Dienstag, 31. Dezember 2013

Ndogo mit den Scherenhänden

Wer wissen will, ob die Kinderfrau gerade arbeitet oder nicht, muss nur einen Blick in mein Gesicht werfen. Mit und ohne sieht ungefähr so aus wie die Nachher-Vorher-Fotos unseriöser Anbieter von diesen Kosmetikwunderdingen, die in den Gratis-Fernsehzeitschriften verkauft werden. Wobei: die Knutschflecken am Kinn habe ich mit oder ohne. Mein Kind sieht mich und wirft sich sofort mit strahlendem Gesicht und weit aufgerissenem Mund auf mein Kinn, wo er sich festsaugt und ein bisschen nuckelt. Das tut gar nicht weh und dauert auch gar nicht lange, und eine Stunde später gucke ich in den Spiegel und habe einen mandelgroßen, dunkellila Knutschfleck im Gesicht. Bzw. inzwischen vier, denn natürlich nimmt er jedes Mal eine neue Stelle. Klar könnte ich das dick überschminken, aber jemand, der sich schon fast von Diskussionen über den Schaden von Biogläschen aus dem Konzept bringen lässt, geht eher durch die Welt wie ein Prügelopfer, als seinem kostbaren Baby die Zutatenliste meines Heavy-Duty-Makeups zuzumuten. Meistens jedenfalls. Tagsüber. Wenn es nicht unbedingt sein muss. Genau wie bei Pipiproblemen, Dammschnitten oder Mutterbandschmerzen bleibt Papa auch diesmal ganz herrlich unbeschwert und verschont, der stoppelt so doll und wird nicht angesaugt. Die Knutschflecken habe ich also immer, an die habe ich mich auch schon fast gewöhnt. Nein, der große Unterschied zwischen Mit und Ohne sind die winzigen, aber trotzdem blutigen Wündchen überall im Gesicht. Denn ich würde mich niemals, niemals trauen, Ndogo die Fingernägel so ratzekurz zu schneiden wie die Kinderfrau. Woher sie die eisernen Nerven nimmt, ist mir ein Rätsel, ich muss immer schon kurz die Augen zumachen, wenn die Tierärztin den Hunden die Krallen stutzt. Er meint das gar nicht böse! Er greift mir eben nur gerne ins Gesicht, und bevor ich auch nur vorsichtig und sanft sein Händchen zu fassen habe, hat er mir schon den Nasenflügel gepierct. Er braucht dazu auch gar keine Barbra-Streisand-Krallen, ein winziges weißes Rändchen, das laut Babybuch ja sein muss, reicht ihm schon. Wie ist das bei euch, andere Ex-Abkürzungsdamen? Gibt es einen Trick für die Nägel? Muss ich mich einfach abhärten? Wie viele Schnitte habt ihr heute morgen gezählt? Wann hört das auf? Sich selbst verletzt er übrigens anders als andere Babys nicht damit, nur Mamas mit viel Sorgfalt und Tonnen von Kosmetika gepamperte Haut muss dran glauben. Und obwohl die Stoppel dabei nicht stören sollten, kommt Papa auch hier davon. Autsch.

Bääääää bliiiiprrrrpfffff. Gogol. Öööööhmpf.

Morgens um halb neun schlage ich die Augen auf, weil da ein kleines, niedliches Geräusch an meine Ohren dringt: Ndogo ist wach in seinem Bett nebenan und erzählt sich was. Mein Kind ist ein Morgenmensch, ist das zu fassen? Ein Morgenmensch, der trotzdem lange schläft. Nach seinem Fläschchen und einer frischen Windel lege ich ihn in sein neues Babyreservat, ein riesiges, sechseckiges Ding, das er von meinen Eltern zu Weihnachten bekommen hat, und dann kann ich mich fast drauf verlassen, dass er eine halbe Stunde lang alle seine Knister- und Klingel- und Rasseltiere begrüßt und mit seinen Füßen und Händen spielt. Es sei denn natürlich, ich verlasse mich darauf und plane für diese Zeit irgend etwas Erwachsenes fest ein. Dann ist alles anders. Aber wer macht heute schon noch erwachsene Pläne?
Ach ja, wir ja doch. Heute Abend haben wir das erste Mit-Baby-Silvester, und das wird so laufen, wie ich das sonst nur von meinen Eltern kenne: treffen mit zwei Paaren mit Kindern, Fondue (ich mache fünf Saucen für das Fondue. Drei davon habe ich gestern Abend fertig gemacht, zwei erst heute, weil gestern glatte Petersilie aus war. Die drei von gestern sind alle drei brüllend scharf, ich hoffe, die zwei heute werden etwas sanfter, sonst gucken die anderen Erwachsenen mich wieder so an. Keine Gute Idee ist es übrigens, abends mit unbehandschuhten Händen, weil L. entgegen meiner Anweisungen keine Latexhandschuhe, sondern diese riesigen flappigen Plastiktütenhandschuhe für solche Zwecke besorgt hat und in diesem Haushalt ja immer nichts weggeschmissen werden darf, bevor es aufgebraucht wurde oder schimmelt, harrrrgh - mit unbehandschuhten Händen jedenfalls zwölf riesige rote Chilischoten zu zerteilen und zu entkernen und sich dann am nächsten Morgen ohne ein ausgiebiges Handpeeling mit einer dieser Automechaniker-Waschpasten die Kontaktlinsen einzusetzen.), vielleicht ein bisschen milde Knallerei für die größeren Kinder, Frohes neues Jahr, Küsschen links und Küsschen rechts und dann Zähneputzen und ins Bett. Das wird nett! Außerdem, was will ich denn? Ich bin 40, L. ist 43, der Ärmste, und abgeböllerte Finger, Alkoholvergiftungen und Knutschflecke, über deren Herkunft man am nächsten Morgen nur rätseln kann, sollten eigentlich hinter uns liegen. Wobei, Knutschflecke... anderes Thema.
Achtzehn Posts in achtzehn Tagen waren vielleicht ein bisschen zu ehrgeizig. Aber weil ich bisher keinen einzigen Silvestervorsatz habe, will ich wenigstens dieses kümmerliche kleine Ziel erreichen. Damit das klappt, muss ich ein bisschen schummeln. Seid mir nicht böse, wenn das etwas unbeholfen wird. Man sollte es nicht glauben, aber ich habe meine komplette Schul- und Unizeit ohne einen einzigen Spickzettel hinter mich gebracht, da tut man sich ein bisschen schwer. (Nicht aus Tugendhaftigkeit übrigens, sondern weil ich so ein Schisshäschen bin, das noch nicht mal Schwarzfahren kann.) Gerade bin ich bei Nr.6. Ich kann das alles noch schaffen! Und los.

Donnerstag, 26. Dezember 2013

Dreihundertzweiundsechzigmal werden wir noch wach

Es gibt Familien, bei denen sieht der Baum jedes Jahr anders aus. Der Kranz auch. Und auf gar keinen Fall gibt es immer das Gleiche zu Essen an Heiligabend. So eine Familie sind wir nicht. Nicht, dass es keine Veränderungen gegeben hätte. Die frühesten Heiligabende, an die ich mich erinnere, waren die Heiligabende in unserem alten Haus in der Musterhaussiedlung, die größeren Geschenke waren immer hinter einem der grünen Sofas versteckt oder auch mal auf der Terrasse, und es gab Fleischfondue. Fleischfondue war allerdings nicht einfach wegen der Feuergefahr, unser Rechaud hatte seine Mucken, und mein Vater hatte neben dem Essen noch ständig Brandmeisterpflichten zu erfüllen. Irgendwann stellten wir das also um, ich glaube, es gab noch eine Zwischenphase mit Raclette, und dann irgendwann und bis heute eine Kombination aus Lachs, Krabben und entweder Bündnerfleisch oder Schinken und hinterher rote Grütze. Als wir klein waren, gab es außerdem die Tradition, dass meine Mutter den Baum allein schmückte und auch die Geschenke allein unter den Baum/hinter das Sofa legte, und wir nur durch die Butzenscheiben der Durchreiche ein paar Schemen erkennen konnten. Niemand durfte vor der Bescherung den Raum betreten. An Heiligabend blieb der Fernseher aus. Und ausgepackt wurde nach Alter: der Jüngste zuerst. Irgendwann kamen andere Traditionen dazu und verschwanden wieder aus dem Repertoire: meine Schwester und ich haben ein paar Jahre lang selbst Geschenkpapier aus Packpapier gemacht, mit Kartoffelstempeln. Mein Bruder hat sich angewöhnt, uns beide beim Schminken zu ärgern. Und am nächsten Morgen wache ich gerne früh genug auf, um vor allen anderen noch ein bisschen im Schlafanzug auf dem Sofa zu sitzen, rote Grütze zu essen und Weihnachtsbücher zu lesen.
Seit ein paar Jahren sind unsere Familientraditionen etwas in Unordnung geraten. Einmal wurde ich kurz vor Weihnachten operiert und war nicht reisefähig. Einmal war ich zwar reisefähig, saß aber mit L. bis Heiligabend in London fest, weil drei Zentimeter Schnee den englischen Flugverkehr lahmgelegt hatten. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal alle in Hamburg bei uns gefeiert, dieses Jahr zum zweiten Mal. Und ich kann mir nicht helfen, ich finde, ich kriege das irgendwie nicht so hin mit den Traditionen. Nicht, dass alles unbedingt so laufen müsste wie früher, das will weder ich noch meine Familie. Aber ich habe Ndogo im Arm und denke: eines Tages werde ich mal die sein, die sein Weihnachten macht. Kriege ich das hin? Gerade habe ich nicht das Gefühl. Nicht, dass uns über Weihnachten die Milch ausgehen würde oder ich vergessen hätte, Kerzen für den Baum zu kaufen - es ist nur... ach, ich weiß auch nicht. Irgendwie ist dieses "Weihnachten mit Baby" so ein Möhrchen, mit dem ich mir selbst manchmal vor der Nase rumgewedelt habe, als ich noch mitten in der Abkürzungszeit gesteckt habe. Und jetzt ist es da, das Baby und das Weihnachten, und ich habe mich selten so als Mutter gefühlt wie in den letzten paar Tagen. Vielleicht ist Weihnachten für mich selbst immer noch eine zu dicke Sache. Vielleicht geht das allen frischen Müttern so. Vielleicht habe ich einen kleinen Weihnachtsrappel. Wer weiß?

Heute nacht schläft Ndogo zum ersten Mal in seinem Zimmer. Vier Nächte lang hatte jetzt mein Bruder sein Matratzenlager darin, und ich hatte beschlossen, dass Ndogo nun endgültig reif für den Auszug aus der Babybay ist, bevor wir ein Brecheisen brauchen, um ihn morgens aus dem winzigen Ding zu stemmen. Das Gitterbett stand an unserem Fußende, und er hat wie fast immer mustergültig darin geschlafen. Jetzt ist alles wieder an seinem Platz, und das Bett steht nun drei Meter weiter weg als an unserem Fußende, direkt wenn man zur Babyzimmertür reinkommt, die übrigens offen steht. Dort liegt er jetzt in seinem Schlafsack und hat keine Ahnung, was seine Mutter hier schon wieder für Hirnfürze hin und her wälzt.
Ach, kleines Kerlchen - ich hoffe, dein erstes Weihnachten hat dir gefallen. Ich schmiede gerade schon erste Pläne für dein zweites.

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Wie ist denn nun Weihnachten mit Baby?

Bisher ist es ziemlich betriebsam. Hier ist Rehgulasch zu kochen und zu essen, Kuchen zu backen, Feuer zu machen, Geschenke ein- und auszupacken, für Fotos zu posieren und noch so allerhand. Ich glaube aber, Ndogo findet es gut. Mit fünf Monaten ist er jetzt endgültig rausgewachsen aus dem Babybay, und wir haben das große Gitterbettchen eingeweiht. Allerdings noch am Fuß unseres Bettes, denn in Ndogos Zimmer hat mein Bruder sein Schlaflager eingerichtet. Weil unser Baby aber tatsächlich die ganze Nacht durchratzt, ohne einen Piep von sich zu geben, kann es da gerne noch ein bisschen stehen bleiben. Außerdem ist er jetzt aus seinem Stubenwagen rausgewachsen, stattdessen hat er ein fabelhaftes sechseckiges Laufgitter von meinen Eltern bekommen, in dem er jetzt liegt und mit seinem Holzfrosch spielt. Das Laufgitter schlägt im Moment den brennenden Weihnachtsbaum um Längen, was große Kinderaugen angeht, vielleicht brennen hier aber auch so oft Kerzen und Feuer, dass Ndogo das nicht weiter doll findet, wenn sie zur Abwechslung mal an einer Tanne befestigt sind. Obwohl meine Mutter ihn fast pausenlos auf dem Schoß hat und bespaßt, ist das jetzt gerade tatsächlich die erste Gelegenheit, mal untätig und tippend auf dem Sofa zu sitzen. Aber noch sind die 18 Tage ja auch nicht rum, ich habe noch alle Gelegenheit der Welt für 18 Posts.

Jetzt allerdings muss ich Tee trinken. Ich wünsche allen Abkürzungsdamen fröhliche Weihnachten, ob mit oder ohne Baby, und spätestens im nächsten Jahr einen schönen Schwall Milchspucki auf dem Sonntagskleid!

Samstag, 21. Dezember 2013

ALARRRRRRMMMMMM! Das Kind schläft.

Sobald Ndogo tagsüber mal die Augen zumacht, bricht hier hektische Aktivität aus. Jetzt z.B.: ich war noch kurz im Supermarkt mit ihm, dabei schläft er immer ein, und so lange die Ruhe da unten anhält, will ich versuchen, folgende Punkte von der Liste zu haken: Post schreiben, Weihnachtsplaylist machen, Kuchen backen, Nigellas Union Square Café Nüsschen machen, um sie an nette Nachbarn zu verteilen, Trockner anschmeißen, Waschmaschine anschmeißen, Gästebetten für Familie beziehen und ganz vielleicht sogar noch Staubsaugen. In diesen kostbaren Viertelstunden verwandele ich mich immer in einen dieser Straßenmusiker, die es nur in Karrikaturen gibt: so einen, der gleichzeitig Mundharmonika, Pauke, Rumbarassel und Trompete spielt. Na? Tut sich was?

Nein. Also los.

Laufen war für mich immer eine hoch emotionale, rockymäßig aufgeladene Angelegenheit. Vor der ersten Cantienica-Stunde sollten wir der Kursleiterin schriftlich mitteilen, was genau uns in diesen Kurs treibt. Ich habe geschrieben, ich mache mir seit der Geburt in die Hose, was insgesamt natürlich unerfreulich ist, aber VOR ALLEM deshalb, weil ich so nicht wieder laufen gehen kann. Wer es noch nie erlebt hat, kann es sich nicht vorstellen, aber nichts ist so verhängnisvoll wie laufen, wenn man ein Pipiproblem hat. Ich könnte mir vorstellen, Springreiten, Trampolinspringen oder Rasensprengen sind weniger schwierig, auch wenn ich noch nichts davon seit der Geburt ausprobiert habe. In dem Kurs habe ich eine Menge gelernt. Z.B., dass richtige, klassische Bauchübungen nach einer Geburt das letzte sind, was man tun sollte: in der Schwangerschaft werden die Bauchmuskeln in der Bauchmitte nach links und rechts gedrückt und brauchen eine Weile, um wieder zurück zu wandern, wenn das Kind auf der Welt ist. Macht man zu früh richtige Bauchübungen, dann bleibt das so: man hat dann quasi ein Loch in der Bauchmitte. Also keine Situps und keine Klappmesser bei Cantienica. Außerdem haben wir den Bauch nicht einfach eingezogen für die Übungen, sondern uns vorgestellt, wir würden ein X mit unserem Bauchnabel machen. Es klingt bescheuert, aber hat man es erst mal gelernt, dann sieht man in einer Sekunde ungefähr fünf Kilo leichter aus und hat tatsächlich das Gefühl, gerade die Muskeln hinter den doch eigentlich auch ziemlich tiefsitzenden Pilates-Muskeln zu trainieren. Ich will nicht alles verraten, schließlich sollen ja auch noch ein paar Damen in die Cantienica-Schule gehen, aber irgendwas daran scheint zu funktionieren, wenn auch anders als gedacht. Eigentlich neige ich zu viel zu frühen und viel zu harschen Urteilen bei solchen Kursen, aber obwohl ich nach wie vor keiner Ubahn fünf Schritte hinterherrennen kann und noch weit entfernt von meinem ersten Lauf im Park bin, habe ich doch das Gefühl, so ganz, ganz langsam tut sich etwas. Und ich weiß jetzt schon, wenn ich irgendwann die Stöpsel in die Ohren stecke, die Nike Frees zuschnüre und tatsächlich eine halbe Stunde locker durch den Park trabe, mit trockener Hose, dann wird das so ungefähr das Gefühl sein wie damals bei Heidi, als Clara wieder laufen konnte. Auch, wenn die Hose trocken bleiben wird, die Augen werden es nicht. (Ich versuche es also auf jeden Fall erst nach Einbruch der Dunkelheit oder vor Sonnenaufgang.) Und auch, wenn einige Damen im Kurs scheinbar nicht so glücklich mit dem Ergebnis waren, würde ich sagen: abenteuerlustige Damen sollen es ruhig mal versuchen. (Es gibt auch einen Cantienica-Kurs, der das Gesicht faltenfrei und straff halten soll. Ich spiele ja mit dem Gedanken...)

Das Kind schläft immer noch, vielleicht mache ich sicherheitshalber schon mal die Playlist für diesen Anlass?

Damit zum nächsten Punkt auf der Liste.

Freitag, 20. Dezember 2013

Und wieder ein Grund, dankbar zu sein.

Manchmal geht es gut aus. Freunde von Freunden und andere Freunde von Freunden haben ihren Mut zusammengenommen und ein Pflegekind aufgenommen, und nach einigen Nervenkrisen und mit Sicherheit vielen schlaflosen Nächten, die nichts mit Babygeschrei und alles mit Bürokratie zu tun hatten, durften sie die kleinen Würmchen adoptieren und behalten, für immer, egal was. Und manchmal geht es so aus wie jetzt gerade in Hamburg. Gestern konnte ich immer nur denken: das könnten wir sein. Diese Leute aus Rotherbaum, die jetzt vermutlich die Welt nicht mehr verstehen und auch nie mehr verstehen werden. Wenn ich das wäre, müsste man mich besser für die nächsten Wochen irgendwo sicher verstauen, zu meinem eigenen Schutz, aber auch dem Schutz dieser Jugendamtmitarbeiter und zum Schutz dieses grauenvollen, assigen, gottverlassenen und widerlichen Elternpaares. Wann man mich gefahrlos wieder freilassen könnte, weiß ich allerdings auch nicht: wann ist so etwas vorbei? In zwei Monaten? In drei Jahren? Nie? Und ich hab Ndogo im Arm, der gerade jedes Mal wenn er mein Gesicht sieht freudig loskreischt, als wäre ich Take That, und habe das Gefühl, gerade fast von einem Panzer überrollt worden zu sein. Aber eben nur fast.

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Achtzehn Tage, achtzehn Posts: schön wär's.

Wäre die Uhr an meinem Agenturrechner heute ausnahmsweise mit einem laut hallenden Donnerschlag von 17:59 auf 18:00 umgesprungen, hätte ich davon sowieso nichts mitbekommen, denn ich war damit beschäftigt, in die Hände klatschend und brüllend um den Tisch zu hüpfen. Achtzehn freie Tage liegen vor mir. Achtzehn! Mein mieses Handwerkerkarma hat diesmal ausnahmsweise für mich gearbeitet und dafür gesorgt, dass auch diesmal die Fensterboys bei der Konstruktion unserer Wintergartenfenster deutlich hinterher hinken und nicht, wie geplant, jetzt, zwischen den Feiertagen oder in der Woche danach hier anrücken können. Ich bin sowas von gar nicht böse darüber, muss aber L. zuliebe zumindest ein bisschen so tun, als würde mich das nun nerven.

Was ich abgesehen von Weihnachten mit der Familie noch so vorhabe, weiß ich noch gar nicht und will ich auch jetzt noch gar nicht beschließen, sonst schrumpfen diese achtzehn Tage ganz schnell zu einem Terminmarathon zusammen. Noch will ich mich für ein paar Stunden der Illusion hingeben, ich könnte mit dieser Zeit tatsächlich frei und großzügig wirtschaften. Aber eine Sache würde ich gerne versuchen: ich würde gerne in achtzehn Tagen achtzehn mal posten. Ich finde, ich habe den Blog ganz schön schleifen lassen. Damit ist jetzt Schluss!

Jetzt allerdings ist es schon nach zehn, Ndogo ist erst vor ca. zwanzig Minuten eingeschlafen, ich bin völlig kaputt und kriege wieder mal nur einen Schnelldurchlauf hin.

Cantienica ist jetzt vorbei, und wegen einmal Migräne, einmal Wien-Urlaub und einmal in der darauffolgenden Woche wegen verlorenem Rhythmus verpennt habe ich jetzt drei von acht Stunden verpasst. Da darf man eigentlich nicht meckern, auch wenn ich wirklich viel Zeit damit zugebracht habe, die Übungen zuhause oder auch mal möglichst unauffällig in der Bahn zu machen. Ich hätte in meiner Naivität gehofft, es würde schneller wirken. Noch tut es das nicht, noch ist es eher schlimmer denn je. Bzw. war, seit vielleicht vier, fünf Tagen geht es langsam bergauf. (Sagte sie und hoffte, dass der nächste steile Bordstein oder die nächste gerade noch erwischte Ubahn nicht einen Rückschlag bringen.) Zum Pipithema fehlt mir jetzt gerade die Energie, aber dazu noch mal mehr. (Es sei denn, ihr findet das alle so ekelig und peinlich und daneben, dass da kein Bedarf besteht? Davon abgesehen, dass das Thema sowieso keine von uns wirklich brauchen kann und will?)

Ndogo isst weiter hochzufrieden seine Gläschen, und ich kann wieder mal mein Glück nicht fassen: nicht nur, dass er meine Schlafenszeiten hat (Augen zu so ungefähr um zehn, Augen das nächste mal auf um sieben) und uns in der Zeit zwischen elf und halb sechs insgesamt vielleicht acht mal geweckt hat in den fast fünf Monaten, die er auf der Welt ist - die ersten Tage im Krankenhaus mal nicht mitgerechnet - sperrt er auch noch bei bisher fast allen Gläschensorten schön den Schnabel auf und greift sogar schon nach dem Löffel, wenn ihm das nicht schnell genug geht. Ich glaube, das mit der Babykocherei geht hier demnächst mal los.

Der nächste Versuch muss leider noch ein bisschen auf sich warten lassen. Zwar hatte ich inzwischen meine Tage, aber treffsicher wie immer hat mein Quatschbauch in dem Moment losgelegt, in dem die Punktion und die Rückübertragung genau in die Weihnachtsferien meiner Klinik fielen, da war dann nichts zu machen. Jetzt warten wir auf die zweite Runde, die hoffentlich in der ersten Januarhälfte losgeht.

Womit wir in der zweiten Januarhälfte wären und damit beim Stammtischtermin: im Spiel waren dritter und 17. Januar. Für L., der babysitten muss, gehen beide vorgeschlagenen Termine, zwei von den Kommentardamen können aber nicht am 3., und damit bekommt den Zuschlag der 17. Januar.

Wir haben einen Termin! Uff. Und ich hole mir jetzt ein Glas Weißwein und freu mich darauf, dass nun endlich, endlich meine Weihnachtszeit beginnt.

Sonntag, 1. Dezember 2013

Einerseits in tiefer Zerknirschung, andererseits aber trotzdem von einem Ohr zum anderen grinsend

Ich habe ein Baby. Hatte ich schon mal erwähnt, oder? Im Moment schläft es nebenan im Stubenwagen in der Küche, aber jede Sekunde kann es wieder wach sein, und dann geht der Spaß weiter mit greifen und brabbeln und kichern und fuchteln. Noch nie vorher gab es das, dass ich ihn achtzig mal am Tag anstarre und denke wie zum ersten Mal: ich habe ein Baby. In den letzten Tagen habe ich so viel Zeit mit ihm verbracht, dass es sich manchmal anfühlt, als wären wir an der Hüfte zusammengewachsen, und fast jede Minute davon hat Spaß gemacht. Seit Donnerstag bekommt er mittags Gläschen, und ich bekomme schon eine leise Ahnung davon, was für großartige Zeiten wir zwei rund ums Essen erleben werden. Erster Tag: Apfel pur aus dem Glas. Er hat gegessen, aber Begeisterung sieht anders aus. Wie Begeisterung aussieht, habe ich dann am Freitag erlebt, als wir zum ersten Mal Kürbis hatten. Gestern dann die zweite Hälfte des Kürbisgläschens, und heute - mal sehen? Gerade gab es zum dritten Frühstück eine kleine Schale zermatschte Banane mit Premilch angerührt, und er hat mir sehr höflich zu verstehen gegeben, dass ich das bitte so schnell nicht noch mal versuche. Mein Kind mag salzig lieber als süß! (Bevor jetzt hier jemand vor Schreck einen Schlaganfall bekommt, nein, ich tue kein Salz an die Gemüsegläschen.) Auch da kommt er nach mir. Noch mal zum Gläschen- vs. Selbstkoch-Thema: Ich bleibe dabei. So lange die Gläschen aus einzelnen Zutaten bestehen, sehe ich absolut keinen Grund, das selbst zu machen - im Gegenteil, ich gehe fest davon aus, dass die Gläschenfirma das besser hinkriegt: frischeres Gemüse ohne Umweg über Großmarkt und Edeka-Lieferant, auf die Sekunde genau austarierte Garzeit, gesetzlich vorgeschriebene penibelste Hygiene-Standards. Da kann ich mit meinem Pürierstab und meinem Mikrowellen-Dämpfkorb nicht gegen an. Aber bald beginnt die Zeit, in der Ndogo auch mal was Spannenderes probieren darf. Und dann lege ich los, dass es nur so knallt. Das passende Post-Label hab ich schon mal eingeführt.

Heute ist L. bei seinem Nerdsport, und wir machen es uns weihnachtlich. Gerade habe ich eine große Dose Spritzgebäck mit dem Fleischwolf meiner Oma produziert, während das Baby (ich habe nämlich ein Baby.) in der Wiege danebenlag und hingerissen die eine Kerze am Adventskranz angestarrt hat. Dazu lief meine Weihnachtsplaylist, und nachher zünden wir vielleicht noch die Kerzen an der Weihnachtspyramide an. Nicht, dass ich all das nicht auch die letzten Jahre schon veranstaltet hätte, Weihnachten kann ich auch gut alleine. (Und auch dieses Jahr bringt mich diese niederträchtige Ferrero-Plakataktion "Was wäre Weihnachten ohne Kinder?" wieder zur Weißglut wie eh und je. Denken die eigentlich nicht nach? Oder denken die sehr wohl nach, aber machen es einfach trotzdem?) Trotzdem bin ich gerade so dermaßen dankbar, dass mir eigentlich Marzipan aus den Ohren quellen müsste. Ich habe ein Baby. Ist das zu fassen?

Damit zum Stammtisch. Und ich weiß, ich hab es versprochen, und ich wollte wirklich, aber es ist wie verhext. An einem der Montage bin ich auf einem Geburtstag eingeladen. Am anderen Montag will meine Auftraggeberagentur - Überraschung! - dass ich mit ihr über Nacht zur Agenturweihnachtsfeier fliege. Und der dritte angebotene Termin ist futschi, weil sich für diese Nacht im Kielwasser einer anderen Agenturweihnachtsfeier Besuch aus Berlin angekündigt hat, den ich schon viel, viel zu lange nicht mehr gesehen habe. Bitte verbucht es nicht unter "War ja klar, sobald Flora ein Baby hat, sind die Abkürzungsdamen nicht mehr wichtig", sondern unter "So ist das eben vor Weihnachten, eben noch wochenlang ein freier Tag neben dem anderen, dann macht es einmal leise 'Puff' und alles ist voll mit irgendwelchen Terminen." Ich wäre aber sehr dafür, dass wir jetzt schon einen Termin für Januar festmachen und schlage hiermit vor: Freitag, der dritte, oder Freitag, der siebzehnte. An beiden Terminen hat L. Zeit, den Babysitter zu machen. An keinem der Termine hat jemand Geburtstag.

Und jetzt wünsche ich allen Abkürzungs- und Ex-Abkürzungsdamen einen schönen ersten Advent.