Freitag, 29. Dezember 2017

Ein dickes Dankeschön geht heute an den hervorragend funktionierenden Nachsendeservice der Post.

In unserem winzigen Kellerraum stehen immer noch zwei nicht ausgepackte Umzugskartons. Was darin ist? Keine Ahnung, es fehlt jedenfalls kaum im Alltag, trotzdem werde ich vermutlich eines Tages, wenn ich sie öffne und L. das alles so wie es ist auf den Recyclinghof fahren will, laut protestieren. “Aber das hat meiner Uroma gehört!” “Aber das hab ich damals mit Micha auf dem Flohmarkt gekauft!” “Aber das ist schon acht mal mit mir umgezogen, das bleibt!” Wie auch immer, in den vergangenen 28 Monaten in unserer Wohnung habe ich nicht die Zeit gefunden, die Dinger einmal nach oben zu schleppen, durchzusehen und den Inhalt in Schatz und Schrott aufzuteilen. Und jetzt werde ich es auch vermutlich nicht mehr tun, denn: wir ziehen schon wieder um.
Ja, ungefähr so, wie Du jetzt guckst, fühle ich mich dabei auch manchmal. Schließlich hänge ich an dieser Wohnung, vor allem aber an dieser Straße, die schon immer eine meiner Lieblingsstraßen in dieser Stadt war. Nirgendwo sonst ist es gleichzeitig so städtisch und so romantisch, nirgendwo sonst hat man die besten Käse, Fische, Früchte und Gewürze der Welt so dermaßen vor der Haustür, nirgendwo sonst ist die Aussicht aus wirklich jedem Fenster so besonders, und dann kommen noch die Dinge dazu, die wir hier erlebt haben und erleben: hier saß L. auf dem Sofa, als ich mit der Nachricht vom Arzt kam, dass Klärchen unterwegs ist. Hier bin ich vor ein paar Monaten mit dickem Bauch in einer Winternacht ins Taxi gesprungen und drei Tage später (leider mit immer noch genau so dickem Bauch, wie mein Vater kritisch feststellte) an einem sonnigen Frühlingstag mit Baby zurück gekommen. Hier rennt Kalle Sonntagmorgens im Schlafanzug eine Treppe höher, klingelt bei seinem besten Kumpel Jonathan, und dann laufen sie den ganzen Tag zwischen den Wohnungen hin und her und versuchen, dem Tag so viel Superhelden-Quatsch, Burgenbauen, Brausebonbons und Jim-Knopf-gucken wie möglich abzuringen. Hier laufen überall auf der Straße diese großartigen alten Damen herum, ein bisschen fast wie auf der Upper East Side: knapp über 40 Kilo wiegende Schabracken, wobei Make-Up und Schmuck alleine ein Kilo ausmachen, die seit vielen Jahren ihren ganz eigenen Style aus Schmetterlingsbrille, Pelzstola und Schottenkarohandtasche kultivieren und dafür in meinen Augen einen Orden verdienen, nur dass so eine Jeans-und-Pulli-Mutti wie ich in wiederum ihren Augen natürlich keinerlei Recht hat, sich negativ oder positiv über ihre Aufmachung zu äußern. Recht haben sie! Dann stehen die vor mir bei Fisch Schmidt und kaufen 50 Gramm Krabbensalat, und ich stehe hinter ihnen und vibriere fast vor lauter Gutfinden, und jetzt ziehe ich demnächst in eine Gegend, in der die Jeans-und-Pulli-Fraktion deutlich anwächst, auch wenn wir nur zwei Straßen weiter wohnen werden.

Ach, das alles hier wird mir schon fehlen. Das alte Fabrikgebäude, das man aus dem Schlafzimmerfenster sieht. Die Wasserhühnchen und Enten und Gänse mit ihren Jungen im Frühjahr. Die Kanufahrer, die Wasserschutzpolizei, der Markt, Fisch Schmidt, der teure Kiosk, der so ungefähr die gleichen Öffnungszeiten wie Edeka ein paar Meter weiter hat und in dem ich trotzdem ständig war, der engste Budni der Stadt und die netten Nachbarn, die Bahn vorm Fenster und der Ausblick in die Küche der alten Dame, die einmal pro Woche für fremde Menschen großartige Menüs zaubert, und alles für den guten Zweck.

Aber jetzt ziehen wir in ein Haus, und das wird irgendwie immer schöner. Zwar ist der Garten winzig, aber direkt um die Ecke ist ein Park, in dem angeblich alle Kinder aus dem kleinen Viertel ständig zusammen spielen. Jedes Kind bekommt ein eigenes Zimmer, wenn auch ein kleines, und wir haben endlich keine Nachbarn mehr, denen wir auf dem Kopf rumtrampeln. Ich freue mich auf ein neues Viertel, endlich wieder einen Dönermann und einen ganz normalen Gemüsemann in Laufentfernung, auf neue Nachtgeräusche und neue Alltagsentdeckungen, darauf, wie sich der neue Supermarkt genau so schnell und gründlich in meine Gehirnwindungen frisst wie der alte, auf die Nachbarn und ihre zahlreichen Kinder (wie wir ganz schnell an den unzähligen Laufrädern in der Garage und den Tripptrapps in Küchenfenstern erkannt haben), auf jetzt etwas weniger spontane, aber genau so schöne Wochenendbesuche von Jonathan mit Übernachtung und Waffeln zum Frühstück, auf einen immer noch freien Tiefgaragenstellplatz, auf den ich mir vielleicht, wenn wieder etwas mehr als nur das Elterngeld in die Kasse kommt, irgendwann ein schönes altes Lieblingsauto stelle, vor allem aber auf ein Haus: etwas, das für mich schon immer irgendwie mehr war als eine Wohnung. Auf eine Einweihungsparty mit “Our House” bis zum Anschlag, darauf, all die bestimmt sehr netten Nachbarn kennen zu lernen, darauf, überhaupt all das Neue kennen zu lernen. Und der Markt, die trotzigen alten Damen und Fisch Schmidt sind eigentlich immer noch direkt um die Ecke.

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Sagt mal Pilz.

Eure Unterhose schmilzt! Haha! Hahahaaaaaa!

Das haben wir vor 40 Jahren gemacht, das machen sie immer noch, meine Jungs zumindest. Eine kleine Micky Maus zog sich mal die Hosen aus, zog sie wieder an und du bist dran. Ist das nicht schön? Ich finde schon.

Vor ein paar Tagen habe ich ca. zwanzig Minuten mit dem Gedankenexperiment “Wenn die Autoren von ‘Meine Freundin Conni’ Game of Thrones zu Ende schreiben müssten” zugebracht und es dann wegen maulsperrenverursachender Langeweile gelassen. Für alle ohne Kinder und daher ohne Conni: Conni ist ein kleines Mädchen mit gestreiftem Pulli und Jeans (insofern sind wir uns sehr ähnlich) und Heldin von gefühlt 4.237 Geschichten in Buch, Film und Hörspiel, die so ziemlich alles erlebt, was Kindern so widerfahren kann. Sie geht zum Zahnarzt, macht das Seepferdchen, zieht um, verreist, hat Schnupfen usw. In all diesen Geschichten passiert sonst nichts weiter. Die Geschichte “Conni geht zum Turnen” handelt davon, dass Conni zum Turnen geht. In “Conni geht nicht mit Fremden mit” geht Conni nicht mit Fremden mit. Das ist an sich nicht weiter schlimm, aber was mir fürchterlich auf die Nerven geht, ist Connis Mutter. Eigentlich, aber das habe ich erst irgendwann aus einem Nebensatz herausgelesen, ist sie Ärztin. Vor allem aber kocht, gärtnert und putzt sie bester Laune und bringt Conni zu ihren 180 Freizeitaktivitäten. Davon abgesehen ist sie der geduldigste, ausgeglichenste und humorloseste Mensch, den ich kenne. Egal, welche Laune Conni in den blonden Kopf schießt: ihre Mama ist dabei. Conni will reiten, schwimmen lernen, turnen, Musikunterricht nehmen, eine Katze haben oder zum Ballett: darf sie, Mama bringt sie hin und ist voller Anerkennung für Connis Erfolge dort (Misserfolge gibt es nicht, Conni kann das immer alles ganz, ganz toll). Wenn Conni heimlich mit ihrem Freund Simon Pizza backen will und die Küche in eine Wolke aus Mehl hüllt, dann kommt ihre Mutter rein und sagt “Na, was ist denn hier los?” ungefähr in dem Tonfall, in dem ich sagen würde “Blumen und Fritten? Für mich?” Als Connis Eltern ein Haus kaufen wollen und Conni bockig ist, sagt Connis Mama, dass sie selbstverständlich kein Haus kaufen werden, mit dem Conni nicht einverstanden ist. “Ihr Vollidioten, Nein Nein Nein!!!” habe ich noch gedacht, als ich das erste Mal mit den Jungs davor saß. Inzwischen denke ich gar nichts mehr und hoffe, dass das Conni-Alter bald endet. Wer ist diese Frau? Gibt es sie wirklich? Wer ist ihr Therapeut? Welchen Wein oder Schnaps kauft sie bevorzugt? A propos: einige Conni-Folgen, die wir trotz aller Vielfalt niemals sehen werden, sind z.B. “Connis Mama hat einen Kater, schon wieder”, “Connis Eltern lassen sich wahrscheinlich scheiden, vielleicht aber auch nicht” oder auch “Connis Papa schließt sich stundenlang im Bad ein”.

Je mehr ich von Conni und ihrer Mutter sehe, desto mehr freue ich mich über Willi Wiberg. Willi lebt bei seinem Vater, der ab und zu wirklich und wahrhaftig lieber die Zeitung liest, als mit Willi zu spielen. Der nicht zu jeder Gemütsregung von Willi eine verständnisvolle Predigt vorbereitet hat. Und der trotzdem ganz klar ein guter, liebevoller Papa ist.

Weihnachten! Da war doch was. Ja, ich weiß, Weihnachtsgrüße haben anders auszusehen als so, sie starten nicht mit einem mehr als zwanzigzeiligen Rant über eine Kinderbuchheldin. Aber dieses Jahr hat mich Weihnachten ausnahmsweise nicht nur überfordert, sondern auch schwer genervt, und ich habe mich wie ein tapferer kleiner Bulldozer mit einer abgesprungenen Kette und einem Ölleck irgendwie durchgewühlt. Dazu bestimmt bald mehr (ich merke gerade, dass erstaunlich viel Platz in diesem Blog davon aufgefressen wird, spätere Posts zu versprechen).

p.s. übrigens ist das Gedankenexperiment "Wenn die Autoren des Traumschiffs Game of Thrones zu Ende schreiben müssten" viel Erfolg versprechender.

Mittwoch, 1. November 2017

Stars in der Manege

Heute ist etwas ganz Besonderes passiert, und dass es so besonders war, ist mir erst ein paar Minuten später aufgegangen. Ich habe mit Klärchen im Kinderwagen auf einen Aufzug gewartet. Bei diesem Aufzug weist ein Schild ausdrücklich darauf hin, dass Rollstuhlfahrer und Kinderwagen Vorrang haben. Außerdem muss man wissen, dass dieser Aufzug einer der langsamsten der Stadt ist. Ich habe manchmal schon zehn Minuten mit dem Warten auf diesen Aufzug verbracht. Auch heute dauerte es. Ungefähr eine Minute nach mir stellte sich eine Familie mit zwei Jungs im Kindergartenalter dazu. Und dann geschah das Besondere: die Mutter nahm ihre Kinder beiseite, hockte sich ganz dicht zu ihnen und flüsterte ihnen dann so zu, dass ich es kaum verstehen konnte, wenn jetzt gleich der Aufzug käme, dann müssten sie unbedingt warten, bis ich mit Wagen drin wäre, und erst dann dürften sie einsteigen. Sie sollten nicht drängeln, nicht schieben und schön leise sein. Denn ich sei zuerst da gewesen, und ich hätte einen Kinderwagen mit einem schlafenden Baby dabei.

Dann kam der Aufzug, sie haben ein bisschen gedrängelt, aber wirklich nur ein bisschen, und mit einem Griff an die Schulter haben sie sofort damit aufgehört und haben mir noch einen schüchternen Blick zugeworfen.

Das Besondere daran war, dass die Frau geflüstert hat, und zwar nicht laut geflüstert - dieses Flüstern, das meterweit trägt - sondern tatsächlich nicht wollte, dass ich das höre. Und das ist wirklich ungewöhnlich. Denn in letzter Zeit habe ich manchmal den Eindruck, 70-99% der Erziehungsversuche in meiner Nähe passieren nicht den Kindern zuliebe, sondern für die mehr oder weniger zufällig anwesenden Erwachsenen. Ob die Mutti vor mir ihren Kindern in der Supermarktschlange mit tragender Stimme ausführlichst und pädagogisch lehrbuchmäßig erklärt, wieso es jetzt keine Süßigkeiten gibt, ob es darum geht, wie die Hausschuhe in der Kita weggeräumt werden müssen oder um sozialverträgliches Verhalten im Sandkasten: wir hören zu, und plötzlich sind wir Punktrichter, ohne uns jemals für diesen Job beworben zu haben. Dabei scheint es so zu sein, dass es die echten Top-Noten in dieser Erziehungs-Saison vor allem für Strenge gibt. Immer liebevoll, klar - aber eher zu den strengeren Eltern zu gehören, ist schon erstrebenswert. Strukturen, Regeln, klare Kante: guckt mich an, ich mache es richtig. Und ich will hier gar nicht groß dazu schreiben, was ich davon halte, ich bin mir da nämlich selbst nicht immer so sicher, aber sehr sicher bin ich mir, dass Show-Strenge für Publikum zwar menschlich verständlich, aber trotzdem daneben ist. Schief geht es außerdem. Wie soll Mariechen (die sonst zuhause so ziemlich alles essen oder verschmähen darf, was sie will) das auch raffen, wenn jetzt hier im Supermarkt Mama auf einmal anfängt, irgendwas von Gemüse und alle essen zusammen zu erzählen? Sie versteht die Welt nicht mehr, und mir ginge es genau so. Au Backe, die anderen Kita-Eltern dürfen bloß niemals merken, dass unser Kind fernsehen darf, Süßigkeiten isst, manchmal mit Papas Iphone spielt und Superhelden-Schlafanzüge von H&M trägt, die in Bangladesch hergestellt wurden. Wie stehen wir sonst da? Ich hab das übrigens auch schon gemacht. Trist ist das, und ich schäme mich auch ein wenig, aber ich hab's getan.

Montag, 30. Oktober 2017

Ich kann meine Füße wieder sehen. Und sie sehen nicht gut aus.

Der typische Lebenszyklus einer Diät läuft bei mir ungefähr so:
1. Abwehr.
Diät? Ich doch nicht! Sollen sich andere den Stoffwechsel und die Laune versauen, mir schmeckt es eben, und das soll auch schön so bleiben. Marilyn Monroe hatte Größe 42! Oder jedenfalls irgend etwas mit einer 4 vorne. Ich kann ja bei Gelegenheit, sobald der Beckenboden wieder mitmacht, mal wieder laufen gehen. Nur zum Spaß natürlich! Aus Freude an der Bewegung!

2. Erste Risse in der Verteidigung.
Ob Marilyn Monroe auch drei Kilo Hefeteig oberhalb ihrer Jeans hatte, wenn sie in der Umkleidekabine stand? (Ach was, vermutlich ist einfach die Hose zu eng.) Und die ganz große Liebe ist das mit mir und dem Essen im Moment auch nicht. Immer ist der Kühlschrank voll, und dann hab ich nicht richtig Lust drauf und es muss halt weg. Essen und ich scheinen eine Beziehungskrise zu haben. Meine Jeans und ich auch. Und der Beckenboden lacht mir frech ins pausbäckige Gesicht, wenn ich ihm mit Laufen komme.

3. Traumstart.
Irgendwer (Shaw?) hat mal gesagt, nichts ist so motivierend wie die ersten vier Stunden einer Diät. Egal welcher! Erstmal fühlt sich das neue Regime an wie ein Neustart in ein besseres Leben. Ach was, ein besseres Ich! Denn jetzt gerade, zehn Minuten nach dem Startschuss (bzw. dem Biss in einen stahlharten Apfel) kann ich überhaupt nicht mehr verstehen, was mich jemals an einem Teller Carbonara gereizt hat. Man braucht doch keine Tafel Schokolade und keine Pizza, das ist alles nur im Kopf! Was ich in den nächsten Wochen lernen werde, ist eine ganz neue Achtsamkeit. Darauf hören, was mein Körper wirklich will, statt ihn mit Kartoffelpuffern und Schweinebraten zu bewerfen. Und genau das werde ich als angenehmen Seiteneffekt lernen, wenn ich mich jetzt an die extrem simple und trotzdem in einem 300seitigen Buch erklärte Diät XY halte. Hach! Schon jetzt leuchten die Farben irgendwie mehr, die Luft ist reiner, und ich fühle mich um 30 IQ-Punkte schlauer!

4. Harte Landung.
Ich kann mich auch täuschen, aber mein Körper will Schokolade, Pizza, Kartoffelpuffer und Schweinebraten. Je tiefer und achtsamer ich in mich hineinhorche, desto deutlicher wird das. Und der Kühlschrank ist jetzt sogar noch voller und wird es wohl auch bleiben, denn wer hat bitteschön Lust, all diesen Quatsch zu essen: Babyspinat? Misopaste? Asiatische Glibbernudeln? Putenbrust? Staudensellerie? Harzer Käse? Wie soll ich denn so an den Rohmilchbrie kommen?

5. Geordneter Rückzug.
Ich googele jetzt mal "XY-Diät Kritik". Nur so! Man soll auch immer die andere Seite sehen. Warte mal. Aha... Hmmhmmm... wenig effizient... Jojo-Effekt... Hungerstoffwechsel... nicht nachweisbar... evtl. gesundheitsschädlich... Das ist ja ein schöner Mist! Da hätte ich ja jetzt beinahe meine Gesundheit riskiert! Puh, Puh, Puh. Immer wieder kriegen sie uns ran, diese... diese Industrie! Mit uns können sie's ja machen! Aber nicht mit mir. Ich schmier mir jetzt ein schönes Vollkornbrot mit Pflaumenmus. Vollkorn ist gesund! Und nachher esse ich Schweinebraten. Ich kann ja mal wieder laufen gehen, wenn der Beckenboden wieder mitmacht.

Und dann ein paar Monate später alles wieder von vorne.


So lief das bisher jedes Mal bei mir, auch wenn ich nicht behaupten kann, wirklich alles ausprobiert zu haben. (Atkins z.B. hatte ich noch nie. FdH auch nicht.) Aber jetzt mache ich seit inzwischen vier Wochen wieder 5:2, mir geht's sehr gut, vier Kilo sind runter, und ich habe jetzt fast drei Prozent Körperfett ab- und zwei Prozent Muskelmasse aufgebaut, und zwar ohne Sport abgesehen von einigen strammen Spaziergängen. Heute ist einer der 2 Fastentage mit nur 500 Kalorien, und während ich anfangs immer Angst hatte, gerade dieser Tag wäre zu hart und völlig ungeeignet dafür, lege ich inzwischen morgens einfach los, und es geht wirklich gut. Heute z.B. habe ich meinen Jungs schon Pfannkuchen gebacken ohne Durchzudrehen und Halloween-Süßigkeiten im großen Stil gekauft - alles kein Problem. Ich hab schon mal extrem ausführlich davon geschwärmt, und zwar hier, und ich will mich nicht wiederholen. Außerdem will ich in diesem Blog nicht mehr Raum als nötig an Diäten verwenden - aber wenn, also wenn hier eine der Meinung ist, sie würde gerne ein paar Kilo verlieren, dann kann ich das hier nur empfehlen. Es ist nämlich einfach, funktioniert (zumindest bei mir), treibt mir nicht die Lebensfreude aus, steigert im Gegenteil den Spaß am Essen an den fünf normalen Tagen, ist angeblich sogar gesund, kostet nix und lässt sich so ziemlich mit allen Lebensumständen vereinbaren. Es nimmt, mit anderen Worten, so gut wie keinen Raum in meinem Leben ein und läuft ganz selbstverständlich so mit. Neben Schweinebraten, Pizza und all dem anderen.

Freitag, 27. Oktober 2017

Ich persönlich fänd's gut, wenn ein Buch über Kinderwunschbehandlungen mal die Bestsellerlisten anführen würde.

Gerade ist hier wieder mal Effi-Mama am Ruder, das heißt, ich bin in einem wahren Rausch der Effizienz. Umsatzsteuererklärung, Kitagutscheinverlängerung, Kekse backen, Briefe beantworten, Zeitschriftenabos kündigen, Schubladen ausmisten, Bügelkiste leer bügeln, Gesundheitsbaustellen begehen: Zack-Zack-Zack! Entsprechend ist heute mal der Blog dran mit einer Reihe von Themen, die ich längst gebloggt haben wollte. Los geht's mit Thema Nr.1:

Liebe Abkürzungsdamen, wieder mal hat eine von uns ein Buch über diese seltsame, nervenzerfetzende, niemals langweilige und dann doch wieder unfassbar langwierige Kinderwunschzeit geschrieben. Hier findet Ihr ihr Buch. Ich habe es noch nicht geschafft, es ganz durchzulesen, aber was ich gelesen habe, hat mir sehr gefallen und Euch hoffentlich auch! Herzlichen Glückwunsch, liebe Ann A. Niem, zu diesem zweiten Baby (mit dem ersten hat es, wie ich herausgelesen habe, dann noch vorher geklappt). Ich hoffe, es entwickelt sich prächtig und macht Mutti viel Freude!

Und nun schreit das Prachtbaby schon wieder. So viel Energie! Sagenhaft. Daher klappe ich den Rechner erst mal zu und stürze mich später wieder in meinen Erledigungsmarathon.

Dienstag, 17. Oktober 2017

Das alte Lied von den dicken Onkeln und den dünnen Nerven

Ich hatte eine Bekannte mit unfassbarem Selbstvertrauen. Job, Sport, Erziehung, Bildung, Kochen, Aussehen, Stil, egal was: sie hatte es drauf. Anfangs dachte ich, die kann was! Dann dachte ich irgendwann, na ja, die einen sagen so, die anderen sagen so, jedenfalls ist sie sehr nett, das ist ja die Hauptsache. Dann kam die Phase, als mir aufging, dass ich die meiste Zeit in ihrer Gegenwart dachte, was redet die denn da? Ist das ihr Ernst? Das hat sie gerade nicht ernsthaft gesagt, oder? Und auch wenn bei mir manches etwas länger braucht als bei anderen, leuchtete mir irgendwann ein, dass das keine Basis für eine Freundschaft ist: der eine mit riesigen Sprechblasen, die praktisch jedes Kästchen im Comic komplett ausfüllen, und der andere immer mit dieser Denkblase mit der kleinen Spirale und dem Smiley ohne Mund.

Sie hatte unter anderem die Eigenart, imaginäre Interviews zu geben, und das geht so: man bummelt die Straße entlang und redet gerade über etwas ganz anderes, den Hund, Weihnachten, was auch immer, und sie sagt plötzlich "Weißt du, mein Trick ist, alles ganz einfach. Das Leben ist zu kurz für Ewigkeiten im Bad, sag ich immer! Nicht mehr jeden Tag Reinigung, Tonic, Tagespflege, Sonnenschutz, Primer, Concealer - nein, eine Creme für morgens und abends, Sonnencreme praktisch überhaupt nicht mehr, Make-Up habe ich beschlossen, nicht nötig zu haben, und ich kaufe nur noch Naturkosmetik. So einfach, haha! Und das Beste ist, es funktioniert!"

Als hätte ich gefragt. Als hätte ich gesagt "Du musst mir unbedingt mal verraten, wie dieser Bomben-Teint zustande kommt!" Oder "42 Jahre - und einfach nur Wow. Wie machst du das?" Als würden wir zusammen auf einer Couch im Studio einer Promisendung sitzen.

Davon hätte ich gerne etwas ab. Nur ein bisschen! Vielleicht so viel, wie sie im dicken Zeh hat. Und dann würden die Dinge hier mal ins Rollen kommen. Dann würde ich mich angesichts anstehender Entscheidungen nicht bis zum Bandscheibenvorfall winden. Dann würde mir der Wiedereinstieg in den Job nicht in erster Linie Angst machen. Dann wäre ich stolz wie Bolle darauf, so kurz hintereinander drei Kinder bekommen zu haben (und das, obwohl wir alle nur zu gut wissen müssten, dass das absolut nichts mit irgend einer Art von Verdienst meinerseits zu tun hat - egal: ich wäre stolz.) Ich würde mit meinem Doppelkinderwagen wie ein Schneepflug über den Bürgersteig heran donnern, und alle würden gerade noch so zur Seite springen, aber ich würde mich niemals entschuldigen. Dann wäre mir total egal, ob die anderen Damen in der Kita das mit der Erziehung und den Elternpflichten und dem einzig richtigen Weg so ganz anders sehen als ich, ich wäre eben ich und die wären die. Dann würde ich entweder eine Diät machen und mich bei niemandem dafür rechtfertigen oder meinen Bauch und das Hüftgold behalten und jedem die Zunge rausstrecken, der mich abschätzig anguckt. Vielleicht würde ich extra was Bauchfreies anziehen, nur um zu beweisen, wie unfassbar gut ich auch mit verwohntem Drei-Baby-Bauch aussehe! Ein Statement-Bauch. Dann hätte ich auf einen Schlag ungefähr 30 Themen, über die ich aus dem Stand posten könnte, und ich würde darauf pfeifen, was die Leute dazu sagen würden, die in diesen 30 Posts vorkommen würden, ob sie wollten oder nicht. Dann wäre das verdammte Buch vermutlich inzwischen fertig. Dann müsste ich jetzt nicht schon wieder aufhören zu posten, weil nachher die Putzfrau kommt und ich hier aufräumen will (auch aus der - eingebildeten oder echten? - Erfahrung, dass Putzfrauen jeden Respekt verlieren, wenn man nicht auch ohne sie ordentlich ist, und dann putzen sie nicht mehr gründlich, und man wirft ihnen sein bisschen Geld für nix in den Rachen. Alles schon passiert! Ich sag ja nur) denn ich würde denken, pah! So ist das eben, wenn man Kinder hat, da muss sie nun durch. (Und weil es mir bisher noch nicht gelungen ist, das Selbstbewusstsein aus dem dicken Onkel meiner Bekannten auf mich zu übertragen, denke ich jetzt in dieser Sekunde schon wieder darüber nach, dass das aber nicht ok ist, hier über meine Erfahrungen und Ängste bzgl. Putzfrauen zu schreiben, denn viele hätten gerne eine Putzfrau, haben aber keine, und nun bin ich vielleicht endgültig eine Eppendorfer Tussi, und herrje, keiner wird mich mehr mögen, wenn das so weiter geht. Und so vergehen kostbare Minuten, in denen ich am Rechner sitze und das Baby schläft. Wundert sich noch wer, wo eigentlich dieses Buch bleibt? Schriftsteller, die es allen recht machen wollen, die sollten vielleicht doch in der Werbung bleiben, denn so viele Drehbuchautoren braucht die Traumschiff-Redaktion auch wieder nicht.)

Donnerstag, 7. September 2017

Mutti hat den Blues.

Vor ein paar Wochen war ich noch sicher, dass ich unbedingt baldmöglichst wieder arbeiten will. Ich bin keine Hausfrau! Ich bin keine Hausfrau! Ich bin keine Hausfrau! Keife ich innerlich achtzig mal und stampfe dazu innerlich mit dem Fuß auf, während ich innerlich mit Geschirr schmeiße, dass ich jedenfalls nicht innerlich wieder aufsammeln werde, denn, s.o., ich bin keine Hausfrau. Fakt ist jedoch, gerade bin ich eine Hausfrau. Statt Haushaltsgeld bekomme ich Elterngeld, aber mein Tag dreht sich um die Kinder, die Bude, die Einkäufe, die Mahlzeiten. Ich liebe die Kinder, und dass ich Mahlzeiten liebe, brauche ich wohl nicht mehr zu schreiben, aber... ächz.

Dann hatte ich einen Anruf und habe gearbeitet. Es war nur ein klitzekleiner Job, ein Jöbchen, eher eine Gefälligkeit, denn Geld kann ich natürlich im Moment dafür nicht bekommen, denn ich bekomme ja Elterngeld, und nachdem schon der ganz normale Antrag ein bürokratischer Albtraum über Monate war, wäre das keinen Tagessatz der Welt wert, diesen einen Arbeits-Ausrutscher ganz normal anzumelden. Egal, ich habe es versucht, und der Testballon war insofern erfolgreich, als vollkommen klar war, wenn ich wirklich wieder ernsthaft arbeite, bevor die Kleine in der Kita ist, dann gibt es Tote, im Zweifel mich. Die einzige Zeit, in der ich tatsächlich arbeiten konnte, war nachts zwischen eins und halb fünf, was natürlich Rock-'n-Roll-mäßig voll ok war, nur wachte um fünf dann immer das Baby wieder auf. Ich kriegte Migräne, die Kinder bekamen dunkle Ringe unter den Augen und wollten nicht mehr in die Kita, die Wohnung sah aus, als wäre alles darin irgendwie vom Meer angespült worden, und dann bekamen wir aber alle wirklich schlechte Laune.

Mach was. Jetzt habe ich mich eben erst mal vom glitzernden, atemberaubenden Agenturleben verabschiedet und stattdessen beschlossen, wenn ich unbedingt etwas tun muss, etwas zu tun, was ich schon so lange tun will, dass ich mir inzwischen bei jeder weiteren Absichtserklärung lächerlich vorkomme: schreiben, und zwar nicht für die große Herbstaktion des Kunden XY oder die nächste Anzeigenstrecke, sondern für mich. Es muss ja nicht in Migräne und Kindertränen ausarten, aber ein bisschen mehr pushen kann ich mich schon. Das weiß ich! Ich hab's ja oft genug getan, wie jeder bestätigen kann, der mich mal ein Bett beziehen gesehen hat.

(Übrigens meine ich nur am Rande Schreiben für den Blog.)

((Es ist so: (Raus damit. Komm schon.) Eins meiner Allerallerlieblingsbücher, die Tales of the City von Armistead Maupin, sind ursprünglich als Fortsetzungsroman im San Francisco Chronicle erschienen. Das hat für die Geschichten mit Sicherheit getan, dass jedes Kapitel einen eigenen Spannungsbogen hat, dass man wirklich weiter lesen will, dass man schon nach den ersten drei Seiten nicht mehr genug bekommt - also, ich jedenfalls. Das hat für den Autor bestimmt getan, dass er keine Chance hatte, das Skript einfach noch fünf Jahre vom Schreibtisch ins Bücherregal und zurück zu räumen, sondern jede Woche etwas Lesbares abliefern musste. Manchmal hab ich schon drüber nachgedacht, diesen Blog dafür zu missbrauchen. Einerseits ist das bestimmt eine astreine Idee, und für Hormontipps kommt vermutlich eh schon lange niemand mehr her, aber andererseits hab ich schon so viel versprochen und nicht gehalten, und wenn ich DAS jetzt versprechen und nicht halten würde, dann würde mich das so dermaßen demoralisieren, dass sowieso nichts mehr draus werden würde. Vermutlich ist die ganze Idee so sinnvoll wie die, einfach das Internet abstimmen zu lassen, wie ich die strittigen Fragen der Kindererziehung regele: Fernsehen, Telefon, Rauchen ab wann? Und dann treffen wir uns in 40 Jahren mit einem Sektchen an der Pforte der JVA Fuhlsbüttel und feiern gemeinsam die Haftentlassung meiner Jungs. Oder?))


Sonntag, 30. Juli 2017

Anderswo ist auch schön

Manchmal lese ich den Blog von Claudi, den ihr hier findet, und dann öffne ich nach ein paar Posts hektisch ein neues Fenster in Safari und mache mich auf die Suche nach alten Bauernhäusern im Hamburger Umland. Dann träume ich von einem Leben voller Strohhüte und zauberhafter Deko, von selbstgemachten und jahreszeitlich angepassten Kränzen an einer alten Holztür und von blonden Kindern, die barfüßig und glücklich durch Blumenwiesen streifen. So müsste man leben! Mit DIY-Projekten, mit Bollerwagen und mit viel viel Liebe, die man auf öffentlichen Fotos sehen kann. Die blonden Kinder habe ich, aber DIY und Blumenwiesen? Nö, und die Liebe muss man sich oberflächlich betrachtet bei uns einfach dazudenken.

Und dann muss ich mich kurz schütteln und mir mit fester Stimme sagen: Ja, das ist alles schön und gut. Aber eben für Claudi, nicht für dich. Denn du hältst ja noch nicht mal ein paar Balkonkräuter über mehr als zwei Monate am Leben. Du hast überhaupt keinen Nerv für Basteln und Deko, und Kränze flechten kommt gleich gar nicht in Frage. Als nächstes kaufst Du Dir eine Nähmaschine und nähst deinen Zeigefinger an ein Stück hübsch gemusterte Baumwolle, oder wie? Dabei ist es noch nicht mal nur so, dass das alles aus rein weltanschaulichen und praktischen Gründen nicht geht. Sondern es passt einfach nicht zu deinem Charakter. Du schleuderst nach zwei Minuten entnervt jeden Prittstift in die Ecke, dem müssen wir ins Auge sehen, ohne zu blinzeln. Und alle schönen Phantasien von einem anderen Leben für eine andere Flora sind eben das: schöne Phantasien. Genau so gut könntest Du von einem Leben mit 100 Objekten träumen, Zahnbürste und Schilddrüsentablettenpackung eingeschlossen. Oder von einem Leben als buddhistische Nonne. Oder von einer Einsiedlerhütte in den Alpen oder einem Job als Bordbloggerin auf einem Segelschiff. Es kommt vor, dass Du aus einer Laune und einem ruhigen Moment heraus etwas dekorierst. Das hält dann ungefähr zwei Stunden, bis es dank der Kinder in Schutt und Asche liegt, und noch nie warst Du geistesgegenwärtig genug, ein Foto davon zu machen und es im Internet zu posten.

Von Andreas Dorau gibt es ein sehr gutes Lied, das heißt “so beeinflussbar”. Zeig mir etwas, und ich will es auch oder glaube zumindest für eine ganze Weile, mein Leben, ach was, ICH wäre besser, wenn es bei mir auch so wäre. So wird man nicht glücklich, das ist mir schon klar! So kommt man nie irgendwo an und gut ist, so kann man keine stringenten Pläne schmieden und umsetzen. Man kann nicht ständig denken, so mache ich das, aber vielleicht auch genau anders.

Sprecht mir nicht von der dollen Belastung durch drei Kleinkinder, DAMIT muss man erst mal leben! Experten nennen das Fusselhirn.

Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, Identität ist eigentlich wie dieses altmodische Glücksrad-Spiel, man dreht kräftig am Rad, und wo es einrastet - warum auch immer - da bleibt man dann eben ein Leben lang. Bzw. Jahre. Bzw. Minuten.

Inzwischen kommen die Abende zurück. Es ist noch gar nicht lange her, da war ich um acht im Bett. Manchmal auch um sieben! Um sieben muss Michel seine Klumpfuß-Schiene anziehen, damit wir 12 Stunden schaffen, danach beginnt das (leider inzwischen manchmal zweistündige, doch davon ein andermal) Ins-Bett-geh-Ritual, das ich gerne in großen Teilen L. überlasse, und noch vor vielleicht sechs Wochen habe ich an manchen Abenden die letzte Klumpfußschuh-Schnalle geschlossen, den Reißverschluss seines Schlafsacks zugezogen (damit er nicht auf die Idee kommt, die Schuhe mitten in der Nacht wieder auszuziehen und so den schönen orthopädischen Plan zu unterminieren) und bin direkt und ohne Zwischenstopp ins Bett verschwunden. Jetzt wird es manchmal 21:45, ich sitze mit Rechner und Mucke am Küchentisch, und weil da so schön ist, bleibe ich wohl noch ein Weilchen und denke über mein Leben nach, in dem die Milch nicht aus handbeschrifteten Milchflaschen kommt, sondern aus wabbeligen Tüten, bei denen man oben so eine kleine Ecke abreißen muss und die ein kleines Schlauchboot-Element haben, damit sie nicht einfach in sich zusammensacken. Großstadt, Yeah! 2017, Yippie! Futuristische Verpackungen, rockt on!

Sonntag, 2. Juli 2017

Die Ent-Kalle-Blomquistisierung Eppendorfs

Gestern war ich mit den Jungs in einem Schwimmbad, das um die Ecke liegt. Dort gibt es einen gut abgetrennten Bereich mit einem lauwarmen, flachen Planschbecken. Die Idee war, dass sie dort ein paar Stunden mit anderen Kleinkindern spielen, im flachen Wasser herumpaddeln, ein paar Fritten essen und dann abends todmüde in die Bettchen fallen. Hat auch alles so weit geklappt, bis auf das mit den anderen Kindern. Und bei dieser Gelegenheit ist mir aufgefallen, dass das in letzter Zeit ziemlich oft so läuft.

Ich hoffe nicht, dass es daran liegt, dass unsere Jungs zwei angehende Kirmesschläger sind, vor denen anderen Kinder dringend beschützt werden müssen. Aber auf Spielplätzen oder gestern in diesem Schwimmbad kriegen sie eigentlich ständig eins vor den Latz. Gestern hat Kalle z.B. einen anderen, etwas größeren Jungen mit ein bisschen Wasser bespritzt. Kein dicker Schwall, auch kein Eimerchen voll, nur ein paar Wassertropfen. Das hat er aber nur einmal gemacht, denn dann stand sofort die Mutter dieses Jungen vor ihm und keifte ihn zusammen, was das denn sollte, hier wären noch andere Kinder, er sollte sich mal benehmen. Ich gab zu Bedenken, das wäre doch hier ein Planschbecken, immerhin, aber erntete nur einen ziemlich ranzigen Seitenblick, bevor sich die Mutter zurückzog, um unter vielen weiteren Seitenblicken einer anderen Mutter Bericht zu erstatten. Wieder eine andere Mutter schwamm hinter ihrer kleinen Tochter her und spielte, sie sei ein Hai. Als Michel das lustig fand und auch hinter ihrer Tochter herschwamm, wurde er ruckzuck aus dem Verkehr gezogen. So ging das eigentlich die ganze Zeit. Es ist nicht so, dass ich mich vollkommen aus allem rausnehmen würde. Wenn eins meiner Kinder ein anderes schlägt, an den Haaren zieht, beißt oder untertunkt, dann donnere ich dazwischen wie nichts Gutes. Aber spritzen? Ein bisschen ärgern? Schief angucken? Ist das wirklich schon so schlimm? Und ist es nicht sogar so, dass die Knirpse eine Menge dabei lernen, wenn sie solche Dinge unter sich ausmachen, statt gleich die höhere Instanz alles regeln zu lassen?

Gar nicht weit von uns ist der Innocentiapark, da gibt es einen Matschbrunnen. Man sollte nicht glauben, wie viele Kinder da spielen, die sich AUF GAR KEINEN FALL schmutzig machen dürfen oder wollen, erst Recht nicht, wenn ein anderes Kind irgendwie daran Anteil hat. In einem Fort hört man Kinder solche Sachen sagen wie “Die da hat meine Schüppe genommen, Menno” oder auch “Der Johannes hat sich die Schuhe ganz nass gemacht, obwohl er nicht durfte, hast du doch gesagt!”
So gut wie nie hört man dagegen den Satz “Petze, Petze, ging in' Laden”.
Und dann kommen die großen Jungs, die sich sofort zu CEOs des Matschbrunnens aufschwingen. Große Bereiche werden für alle anderen Kinder gesperrt, ab sofort bekommt nur noch Wasser, wer ihnen gefällt, und wehe, irgendwer grätscht in ihr aufgeblasenes und langweiliges Staudamm-Projekt rein. Wir sind ja nicht zum Spaß hier! Auch die haben dann Mütter, die ihnen notfalls das Geraffe vom Hals halten.
Was sind denn das für Kinder? Als Kind hätte ich die alle doof gefunden.

Und ich wollte doch, dass meine Jungs halbnackt und total verdreckt durchs Unterholz rennen und auf Bäume klettern und mit Matsch werfen und ihre kleinen Kriege austragen und das Kinderleben in vollen Zügen genießen! Was die Bullerbü-mäßige Deko angeht, sind die Hamburger Mütter da immer noch voll dafür. Nur eben bitte nicht in echt.

Und wenn wir doch aufs Land ziehen? Nicht, dass das da genau so schlimm ist?

Sind die alle doof hier.

Montag, 12. Juni 2017

Captain Sharky würde sagen, Wortschwall voraus

Wäre in den letzten Wochen eine gute Fee gekommen und hätte mir einen Wunsch erfüllen wollen, dann hätte ich nicht lange überlegen müssen. Weltfrieden und Weltentspackung mal außen vor: dieses Mal wäre es nichts mit Ausschlafen gewesen. Oder mit Urlaub. Oder mit Spareribs. Dieses Mal hätte ich mir Zeit zum Schreiben gewünscht. Denn wieder mehr zu schreiben, ist seit ziemlich langer Zeit meine große Sehnsucht (wie man an den vielen zweckoptimistischen Posts merkt, die davon handeln, dass ich ab sofort wieder irre fleißig und vor allem regelmäßig posten werde). Dabei geht es gar nicht nur um den Blog, sondern ich habe ein inzwischen vermutlich fast zehn Jahre altes Schreibprojekt, das schon zu kinderlosen Zeiten nicht so richtig in die Gänge kam und jetzt natürlich erst recht nicht. Dabei würde ich wirklich gerne, und zum ersten Mal seit langer Zeit denke ich viel darüber nach - so viel, dass es sich fast wie ein Job anfühlt. Sonntag habe ich einen Podcast gehört, in dem es um ein extrem verwandtes Thema ging, und nachdem das Thema mit viel Bombast angekündigt wurde, habe ich zwanzig Minuten Nägel kauend und kreidebleich zugehört, weil ich dachte, jetzt kommt’s, jetzt nehmen diese Podcast-Heinis mir gleich mein großes Buchtraumthema weg, und das war es dann. (Als Werberin ist man daran leider auch beim hundertsten Mal nicht gewöhnt: da hast Du eine gute Idee, zur Abwechslung mal eine, von der Du einfach genau WEISST, dass sie wirklich, wirklich gut ist, und dann gehst Du damit Klinken putzen, und alle so “ooooch… weiß nicht… mal sehen…” und ein halbes Jahr erfolglosen Klinkenputzens später siehst Du Deine Idee plötzlich von jemand anderem umgesetzt im Fernsehen (im schlimmsten Fall von jemandem, der mal mit im Meeting saß, als davon die Rede war) und alle so “supiiii! SO macht man das! Wieso hast Du nie solche Ideen?”

Und dann ging der Podcast vorüber, und die Idee war eine ganz andere, und ich bin nochmal davongekommen, aber jetzt will ich wirklich mal ran da.
Am Ende ist es doch nur eine Frage der Prioritäten, oder? Was ist mir wichtiger: endlich mal was sinnvolles mit meiner Zeit anfangen oder die Wohnung putzen/Netflix glotzen/irgendwas mit Bärlauch kochen, weil das all die Blogger machen, obwohl ich keinen Bärlauch mag/sticken lernen/100 Rezepte für Eis ausprobieren/Persönlichkeitsverbesserung/mir die Beine und Füße hübsch machen/Gala lesen?

(Ganz so ist es nicht, im Moment schreibe ich z.B. im Stehen, während ich das Baby in der Manduca umgeschnallt habe und von einem Fuß auf den anderen wippe wie der Bi-Ba-Butzemann.)

Jetzt muss ich aber, so lange der Frieden vor meinem Bauch anhält, noch schnell erzählen, was hier so passiert. Nein, ich bin nicht schon wieder schwanger! Das passiert mir nicht noch mal, denn ich möchte mit meiner nächsten Schwangerschaft weder in der Zeitung noch in der Psychiatrie landen. Lasst mich kurz rekapitulieren, wann ich überhaupt zuletzt geschrieben habe… Moment…

Also. Da war ein Haus, auf das wir geboten haben und das wir nicht bekommen haben. Ich war erst skeptisch - beim ersten Mal angucken kam es mir wirklich ziemlich klein und puppenstubig vor, ich finde es hier, wo wir gerade wohnen, einfach großartig, mir graute vor einem Umzug, der Garten war winzig, und alles war so neu und in so tollem Zustand, dass es überhaupt nicht vertretbar gewesen wäre, all das jetzt anders zu machen, nämlich so, wie wir es machen würden. Ich weiß, dass ich mich anhöre wie die dämlichste Zicke weit und breit, aber ich war wirklich nicht so begeistert von den Badezimmerfliesen mit Barbieschimmereffekt oder von der Granit-Grabstein-Arbeitsplatte in der taupe-farbenen Küche, von dem dunkelgrauen Parkett oder von den Bambuswaschbecken. Dann habe ich drüber nachgedacht, habe es mir noch mal angesehen, und dann war ich plötzlich verliebt. In das Viertel, das früher auch mal mein Viertel war, das aber seitdem noch viel schöner geworden ist als damals - mit mehr Bars, Cafés, Spielplätzen, hach - in die Wohnanlage, die Autofreie Zone ist und in der es eine große Wiese gibt, auf der sich jeden Tag alle kleinen Kinder aus der Gegend zum Spielen treffen, einfach so, ohne Verabreden, bis die Eltern aus dem Fenster rufen “Essen kommen!”. In den wenn auch kleinen Garten, der rundum geschützt ist und in den man im Sommer ein Plantschbecken stellen könnte, und fertig ist das Freizeitprogramm. In das winzige Wohnzimmer, in dem die Familie sich zwangsläufig gemütlich auf die Pelle rückt. In die Idee, in einer Wohnung zu leben, in der man jedes Zimmer abschließen kann. In einen Keller mit ausreichend Platz für zweiten Kühlschrank, Waschkram, Papierkram und Wintersachen und auch endlich einen abschließbaren Ort für all das, was die Kinder nicht in die Finger kriegen sollen, von Methyldopa bis Elektromesser. In einfach alles, sogar in die Bambuswaschbecken und Barbiekacheln! Um die mögliche Enttäuschung noch größer zu machen, bin ich von da an fast jeden Tag mit Baby da längsgebummelt - ein bequemer fünfzehnminütiger Spaziergang von hier aus, durch lauter schöne Straßen. Und dann kam die Absage, und seitdem habe ich Immobilienliebeskummer. Ja, ich weiß, eine Runde Mitleid, aber ich will auch kein Mitleid, mir geht’s gut - ich wollte nur eben davon erzählen.

Dann sind da die Jungs, die jeden Tag ein bisschen größer und verständiger und jungs-mäßiger sind. Im Schlaf sehen sie immer noch aus wie Babys, aber wach hören sie Captain Sharky-Hörspiele, lesen Bilderbücher, lassen sich vorlesen und haben seit diesem Sommer auch wirklich Spaß an dem Heidehäuschen meiner Schwiegermutter. Jetzt fängt es nämlich an, all das Schöne, das ich mir zwischen Spritzen und Punktion immer ausgemalt habe: die Jungs, die zwei kleine Koffer voller Triceratopse und Archäopterixe packen - was man halt so braucht. Die sich eine Hütte aus Ästen am Waldrand bauen. Die mit Schwimmflügeln und Wasserpistolen rund um das kleine Schwimmbad fegen. Die Fußball spielen wollen und noch nicht so richtig können, aber nicht aufgeben. Die eigentlich immer draußen sind und nur zwischendurch nass und dreckig angerannt kommen, nur schnell ein paar Kekse mit Milch in den Mund stopfen und wieder verschwinden. Da soll sentimental und traurig werden, dass sie jetzt groß werden, wer will: ich find’s toll.

Dann das Baby, das so dermaßen lieb und freundlich und fröhlich und prima ist - ich dachte früher, das ist Genderquatsch, dass Mädchen pflegeleichter sind. Wir Mütter sollen ihnen einfach von vornherein einprogrammieren, dass von ihnen erwartet wird, im Leben die Erwartungen anderer zu erfüllen und nicht aufzumucken. Jetzt habe ich Klara, mit der ich alles genau so mache wie mit Kalle und Michel, und sie ist nicht halb so laut, nicht halb so anspruchsvoll, nicht halb so schwer zu trösten und nicht halb so… ach, einfach alles. Sie ist tatsächlich ein Baby, das man wach und aufmerksam in sein Bettchen legen kann, und wenn ich fünf Minuten später gucke, ob sie noch atmet, weil ich so gar nichts höre, schläft sie. Ich gehe in einen Rückbildungskurs mit Baby, und wenn ich heimlich (ist ja Yoga, macht man ja nicht) im Spiegel gucke, ob die anderen das vielleicht alle besser können als ich, habe ich leider keine Chance auf ein imaginäres Rückbildungsbattle, denn die anderen turnen nicht mit. Die müssen sich nämlich alle um ihre Babys kümmern, und ich bin der einzige herabschauende Hund.

AUAAAAA, Schreibkrampf! Ok, Blogpause. Ich geh jetzt wohl mal los und kaufe ein bisschen Bärlauch oder so.

Samstag, 29. April 2017

Das Gras ist eindeutig grüner auf dieser Seite des Zauns.

Heute nacht war Klara zwei mal wach, einmal um zwei und einmal um sechs, nachdem sie um zehn eingeschlafen war. (Das Aufwachen um sechs würden Eltern neugeborener Babys vermutlich meist nicht mehr der Nacht zurechnen.) Dann habe ich sie erst im Sitzen gestillt (wie es mir der beim Thema "Plötzlicher Kindstod" extrem engagierte Kinderarzt eingeschärft hat), dann gab es ein schönes Fläschchen mit Medela-Sauger, um auch ja die natürlichen Saugtalente meiner Tochter nicht zu versauen, und dann ging es zurück ins Babybay. (Leserinnen, die die Meldung alarmiert hat, sie würde unter meiner Decke schlafen, können sich entspannen, das tut sie schon lange nicht mehr.) Jetzt schläft sie. Irgendwann demnächst wird sie aufwachen, dann bekommt sie was zu essen, und dann liegt sie manchmal im Säuglingsaufsatz ihres Triptrap-Stühlchens und guckt mir beim Kochen zu, oder wir liegen auf der Spieldecke herum und trainieren unter Aufsicht Bauchlage, oder die Jungs dürfen sie ein bisschen kontrolliert bewundern, oder sie geht in ihre Wippe und ich spiele mit ihren Brüdern. Vielleicht schläft sie auch einfach wieder ein, dann lege ich sie für eine Stunde oder so in den Stubenwagen. Plötzlich scheint die Sonne wieder, die Vögel zwitschern, ihre Brüder sind entspannter (gerade spielen sie mit Knete, und ich muss noch nicht mal im Zimmer sein), zwischen L. und mir seit 24 Stunden kein böses Wort, und sie hat in den letzten zwei Tagen 150 Gramm zugenommen. Den Firmen Hipp und Medela würde ich gerne eine Kiste Wein schicken, vielleicht mache ich das auch noch.

Ich weiß nicht, woran das liegt - aber auch diesmal habe ich wieder erst einen Zustand deutlich jenseits der Schmerzgrenze gebraucht, um diesen Schritt zu tun. Obwohl ich es nach den letzten beiden Malen eigentlich hätte besser wissen müssen. Ich dachte wirklich bis kurz vor Schluss, das klappt bestimmt demnächst mit mir und dem Stillen. Viel mehr dachte ich sogar, ich muss das schaffen. Bevor ich den Schritt gemacht habe, hat sich schon der Gedanke daran immer angefühlt wie eine Niederlage. Und ich verstehe nicht, warum - ich finde doch selbst, wenn es um andere geht, dass wirklich nichts, aber auch gar nichts, schlecht oder faul oder verwerflich oder sonstwie trostpreisig ist an Fläschchen. Und genau wie die letzten Male war dieses klamme Gefühl in dem Moment verschwunden, in dem ich es einfach gemacht habe. Stillen läuft übrigens (auch genau wie die letzten Male) eindeutig besser seitdem. Viel kuscheliger (weil die Jungs nicht mehr sabotieren und ich ausgeschlafener bin, und natürlich das Baby weniger ausgehungert und panisch), und die Milch ist auch nicht weniger geworden. Wieso erzählen so viele, Fläschchen wären der Tod für das Stillen? Ich verstehe das nicht. Und muss wieder mal erleichtert feststellen, dass mein meschuggener Sado-Maso-Exfreund auch hier Unrecht hatte: ich habe wirklich überhaupt kein Talent zur Masochistin.

Donnerstag, 27. April 2017

Hipp Hipp, Hurra

Als ich gestern abend mit meiner brüllenden Tochter im Kinderwagen zum Mädchenabend gelaufen bin, habe ich nachgedacht. Und dann habe ich einen Entschluss gefasst: ab heute füttere ich zu. Dafür gibt es auf Anhieb so viele gute Argumente, dass mir das Argument, von dem vermutlich viele hier denken, es wäre für mich das Wichtigste, erst irgendwann viel später eingefallen ist. Hier ein kleiner Überblick:

1. Mein Baby wird zur Abwechslung mal satt. Sie ist mit 3.250 Gramm zur Welt gekommen, bei der U3 fast fünf Wochen später hatte sie 3.700. Das ist wirklich nicht viel, auch wenn man ihr (wie ihr Kinderarzt) zugute hält, sie wäre eben "der elegante Typ". Ich finde es schwer, hungriges Babygebrüll auszuhalten, vor allem, wenn sie nach vielen, vielen Stunden Dauerstillen immer noch panisch hackt und sucht und einfach nie, nie, nie zufrieden ist.

2. Im Moment verbringe ich täglich ca. 20 Stunden mit Stillen. Das geht nicht. Ich habe schon versucht, mit einem Schnuller dagegen anzugehen - genauer gesagt, mit inzwischen vier verschiedenen Typen von Schnullern. Sie will keinen Schnuller, sie will trinken. Ihr könnt euch leicht ausrechnen, wie viel Zeit mir auf diese Weise zum Schlafen, Essen, Duschen, Aufräumen oder einfach mal Spaß haben bleibt, auch wenn ich zugeben muss, was Netflix-Serien angeht, bin ich gerade auf dem allerallerneuesten Stand.

3. Noch viel wichtiger als Aufräumen usw. ist aber, dass ich für Kalle und Michel im Moment überhaupt keine Zeit habe. Aus der Kita kommen schon erste Beschwerden, die Jungs wären ja völlig durch den Wind. Ihre Mama gibt es jetzt nur noch mit kleinem Anhängsel am Oberkörper, auf dem Boden sitzen und spielen, kuscheln oder toben ist nicht mehr, auch wenn ich das ständig verspreche: "Gleich bauen wir eine Burg, ich muss nur hier noch schnell..." und dann sind wieder 20 Stunden des Tages einfach weggesaugt.

4. Die Jungs drehen nicht nur in der Kita durch, sondern auch zu Hause. Und was soll ich sagen: so richtig schön, harmonisch und innig kann das Stillerlebnis auch für Klara nicht sein, wenn Mama dabei zunehmend in Stress und Panik gerät und brüllt "Kalle, nicht da hoch! Michel, stell das hin! Hör auf zu beißen! Kalle, nicht hauen jetzt! Lieb sein! Michel, nicht mit Sachen werfen! Wehe! Ich zähl jetzt bis drei!" Usw. usf. Nicht nur, dass ihre Mutter nicht mehr zur Verfügung steht, ihre Mutter ist auch zu einem Psychowrack geworden. Und alles, seitdem die kleine Schwester auf der Welt ist. Na, haben wir da die Grundzutaten für eine harmonische Geschwisterbeziehung versammelt? Haben wir, oder?

5. Schlaf. Und zwar nicht nur für mich, sondern auch für Klara.

6. Den ganzen Krempel (Flaschen, Sterilisiergerät...) hab ich sowieso schon hier herumstehen.

7. Ich höre nicht auf zu stillen, sondern es gibt nur ab sofort mehrmals täglich nach dem Stillen auch ein Fläschchen. Es sei denn, ich habe etwas getrunken oder ein halbes Kilo rohe Zwiebeln gegessen, dann können wir auch mal eine Nacht nur mit Flaschen überbrücken.

8. Ich erinnere mich noch dunkel an die letzten beiden Male, als der Stillkrampf in dem Moment deutlich milder wurde, als ich mich entspannt und mir mit Fläschchen geholfen habe.

9. L. kann sie auch mal füttern. Verdammt noch mal, die Jungs können sie auch mal füttern (unter Aufsicht natürlich). Und Mamas Soloprogramm ist damit beendet. Es wird höchste Zeit, dass Klara auch den Rest der Familie mal kennen lernt.

10. Ich kann auch mal ohne Baby los.

Hätte ich noch einen letzten Anstoß gebraucht, dann war es der Heimweg vom Mädchenabend zwei Stunden später und diese Nacht. Nachdem ich sie auf der Mädchencouch weitere zwei Stunden gestillt habe, habe ich sie irgendwann eingepackt und bin nach Hause gefahren. Auf dem Weg hat sie bis drei Häuser vor unserem Eingang durchgebrüllt. Dann war sie gerade lang genug eingeschlafen, um in die dunkle Wohnung zu kommen, in meinen Schlafanzug zu steigen und mich abzuschminken. Und dann hat sie bis drei Uhr früh weiter getrunken, während ich zunehmend verzweifelt bin. Babys sind eben manchmal so, ich weiß, aber wenn eine Lösung so klar auf der Hand liegt, sollte man sie zumindest mal ausführlich ausprobieren.

Gerade habe ich ihr die erste Flasche gemacht. Sie hat vier Schlucke genommen, dann hat sie mich zum ersten Mal angelächelt (Ich weiß. Ich würde einem Werbetexter auch nicht trauen, der mir so einen Babynahrung-Vignettenfilm-Klischee-Schmuh erzählt. Aber so ist es gewesen, genau so.) und ist dann eingeschlafen.

Donnerstag, 6. April 2017

Das Baby schläft. DAS BABY SCHLÄFT!

Von all den Dingen während der Babyzeit von Kalle und Michel, die mir damals unvergesslich erschienen, habe ich jetzt schon große Teile vergessen. Bis sie sich in Déjà-vu-Form wieder melden und auf einmal wieder ganz klar vor mir stehen. Zum Beispiel die einzigartige Art, wie sich jeder Zustand mit Baby anfühlt wie "Für immer", während er in Wahrheit das genaue Gegenteil ist - selten ändert sich das Leben so komplett innerhalb so kurzer Zeit, und das immer wieder, wie mit Baby. Noch vor drei Tagen hatte ich ein Baby, das große Teile des Tages verschlafen hat: im Kinderwagen, im Stubenwagen, bäuchlings auf der Spieldecke, in meinem Arm, im Bett seiner Brüder. Jetzt schläft sie praktisch nie, außer, sie hängt auf meinem halbnackten Oberkörper. Ich weiß, dass es sicherer ist, sie in den Babybay zu legen, aber im Moment muss ich die Nächte in einem halbalarmierten Zusammenzuck- und Dämmerzustand verbringen, denn sie schläft wirklich nur, wenn sie unter meine Decke darf.

Aber jetzt! Jetzt gerade schläft sie, und nachdem ich gerade schon einmal mit dem Bulldozer durch die Wohnung gefahren bin, meine Hühnerflügel im Ofen sind, der Duft von Thymian den Raum erfüllt und die Waschmaschine läuft, kann ich tatsächlich am Rechner sitzen und posten. Es ist nicht zu fassen! Eigentlich müsste ich die Flasche Sekt aufreißen, die für den Babybesuch nachher kalt steht, aber irgendwas war da... irgend ein Grund, warum das nicht geht... nee, fällt mir nicht ein. Ist das schön ruhig hier!

Trotz großer Freude über die kleine Babypausenpause muss ich noch mal schreiben, wie verliebt ich in dieses kleine Mädchen bin. Ich war nie ein Babymensch, jetzt bin ich einer. Dass sie das geschafft hat, will einiges sagen, kennt ihr "Monsters Inc." und damit auch den Boo-Effekt? So ungefähr. Ich bepeste meine Freundinnen täglich mit Fotos per What's App, ich kaufe klitzekleine Sachen für viel zu großes Geld, ich streichle so oft über diesen weichen kleinen Kopf mit den roten Haaren, dass bald vermutlich kreisförmiger Haarausfall entsteht, und ich wünsche mir nichts mehr als Zeit in Ruhe allein mit ihr. Heute morgen hatte sie wieder nichts in der Windel, gestern auch den ganzen Tag schon nicht, und bis der Kinderarzt mich zurück gerufen hat und mir alles über den Babydarm und seine Entwicklungsschübe erklärt hat (der Ärmste hat noch keine Ahnung, was in den nächsten Wochen auf ihn zu kommt), hatte ich den schlimmsten Film der Welt im Kopf. "Ist die jetzt eine von denen?" Ja, die ist jetzt wohl eine von denen. (Vielleicht bin ich altersgerecht jetzt aus der gefühlt etwas vermurksten Mütter- direkt in die Großmütter-Phase geglitscht, und daher die neue Fürsorglichkeit und Entspannung? Wer weiß...). Übrigens setzt sich das Schema aus der Schwangerschaft nahtlos fort in die Babyzeit: es gibt da draußen zu garantiert jeder Frage einer Babymutter eine Seite, die auf den ersten Blick ganz fürsorglich und seriös wirkt, und die trotzdem dringend rät, mit genau diesem Pups unbedingt sofort in die Notaufnahme zu fahren, denn dahinter kann eine schwere, lebensbedrohliche und fast unweigerlich schwerste Behinderungen oder Verderben nach sich ziehende Krankheit stecken.

Wartet mal, war da was?

Da war was.

Kommt die schon wieder an mit ihrem Frauenbild in Bilderbüchern, die soll sich mal locker machen

Mittwoch, 5. April 2017

Jedenfalls:

Und das kam so. Am 20. März bin ich morgens aufgewacht, ins Bad geschlufft und... nee. Irgendwie wird das hier zu eklig. Lasst mich also einfach nur schreiben, dass etwas passierte, was mir das deutliche Gefühl gab, innerhalb der nächsten 24 Stunden wäre es so weit. Was genau, bleibt mein kleines Geheimnis. Kommt schon, auch Blogger wollen ab und zu noch etwas für sich behalten! Also. Zwar hatte ich seit inzwischen 14 Tagen fast jeden Tag zu L. gesagt, nun würde es aber bald los gehen, aber an diesem Tag habe ich ihm gesagt, jetzt wäre ich wirklich, wirklich sicher. An diesem Tag hatte ich noch einen Kontrolltermin bei meiner Frauenärztin, die aber noch nicht aus dem Häuschen war - vielleicht würde es heute losgehen, vielleicht auch in einer Woche, wer weiß? Aber ich trug an diesem Tag meinen dicken Bauch mit dem Flair einer diesmal wirklich ernst gemeinten Abschiedstournee durch Hamburg und musterte ihn vor dem Schlafen gehen noch mal fast wehmütig und ausführlich im Spiegel - immerhin war ich diesmal wirklich sicher, zum letzten Mal so dick zu sein (es sei denn, meine Fresssucht gewinnt doch noch die Oberhand).

Dann war es Nacht, neben mir schlief Kalle tief und fest, und im Flur stand stumm und trotzdem plötzlich sehr präsent die Kliniktasche.

Gegen elf fing es an zu zwiebeln. Ich holte mein Telefon aus der Küche, aktivierte die Stoppuhr und wartete. Die ersten drei Wehen waren jeweils ungefähr fünfzehn Minuten auseinander. Dann kamen zwei Wehen, die waren zwölf Minuten auseinander. Ich weckte L. und schlich ins Bad, um noch ein letztes Mal zu duschen. Unter der Dusche - nichts. Nach der Dusche - nichts. Als die nächste Wehe kam, war die letzte fast 26 Minuten her. Na toll, dachte ich - Übungswehen. Jetzt ziehe ich meinen Schlafanzug wieder an und gehe schön zurück ins Bett. Die nächste Wehe kam fünf Minuten nach der letzten und heftiger als alle vorhergehenden zusammen. Da habe ich beschlossen, meinen bekloppten Körper der Medizin zu vermachen, mich dann doch schnell wieder angezogen und ein Taxi gerufen. L. hat noch versucht, seine Mutter aus dem Bett zu holen, die aber schon tief und fest schlief. Also habe ich den treuen Dufflecoat mit dem gesprengten untersten Knopf noch einmal angezogen, meine Kliniktasche gepackt und bin in mein Taxi gestiegen. Der Taxifahrer war entgegen der in Filmen verbreiteten Geburt-im-Taxi-Romantik überhaupt nicht angetan davon, eine kurz vor der Niederkunft stehende Frau zu fahren, ihn gruselte es gewaltig (mich auch, da hatte ich also vollstes Verständnis für). Entsprechend ließ er mich irgendwo auf dem Klinikgelände raus. Inzwischen waren die Wehenabstände bei drei Minuten, und bis ich im Kreißsaal ankam, hatte ich noch vier davon gehabt. Trotzdem zeichnete das CTG erst mal gar nichts auf, und ich hatte schon Angst, ich müsste wieder gehen - aber die Hebamme guckte sicherheitshalber nach, und da war ich bei acht Zentimetern. (Damen, die noch in der Abkürzungsphase sind - das ist viel.) Es war zu spät für eine PDA, ich schlüpfte in eins dieser pastellfarbenen Größe-58-Kliniknachthemden, und wir gingen unter Fauchen und Brummen in den Kreißsaal. Wie sich herausstellte, war es nicht nur zu spät für eine PDA, sondern auch für Lachgas, auf das ich mich schon so gefreut hatte - das Gerät muss nämlich eine geraume Zeit vorglühen, und auch dafür war nun leider keine Zeit mehr. Also versuchten wir, es mir auf andere Art nett zu machen - im Stehen am geknoteten Tuch, auf dem Gummiball und im Laufen. Ich will hier niemandem Angst machen, aber so richtig gemütlich wurde es nicht dabei, und am Ende war ich den Zirkus auch leid und wollte zurück auf die Liege. Inzwischen hatte ich zwar Wehen, die das CTG auch aufzeichnete, aber die hatten irgendwie keine Kraft - also presste ich einfach "trocken", wann immer mir danach war. Mir war leider nicht sehr danach, denn Geburtsschmerzen haben diese scheußliche Art, einen aus dem eigenen Körper vertreiben zu wollen - so geht es jedenfalls mir jedes Mal. (Habe ich gerade "Jedes Mal" geschrieben? Habe ich.) Ich weiß genau, ich müsste mich richtig reinhängen - als müsste man sich einen rostigen Nagel erst durch den ganzen Fuß jagen, um ihn wieder loszuwerden. Aber etwas Kräftiges in mir sträubt sich dagegen und wäre am liebsten ganz weit weg. Gegen diesen Fluchttrieb anzugehen, fordert aber schon so ziemlich alles, was ich habe - und mich dann noch dazu zu kriegen, den Mund zuzulassen, alle verbliebenen Kräfte zu sammeln und nach unten zu pressen, ist nicht leicht. Die Hebamme wollte mich irgendwann zusätzlich motivieren, indem sie mich dazu brachte, mit der Hand den Kopf des Kindes zu berühren - und damit bekam die ganze Szene jetzt noch eine Alien-artige, wirklich wirklich WIRKLICH fiese Dimension, in der noch einmal alles kulminierte, was mir die letzten sieben Monate lang fremd, merkwürdig und surreal vorgekommen war.
Und dann war sie da. Und jetzt ist alles gut. Seit diesem Moment - am 21.3. im 2:14 im Kreißsaal 3 des UKE eigentlich fast ununterbrochen. Obwohl inzwischen Schlaflosigkeit, Eifersüchteleien unter den Brüdern und dergleichen mehr Einzug gehalten haben - ist trotzdem alles gut. Ein feines Mädchen haben wir da. Hätte ich das mal gewusst!

Andererseits hätte ich es vermutlich einfach nicht geglaubt.

Montag, 27. März 2017

Angekommen.

Ich dachte, vielleicht kommt sie an, und alles ist genau so schrecklich, wie ich es mir nachts zwischen zwei und fünf ausmale, und dann ist alles vorbei. Ich dachte auch, ich habe jetzt sieben Monate lang irgendwie keinen Bezug zu diesem Kind in meinem Bauch bekommen, die legen sie mir auf den Bauch, und nichts. Wenn ich an sie dachte, dachte ich manchmal erschreckenderweise wohl vor allem ans Hinkriegen (oder nicht). Wie soll das alles werden?

Viel schöner, als ich mir das jemals vorgestellt hätte. (Von der Idee, eine sehr lebhafte Vorstellungskraft zu haben, muss ich mich wohl kleinlaut verabschieden.)

Klara ist da, geboren am 21.3. um 2:14 im UKE, und seitdem bin ich in eine Hippiwolke aus Babyglück eingehüllt. Es geht ihr gut, sie ist ein rundum wunderbares, rosiges und freundliches Baby. Sie trinkt und schläft und trinkt und schläft, und dazwischen macht sie auch mal ihre kleinen Augen auf und guckt sich um, und es scheint ihr zu gefallen, was sie dabei so sieht, denn dann huschelt und nuschelt sie kurz und schläft weiter. Ich kann mich kaum lang genug davon losreißen, sie anzusehen, um euch schnell zu schreiben. Wie das genau war mit der Geburt, erzähle ich in den nächsten Tagen (keine Angst, sie schläft so viel, das kriege ich hin). Und alles andere auch. Und es tut mir leid, dass ich nicht im Krankenhaus schon gepostet habe, aber nachdem mir damals mein Iphone auf den drei Tage alten Michel gefallen war mit Riesenbeule und noch schlimmeren Riesenschuldgefühlen (und sich jedes Gefummel mit technischen Geräten sowieso angefühlt hätte wie ein Sakrileg) habe ich es diesmal lieber gelassen und mich einfach still, offline und für mich an meinem Baby gefreut. Jetzt sind wir zuhause, meine Mutter hilft uns, möglichst leicht und gelassen in unseren Alltag zu fünft mit Hund zu glitschen, und plötzlich ist Frühling und die Sonne scheint. Alles ist gut. Vielen Dank, liebe Abkürzungsdamen, für's Mitfiebern und Daumen drücken: es hat funktioniert.


Sonntag, 19. März 2017

Nur, falls sich eine fragt

Jeden Morgen fragt L. "Immer noch kein Baby?", und jeden Morgen grunze ich irgendwas und verschwinde ins Bad. Dabei ist die Wahrheit, ich bin froh, wenn es nicht nachts losgeht. Denn sollte ich nachts so gegen zwei von Wehen geweckt werden, dann kommt das Kind irgendwann in der Morgendämmerung, und bis ich dann genäht (vermutlich) und mit Kind in Strampler und Schlafsack in einem Zimmer bin, ist der Krankenhaustag in vollem Schwung, und dann darf ich die nächsten zwei-drei Monate eine fehlende Nacht vor mir herschieben wie ein müder kleiner Bulldozer, denn dass man das im Krankenhaus niemals aufholt, weiß jeder, der da schon mal war. In einem Zimmer auf der Wochenstation kommen im Laufe des Tages (teils mehrfach): Frauenarzt, Kinderarzt, Schwester, Hebamme, Stillberaterin, Blumentante, Fototante, Putzfrau, die Frau, die wissen will, was man nachher essen möchte, die Frau, die das Essen bringt und die, die hinterher das Geschirr abholt, und der Besuch. Und das alles mal zwei, denn da ist ja noch eine zweite Dame mit Baby im Zimmer. Dazu kommen die kleinen Würmer, die ich vermutlich zuerst hätte nennen sollen, was bin ich denn bitte für eine Mutter?, aber das haben die meisten sich ja sicher schon immer gedacht, die Würmer jedenfalls, die nach ihrem Ritt aus dem Bauch den einen oder anderen Pups quer sitzen haben und sich auch erst zurecht ruckeln müssen in dieser komischen Welt, die außerdem frische Windeln brauchen und Milch, die aber auch nicht immer so kommen will, wie sie soll - eigentlich ist kaum zu fassen, wie das alles in 24 Stunden passen soll, und dann noch erholsame und kuschelige Nickerchen für Mütter und Babys - nee, die sind nun wirklich nicht drin.

Jedenfalls, immer noch kein Baby.

Freitag, 17. März 2017

Wir binden uns ein Warteschleifchen.

Es gab mal Zeiten, da war ich besser im Training, was Warten angeht. So ungefähr von Februar 2009 bis Juli 2013, würde ich sagen. Inzwischen sind die Wartemuskeln ungefähr so stramm wie der Beckenboden, und ich kann das einfach nicht mehr besonders gut. Vorgestern war der Stichtag, den ich mir ausgerechnet habe, und in drei Tagen ist der, der im Mutterpass steht. Aber die Stichtage sind gar nicht so wichtig, viel irrer macht mich, dass es sich diesmal wirklich seit ungefähr zwei Wochen so anfühlt, als würde es in der nächsten Stunde los gehen. Jedes Mal, wenn ich unter die Dusche steige, denke ich, immerhin komme ich gleich frisch geduscht in den Kreißsaal. Jedes Mal, wenn ich etwas esse, frage ich mich, ob das für peinliche Zwischenfälle bei der Geburt sorgen könnte, und meine letzte Mahlzeit mit Pilzen, Zwiebeln oder Kohl vor der unmittelbar bevorstehenden Stillzeit habe ich inzwischen ungefähr zwanzig Mal zu mir genommen. Das dritte Kind! Ich sollte lässiger sein. Bin ich aber nicht.

Und das hier ist Warten für Fortgeschrittene: Ich warte auf etwas, das aller Erfahrung nach schweineweh tun wird, und hab keine Ahnung, wie es ausgeht. Ist das Kind knallgesund und munter, und ich kann nach der Geburt über all die Sorgen aus den letzten Monaten nur noch lachen? Werden meine schlimmsten und irrationalsten Ängste wahr? Kriegen wir das hin? Wieso dauert das so lange? Kann es noch ein bisschen länger dauern bitte? Oder kann ich es bitte schon hinter mir haben?
Nicht nur Fusselhirn, sondern auch Quengelliese. (Ein klitzekleiner Teil von mir freut sich sogar ein bisschen darauf, für zwei-drei Tage zuhause aus allem raus zu sein. Dieser klitzekleine Teil wird in den nächsten Tagen noch ziemlich blöde aus der Wäsche gucken, denn die anderen Teile von mir erinnern sich noch sehr lebhaft an den nicht vorhandenen Erholungsfaktor von ein paar Tagen auf der Wochenstation.)

Ach Töchterchen, geht's Dir gut da drin?
(Wie es mir hier draußen geht, weiß ich beim besten Willen nicht mehr.)

Sonntag, 12. März 2017

Eine sehr unsortierte Auswahl einiger Dinge, die ich gerade nicht verstehe.

1. Mein erster Freund K. wohnte noch zu Hause, als wir zusammen waren (wie man das mit 17 so macht). Seine Mutter kochte ganz anders als meine. Kam z.B. die Verwandtschaft zu Besuch, dann kochte sie nicht, wie man sich das so vorstellen würde von einem ländlichen Haushalt, einen großen Braten mit ein paar Beilagen und hinterher Torte, sondern sie machte Schnitzel, Bratwürste, eine Sauce mit Fleischklößchen, Braten, einen Fleischkäse vom Metzger, Frikadellen und vielleicht auch noch Koteletts. Dazu gab es dann Reis, Nudeln, Spätzle, selbstgemachte Semmelknödel und noch ganz, ganz viel anderes. Die Verwandten fanden's supi. Bei uns zuhause gab es Mailänder Käserouladen, Wirsingauflauf, Fisch mit Senfsauce und vielen Kräutern und Badische Porreesuppe. Das war auch alles sehr lecker, aber eben anders lecker. In Mutter K.s Küche spielten Brühwürfel und Fondor eine wichtige Rolle, und in vielen Fällen war das überhaupt kein Fehler. Ihr Prunkgericht war eine Kartoffelsuppe, zu der es Apfelpfannekuchen gab. Ich habe bestimmt vier mal zugeguckt, wie sie die Suppe macht, und es mir zwölf mal mehr erklären lassen. Trotzdem kriege ich sie heute nicht hin. In die Suppe kommen Kartoffeln, Suppengrün, Petersilie, Brühwürfel, Zwiebeln und Dosenpilze, so viel ist klar. Vielleicht noch Majoran? Keine Ahnung. Bei den Apfelpfannekuchen bin ich am Ziel, die schmecken genau wie ihre. Aber diese Kartoffelsuppe entzieht sich mir jetzt seit zwanzig Jahren, so lange nämlich, wie ich schon nicht mehr mit K. zusammen bin und nicht mehr an Mutter K.s Tisch gesessen habe. So schwer kann's doch nicht sein! Kann es doch. Warum, verstehe ich nicht. Heute starte ich jedenfalls den nächsten, ca. zweiunddreißigsten Versuch.

2. Viele regen sich auf über das fiese Frauenbild aus Modelshows und Modestrecken. So dünn ist im wirklichen Leben keine Frau, da werden Zwänge und schrecklich komplizierte Krankheiten erzeugt, eine ganze Generation von Mädchen ist unzufrieden mit ihren im Grunde völlig okayen Körpern usw. Ich konnte mich darüber nie so richtig aufregen, muss ich zugeben, vielleicht bin ich erstens zu wenig anfällig für Essstörungen und zusätzlich auch noch so haarsträubend egozentrisch, dass ich mir das noch nicht mal vorstellen kann, was das mit anderen machen kann. Aber worüber ich mich in letzter Zeit sehr oft schrecklich aufrege, ist das Frauenbild in Bilderbüchern. Und wie! Ihr solltet mich sehen. Kein Wunder, dass meine Frauenärztin sich Sorgen um meinen Blutdruck macht und ich inzwischen bei sechs Methyldopa täglich bin. Bobo Siebenschläfers Mutter z.B.: Bobo schmeißt seinen Kakao vom Hochstuhl, und ehe du piep sagen kannst, ist Mutter Siebenschläfer lächelnd auf den Knien und wischt das weg. Zum Geburtstag bekommt sie eine Torte, die Bobo durch Rumhüpfen geplättet hat (wieso, wieso darf die kleine Wurst die Torte tragen? Wieso?) und freut sich natürlich so recht von Herzen. Bobo schließt sie ein und weigert sich, wieder aufzuschließen, und nachdem das Problem mit Lächeln nicht zu lösen ist, klettert sie eben aus dem Fenster, lächelnd natürlich. Dann die Kinder in der Wanne. Kinder in der Badewanne in Bilderbüchern können gar nicht anders, die setzen immer das ganze Bad unter Wasser. Man bekommt das Gefühl, das muss so sein, wenn hinterher noch Wasser in der Wanne ist, dann hat man was falsch gemacht. Die Mütter wischen und lächeln. Diese Bücher sind nicht von 1957, sondern von jetzt. Ich wünsche mir genau so wenig die Lindenstraße in Kinderbuchform, aber ein bisschen mehr Realität? Kann sein, dass die Teen Vogue oft von noch nicht komplett ausgeformten Charakteren gelesen wird, die sich viel zu leicht beeinflussen lassen, aber was ist mit Bilderbüchern? Wieso regt sich da niemand auf? Ich rede nicht nur von den Kindern, sondern auch von den Millionen von Müttern, die überall auf den Sofas sitzen, das Bilderbuch in den Händen und den Kopf voller Schuldgefühle und Unsicherheit, und dann erklärt das Bilderbuch, wie's gemacht werden soll: lächeln. Wischen. Niemals schimpfen. Niemals die Nase voll haben oder wütend werden. (Es gibt eine ganz tolle Ausnahme, nämlich Willi Wiberg. Willi lebt bei seinem allein erziehenden Vater, was aber bisher kein Thema war, und es kommt tatsächlich vor, dass Papa müde ist oder lieber die Zeitung lesen will, als mit Willi zu spielen. Er wird allen Ernstes auch mal sauer, z.B. als seine Lieblingspfeife weg ist. Trotzdem ist das ein toller Papa, der erzählt und erklärt und ganz viel versteht und richtig macht. Hurra für Papa Wiberg!) Es ist, als hätten die Bilderbuchautoren Angst, es sich mit ihrer Leserschaft zu verscheißen, wenn die Mütter und Väter auch nur das geringste Hindernis in einer kunterbunten Welt voller Phantasie und Überschwemmung und Schokoladenschlachten darstellen. Wieso? Keine Ahnung. Ich dachte in letzter Zeit bei der Lektüre von Büchern für Dreijährige öfter an "The Veldt" von Ray Bradbury, eine der gruseligsten Kurzgeschichten aller Zeiten. Z.B. hier kann man sie lesen.

3. Warum knarren immer die Dielen im Flur vor dem Kinderzimmer am lautesten? Würden wir das Kinderzimmer verlegen, würde das Knarren mit umziehen, da bin ich sicher.

4. Ich bekomme noch ein Kind. Was gibt es da nicht zu verstehen? Auch das verstehe ich nicht, sehe ich doch jedes Mal meinen gigantischen Bauch, wenn ich an mir runtergucke. Tritt mich das Kind doch jeden Tag nach Kräften. Stapeln sich hier doch inzwischen wieder die Pakete mit Sterilisiergerät, Babyaufsatz für den Kinderwagen, Babykindersitz und Pre-Milch. Hocke ich doch ständig auf dem Boden, gucke mit einem Auge Barnaby und sortiere mit dem anderen Babywäsche in passende Haufen und Körbe. Liege ich doch dauernd bei meiner Frauenärztin herum und habe diese ulkigen CTG-Geräusche im Ohr. Habe ich doch einen ET, der ständig näher rückt, und miese Übungswehen, um es zu beweisen. Die Kliniktasche steht im Flur, die Familie sitzt auf glühenden Kohlen, L. und ich führen hitzige Diskussionen über Vornamen und all das. Trotzdem will es nicht so richtig ankommen in meinem Fusselhirn. Vielleicht, weil es mir immer noch Angst macht, was die ersten Discowochen mit dem Würmchen gemacht haben könnten. Vielleicht, weil ich das immer für ein Gerücht gehalten habe, diese Talkshow-artigen Schwangerschaften von Frauen nach IVF und in fortgeschrittenem Alter. Vielleicht, weil ich mir überhaupt noch nicht vorstellen kann, wie das alles werden soll.
Aber keine Angst: erstens baue ich auf die aufrüttelnde Wirkung einer weiteren Geburt. Und zweitens auf Babygeruch und Huscheln an meiner Schulter und Stillen und all das. Das Sein bestimmt das Bewusstsein: da hab ich immer schon dran geglaubt. Und genau so, wie mein innerer Realitätsverlust mich nicht von der äußeren Anschaffung des notwendigen Babykrempels abgehalten hat, wird er mich davon abhalten, auch dieses Würmchen fest im Arm zu halten und mich um es zu kümmern, wenn es da ist. (Oder? Wird er doch nicht?)

5. Kleine Jungs und Dinosaurier.

6. Wo kaufen eigentlich die Kandidatinnen aus dem "Bachelor" ihre Kleider? So ein Geschäft hab ich glaube ich noch nie gesehen.

7. Bei all dem Bluthochdruck, der damit einhergehenden Beklemmung, dem Geächze und Gefauche bei jedem Bücken und Aufstehen und all dem ist mein Fusselkörper in manchen Dingen überraschend freundlich zu mir. Z.B. ist in dem Moment, in dem Rasieren wirklich schwierig werden würde, von Epilieren wollen wir gar nicht reden, kein Härchen mehr an meinen Beinen gewachsen. Das ist doch nett! Verstehen kann ich es trotzdem nicht, ich hab von diesem Phänomen noch nie gehört und kann mich auch nicht erinnern, ob das die letzten beiden Male auch schon so war.



Montag, 6. Februar 2017

Ein paar der Dinge, die mir diese Schwangerschaft versüßen.

1. Stilfser.
Als einerseits Fresssack und andererseits paranoides, nervöses Fusselhirn hat man es in der Schwangerschaft nicht ganz leicht: einerseits möchte ich gut essen. Andererseits kommen mir da die ganzen Miesmacher und Rauner und Unker in die Quere, die so ziemlich alles verbieten wollen, was Spaß macht, und natürlich ist das alles Bullshit, aber irgendwas bleibt doch kleben und verdirbt alles. Mit Gouda und anderen Langweilerkäsen bis zum Stichtag kann ich mich aber auch nicht abfinden. Eine Lösung, die alle glücklich macht - oder jedenfalls mich - ist Stilfser. Es gibt ihn erstens an meinem Lieblingskäsestand auf dem Markt seit Monaten im Sonderangebot. Zweitens schmeckt er wie Rohmilch, ist es aber nicht. Drittens geht damit wirklich alles: so essen, an die Kinder verfüttern, überbacken, über Pasta oder Chili oder Risotto oder Minestrone oder Kartoffeln reiben, alles! Jetzt habe ich die Rohmilch-Frage erst mal abgehakt und kaufe einfach jeden Dienstag ein Riesenstück davon, damit hat der Käsejunkie in mir Ruhe. Und dieser Käse ist so lecker (irgendwo auf halber Strecke zwischen Cheddar und Appenzeller, würde ich sagen), dass ich das glaube ich auch nach der Geburt genau so weiter tue.


2. Auf lange Abende pfeifen.
Früher war da immer die große Angst, ich würde was verpassen, bzw. das ganze "Was wird aus meinem Leben?"-Drama. Diesmal war ich einfach so müde, dass es mir egal war. An 80% der Abende während dieser Schwangerschaft war ich irgendwann zwischen acht und neun im Bett. Und zwar auch deshalb, weil ich mich darauf verlassen kann, jede Nacht so gegen eins aufzuwachen und dann bis fünf keinen Schlaf mehr zu finden. Anders wäre es einfach nicht gegangen. Es gab Ausnahmen, aber die müssen es wert sein. Und? Habe ich was verpasst? Ein paar Tatorte vielleicht. Nichts, was mich ernsthaft umtreibt. Und irgendwann kommt das alles wieder, und dann sitze ich hellwach auf der Couch und freue mich drauf.


3. Bircher Müesli.
Schon lange mein Lieblings-Mitbring-Frühstück für Arbeitstage, jetzt für jeden Tag: Abends schlurfe ich als letzte Tat des Tages in die Küche, kippe einen kleinen Messbecher voll Müesli-Mischung aus der großen Blechdose in eine Tupperdose, fülle diese zu einem Drittel mit Milch und stelle sie in den Kühlschrank. Am nächsten Morgen kommen noch Quark, Honig und Tiefkühlfrüchte dazu, fertig ist ein Frühstück, das frisch schmeckt (und sich dadurch prima mit Morgenübelkeit verträgt), gesund ist und das Baby füttert (angesichts dessen, was ich sonst so esse, spricht eine Menge dafür, gleich morgens ein paar Vitamine, Eiweiß, mehrfach ungesättigte Fettsäuren etc. zu mir zu nehmen) und locker bis 14 Uhr vorhält. Ich glaube, diesmal versuche ich, in den ersten Monaten mit Baby damit meine Notmahlzeiten zu bestreiten statt mit Special K's.


4. Getränkeservice, amazon und all die anderen.
Diese Schwangerschaft war die erste, in der ich wirklich früh beschlossen habe, es mir leicht zu machen und manche Dinge einfach nicht mehr selbst nach Hause zu buckeln. Das würde ich jetzt immer wieder so machen und kann es wärmstens empfehlen.


5. Que sera, sera, liebe Hebammen.
Ich hatte eine Hebamme, eine sehr gute sogar. Dann hat sie mich vor ein paar Wochen angerufen und mir zerknirscht abgesagt, sie ist leider krank geworden und muss eine Weile aussteigen. Weil Hebammen in Hamburg selten und heiß umkämpft sind und ich dazu auch noch schrulligerweise in den Ferien entbinden werde, ist das ein Supergau. Eigentlich. Denn nach einem erfolglos zertelefonierten Vormittag und einem mittleren Nervenzusammenbruch habe ich mich gefragt: muss das wirklich sein? Ich hab doch schon zwei Kinder, in meiner Frauenarztpraxis gibt es Hebammen, die im Not- oder auch im Zweifelsfall auch mal das Baby angucken können, eine Waage hab ich selbst, und mein Kinderarzt sitzt auch um die Ecke, ganz zu schweigen von meiner Geburtsklinik. Und nun ist es eben so, ich schaff das schon. Bisher war es doch mit mir und den Hebammen immer so, dass ich nach dem dritten Besuch dachte, nun muss ich das auch nicht mehr haben, aber die Frau will ja ihr Geld verdienen, und wie sieht denn das aus, wenn ich sie jetzt rausschmeiße?

Dann eben ohne. So wie Milliarden Frauen, die nicht zufällig ihre Kinder im fürsorglichen deutschen Gesundheitssystem bekommen.


6. Meine Frauenärztin.
Genauer gesagt, ihr Ultraschall. Versteht mich nicht falsch, ich bin ein Riesenfan von ihr: sachlich, extrem fachkundig, verständnisvoll, freundlich, pragmatisch und einfach rundum gut, wie sie ist. Aber wenn man schwanger ist und dazu neigt, sich Sorgen zu machen, die nur durch konkrete, greifbare Untersuchungsergebnisse wirklich zerstreut werden können, dann ist ein gutes Ultraschallgerät in der Praxis Gold wert. Ich habe oft in den letzten Monaten an meine Ex-Ärztin und ihren Kartoffelsalat-Ultraschall gedacht und wurde von einer Welle der Dankbarkeit überflutet, dass ich da nun nicht mehr bin. Schwanger mit miesem Ultraschall ist wie Fußball-WM mit altem Schwarzweiß-Fernseher.



7. Phantom-Ohrenstöpsel.
Nachts hilft mir Ohropax beim Schlafen, tagsüber sorgen diese imaginären Wunder-Dinger für Ruhe und Frieden. Als Tipp taugt dieser Punkt leider nicht viel, denn ich hab auch keine Ahnung, woher diese Gelassenheit kommt, aber diesmal schaffe ich es erstaunlicherweise ganz gut, dicht zu machen. Egal, ob mich eine Kita-Mutter angesichts meines ersten Capuccinos des Tages fragt, ob ich tatsächlich Kaffee trinken darf, ob die Bäckerin mich eindringlich vor dem Schokofranzbrötchen warnt, weil Kakao doch Koffein enthält, oder ob die Dame von der Krankenkasse der Meinung ist, alles weniger als ein Jahr Elternzeit wäre unverantwortlich. Rarara, Bliblablo, hat jemand was gesagt? Schönen Tag noch!



8. COS.
Schwangerschaftsjeans müssen sein, der Rest diesmal irgendwie nicht. Zum Glück gibt es COS. Die ewigen weiten, kastenartig geschnittenen Oberteile und Hängerchen, die mir sonst ehrlich gesagt ein bisschen auf die Nerven gegangen sind (weil extrem wenig schmeichelnd für meine Figur), kommen mir jetzt gerade richtig. Der Bauch passt rein, und wenn das Baby auf der Welt ist und ich langsam wieder normale Formen annehme, dann kann ich die Dinger immer noch anziehen, Kastenform hin oder her, und habe kein Geld für Kleider ausgegeben, die ich am Ende nur drei Monate lang wirklich trage. (Für Schwangerschaftsjeans werde ich dagegen auch nach der Schwangerschaft definitiv noch Verwendung haben. Heute wird mein neues Waffeleisen geliefert.)



9. Mein Dufflecoat.
Wer keine Lust hat, sich acht polyesterige Schwangerschaftstops bei H&M zu kaufen, hat erst Recht keine Lust auf die schäbigen Anoraks aus der Mama-Abteilung. Ich hatte auf meinen Dufflecoat gehofft, und er hat meine Hoffnungen bisher nicht enttäuscht: in die Dinger passt eine Menge Baby rein. Meiner ist ein tonnenschwerer Hamburger Klassiker von Ladage & Oelke in Dunkelblau, den ich beschämend billig auf ebay gekauft habe. Er bringt mich jetzt durch den dritten Winter, achter Monat hin oder her. Es könnte gut sein, dass ich versuchen werde, das Baby im Babybjörn da mit reinzuknöpfen, sollte der Frühling auf sich warten lassen. Ich bin mir da sogar ziemlich sicher.



10. Tageszeitungen.
Wer sich vom neuen Mutterglück nicht aus der Welt drängeln lassen will, hat eine einfache und wirkungsvolle Option: statt neunmalklugen Ratgeberbüchern einfach öfter mal Zeitung lesen. Ich kann gar nicht sagen, worin der Zauber besteht - eigener Pipikram-Ärger relativiert sich angesichts von Weltkrisen, erweiterter Horizont, Futter fürs Gehirn, Ablenkung oder was auch immer - aber mir tut das gut.

Montag, 23. Januar 2017

Pläne für danach.

Ein Glück habe ich mir nicht für's neue Jahr vorgenommen, "im Hier und Jetzt zu leben". Erstens ist das einer dieser typischen Bliblablo-Vorsätze. Zweitens hätte er genau so wenig mit mir zu tun wie der Plan, mich im nächsten Jahr auf 100 essentielle Besitztümer zu reduzieren, straight edge zu leben oder eine dieser megafunktionalen Garderoben zu haben, in der drei weiße Blusen und ein Bleistiftrock eine wichtige Rolle spielen. Und drittens würde ich dann ganz schön dahängen gerade, denn das Hier und Jetzt gestaltet sich gerade so, dass die hier-und-jetzt-Anhänger ziemliche Psychoklimmzüge vollführen müssten (oder ein sonnigeres Gemüt haben, als es mir zur Verfügung steht), um sich darin so richtig pudelwohl zu fühlen. Wohl wahr, ich darf gegen jede Wahrscheinlichkeit nun noch mal das Wunder erleben, als unfruchtbare Tante ein Kind zu bekommen. (Zählt das übrigens als Hier und Jetzt, wenn es noch zwei Monate entfernt ist? Wohl kaum?) Aber das Wunder tritt mir derzeit jede Nacht zwischen 12 und halb 5 durchgehend in die Blase, hat mir zu meinem schrottreifen Beckenboden und der Dauererkältung seit Mitte November jetzt auch zu hohen Blutdruck beschert, sorgt davon abgesehen öfter für Panikattacken-artige Zustände (dieses Gefühl, als würde ein dicker, haariger Troll auf mir sitzen und mir die Luft zum Atmen nehmen) und hält mich von zwar nicht allem ab, was Spaß macht, aber doch von einer ganzen Menge. Beispielsweise ist gerade das seit Menschengedenken erste Mal, dass ich ein dickes Konto habe und gleichzeitig Sale bei meinen Lieblingsläden ist. Aber kann ich mich deshalb endlich mal mit einem wirklich guten Mantel oder genug Jeans bis 2020 ausstatten (oder mit drei weißen Blusen und einem Bleistiftrock)? Nein, hat keinen Zweck, ich habe nämlich keine Ahnung, ob ich nach dem Baby eher dünn oder eher moppelig werde, und rührende Optimismuskäufe habe ich genug. Letzte Woche musste ich endlich die Hoffnung aufgeben, dass es doch noch irgendwie was wird mit dem lange geplanten Mädchenurlaub im Juli, an den ich mich jetzt seit vielen Monaten jedes Mal geklammert habe, wenn ich einen Rappel hatte. Samstag war L. allein in der Elbphilharmonie, um sich die guten alten Einstürzenden Neubauten anzuhören, und ich konnte nicht mit, weil Sturzgeburt durch Lärm gedroht hätte. Einzeln kommt Euch das vermutlich lächerlich vor, aber in Summe habe ich es gerade ein bisschen dicke. (Eine klare, gut sortierte Sicht auf Prioritäten war noch nie meine Stärke, und ich wollte ja 2017 zu meinen Schwächen stehen.)

Aber - und damit endlich zum Punkt - wer hat gesagt, ich würde im Hier und Jetzt leben wollen? Niemand! Und darum kann ich mich gerade wunderbar damit bei Laune halten, Pläne für die Zeit danach zu schmieden. Nach der Geburt, nach dem Wochenbett, nach der Stillzeit.

Ich träume zum Beispiel davon, diesen Sommer mit beiden Jungs im Garten des Heidehäuschens zu zelten. Taschenlampen, Schuhu-Schuhu und Kekskrümel im Schlafsack: herrlich wird das! Ich träume außerdem davon, einen Sport zu finden und mich vielleicht sogar (ich weiß. Aber wartet mal ab!) in einem Studio anzumelden. Ich habe sogar schon einen Plan, in welchem. Da dann mit Kleinchen im Gepäck hinzugehen und endlich etwas gegen diesen Monsterhintern zu tun, darauf freue ich mich. Ich freue mich drauf, wieder mehr zu schreiben. Vielleicht doch noch mal Schwung in mein Berufsleben zu bringen statt immer nur Pragma. Schön zu kochen für Freunde. Und ab und zu sogar meinen ausgelutschten Mutti-Körper durch das Nachtleben zu schleifen. Wieso denn nicht? L.s Samstag Abend endete früh um drei, und er durfte am nächsten Tag bis in den Nachmittag im Bett bleiben, warum denn nicht auch mal ich? Ich freue mich darauf, das Babythema endgültig und gründlich und ohne vielleicht-ja-dochs und wäre-es-nicht-schöns innerlich abzuschließen. Und darauf, den kleinen Pupsis beim Wachsen zuzusehen. Ich freue mich sogar, nennt mich bescheuert, auf Diäten. Darauf, wieder der Boss zu sein und mit meinem komischen Körper machen zu können, was ich will, so lange ich es will. Auf Pläne! So kurzsichtig und blauäugig und unnötig und oberflächlich und schlecht durchdacht sie auch sein mögen. Ich freu mich drauf.

Montag, 9. Januar 2017

Rolle Rückwärts

Gestern hatten wir spontanen Besuch von L.s Cousine, die in London lebt. Sie hat von einem Spieltreff für Kleinkinder erzählt. Statt die Kinder da abzugeben und dann fröhlich pfeifend ihrer Wege zu gehen, sollten die Mütter im Nachbarzimmer sitzen. Aber nicht etwa allein mit ihren Gedanken, mit dem Wirtschaftsteil oder mit einem guten Buch, sondern es gab Aufgaben. Beispielweise sollten sie der Reihe nach sagen, was das Allerallerbeste an ihrer Schwangerschaft gewesen war oder wie sie es in ihrer Partnerschaft jetzt mit der Hausarbeit hielten. In England, so scheint es, ist gerade die Hausarbeit ein Riesenthema. Babys schreien und brauchen viel Liebe und Zeit, und der Abwasch macht sich nicht von alleine. Papa geht arbeiten, und Mama kriegt es nicht immer alles so hin, wie sie gerne würde, was theoretisch in Ordnung ist, aber sie fühlt sich schlecht dabei. Kommt das Kind zu kurz? Sieht die Wohnung nicht gut genug aus? Wollen die Babypfunde einfach nicht verschwinden? Das alles sind Fragen, die englische Mütter um den Schlaf bringen. Während diese und andere Themen im Stuhlkreis besprochen wurden, sollten die Frauen (Männer waren nicht anwesend) parallel kleine Bastelarbeiten erledigen. In diesem Fall sollte mit Lavendel parfümierter Reis in kleine Säckchen genäht werden, die dann noch dekoriert werden sollten. Die Säckchen wiederum waren dazu gedacht, zuhause die Wäsche im Schrank zu beduften. L.s Cousine stellte sich quer. Wieso die paar kostbaren Stunden ohne Kind mit Hausfrauen-Angst und der Produktion von unnötigem Dekoschrott verschwenden? Die Reaktion der Gruppe auf ihren Protest war freundlich und verständnisvoll. Sie ist trotzdem nicht mehr hin gegangen.
Wir müssen wirklich aufpassen. Was heißt wir, ich spreche von mir. Ich war nie eine besonders eifrige Kämpferin für eine Rolle der Frau jenseits von Ideen mit Lavendel und Babyglück, aber auch ich kriege leicht Pickel, wenn ich spüre, wie auf tausend mehr oder weniger subtile Arten die Geburt eines Kindes ein eigentlich modernes, freies Mädchen Zack-Bumm zurück in die 50er katapultiert. Was heißt 50er, 40er. Jetzt ist das Baby da, jetzt machen wir es uns mal nett zuhause. Jetzt dekorieren wir die Bude und kochen uns was Schönes, jetzt entdecken wir ein Hobby wie Einkochen für uns, jetzt treffen wir uns in unserer Freizeit mit anderen Müttern und sprechen über unsere Kinder. Jetzt wird's gemütlich, und als Zerstreuung reicht es uns, abends noch ein paar mal ins Kinderzimmer zu schleichen und unser schlafendes kleines Wunder versonnen zu betrachten. Bleibt uns weg mit unserer Altersvorsorge oder unseren Jobchancen und bleibt uns vor allem weg mit Politik.

Ich hab das ja auch: ein erhöhtes Wärme- und Kuschelbedürfnis, manchmal schiebe ich es auf die Schwangerschaft, manchmal auf den Winter. Ich bin fürchterlich müde und will einfach nur meine Ruhe. Ein Bilderbuch, zwei kleine Schlafanzüge und ein großer und dann Bett. Ich guck mir auch gerne Wohnblogs an, auch wenn ich in letzter Zeit - genauer gesagt seit ca. acht Jahren - finde, es reicht jetzt mal mit dänischem Teak, Lammfellen, Buchstaben als Deko und Subway Tiles. Gott weiß, dass ich gerne koche (und schon wieder hinter meinem Rücken eine Liste mit Vorsatz-Rezepten für 2017 angelegt habe), das kommt einfach so, wenn man ein Fresssack ist. Aber gleichzeitig denke ich, das kann und darf nicht passieren, nicht mit mir und nicht mit uns. Da draußen ist der Teufel los, und ich rede nicht von neuen Wohntrends. Wir können nicht nur kochen und klitzekleine Popos abputzen und Bücher vorlesen und kuscheln, wir können auch denken und sprechen und arbeiten. Wir können sogar höllisch aktiv außerhalb unserer mehr oder weniger dekorierten Wohnung werden, wenn uns etwas wichtig genug ist. Nur wird uns irgendwann niemand mehr danach fragen, wenn wir das alles lang genug nicht getan haben.

"Was hat sie denn jetzt schon wieder?"
"Keine Ahnung. Hormone."

Ach, ich weiß es doch auch nicht.

Sonntag, 1. Januar 2017

Selten waren zu Silvester so wenige Zigaretten und so viel Gehuste.

Frohes neues Jahr, liebe Abkürzungs- und Ex-Abkürzungsdamen!

Bestimmt gilt es als extrem schlechte Form, einen Neujahrspost mit einem langwierigen Gemecker über die eigene Gesundheit zu beginnen, aber dies ist mein Blog, und hier herrsche ich mit eiserner Knute. Mitte November hatte ich mit Kalle als Stargast ein sehr schönes Wochenende in Berlin. Wir haben bei einer Freundin herumgemuckelt, vietnamesisches Essen gegessen, teils Champagner, teils Mineralwasser getrunken, Hochzeitsfotos angesehen und hatten es rundum gut. Einziger unerfreulicher Teil dieses Wochenendes war eine längere Odyssee mit der Berliner S-Bahn, als ich nämlich mit Kalle von einem Kurzbesuch bei meinem Bruder in Kreuzberg zu der Freundin wollte und mangels Kindersitz nicht einfach ein Car2Go nehmen konnte. Die Fahrt, die eigentlich zwanzig Minuten hätte dauern können, dauerte fast zwei Stunden. Unterwegs wurden mir einige der größten Unterschiede zwischen Berlin und Hamburg mit plumper Deutlichkeit vor Augen geführt, und Hamburg hat gewonnen. “Hölle nochmal” fauchte ich innerlich. “Nie wieder ohne Kindersitz”. Und “Wenn ich mir hier von einem von euch jetzt auch noch eine Erkältung einfange, dann rrrrraste ich aus.”

Auf der Heimfahrt nach Hamburg fing der Hals an zu kribbeln, und sechs Wochen später stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Ich habe (jetzt zum zweiten Mal) verstopfte Nebenhöhlen, dementsprechend Kopfschmerzen, ich habe einen Husten wie ein Feldlazarett, der hält mich jetzt seit drei Wochen in Schwung und hat im Lauf dieser drei Wochen meinen mühsam wieder zusammentrainierten Beckenboden wieder komplett zerschossen. Vor der Schwangerschaft konnte ich schon wieder laufen gehen, und zwar nur mit einer Slipeinlage - und die nur zur Sicherheit. Jetzt verbrauche ich täglich ca. 10 dieser Super-Maxi-Pipi-Binden, die so groß sind wie ein Weltatlas und acht Tropfen auf der Packung haben, und seit gestern läuft es auch gerne mal wieder, wenn ich nicht huste, sondern nur einen Wasserhahn betätige oder auch gar nichts tue. Es ist mir unendlich peinlich, ich bin wütend wie eine Hornisse, und die nächste Geburt steht mir erst noch bevor - wobei, schlimmer kann sie es eigentlich nicht machen. Und dann geht das alles wieder los: elektrische Hose, Physio, Balancierball und die dicksten Binden der Stadt. Während meine Jungs langsam trocken werden. Damit bin ich aber noch nicht am Ende mit meinem Gesundheitsreport: Weihnachten habe ich mit bis heute rätselhaften, aber seeeehr konkreten und nicht-psychosomatischen Magenschmerzen in einem Münchner Krankenhaus verbracht, während der Rest der Familie das von meiner Schwester liebevoll und umsichtig organisierte Fest genießen konnte und meine Kinder ca. alle drei Minuten gefragt haben, wo eigentlich Mama ist. Und seit zwei Tagen meldet sich die dusselige Bandscheibe wieder, was nicht nur sehr, sehr schade ist, sondern sich auch mit dem Husten zu einem symbiotischen Gesamtkonzept verbindet: wenn ich huste, tut der Rücken weh, und lege ich die Beine hoch und mache meine Rückenübungen, dann steigern sich Husten und Inkontinenz augenblicklich zu einer Hochform, die selbst mich erstaunt.

Während ich so dalag in meinem Krankenhausbett, habe ich eine Menge Zeit darauf verwendet, mir über Neujahrsvorsätze Gedanken zu machen. Gelassener werden! Mehr auf mich achten! Mich weniger nach den Wünschen anderer richten! Mir mehr Gutes tun! Flora 2017, yay!

Jetzt bin ich wieder zuhause, und während ich so dalag, die Nachbarschaftspartys und den bunten Krieg da draußen im Ohr, bin ich zu folgendem Schluss gekommen: Bullshit. Ich habe es nicht nachgeschlagen, aber ich glaube, in den letzten Jahren habe ich fast jedes Jahr genau diese Entschlüsse gefasst und keinen davon jemals umgesetzt. Dieses Jahr habe ich eigentlich nur einen Vorsatz:

Ich lasse Flora 1973-2016 gefälligst in Ruhe. Es zeigt sich nämlich, dass ich im Grunde ziemlich vorsatz-resistent bin. Trotz allerbester Absichten bin ich immer noch fusselhirnig, neige zu panischen Reaktionen, mache mir viel zu viele Gedanken über jeden Mist, vor allem darüber, was andere so denken, denke immer, während ich A tue, ich müsste aber eigentlich B oder F oder Z tun, fühle mich ständig gleichzeitig egoistisch und zu kurz gekommen, kann mich niemals entscheiden, und jede Form von Gelassenheit ist mir ziemlich fremd. Leider. Ich finde auch, es wäre schön, etwas lässiger zu sein. Mich weniger stressen zu lassen, nicht alles so schwer zu nehmen, schöne Dinge mehr zu genießen usw. usw., aber ich kann das offensichtlich nicht immer so wie gewünscht, und genau das ist seit Jahren eine der stinkigsten Quellen von Stress in meinem Leben: wieso kann ich das nicht? Wieso bin ich nicht so wie die anderen offensichtlich sind? Wieso bin ich so eine hysterische Ziege? Und die einzige Form der Gelassenheit, die ich mir vielleicht dieses Jahr abkämpfen kann, ist die gegenüber mir selbst. Schluss mit Optimierungsprogrammen und idiotischen Fünf-Jahres-Plänen. Wer weiß? Vielleicht kommen ja andere Formen automatisch hinterher, irgendwann Richtung August, September, ungefähr um den Dreh, wenn ich von den Acht-Tropfen-Binden auf die Sieben-Tropfen-Binden runter bin. Und wenn nicht, dann nicht.

Ende der Vorsatzliste.

Andererseits habe ich es immer geliebt, Vorsatzlisten zu schreiben, es weht für einen Moment so ein Optimismus, so eine Aufbruchstimmung um mich und meinen Rechner - darum erzählt mir doch, was habt ihr so für Vorsätze?