Sonntag, 2. Juli 2017

Die Ent-Kalle-Blomquistisierung Eppendorfs

Gestern war ich mit den Jungs in einem Schwimmbad, das um die Ecke liegt. Dort gibt es einen gut abgetrennten Bereich mit einem lauwarmen, flachen Planschbecken. Die Idee war, dass sie dort ein paar Stunden mit anderen Kleinkindern spielen, im flachen Wasser herumpaddeln, ein paar Fritten essen und dann abends todmüde in die Bettchen fallen. Hat auch alles so weit geklappt, bis auf das mit den anderen Kindern. Und bei dieser Gelegenheit ist mir aufgefallen, dass das in letzter Zeit ziemlich oft so läuft.

Ich hoffe nicht, dass es daran liegt, dass unsere Jungs zwei angehende Kirmesschläger sind, vor denen anderen Kinder dringend beschützt werden müssen. Aber auf Spielplätzen oder gestern in diesem Schwimmbad kriegen sie eigentlich ständig eins vor den Latz. Gestern hat Kalle z.B. einen anderen, etwas größeren Jungen mit ein bisschen Wasser bespritzt. Kein dicker Schwall, auch kein Eimerchen voll, nur ein paar Wassertropfen. Das hat er aber nur einmal gemacht, denn dann stand sofort die Mutter dieses Jungen vor ihm und keifte ihn zusammen, was das denn sollte, hier wären noch andere Kinder, er sollte sich mal benehmen. Ich gab zu Bedenken, das wäre doch hier ein Planschbecken, immerhin, aber erntete nur einen ziemlich ranzigen Seitenblick, bevor sich die Mutter zurückzog, um unter vielen weiteren Seitenblicken einer anderen Mutter Bericht zu erstatten. Wieder eine andere Mutter schwamm hinter ihrer kleinen Tochter her und spielte, sie sei ein Hai. Als Michel das lustig fand und auch hinter ihrer Tochter herschwamm, wurde er ruckzuck aus dem Verkehr gezogen. So ging das eigentlich die ganze Zeit. Es ist nicht so, dass ich mich vollkommen aus allem rausnehmen würde. Wenn eins meiner Kinder ein anderes schlägt, an den Haaren zieht, beißt oder untertunkt, dann donnere ich dazwischen wie nichts Gutes. Aber spritzen? Ein bisschen ärgern? Schief angucken? Ist das wirklich schon so schlimm? Und ist es nicht sogar so, dass die Knirpse eine Menge dabei lernen, wenn sie solche Dinge unter sich ausmachen, statt gleich die höhere Instanz alles regeln zu lassen?

Gar nicht weit von uns ist der Innocentiapark, da gibt es einen Matschbrunnen. Man sollte nicht glauben, wie viele Kinder da spielen, die sich AUF GAR KEINEN FALL schmutzig machen dürfen oder wollen, erst Recht nicht, wenn ein anderes Kind irgendwie daran Anteil hat. In einem Fort hört man Kinder solche Sachen sagen wie “Die da hat meine Schüppe genommen, Menno” oder auch “Der Johannes hat sich die Schuhe ganz nass gemacht, obwohl er nicht durfte, hast du doch gesagt!”
So gut wie nie hört man dagegen den Satz “Petze, Petze, ging in' Laden”.
Und dann kommen die großen Jungs, die sich sofort zu CEOs des Matschbrunnens aufschwingen. Große Bereiche werden für alle anderen Kinder gesperrt, ab sofort bekommt nur noch Wasser, wer ihnen gefällt, und wehe, irgendwer grätscht in ihr aufgeblasenes und langweiliges Staudamm-Projekt rein. Wir sind ja nicht zum Spaß hier! Auch die haben dann Mütter, die ihnen notfalls das Geraffe vom Hals halten.
Was sind denn das für Kinder? Als Kind hätte ich die alle doof gefunden.

Und ich wollte doch, dass meine Jungs halbnackt und total verdreckt durchs Unterholz rennen und auf Bäume klettern und mit Matsch werfen und ihre kleinen Kriege austragen und das Kinderleben in vollen Zügen genießen! Was die Bullerbü-mäßige Deko angeht, sind die Hamburger Mütter da immer noch voll dafür. Nur eben bitte nicht in echt.

Und wenn wir doch aufs Land ziehen? Nicht, dass das da genau so schlimm ist?

Sind die alle doof hier.

16 Kommentare:

  1. Sehr gute Einstellung, genau das würde ich mir für meine Kinder auch wünschen! :) Mein erstes Kind wird übrigens im Januar hier in Schweden geboren - aber irgendwie habe ich den Verdacht, dass es im Bullerbü-Land eher noch extremer ist...(Lasse mich aber natürlich gerne vom Gegenteil überzeugen!)
    Viel Erfolg bei der weiteren Suche nach Matsch-freudigen Freunden für deine Jungs!

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    1. Habe zwei Kinder in Schweden bekommen bekommen (2013, 3015) und kommenden Monat ziehen wir nach Hamburg. Das wird dann der Vergleich aus erster Hand 😄 Im Großen und Ganzen finde ich die Schweden als Eltern aber echt entspannt, sehr liebevoll und zugewandt. Ich fand es immer aufällig wie selten man von schwedischen Eltern ein lautes oder unfreundliches Wort zu ihren Kindern hört... Momentan leben wir in den USA und hier ist extrem, wie sehr die Eltern auf Spielplätzen als Helikopter fungieren!

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    2. Sorry für die Rechtschreibfehler!

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    3. Habe zwei Kinder in Schweden bekommen bekommen (2013, 3015) und kommenden Monat ziehen wir nach Hamburg. Das wird dann der Vergleich aus erster Hand 😄 Im Großen und Ganzen finde ich die Schweden als Eltern aber echt entspannt, sehr liebevoll und zugewandt. Ich fand es immer aufällig wie selten man von schwedischen Eltern ein lautes oder unfreundliches Wort zu ihren Kindern hört... Momentan leben wir in den USA und hier ist extrem, wie sehr die Eltern auf Spielplätzen als Helikopter fungieren!

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    4. Oh das ist schön zu hören, Charlotte! Ich kenne bisher leider einfach wirklich nicht genug Familien mit kleinen Kindern um das beurteilen zu können.. Bin sehr gespannt!

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  2. Aufs Land zu ziehen ist keine Lösung, glaub mir :-) Da hast Du dann zwar weniger Eingemische, verblödest aber gänzlich und Deine Kinder ebenso. Ich weiß, wovon ich spreche.
    Hier dürfen die Kinder zwar im eigenen!!! Garten aufs Trampolin oder am Bach spielen, aber wehe, man naht dem Grundstück des Nachbarns. Das muss nun wirklich nicht sein und da wird beim Verstecken spielen gern mal mit der Polizei gedroht.
    Die Gespräche der Mütter drehen sich ausschließlich nur um Kindergartenbastelaktionen fürs Sommerfest und wenn man darüber nachdenkt, nach drei Jahren wieder halbtags in den Job einzusteigen, erntet man böse Vernachlässigungs-Kommentare ("Dafür hast Du doch kein Kind gekriegt!")
    Eine Bekannte ist mit ihrem Mann und Kind letztes Jahr "in die böse Stadt" gezogen und hat sich mit den Worten verabschiedet, dass sie nicht möchte, dass das einzige Highlight im Kinderleben ihres Sohnes die Krone des Kinderschützenkönigs bleibt.
    Von daher: nein, das Land ist keine Lösung, auch, wenn ich Deinen Frust absolut nachvollziehen kann. Ich sehe das auch so, dieses ständige Einmischen der Eltern, das sich nicht Schmutzigmachendürfen und das mal selbst auch als Mini auseinandersetzen müssen bringt uns leider jede Menge A*****kinder.

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    1. Eigene Verblödung liegt wohl nicht am Wohnort ;-) Gespräche der Mütter in Großstädten sind übrigens genauso gehaltvoll wie auf dem Land. Mütter halt.

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    2. Ich sag mal so: die eigene Verblödung hat schon was mit dem Wohnort zu tun. :-) Ich bin auf dem Dorf groß geworden und fand es toll. Schützenfeste, Prozessionen, Kühe treiben und Scheunenfeste, super. Dann bin ich zum Studium weg. Zwangsläufig, denn um da zu bleiben hätte ich entweder Erzieherin oder Altenpflegerin müssen. Das ist nicht abwertend gemeint, das sind alles Jobs, vor denen ich meinen Hut ziehe, aber eben nicht meine.
      Also weg vom Dorf, rein in die Stadt. Mit Kino vor der Tür, Studentenabo fürs Theater, Ausstellungen und Bücherläden, Bücherläden, Bücherläden :-)
      Ich habe es genossen und gemerkt, was ich bis dahin verpasst habe. Wobei verpassen das falsche Wort ist. Ich habe es ja nicht vermisst, weil ich es nicht kannte. Aber es war toll. Input, den ich vorher nicht kannte. Alternativen. Leute, mit denen man sich angefreundet hat, weil man dieselben Interessen hatte und nicht (nur), weil man im selben Alter und/oder verwandt war.
      Ich bin nach dem Studium nicht wieder zurück, sondern bin in der Stadt geblieben, habe meinen Mann kennengelernt und dann klappte es mit dem Kinderkriegen nicht.
      Bei Heimatbesuchen durfte ich mir dann immer anhören, dass das daran liegt, dass ich studiert habe und Karriere mache. Wenn du mal hier geblieben wärst und den Hannes geheiratet hättest....
      Ich bin froh, dass ich es nicht getan habe :-)
      Und so hoffe ich, dass der nächste KiWU-Versuch klappt und wir mit Kind und Kegel aufs Land fahren, um Oma und Opa zu besuchen.
      Aber nur zu besuchen. Definitiv!

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  3. Och nöööö, wir werden wohl bald auch gar nicht so wenig Zeit im Innocentiapark verbringen und auf so etwas hab ich ja gar keine Lust! Ich hoffe aber darauf, dass unser Sohn sich weder durch CEOs noch deren Mütter beirren lässt - seine heute abgeschlossene erste Lebenswoche lässt mich so etwas erahnen ;)

    P.S.: Wo gibt es denn ein Kinderolanschbecken in Eppendorf???

    Allerliebste Grüße von TinaSausHH bei der es im 12. Versuch auch endlich geklappt hat!!!

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    1. Ach, total vergessen - das Becken im Haynspark!

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    2. Nee, eigentlich war von dem Plantschbecken im Holthusenbad die Rede. Liebe Grüße!

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  4. Komm her zu uns aufs Dorf! Hier ist es schön!

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  5. Wir haben schon vor drei Jahren Camping für uns entdeckt. Wir stehen im Frühling und Sommer zum Teil monatelang übers Wochenende auf schönen Kindercampingplätzen mit unseren Kindern und lassen die dort frei spielen oder wir machen Fahrradtouren. Im Herbst und Winter gehen wir dann in den Zoo, ins Museum oder unternehmen irgendwelche Ausflüge an den Wochenenden.

    Funktioniert super für uns und die Kinder. Sie bekommen viele Eindrücke aus der Natur und bekommen regelmässig neue Eindrücke. So halten wir die Balance und machen uns unabhängig von unserem Wohnort.

    LG
    Schoko NL

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  6. Könnten ja einen Matschen-im-Planschbecken-Stammtisch einberufen und den Helikopteranwaltmuttis vormachen, wie freies Spielen funktioniert :-)
    Ich freue mich jedenfalls, wenn ich mit einer strubbellockigen, unfrisierten, staubigen, matschfüßigen und müdeglücklichen Tochter nach einem Spielplatznachmittag nach Hause gehe.
    LG von Nina aus HH

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    1. Liebe Nina aus HH, jetzt habe ich in den letzten Monaten immer wieder mal nach Deiner Telefonnummer gesucht, um Dir endlich angemessen zu gratulieren - wobei ich das so oft wollte, dass ich noch nicht mal mehr weiß, ob ich das nicht per Kommentar schon getan habe. Hier jetzt jedenfalls noch mal oder auch endlich mal: herzlichen Glückwunsch! Wenn einer weiß, dass es Wunder tatsächlich immer wieder gibt, dann ja wohl wir. Und einen strubbellockigen Nachmittag würde ich sehr gerne mit Dir verbringen, je strubbeliger, desto besser!

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