zu haben, ohne dass es irgendwem von uns schlechter geht, ist für mich so toll und so befreiend, dass ich mich seit gestern Abend fühle wie frisch massiert. Die erste Cantienica-Stunde heute war vielleicht auch deshalb nicht so spektakulär, aber das erzähle ich in den nächsten Tagen mal in Ruhe. In der Klinik war ich auch: meine Ärztin hatte strahlend Michel auf dem Schoß, freute sich ehrlich und ganz herzlich mit uns, machte dann noch, wo ich schon mal da war, einen Ultraschall, stellte fest, dass zumindest mein linker Eierstock einen sehr guten Eindruck macht (das ist nichts Neues, der rechte ist in Endometriose eingewickelt wie Loriots Kohlroulade und sagt kaum noch was) und wir haben ausgemacht, dass ich mich melde, wenn ich meine Tage bekomme, was irgendwann demnächst der Fall sein sollte. Außerdem soll ich mal feststellen, wie viele Milliliter genau Michel noch bei mir trinkt, und sollte es wirklich nur noch ganz wenig sein, dann brauche ich vor der Stimulation noch nicht mal endgültig abzustillen.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Leicht verrissener Köpper.

Große Übergänge und Veränderungen im Leben machen mir Angst. Die letzten drei Tage vor dem ersten Jobtag waren ziemlich ekelhaft, aber nichts gegen die Nächte. "Noch drei mal nicht schlafen" dachte ich am Donnerstag, und genau so war es dann auch. In den ollen, klammen Stunden zwischen Mitternacht und Dämmerung liege ich oft wach, da brauche ich gar keinen besonders bombastischen Anlass, aber das war auch für meine Verhältnisse ein Festival der Grüblerei und der unguten Gedanken. Inzwischen kannte ich mich wenigstens gut genug, um zu hoffen, dass ich von diesem Zwölfer eben einmal springen muss und dann - wer weiß? - vielleicht sogar schneller, als man gucken kann, die Leiter wieder hochklettere und noch mal will.

Genau so war es dann nicht gerade, aber trotzdem bin ich nach zwei Tagen vorsichtig optimistisch.

Meine erste Erkenntnis habe ich früher von anderen schon ca. achthundertmal gehört, aber irgendwie nie so richtig geglaubt. Jetzt kann ich das bestätigen: ein Tag in einem netten Innenstadtbüro ist ungefähr ein Viertel so anstrengend wie ein Tag mit einem schlechtgelaunten Baby. Verglichen mit einem gutgelaunten Baby ist er ca. halb so anstrengend. Wie leicht auf einmal alles ist! Wie einfach! Wie viel Zeit man hat! Ich hatte zwar schon zwei Tassen Tee, aber jetzt hätte ich gerne noch eine. Nur zu! Ich gehe einfach in die Küche und mache mir eine. Jetzt ist Mittag. Was hole ich mir denn, einen Salat? Oder ans vegetarische Buffet? Oder einen Burger mit Fritten? Und wer kommt mit? Diese kleine popelige Schüssel Salat, die ich gerade in einer Papiertüte zurück in die Agentur trage, macht mich glücklich. Wieso? Spinnt die jetzt? Denken sich sicher manche Abkürzungsdamen. Ich sage nur, ich wünsche euch viel Glück für den nächsten Versuch, und dann wartet's mal ab. Es ist natürlich nicht alles toll, in Meetings nerven die gleichen Dinge wie vorher, und auch an bisher zwei Arbeitstagen hatte ich eine Menge Momente, in denen ich mir innerlich vor den Kopf geschlagen habe, aber davon abgesehen: das hier ist der leichte Teil meines Lebens. Das kann ich. Ich weiß, wie das geht. Vielleicht hat es auch geholfen, dass ich mit dem Schlimmsten gerechnet habe. Und das Schlimmste ist nicht passiert. Das Zweit- und Drittschlimmste auch nicht.

Fies ist natürlich, wenn man am ersten Tag nach der vierten Tasse Tee zum Telefon greift und mal hören will, wie es zuhause so läuft, und dann brüllt das Baby, und L. ist mit den Nerven auch schon runter. Aber ich habe mich mit Gewalt davon abgehalten, zwanzig Minuten später schon wieder anzurufen (Kann man auch nicht brauchen, mit brüllendem Baby nach dem Handy zu wühlen, so viel habe ich in drei Monaten auch gelernt), und kurz darauf war auch zuhause der Himmel schon wieder blau. Das Kindermädchen ist wider Erwarten tatsächlich aufgetaucht, hat fröhlich seine Arbeit getan und ist wieder gegangen. Am ersten Tag hat das Baby nicht so viel getrunken wie sonst, aber das hat er dann nach meiner Heimkehr im Affenzahn nachgeholt, und heute ging es schon viel besser.

Ist das zu fassen? Ich bin eine arbeitende Mutter.

Heute habe ich ca. 17mal sämtliche Fotos von Kalle auf meinem Handy durchgeguckt. Und von der Ubahn nach Hause bin ich eigentlich mit ausgebreiteten Armen gerannt. Es war unfassbar schön, nach zehn Stunden ohne ihn meinen kleinen Kalle mit den Pustebacken und den blauen Augen in den Arm zu nehmen. Ich hoffe, ich habe ihm im Überschwang keine Rippe gebrochen. Beschwert hat er sich nicht, im Gegenteil, er hat mich fröhlich angekräht. Morgen noch ein Tag, und dann ist der Spuk für diese Woche auch schon wieder vorbei. "Wie kriegt man das denn hin, mit Baby und Arbeit?" hat mich heute eine gefragt. Mit L., der gerade zu Hochform aufläuft. Mit Karlchen, der ein gesundes Grundvertrauen mit auf die Welt gebracht zu haben scheint und seine Ersatzmutter von Anfang an ins Herz geschlossen hat. Mit Chefs, die bereit sind, einiges für mich zu tun, wenn ich etwas für sie tue. Mit einem Kindermädchen, das Kalle gern hat und das auch bereit ist, drei Stunden mit ihm auf dem Arm durchs Esszimmer zu schwoofen und spanische Schlaflieder zu singen. Und davon abgesehen macht man das wie ein Alkoholiker, der aufhören will: immer einen Tag nach dem anderen.

(Verflixt noch eins. Wieso habe ich das Gefühl, diese Euphorie schreit danach, eins auf die Nase zu bekommen? Und morgen wird es schrecklich und der ganze schöne Plan ist wieder im Eimer?)

Was habe ich sonst noch zu berichten?

Niemand soll sagen, ich bin grundsätzlich ignorant und pampig gegenüber gutgemeinten Ratschlägen. Vor einer Weile, als ich über mein Pipiproblem klagte, haben mir Kommentatorinnen geraten, es mit Cantienica zu versuchen. Und tada, ich bin angemeldet in einem Cantienica-Rückbildungskurs, der am Donnerstag beginnt. Davon erzähle ich dann mal. Ich hoffe, es wird nicht gesungen.

Bei der Osteopathin war ich auch, die sollte etwas gegen meine Rückenschmerzen tun. Jeden Tag mehrere Stunden das Baby zum Teil in nicht orthopädisch korrekter Haltung hochzuheben und rumzuschleppen, fordert seinen Tribut. Danach war es erst schlimmer (wie von ihr angekündigt), aber nach zwei Thermacare Wärmepflastern besser.

Donnerstag gehe ich nicht nur zu Cantienica, sondern auch zum ersten Mal wieder in meine Kinderwunschklinik. Davon erzähle ich dann auch, ganz bestimmt.

Unser erster Flugurlaub mit Baby wird jetzt unser erster Flugurlaub ohne Baby. Meine Mutter hat sich angeboten, für die vier Tage Kalle zu hüten, und das Angebot haben wir angenommen, nachdem ich schon erwogen hatte, mir zwanzig Einwegfläschchen ins Hotel liefern zu lassen, um das Vaporisierproblem zu lösen. (Für Abkürzungsdamen: Fläschchen zu spülen, reicht leider nicht. Keimfrei müssen sie sein, das erreicht man, indem man sie minutenlang auskocht oder in einem Dampfbehälter in die Mikrowelle stellt. Das nennt man Vaporisieren. Jetzt gibt es in den meisten Hotelzimmern weder Mikrowellen noch Kochplatten.) Ein bisschen traurig finde ich das, ich hätte Kalle gerne Wien gezeigt. Andererseits erspare ich ihm vermutlich so eine Menge Stress, meine Mutter freut sich wie eine Schneekönigin, er liebt sie auch heiß und innig, und wir können zusammen ins fabelhafte Wiener Theater.

Den Stammtisch möchte ich so bald wie möglich machen, allerdings würde ich gerne den Termin in der Abkürzungsklinik abwarten, um um die heiße Phase der nächsten IVF herumplanen zu können. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass es am Ende ein Donnerstag im November wird. Könnten interessierte Hamburger Damen vielleicht schon mal kurz kommentieren, an welchen Donnerstagen es auf keinen Fall klappt bei ihnen? Bei mir ist der 21. raus, denn da werde ich mit etwas mit "erl" am Ende im Bauch im Theater sitzen, während hier meine Eltern die Stellung halten.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Friendly Fire: p.s.

Wieso überhaupt so viel an anderen herumgekrittelt und reingegrätscht wird, ist natürlich auch eine interessante Frage. Aber die Frage, die mich gerade viel mehr beschäftigt, ist folgende: Wenn man schon so dermaßen vom ehrenhaften Anliegen umgetrieben wird, dass es bitte allen Babies so gut gehen soll wie den eigenen, dann gibt es doch so viel lohnendere Gelegenheiten sich einzubringen, als den Feldzug gegen andere gutwillige und ambitionierte Mütter, die eben ein-zwei Dinge ein bisschen anders anpacken als man selbst, ob im Internet, in der Krabbelgruppe oder auf dem Spielplatz. Meine Lieblingsbloggerin dooce (die ihr in meiner Blogroll findet) engagiert sich z.B. bei "Every Mother Counts", einem Projekt, das dafür kämpft, dass schwangere Frauen in Afrika nicht mehr mit Wehen teilweise 50 Kilometer zu Fuß zur nächsten Behelfsklinik laufen müssen, nur um dort dann wegen Überlastung wieder weggeschickt zu werden und ihr Kind allein irgendwo im Staub zu bekommen. Ich bin sicher, eine Stunde am Rechner, nachdem das eigene Kind glücklich, warm, satt und behütet eingeschlafen ist, fördert Dutzende von tollen Initiativen zutage, die es wert sind, diese Energie und die Leidenschaft für das Kindeswohl dort einzubringen.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Friendly Fire.

Jetzt bin ich schon seit fast drei Monaten Mutter und vorher eine Ewigkeit erst noch nicht schwanger und dann schwanger gewesen, und ich verstehe es immer noch nicht.

Da sind auf der einen Seite die Mütter, die sich Mühe geben. Die alles richtig machen wollen, nach besten Kräften, die ihr Kind so gut lieben und groß ziehen wollen, wie es nur geht. Die Testergebnisse googeln, bevor sie einen Schnuller kaufen, die sich für Kurse anmelden und Strampler aus Biowolle kaufen, nicht aus Sorge um die Schafe, sondern aus Sorge um ihr Baby.

Und dann sind da auf der anderen Seite manche, die einen Freund haben, der das Kind verprügelt, und sie tun und sagen nichts. Die, denen ihre Kinder schlichtweg egal sind. Die ihrem Zweijährigen eine schallern, weil sie jetzt gerade ihre Soap gucken wollen und keine Lust auf sein Gebrüll haben. Die schwanger Kette rauchen. Die sich vernünftige Babynahrung nicht leisten wollen und stattdessen dann einfach Milchpulver nehmen. Die, die ab und zu einen Moment haben, in dem sie denken "Ach, das Würmchen. Wie es ihm wohl geht?" und dann ein Tränchen zerdrücken und zehn Minuten später trotzdem so weiter machen.

Und gäbe es noch eine dritte Seite, wären da vielleicht die, die keine Wahl haben. Die irgendwie allein mit drei Kindern und ohne Mann klar kommen müssen und eben arbeiten und das Kind bei der Nachbarin lassen, auch wenn sie manchmal das Gefühl haben, mit der stimmt irgendwas nicht. Die manchmal die Tür zumachen und das Kind brüllen lassen, weil es einfach nicht mehr geht. Die kein Geld haben für einen neuen Kindersitz, wenn das Kind aus dem alten rausgewachsen ist, oder die erst gar keinen Kindersitz haben. Die... ach, ihr wisst, was ich meine.

Was mir nicht in den Kopf will ist, warum Gruppe 1 - die Glücklichen, die ihre Kinder wollen und lieben und gleichzeitig die Möglichkeit haben, alles für sie zu tun, die also genau da sind, wo sie sein wollen und eigentlich einfach nur zufrieden sein müssten - sich ständig ankläffen und rumschikanieren muss. Wieso sich die Frauen, die grundsätzlich überhaupt nie Alkohol trinken, im Forum auf die arme Seele stürzen, die auf einer Hochzeit zwei Glas Sekt getrunken hat, als sie noch nicht wusste, dass sie schwanger ist. Warum engagierte Online-Scharmützel geführt werden über die richtige Art, ein Kind voll zu stillen. Warum ich auf einmal eine ganz Miese und total daneben bin, weil ich nach drei Monaten wieder arbeite - auch deshalb, weil ich sonst einen extrem familienfreundlichen Job aufgeben würde, um mir dann nach einem Jahr Elternzeit einen extrem familienunfreundlichen suchen zu müssen. Wobei, ich kann das ab. Andere trifft es bestimmt härter. Ich frage mich eben nur...

Es wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben.

Aufholpost

Es ist ein bisschen so, wie wenn man einen ganz alten und sehr guten Freund hat, den man viel zu selten sieht und mit dem man einmal im Monat telefonieren sollte. Und dann verbammelt man es und denkt fast täglich: den muss ich unbedingt anrufen, am besten heute. Und man verbammelt es aber immer noch, und irgendwann hat man erstens ein schlechtes Gewissen und zweitens inzwischen so viel zu erzählen, dass es mit einem üblichen 30-Minuten-Telefonat nicht mehr zu schaffen ist, und plötzlich ist ein halbes Jahr vergangen und man hat nicht telefoniert. Liebe Abkürzungsdamen, es tut mir sehr leid, dass ich in letzter Zeit so postfaul bin, aber irgendwie kommt das so. Ich stehe auf, füttere das Baby, und plötzlich kommen die Nachrichten und der Tag ist vorbei und ich bin völlig kaputt und zu nicht mehr imstande, als vielleicht noch einen Krimi zu gucken. Das hier muss also wieder mal ein Sammelpost werden.

Die Suche nach der Kinderfrau ist immer noch in vollem Schwung. Bisher hatten wir sechs Damen hier sitzen, vier letzten Donnerstag und zwei gestern. Wenn man bedenkt, dass ich heute in sechs Tagen wieder am Schreibtisch sitze, ist das sowas von haarscharf, aber so ist das wohl mit mir, ich komme auch immer am liebsten in dem Moment auf den Bahnsteig, wenn der Zug einfährt, statt da noch zehn Minuten rumzustehen. Zwei mehr hatte ich zwar eingeladen, aber die eine musste wegen eines Notfalls in einer anderen Familie abspringen, die andere kriegte es nicht hin vorbeizukommen, weil ihr ständig ihre Gesundheit querschoss. Blieben also sechs. Davon waren es zwei auf gar keinen Fall, die eine war so unsicher und gebeutelt, dass sie noch nicht mal Speedy in die Augen gucken konnte, geschweige denn uns, und die andere - die andere war offensichtlich wahnsinnig, und weil dieses Auswahlverfahren zeitlich mit den ersten Folgen von "Hannibal" zusammenfällt, wird die mich noch die eine oder andere Nacht um den Schlaf bringen. Puh. Dann waren da noch eine, die zwar perfekt war - herzlich, erfahren, zupackend und sofort mit einem tollen Draht zu Speedy, aber die wollte statt der 15 Wochenstunden, die wir sie brauchen, lieber 25 arbeiten. Wieso sie sich dann überhaupt vorgestellt hat und uns mit sich als perfektem Babysitter vor der Nase herumwedeln musste, um unsere Standards zu ruinieren und uns dann zu eröffnen, dass wir sie uns nicht leisten können, weiß der Himmel. Die also auch leider nicht. Dann gab es noch eine ältere, sehr spröde Dame mit einem ganzen Stapel hervorragender Zeugnisse. Bei der dachten wir, wenn die im Haus ist, werden wir automatisch grader sitzen und nicht so krümeln, was ja bestimmt kein Fehler ist. Wir dachten aber auch, die fängt an und sagt uns nach zwei Wochen, dass ihr das alles hier zu chaotisch ist und die Hunde sie überfordern, und dann geht die Suche wieder von vorne los, nur dass bei dieser Runde alle Damen rausfallen, denen wir im ersten Anlauf abgesagt haben, weil sie jetzt beleidigt sind. Und dann waren noch zwei sehr nette Mädchen da, von denen es bei einer leider nichts werden wird, weil sie sich eigentlich um einen Ausbildungsplatz bewirbt, den sie, wenn es irgend eine Gerechtigkeit auf der Welt gibt, auch bekommen wird, und dann hat sie demnächst wieder keine Zeit für uns. Blieben übrig: nettes Mädchen Nr.2 und die spröde alte Dame. Die spröde alte Dame haben wir zuerst angerufen, und sie hat uns abgesagt, weil Speedy auf ihrem Arm so gebrüllt hatte - das wertete sie als schlechtes Vorzeichen. Es nützte auch nichts, dass wir ihr gesagt haben, sie soll das bitte auf keinen Fall persönlich nehmen, es würde sich bestimmt bald bessern - sie wollte nicht. Und jetzt warten wir gespannt wie Flitzebogen auf den Rückruf von nettem Mädchen Nr.2. Wird sie es? Und wenn nicht, was dann? Muss Mama am Ende ihren ramponierten Körper verkaufen, um der Supernanny 25 Stunden die Woche zu zahlen? Wir werden sehen.

Speedy macht sich inzwischen ganz großartig. Wir haben tatsächlich ein Baby, das die ganze Nacht friedlich schlafend neben mir im Babybay liegt und schläft. Eine Weile lang ist er immer um fünf Uhr aufgewacht und hatte Hunger. Jetzt wache ich um fünf auf, starre ihn an und kann nicht fassen, dass er a) tatsächlich dort liegt und ruhig atmet und b) jetzt vermutlich noch zwei oder drei Stunden weiterratzen wird. Tagsüber ist er entsprechend ausgeschlafen, hellwach und möchte eigentlich den ganzen Tag herumgetragen werden. Wobei er seit ein paar Tagen auf mal zwanzig Minuten alleine in seinem Wagen liegt und hingerissen mit dem über ihm baumelnden Plüsch-Schaf spielt. Lege ich ihn auf meine Knie und lächele ihn an, dann grinst er zurück und erzählt mir einen. Seine Lieblingswörter bisher: Anke, Gaugin, Gogol, Gruhuhu, Ruhe und Girls. Wobei sogar ich zugeben muss, dass Gruhuhu eigentlich kein Wort ist. Am schönsten ist es, wenn Speedy meine Nase sieht, strahlend den Mund aufreißt und anfängt, daran zu saugen. Oder, wenn er knötterig wird und ich mich mit ihm für eine halbe Stunde ins Bett lege, damit er ein bisschen trinken kann. Dann schläft er nämlich nach drei Minuten ein, und ich liege für ein Weilchen mit meinem schlafenden Baby im Arm da und kann gleichzeitig ein paar Seiten lesen. Oder, wenn er seinen Eisbären-Anzug anhat, den L. ihm von seiner ersten Soloreise mitgebracht hat, und wir ihn durch den Herbstwald schieben. Oder, wenn er mich reitet wie ein zahmes Pony: ich habe ihn auf dem Arm, und er faucht und fuchtelt so lange, bis ich da hingelaufen bin, wo er mich haben will und wo er irgend etwas Interessantes entdeckt hat. Eigentlich ist fast alles am schönsten. Und jetzt muss ich schon wieder aufhören, denn offensichtlich findet Speedy gerade etwas nicht so schön. Sprechen wir bald mal wieder? Tun wir, ganz bestimmt.

Freitag, 4. Oktober 2013

Das Ende der Pyjamaparty

Ich weiß noch nicht, wie lange die Ruhe aus dem Stubenwagen anhält. Deshalb das Wichtigste zuerst: Ich würde Euch wirklich, wirklich gerne mal wieder bei einem Stammtisch treffen. Letztes Mal waren wir frühstücken, das war sehr nett. Aber wie wäre es mal wieder mit einem Abend? Mit Wein und fettigem Essen?

Seit Neuestem bin ich Mama. Das kommt vielen nicht wie eine Neuigkeit vor, aber für mich ist es eine. Ich bin Mama wie in "Die Mama geht nur schnell die Wäsche anwerfen und ist gleich wieder da." oder in "Pupsi, nicht weinen, die Mama kommt schon." Wie konnte das passieren? Gerade war ich noch ich wie in "Ich lese gerade Zeitung" oder in "Danke, ich nehme lieber roten", jetzt bin ich Mama.

Noch zweieinhalb Wochen, und die Mama geht wieder arbeiten. Ich weiß noch nicht, wie ich mich dabei fühlen soll. Nein, das stimmt nicht, ich weiß genau, wie ich mich dabei fühle: grauenvoll. Im Moment kommt mir wenig verlockender vor als ein Jahr zuhause mit meinem Kind und den Hunden und viel Zeit und Vormittagen im Schlafanzug. Ach, Schlafanzug: ich weiß nicht, wie das kommt, aber bevor ich auch nur meine Zähne geputzt habe, ist es elf. Wie ich demnächst, sehr demnächst sogar, um neun in kundentauglichen Klamotten an meinem Schreibtisch ca. acht Kilometer von hier sitzen soll, ist mir ein Rätsel. Und habe ich das tatsächlich geschafft, dann fühle ich mich vermutlich hundeelend. Ich will hier sein und mit dem Finger das Profil meines Babys entlangfahren. Im Moment sage ich mir zwei Dinge, um mich davon abzuhalten, das Ganze abzublasen:

Erstens. Ich glaube, dass es gut für mich sein wird, hier mal rauszukommen. An etwas Anderes zu denken, mich an etwas Anderem aufzureiben, mit Leuten zu sprechen, die sich nicht für Stillen vs. nicht Stillen interessieren. Etwas zu tun, was ich gut kann, und dafür gut bezahlt zu werden. Vielleicht sogar etwas zu lernen? Und dann nach Hause zu kommen und mich auf Zeit mit Rainer Maria zu freuen.

Zweitens. Zwar wird es anstrengend sein und kompliziert und auch oft furchtbar. Aber lasse ich diesen Job jetzt sausen, ist er weg. Wenn das Jahr dann vorbei ist, müsste ich mich wieder auf den Markt für freie Texter werfen. Und die werden naturgemäß dann gebucht, wenn Not am Mann ist: wenn eine Präsentation bevorsteht und alle schon viel zu spät dran sind, wenn sich die Arbeit seit Wochen stapelt und niemand da ist, der sie erledigt, wenn ein Kunde kurz vor dem Absprung ist. Und das macht aus jedem gebuchten Tag einen Arbeitstag von neun bis Mitternacht oder später. Und das kann ich erst recht nicht mehr. Das will ich auch nicht mehr.

Und drittens, falls erstens und zweitens nicht reichen, sind es nur drei Tage in der Woche.

Und ich weiß, dass ich eigentlich nicht zu viel über Rainer Maria schreiben wollte. Aber heute war der Tag, an dem er einen kleinen, geerbten Teddy gesehen, ihn angestrahlt und mit ihm gesprochen hat und ihn dann mit beiden Händen gegriffen und zu sich herangezogen hat.
Der Teddy hatte übrigens einen Schlafanzug an.