Dienstag, 22. Oktober 2013

Leicht verrissener Köpper.

Große Übergänge und Veränderungen im Leben machen mir Angst. Die letzten drei Tage vor dem ersten Jobtag waren ziemlich ekelhaft, aber nichts gegen die Nächte. "Noch drei mal nicht schlafen" dachte ich am Donnerstag, und genau so war es dann auch. In den ollen, klammen Stunden zwischen Mitternacht und Dämmerung liege ich oft wach, da brauche ich gar keinen besonders bombastischen Anlass, aber das war auch für meine Verhältnisse ein Festival der Grüblerei und der unguten Gedanken. Inzwischen kannte ich mich wenigstens gut genug, um zu hoffen, dass ich von diesem Zwölfer eben einmal springen muss und dann - wer weiß? - vielleicht sogar schneller, als man gucken kann, die Leiter wieder hochklettere und noch mal will.

Genau so war es dann nicht gerade, aber trotzdem bin ich nach zwei Tagen vorsichtig optimistisch.

Meine erste Erkenntnis habe ich früher von anderen schon ca. achthundertmal gehört, aber irgendwie nie so richtig geglaubt. Jetzt kann ich das bestätigen: ein Tag in einem netten Innenstadtbüro ist ungefähr ein Viertel so anstrengend wie ein Tag mit einem schlechtgelaunten Baby. Verglichen mit einem gutgelaunten Baby ist er ca. halb so anstrengend. Wie leicht auf einmal alles ist! Wie einfach! Wie viel Zeit man hat! Ich hatte zwar schon zwei Tassen Tee, aber jetzt hätte ich gerne noch eine. Nur zu! Ich gehe einfach in die Küche und mache mir eine. Jetzt ist Mittag. Was hole ich mir denn, einen Salat? Oder ans vegetarische Buffet? Oder einen Burger mit Fritten? Und wer kommt mit? Diese kleine popelige Schüssel Salat, die ich gerade in einer Papiertüte zurück in die Agentur trage, macht mich glücklich. Wieso? Spinnt die jetzt? Denken sich sicher manche Abkürzungsdamen. Ich sage nur, ich wünsche euch viel Glück für den nächsten Versuch, und dann wartet's mal ab. Es ist natürlich nicht alles toll, in Meetings nerven die gleichen Dinge wie vorher, und auch an bisher zwei Arbeitstagen hatte ich eine Menge Momente, in denen ich mir innerlich vor den Kopf geschlagen habe, aber davon abgesehen: das hier ist der leichte Teil meines Lebens. Das kann ich. Ich weiß, wie das geht. Vielleicht hat es auch geholfen, dass ich mit dem Schlimmsten gerechnet habe. Und das Schlimmste ist nicht passiert. Das Zweit- und Drittschlimmste auch nicht.

Fies ist natürlich, wenn man am ersten Tag nach der vierten Tasse Tee zum Telefon greift und mal hören will, wie es zuhause so läuft, und dann brüllt das Baby, und L. ist mit den Nerven auch schon runter. Aber ich habe mich mit Gewalt davon abgehalten, zwanzig Minuten später schon wieder anzurufen (Kann man auch nicht brauchen, mit brüllendem Baby nach dem Handy zu wühlen, so viel habe ich in drei Monaten auch gelernt), und kurz darauf war auch zuhause der Himmel schon wieder blau. Das Kindermädchen ist wider Erwarten tatsächlich aufgetaucht, hat fröhlich seine Arbeit getan und ist wieder gegangen. Am ersten Tag hat das Baby nicht so viel getrunken wie sonst, aber das hat er dann nach meiner Heimkehr im Affenzahn nachgeholt, und heute ging es schon viel besser.

Ist das zu fassen? Ich bin eine arbeitende Mutter.

Heute habe ich ca. 17mal sämtliche Fotos von Kalle auf meinem Handy durchgeguckt. Und von der Ubahn nach Hause bin ich eigentlich mit ausgebreiteten Armen gerannt. Es war unfassbar schön, nach zehn Stunden ohne ihn meinen kleinen Kalle mit den Pustebacken und den blauen Augen in den Arm zu nehmen. Ich hoffe, ich habe ihm im Überschwang keine Rippe gebrochen. Beschwert hat er sich nicht, im Gegenteil, er hat mich fröhlich angekräht. Morgen noch ein Tag, und dann ist der Spuk für diese Woche auch schon wieder vorbei. "Wie kriegt man das denn hin, mit Baby und Arbeit?" hat mich heute eine gefragt. Mit L., der gerade zu Hochform aufläuft. Mit Karlchen, der ein gesundes Grundvertrauen mit auf die Welt gebracht zu haben scheint und seine Ersatzmutter von Anfang an ins Herz geschlossen hat. Mit Chefs, die bereit sind, einiges für mich zu tun, wenn ich etwas für sie tue. Mit einem Kindermädchen, das Kalle gern hat und das auch bereit ist, drei Stunden mit ihm auf dem Arm durchs Esszimmer zu schwoofen und spanische Schlaflieder zu singen. Und davon abgesehen macht man das wie ein Alkoholiker, der aufhören will: immer einen Tag nach dem anderen.

(Verflixt noch eins. Wieso habe ich das Gefühl, diese Euphorie schreit danach, eins auf die Nase zu bekommen? Und morgen wird es schrecklich und der ganze schöne Plan ist wieder im Eimer?)

Was habe ich sonst noch zu berichten?

Niemand soll sagen, ich bin grundsätzlich ignorant und pampig gegenüber gutgemeinten Ratschlägen. Vor einer Weile, als ich über mein Pipiproblem klagte, haben mir Kommentatorinnen geraten, es mit Cantienica zu versuchen. Und tada, ich bin angemeldet in einem Cantienica-Rückbildungskurs, der am Donnerstag beginnt. Davon erzähle ich dann mal. Ich hoffe, es wird nicht gesungen.

Bei der Osteopathin war ich auch, die sollte etwas gegen meine Rückenschmerzen tun. Jeden Tag mehrere Stunden das Baby zum Teil in nicht orthopädisch korrekter Haltung hochzuheben und rumzuschleppen, fordert seinen Tribut. Danach war es erst schlimmer (wie von ihr angekündigt), aber nach zwei Thermacare Wärmepflastern besser.

Donnerstag gehe ich nicht nur zu Cantienica, sondern auch zum ersten Mal wieder in meine Kinderwunschklinik. Davon erzähle ich dann auch, ganz bestimmt.

Unser erster Flugurlaub mit Baby wird jetzt unser erster Flugurlaub ohne Baby. Meine Mutter hat sich angeboten, für die vier Tage Kalle zu hüten, und das Angebot haben wir angenommen, nachdem ich schon erwogen hatte, mir zwanzig Einwegfläschchen ins Hotel liefern zu lassen, um das Vaporisierproblem zu lösen. (Für Abkürzungsdamen: Fläschchen zu spülen, reicht leider nicht. Keimfrei müssen sie sein, das erreicht man, indem man sie minutenlang auskocht oder in einem Dampfbehälter in die Mikrowelle stellt. Das nennt man Vaporisieren. Jetzt gibt es in den meisten Hotelzimmern weder Mikrowellen noch Kochplatten.) Ein bisschen traurig finde ich das, ich hätte Kalle gerne Wien gezeigt. Andererseits erspare ich ihm vermutlich so eine Menge Stress, meine Mutter freut sich wie eine Schneekönigin, er liebt sie auch heiß und innig, und wir können zusammen ins fabelhafte Wiener Theater.

Den Stammtisch möchte ich so bald wie möglich machen, allerdings würde ich gerne den Termin in der Abkürzungsklinik abwarten, um um die heiße Phase der nächsten IVF herumplanen zu können. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass es am Ende ein Donnerstag im November wird. Könnten interessierte Hamburger Damen vielleicht schon mal kurz kommentieren, an welchen Donnerstagen es auf keinen Fall klappt bei ihnen? Bei mir ist der 21. raus, denn da werde ich mit etwas mit "erl" am Ende im Bauch im Theater sitzen, während hier meine Eltern die Stellung halten.

19 Kommentare:

  1. Großartig, dass dein Arbeitseinstieg und alles darum herum so gut geklappt hat :-) Ich habe es ähnlich wie du gemacht und jetzt gehen meine beiden einjährigen Mädels entspannt in die Kita und alle sind zufrieden! Aber geht es dir auch so: Schön, wieder im Job zu sein - der einem auf einmal oft wie eine Kaffeefahrt vorkommt - aber alter Schwede! Wieviel Zeit verschwenden Kollegen bitte mit nichtigen Diskussionen und ellenlangen Debatten?!? Bin ich nur ungeduldiger oder ein Zeitmanagement-Perfektionistin geworden?

    Herzlichst,

    Kerstin

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  2. Liebe Flora, freut mich, dass es so gut klappt mit der Arbeit.
    Ich bin schon ganz gespannt auf den Stammtisch, werde zum 1. Mal dabei sein. Mir passen alle Donnerstage.
    LG, Jennifer

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  3. Liebe Flora,
    auch ich kann alle Donnerstage im November und würde mich freuen, als "Ersti" dabei sein zu dürfen!
    Viele Grüße
    Nina aus HH

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  4. Liebe Flora, freue mich wie Bolle auf wieder einen Stammtisch von und mit Dir, bin aber am 14 November im Saarland, also weg. Alles Liebe. Sanne.

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  5. Liebe Flora, schön, dass die ersten Tage im Job gut gelaufen sind. Ich hoffe, es bleibt dabei.
    Donnerstage finde ich grundsätzlich super.
    LG

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  6. Schoen, dass es so oder sogar besser klappt, als gewuenscht. Freu mich fuer Dich! Mut wir belohnt. LG Anita

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  7. p.s. viel Erfolg morgen beim Gespräch mit Deiner KiWu-Ärztin! Drücke den Daumen!
    LG Nina aus HH

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  8. Liebe Flora,

    bin gerne beim nächsten Stammtisch dabei! Alle Donnerstage passen gut.
    Viele Grüße Fanny

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  9. Liebe Flora, auch von mir gibt's grünes Licht für die Donnerstage im November. Zum Thema KiWu-Ärztin, hattest Du nicht irgendwann mal geschrieben, dass Du der interessierten Leserschaft im Erfolgsfall verraten wolltest, welche KiWu-Einrichtung Euch zu Eurem Kalle verholfen hat?
    Beste Grüße von K. aus HH

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    1. Hallo liebe K., das hatte ich auch schon mal, allerdings nur in den Kommentaren. Tue es aber gerne noch mal: das war Frau Dr. Horn aus der Klinik Altonaer Straße. Ich hab mich da sehr gut aufgehoben gefühlt. Selbst, wenn es mit Kalle nicht geklappt hätte, würde ich die gerne empfehlen. Liebe Grüße!

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    2. Ach wie schön! Mein Baby stammt auch aus der Klinik Altonaer Strasse. :) Jedoch "von" dem verrückten Dr. Michel. ;)
      Ich habe mich dort auch sehr wohl gefühlt und freue mich schon auf den 2. Versuch.

      Ich überlege ebenfalls zum Stammtisch zu kommen, aber ich weiß nicht, ob ich mich traue...

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    3. Liebe Flora, upps, das ist mir wohl durchgegangen, danke für die Info. Wie der Zufall es will, haben wir uns nach drei mehr oder weniger erfolglosen Versuchen auch an Frau Dr. Horn gewandt. Na, wenn das kein gutes Zeichen ist?! Interessanterweise habe ich sie in Deinen Schilderungen nicht erkannt - werde es wohl noch einmal lesen... :)
      Ich freue mich schon auf den Stammtisch, hoffentlich findet sich ein Termin, der allen passt. Liebe Grüße, K.

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  10. Liebe Flora,
    freue mich mit Dir, dass die Arbeit so gut funktioniert. Ich fange im Feb. wieder an, Papa bleibt dann auch zu Hause. Meine Suesse ist eine Woche juenger als Dein Suesser. Ich lese sehr gern bei Dir, obwohl ich keine Abkuerzung gehen musste, weil Du so humorvoll, aber gleichzeitig ehrlich schreibst. Thumbs up fuer den naechsten Versuch. LG, A.

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  11. Liebe Flora,

    ich lese hier schon von Anfang an mit obwohl ich mich erst seit Kurzem im "Kinderwunschmodus" befinde. Ich würde gern mal bei einem Stammtisch dabei sein, denn mit 41 gehöre ich möglicherweise auch bald zu den Abkürzungsdamen... Ich könnte, wenn es ein Donnerstag im November sein soll, am 7. und 28. und hoffe, dass es auf einen dieser Termine zufällig hinausläuft. Kann ja hier als Ersti keine Ansprüche stellen ;)

    Ganz liebe Grüße, Tina

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  12. Moin,

    da haste Dir wohl die Sorgen schon alle gemacht, so dass es jetzt bestens klappt!

    Bei mir sind noch alle Donnerstage frei. Gehen wir wieder ins G.?

    Ein schönes Wochenende wünsch ich euch!

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  13. Hallo Flora,

    ich finde es zwar super, dass dir der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben auf ganzer Linie geglückt ist, allerdings möchte ich dir noch kurz einen Rat zu eurem geplanten Flugurlaub nach Wien geben...sein Kind tagsüber für mehrere Stunden von Oma/Babysitter o. Ä. betreuen zu lassen ist nicht dasselbe, wie drei Nächte von ihm getrennt zu sein. Auch wenn die Oma sich noch so gut um das Baby kümmert, ist sie eben nicht die Mama, und nachts kann das alles ganz anders und viel schwieriger sein als tagsüber. Vielleicht solltet ihr es erst mal 1-2 Tage testen...und auch dann finde ich 4 Tage am Stück immer noch recht viel für so ein kleines Baby. Er versteht ganz sicher noch nicht, dass seine Mama wiederkommen wird, dafür ist er noch zu klein. Meine ganz persönliche Meinung, die natürlich nicht die von anderen sein muss, ist, dass solche Urlaube und Kurztripps den Zeiten vorbehalten sind, in denen man entweder noch keine Kinder hat oder in denen die Kinder alt genug sind, um zu begreifen, dass Mama und Papa ganz sicher wiederkommen werden. Also: im ersten Lebensjahr auf keinen Fall.

    LG
    Judith

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    1. Ich würde so eine Reise schon mit Baby machen. Dann halt Apartment oder Ferienwohnung. Ein Kind in dem Alter würde ich aber niemals so lange alleine mit der Oma lassen. Judith hat die Gründe gut beschrieben.

      Lieber Gruß
      Nauka

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    2. Kann ich nur zustimmen. Gut geschrieben.

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    3. Finde das auch viiiiel zu lange! Würd ich nie machen - aber das ist MEINE Meinung! Andere sehen das eben wieder anders! Mal ganz davon abgesehen, dass es für das Baby schwierig werden könnte: Ich hätte da auch so meine Probleme, mein Kind sooo lange nicht bei mir zu haben und würde es unendlich vermissen! Den Urlaub könnte ich nicht geniessen!

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