Freitag, 7. September 2018

Dies ist ein Ölschlonzpost.

Zartbesaitete weglesen: ich schreibe diesen Post, während ich am Küchentisch sitze (das war noch nicht das leicht eklige Detail) und den Mund voll mit lauwarmem Kokosöl habe. Das schlubbere ich jetzt so ein bisschen hin und her, und wenn man nicht zu viel darüber nachdenkt, ist es gar nicht so übel. Zwanzig Minuten lang mache ich das jetzt jeden Morgen, für 14 Tage, und dann mal gucken, ob es was kann. Eigentlich würde so was für mich unter typisch esoterischen Kokolores fallen, Schlacken gibt's nicht, also gibt's auch nichts zu entschlacken, aber: ich habe seit Neuestem eine Kollegin, die unfassbar viel raucht und trotzdem perlweiße Zähne hat. Sie sagt, sie macht das jeden Morgen, und tadaaa! Das versuche ich jetzt auch, auch wenn mein Gelbstich wenig mit Schmöken zu tun hat und viel mit Tee, Veranlagung und etwas nonchalanten Putzgewohnheiten.

Jedenfalls werden 20 Minuten nur Schlubbern und Gluckern schnell etwas öde, deshalb dachte ich, schreibst Du halt einen Post. Zum Beispiel darüber, dass die neue Arbeit zwar unfassbar stressig ist, aber trotzdem noch viel besser tut als erwartet. Oder darüber, dass wir gerade die schlimmste Krise seit Anbeginn der Kita-Zeit durchstehen, eine Krise, die leider viel Kafkaeskes hat, und auf kafkaeske Krisen kann ich ja zu allerletzt. Kalle, mein Großer, ist von einem Kitarauswurf bedroht, und das, obwohl seine Gruppenleiterin findet, dazu gibt es nicht den geringsten Grund, im Gegenteil. Dazu werde ich bald noch mehr schreiben, wenn der Mist überstanden ist (so oder so wird es sich vermutlich nächste Woche entscheiden).

"Und? Seid ihr gut angekommen?" fragen ziemlich viele Leute, wenn man vor einer Weile umgezogen ist. Und das sind wir. Es ist gerade unfassbar viel zu tun (nicht wegen des Umzugs immer noch, sondern einfach so), es ist zum Durchdrehen viel zu Planen, Bedenken und Entscheiden, aber trotzdem bin ich angekommen, ja wirklich. Im Haus und sogar im Mama-Sein mit drei Kindern. Nach drei mehr als stressigen Babyzeiten (die ich jedenfalls so empfunden habe, Wunschkind hin, Hilfe her) gibt es gerade wirklich diese Momente, die für mich in schwarzen Zeiten immer die Trost-Fata-Morgana waren: ich sitze mit einer Tasse Tee auf dem Sofa, die Jungs spielen Playmobil, und die Kleine torkelt mit ihrem Seemannsgang dazwischen herum und hilft beim Spielen, wo sie kann.
Neulich haben wir den ersten Ausflug zu sechst (mit Hund) auf einen Spielplatz weiter draußen gemacht, bei dem ich mich richtig gut fühlte. Hier kommen wir! Das ist unsere Familie! So geht das also, Sonntag zusammen im Grünen! Ich hol Eis, will jemand ein Eis? Schön war das.

Und dann habe ich noch zu erzählen (bevor das Öl in den Müll gespuckt werden darf und ich mich ans Kitafrühstück machen muss): wir haben den Fernseher abgeschafft, und es ist die beste Idee, die wir seit Langem hatten. Ich drängele darauf schon seit Monaten hin, und L. war anfangs immer sofort auf Zinne, wenn ich davon anfing. Wir sind doch keine Oberstudienräte für Deutsch und Ethik! "Aber sag nicht gleich nein, denk mal kurz drüber nach" habe ich immer gesagt. "Ich gucke überhaupt nicht, und wenn, dann Netflix. Das kann ich auch am Rechner. Du guckst Sport, das kannst Du auch im Stadion oder in der Fußballkneipe, ist eh viel netter, oder auf dem ipad. Und die Kinder wollen immer, immer, immer gucken, und weil sie das nicht dürfen, quengeln sie die ganze Zeit." So war es wirklich, obwohl wir immer aufgepasst haben, dass es nicht zu viel wird, standen meine Jungs jeden Sonntag morgen um sieben neben mir in der Küche und fingen mit ihrer achtstündigen Dauerquengelleier an: "Dürfen wir Paw Patrol sehen? Super Wings? Ninjago? Connie? Wenigstens Connie? Oder Heidi? Jim Knopf? Büttööö!" Wenn ich dann Nein gesagt habe (habe ich, keine Sorge) gab es ein Geheule, und dann passierte das, was passieren soll: sie haben sich eben was zum Spielen gesucht. Ich dachte nur irgendwann, warum nicht gleich? Kinder sind doof, die kapieren noch nicht, was das Fernsehen mit ihnen macht, im Zweifel wollen die immer lieber Paw Patrol als Playmobil, und wenn sie das nicht dürfen, quengeln sie und sehen es nicht ein, da kann ich noch so toppmotiviert vor ihnen stehen und sagen "Hey, aber ich weiß was viel Besseres: wir spielen jetzt Verstecken im Park!". Es sind feine Jungs, die können super spielen, man muss sie nur lassen, und das halbstündige Gequengel vorher (am Wochenende gerne mehrmals am Tag) können wir uns doch alle ersparen. Und vor einer Woche hatte ich L. dann so weit. Während die Jungs in der Kita waren, hat er das Ding ins Schlafzimmer geschleppt, dort steht er jetzt nutzlos herum, bis wir eine bessere Aufbewahrung gefunden haben. Zu großen Ereignissen wie einer WM oder so kann er ja wieder kommen. Oder wenn die Jungs größer sind. Oder wenn wir mal alle zwei Wochen lang krank sind. Aber im Moment ist er weg, und abgesehen von einer kurzen markerschütternden Heulerei haben die Jungs den pädagogischen Tiefschlag verkraftet und gehen jetzt eben direkt Playmobil spielen, wenn sie kurz nicht wissen, was sie mit sich tun sollen. Kann ich nur empfehlen.

Donnerstag, 26. Juli 2018

Jetzt aber.

Liebe Abkürzungsdamen,

selbst in diesem eigentlich blogfreundlichen Urlaub ist die Blogzeit kürzer als erwartet, darum will ich gar nicht viel kostbare Schreibzeit damit verschwenden, zu sagen, wie leid es mir tut, dass ich mich hier seit Wochen/Monaten/Jahren ständig tot stelle, sondern direkt schreiben, was es eigentlich zu schreiben gibt.

Erstens: Mutti hat einen Job, und hoffentlich dreht keiner durch.
Im Nachhinein kann ich natürlich leicht sagen, die Arbeitslosen-Krise war ein floratypisches Superduperdrama im Taschenformat, dass ich mich nicht so hätte aufregen sollen und dass doch eh klar war, dass das wieder wird. Aber die Wahrheit ist, ich hatte wirklich Angst, und hätte ich nicht zufällig eine Freundin, die in meiner zukünftigen Agentur arbeitet, wäre die Krise vermutlich auch jetzt noch nicht vorbei. Zur Erinnerung: Ich habe seit vielen Jahren in einer Agentur eigentlich fest gearbeitet, ohne dort jemals fest angestellt zu sein. Das lag nicht an den miesen Ausbeuterchefs, sondern aus irgend einem Grund wollte ich lange nicht fest dort arbeiten, und dann wollte ich irgendwann doch, aber dann war ich plötzlich aus dem Nichts im dritten Monat und hatte einfach nicht die Chuzpe, jetzt um einen Vertrag zu bitten. Dann kam die Elternzeit, in den letzten Wochen bis zum Mutterschutz hatte ich noch mal richtig viel zu tun, denn es war scheinbar schwerer als gedacht, eine Babyvertretung für mich zu finden, und tatsächlich habe ich bis ein paar Tage vor Entbindung noch oft genug zuhause am Rechner gesessen und mal eben schnell noch diesen einen kleinen Job gemacht. Es war nicht schön, aber es gab mir zumindest das Gefühl, gebraucht zu werden und mir nicht zu viele Gedanken darum zu machen, dass es nach der Babypause genau so weiter gehen würde. Dieses Gefühl wurde noch mal bestärkt, als ich zur Martinsfeier mit allen zusammen saß und mir strahlend und etwas angeschickert anhörte, wie sehr mich alle vermissen, dass sie es kaum erwarten können, wenn ich demnächst wieder an meinem Schreibtisch sitze und die Mikrowelle einsaue, und dass ohne mich sowieso alles Mist ist. Im Januar auf unserer Haus-Einweihungs-Party erzählten sie das dann noch mal. Und dann kam der April, die letzten Wochen der Kita-Eingewöhnung von Klärchen, und ich hatte ein Gefühl. Nur so ein Gefühl! "Du spinnst", sagte L., der von meinen Gefühlen prinzipiell nichts hält (auch wenn er oft genug sagt, ich hätte gar keine). Das Gefühl blieb. Dann habe ich ungefähr zwei Wochen vor dem geplanten ersten Arbeitstag mal da angerufen. "Oh, ach so", sagte die sehr nette Dame am anderen Ende. "Du weißt ja, wie es ist, im Frühjahr müssen wir immer so ein bisschen sehen, wie wir klar kommen. Ich sprech mal mit den Jungs (Anmerkung: Werbecode für Bosse) und melde mich dann wieder." Das war an einem Donnerstagmorgen. Am Nachmittag kam kein Rückruf. Ich sollte vielleicht dazusagen, dass diese Agentur räumlich sehr überschaubar ist, mit den Jungs zu sprechen, erfordert eigentlich nur, kurz die Stimme zu erheben. Freitag kam auch kein Anruf. Montag habe ich dann noch mal angerufen, und es zeigte sich, dass mein Gefühl Recht gehabt hatte: So leid es ihnen täte, sie hätten im Moment einfach nichts zu tun für mich. Das war schade, sehr schade. Vor allem, nachdem ich fest darauf gebaut hatte und nachdem ich viele Monate ungenutzt hatte verstreichen lassen, in denen ich natürlich mit Macht neue Kunden hätte rankobern können. Mich arbeitslos zu melden, war auch überhaupt keine Option, denn das letzte "normale" Geschäftsjahr, das für die Berechnung meiner Bezüge herangezogen worden wäre, war 2016 - in dem es ganz genau so gelaufen war mit dieser Agentur. Ich wollte eigentlich im November 2015 nach Michels Babypause zurück in den Sattel, aber auch da hatten sie plötzlich nichts für mich zu tun, und bis ich wieder richtig arbeiten konnte, war es Juni geworden. Das war also ein eher schwaches Jahr gewesen, mein Arbeitslosengeld wäre fast komplett von den zusätzlichen Kitastunden über die Basisversorgung hinaus aufgefressen worden, die mir als Arbeitsloser nicht mehr zugestanden hätten. Außerdem habe ich eine irrationale und durch nichts erklärbare Allergie dagegen, arbeitslos zu sein. Ich hatte also kein Geld, keinen Job und wusste nicht so richtig, was ich machen soll. Meine erste Bewerbung ging an eine Agentur, in der ich früher mal gearbeitet habe - vor den Kindern, vor einer Ewigkeit. Damals hatte ich dort gekündigt, weil sie meinen Teampartner auf ziemlich unelegante Art rausgekickt hatten. Sie haben damals alles versucht, um mich vom Bleiben zu überzeugen - sogar eine Viertagewoche zum Gehalt einer Fünftagewoche haben sie mir angeboten. Ich dachte damals, Charakter würde sich darin zeigen, jetzt hart zu bleiben. Ich blieb also hart und traf eine der dööfsten Entscheidungen meiner an doofen Entscheidungen nicht gerade armen Karriere. Aber doofe Entscheidungen kann man manchmal doch korrigieren, oder? Dachte ich jetzt und bewarb mich als Texterin in dem Laden, in dem inzwischen alle Leute, die mich damals halten wollten, entweder weg oder tot waren. Als Texterin kann man sich naturgemäß nicht gut mit einem Schreiben bewerben, das mit den Worten "Hiermit bewerbe ich mich auf die Stelle als Texterin" beginnt. Ich habe wochenlang an einer ganz besonderen Bewerbung gearbeitet, die ein möglichst genaues Bild von mir geben sollte. Dann habe ich sie abgeschickt mit dem Gefühl, das man vermutlich bei der NASA hat, wenn die Rakete nach jahrelanger Vorbereitung die Erdatmosphäre verlässt. Erst kam eine automatisierte Antwort, dann kam lange gar keine, und dann eine automatisierte Absage. Und auch wenn das die erste und bisher einzige Bewerbung gewesen war, war ich ehrlich, ehrlich fertig. Ich war zwei Wochen später immer noch fertig, als ich in der Küche meiner alten Freundin B. saß. Sie hatte Trost und kalten Wein für mich, während ich jammerte, könnte ja sein, dass Texterinnen händeringend gesucht würden, aber jedenfalls würde niemand händeringend nach 45jährigen Texterinnen in Teilzeit mit drei kleinen Kindern suchen. Und dann sagte sie, das wäre doch Quatsch, in ihrer Agentur gäbe es mit Sicherheit einen Job für mich. Am nächsten Tag hat sie ihren Chefs geschrieben und ihnen den Link zu meiner Homepage mit meinen Arbeiten geschickt. Und am übernächsten Tag hatte ich die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Zu dem ging ich noch mit gestrichen voller Hose, immerhin war das mein erstes Vorstellungsgespräch seit 18 Jahren. Der Boss begrüßte mich mit den Worten, er hätte meine Mappe gesehen, das wären ja richtig gute Sachen. Und dann habe ich ausgeatmet und es mir gemütlich gemacht, und am gleichen Abend kam der Anruf, dass ich am 1. August anfangen kann. Seitdem habe ich noch eine Woche frei dort gearbeitet, und es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe: ich bin überglücklich, morgens an meinen Schreibtisch zu kommen, mir zwei bis sieben Kaffee zu holen und dann das Maschinchen mal wieder rattern zu hören. Ich mache Überstunden, und so lange die Kinder gut betreut sind und zuhause niemand einen Rappel bekommt, genieße ich jede Minute davon. Ich mache Mittagspause! Was das für ein Glück bedeutet, kann glaube ich jede Mama in Elternzeit und ansonsten niemand da draußen im Jobleben verstehen. Und? Ist das jetzt eine gute Idee? Sollte ich nicht viel besser die Kitazeit auf Basisversorgung runterfahren und die freien Stunden nutzen, um endlich mein seit zehn Jahren geplantes Buch zu schreiben? Ich finde nein. Außerdem erzeugt die Arbeit eine derartig gewaltige manische Phase bei mir, dass ich mich genau so gut abends nach der Gutenachtgeschichte noch hinsetzen und ein paar Seiten schreiben kann. Es sei denn, dann muss ich mir demnächst noch schnell ein paar schicke Konzepte einfallen lassen.
Bin ich glücklich!

"Und? Habt ihr euch schon eingelebt?"
Haben wir, haben wir sogar schon so ungefähr zwei Tage nach dem Einzug. Es ist komisch, aber die Probleme zeigen sich genau da, wo ich sie schon bei der ersten Besichtigung vermutet hatten, und sie sind wirklich alle halb so schlimm. Hier sind sie: 1. Der Boden in der Küche und im Bad ist der gleiche wie überall sonst, ein geölter dunkler Holzboden, der natürlich wunderschön und schick aussieht, so lange kein Tropfen Wasser darauf fällt. Muss ich mehr sagen? Der Boden in Küche und Bad kommt jetzt schon hoch, obwohl ich ständig mit Lappen und Flüchen auf Wassertour bin. Schon die Tropfen, die aus Lilis Bart fallen, wenn sie getrunken hat, reichen vollkommen, um den prächtigen Boden zu ruinieren. An mehreren Stellen kommt er hoch. Da muss also demncähst was anderes rein, und dann ist gut. 2. Wir sitzen wie eine Spinne im Netz inmitten von achtuhunderttausend Einkaufsmöglichkeiten, was dazu führt, dass ich manchmal drei mal am Tag einkaufen gehe statt einmal richtig. Aber dieses supersüße Mickymausproblem wird demnächst der Job ganz von alleine regeln. 3. Die Treppen. Die Treppen waren bisher vollkommen okay, niemand ist runtergefallen und sie sind im Grunde ein 16-Stunden-Bauch-Beine-Po-Programm, obwohl ich komplett runter bin von meinem 5:2-Diät-Schema und ständig an der Frittenbude stehe, nehme ich kein Gramm zu. Aber jetzt läuft Klara. Anfangs hat sie sich auf den Treppen immer ganz vorsichtig an den Stahlseilen festgehalten, aber jetzt biege ich manchmal um eine Ecke und sehe sie plötzlich auf der zweiten Stufe von oben stolz wie Oskar freihändig stehen. Dann werfe ich mich nach oben wie Colt Seavers und fange sie auf. Irgendwann werde ich mal nicht dabei sein oder zu spät kommen, und dann wird es ganz schrecklich. Treppengitter sind keine Option, denn an den Pfosten lassen sie sich nicht befestigen. Hoffentlich hilft Daumendrücken und so oft wie möglich nicht von ihrer Seite weichen. Sie ist ein enorm standfestes Kind, die Stufen sind mit Teppich beklebt, und et is noch immer joot jejangen, aber mehr fällt mir gerade auch nicht ein. 4. Alle können jetzt sehen, wie unordentlich wir sind. Während bei den Nachbarn durch das Küchenschaufenster immer das gleiche funkelnde Display aus Tipptopp-Küchengeräten zu sehen ist, guckt man bei uns auf den Abwasch und die Schleichdinos und all sowas. Was das betrifft, muss ich wohl entweder den Hintern hochkriegen oder mich entspannen. Ich habe mich für eine Mischung aus beidem entschieden.
Von diesen kleinen Meckereien abgesehen sind wir sehr glücklich dort. Die Nachbarn sind reizend, das Minigärtchen hat genau die richtige Größe, die Zwischenwände schlucken jedes Geräusch, so dass die Kinder rund um die Uhr Schlagzeug spielen könnten, wenn es nach den Nachbarn ginge, und ich finde es toll, jetzt die paar hundert Meter weiter in etwas weniger poshes Gebiet als bisher vorzudringen und trotzdem noch auf den schönen Markt von früher, in die gleiche Kita und mit den Kindern zu ihren alten Freunden zu können.

Schönen Gruß von der Familie.
Es tut sich eine Menge, aber weil ich mich nach wie vor weigere, Elternfachbücher zu lesen, kann ich Euch jetzt wenig über Phasen oder Stufen oder Prozesse oder Familienkonstellationen erzählen. Klärchen kann jetzt laufen, das hatte ich ja schon erzählt. Jetzt ist mir aufgefallen, dass das ulkige Gebrabbel, das sie den ganzen Tag und auch mehrer Stunden nachts von sich gibt, manchmal ziemlich viel Sinn ergibt: dann wird aus "Assassaalea" plötzlich "Das Wasser ist leer". Oder aus "tumama" "Zumachen". Schaukeln kann sie auch schon, und das können die Jungs bis heute nicht ohne anschubsen, was mir sehr peinlich ist. Meine Große! Sicher hochbegabt, oder? Nur schlafen kann sie nicht so gut und ich entsprechend auch nicht so. Die Jungs, zeigt sich inzwischen, haben beide diese ulkige Fähigkeit von L. geerbt, ihre Zunge seitlich einzurollen. Von mir haben sie geerbt, die letzten auf der Tanzfläche zu sein, jedenfalls hier in der Kinderdisco. Ansonsten will ich immer noch nicht so viel von ihnen erzählen, aus Rücksicht darauf, dass es ihnen eines Tages entsetzlich peinlich sein könnte. Was mich betrifft, muss ich zugeben, dass die Mutterliebe sich bei mir oft ziemlich seltsame Bahnen bricht, mit denen die Kinder nicht so viel anfangen können. Gestern Abend wollte ich ihnen z.B. Charlie und die Schokoladenfabrik vorlesen, was Kalle einigermaßen ok fand, aber Michel mit Protestgeheul beantwortet hat. Letzte Woche hatte Kalle Geburtstag und hat von mir einen Berg Geschenke bekommen, von denen mir erst beim Auspacken klar wurde, dass das fast alles Sachen waren, die ich mir selbst als Kind gewünscht hätte. Was sagen wir dazu? Erst mal nichts und dann demnächst vermutlich eine Menge.


Samstag, 21. Juli 2018

Eine bodenlose Unverschämtheit ist das.

Liebe Abkürzungsdamen,

wieder mal monatelang Funkstille, den versprochenen Stammtisch habe ich auch verbammelt, und jetzt das: jetzt will ich auch noch was von Euch.

Genauer gesagt der NDR. Die nette Frau Remus hat mich gefragt, ob ich Lust und Zeit hätte, nächsten Mittwoch fünf Minuten lang ein Interview zum Thema IVF und Abkürzungszeit zu geben. Lust hätte ich schon, denn ich finde es immer wichtig, das Thema aus Sicht von Damen zu erzählen, die es tatsächlich erlebt haben. Man kann sogar gar nicht genug tun, um seine Abkürzungsgeschichte den Klauen von Schicksals-TV-Schmonzen und den Lästereien von Jens Jessen usw. zu entreißen. Nur leider, leider bin ich am Mittwoch nicht in Hamburg, und daran scheitert es. Das heißt, muss es ja nicht: vielleicht traut sich ja eine von Euch? Ich fänd's toll! Sie darf auch gerne anonym bleiben. Gebt Euch einen Ruck, liebe Abkürzungsdamen!

Und ich bin jetzt endgültig auf dem Weg in ein paar Tage, an denen die Blogsituation so vielversprechend wie nur irgend möglich sein wird. Also: meldet Euch beim NDR, bleibt dran und freut euch auf demnächst mehr.

Die Dame heißt Dr. Daniela Remus, ihre Mailadresse d.remus@hamburg.de


Sonntag, 22. April 2018

So ein Theater

Zu Schulzeiten hatte ich eine Freundin, deren Vater sich niemals angeschnallt hat. Auch der Rest der Familie sollte das seiner Meinung nach nicht tun. "Früher", fand er, hätte das niemand getan und es wäre ja schließlich nichts passiert. Seine große Angst war, einen Unfall zu bauen, das Auto fängt Feuer, und durch klemmende Gurte verbrennen dann alle bei lebendigem Leibe. Gleichzeitig war die Gurtverweigerung wohl auch eine Trotzreaktion - er wollte der Welt beweisen, dass er sich jedenfalls nicht verrückt machen lässt und lässig über solchen einengenden Vorschriften wie der Gurtpflicht steht. Ein bisschen wohl außerdem ein ziemlich paradoxer Beweis der eigenen Unverwundbarkeit - guckt mal, was ich mache, mir kann nämlich nichts passieren. Meine Schwiegermutter hat manchmal ähnliche Anwandlungen - nicht, wenn es um Gurte geht, aber in vielen anderen Bereichen. "Ich hab das immer so gemacht, und nie ist was passiert. Da wird ja heute so ein Theater gemacht".

Gestern hatte ich die Jungs in der Badewanne, die Kleine stand angezogen dabei und durfte ihren großen Brüdern zusehen. Ich saß direkt neben der Wanne auf dem Klodeckel und überwachte das Ganze, ohne zu blinzeln. Auf einmal plumpste die Kleine über den Rand und versank kopfüber im vielleicht zehn Zentimeter tiefen Wasser, wo sie in Schockstarre verfiel. Ich hab sie sofort gegriffen und rausgezogen, sie fing an zu brüllen, aber bis auf einen nassen Strampler ist nichts passiert. Wäre ich in diesem Moment nicht im Raum gewesen, sondern kurz nebenan, um schon mal ein Ersatzhandtuch zu holen, wäre sie ertrunken. Hätte ich nicht neben der Wanne gesessen, sondern wäre mal eben am Waschbecken gewesen, um im Spiegel nach Petersilienresten zwischen meinen Zähnen zu suchen, vielleicht auch. Vielleicht wäre sie sogar ertrunken, wenn ich zwar auf dem Klodeckel gesessen hätte, aber kurz eine SMS beantwortet hätte, so gruselig lautlos und äußerlich undramatisch ging das vor sich. Bei Babys reichen wirklich wenige Sekunden. Das Schlimme dabei ist, dass ich schon manchmal tatsächlich kurz nebenan war. Nicht, wenn die Kleine in der Wanne ist, ich bin doch nicht bescheuert, aber wenn die Großen darin waren schon. Nie lange und nie zum Spaß, sondern nur, um zum Beispiel die Tür zu öffnen oder ans Telefon zu gehen. Das werde ich von jetzt an lassen. Und Euch will ich - falls Ihr auch so eine kleine Wurst zuhause habt - jetzt noch mal eindringlich davor warnen. (Und das als jemand, der dieses ewige Gewarne unter Müttern, dieses Drohen mit Todesfällen in der nur eine Geschichte entfernten Umgebung, ganz schrecklich findet. Aber es ging mir durch und durch. Und zum Glück habe ich ja in Verbindung damit keine Horrorstory zu erzählen, sondern nur eine Geschichte, die sich zu einer Horrorstory hätte entwickeln können.) Und jetzt habe ich mich auch wieder beruhigt und alles ist zum Glück gut ausgegangen. Kinderbaden ist übrigens auch so eine Sache, von der meine Schwiegermutter findet, man sollte das nicht so eng sehen. Tja nun.

Damit zuuuum Stammtisch! Die Reaktionen waren ja etwas verhalten bzw. gemischt, zwei Damen hatten aber den Finger für den 3. Mai gehoben. Jetzt finde ich Stammtisch zu dritt noch ein bisschen klein - damit sind wir nur eine Abkürzungsdame von einem Blind Date entfernt, und sollte sich eine Dame verspäten oder es sich anders überlegen, sitzen wir da tatsächlich zu zweit und können uns tief in die Augen schauen. Darum würde ich nun doch noch ein bisschen warten und den Juni anpeilen. Da habe ich auch noch jede Menge Donnerstage frei, das Wetter ist vielleicht auch etwas zuverlässiger, falls wir draußen sein wollen, und bis dahin habe ich hoffentlich einen Durchbruch in meiner aktuellen Jobkrise geschafft, was mich wesentlich entspannter einen Abend verjuxen lassen würde, statt zuhause am Rechner zu sitzen und mit angstgeweiteten Augen an einer Bewerbung zu arbeiten. Was meint Ihr?

Dienstag, 10. April 2018

Vorwärts geht anders

Heute morgen bin ich viel zu früh von Kalle geweckt worden. Im Laufe der Nacht war er zu mir ins Bett gekrochen, jetzt war er wach und damit hatte der Rest der Welt das gefälligst auch zu sein. "Mama? Mamaaaaa?" Ich zählte innerlich bis zwei und sagte dann "Nicht. Aufwecken. Du sollst mich nicht aufwecken. Vor allem nicht, wenn ich schlafe. Psssst." oder so. Und dann geschah das Wunder: er krabbelte aus dem Bett, tapste auf nackten Füßen zwei Etagen tiefer, krabbelte zu der inzwischen lustig vor sich hin brabbelnden Klara ins Bett und fing an, seine kleine Schwester zu bespaßen. Kurze Zeit danach kam dann noch Michel dazu. Und dann saßen die drei noch eine halbe Stunde lang in dem kleinen Gitterbett und hatten es nett. Und ich lag da oben und hätte fast geheult vor Dankbarkeit, dass es sie tatsächlich gibt, diese magischen Momente, von denen alle immer schwärmen. Es fühlte sich an wie eine Mischung aus schönstem Tränenkino und ausschlafen und Silvester, und dann waren die 30 Minuten vorbei, und ich bin aufgestanden, und es war 6:30. Aber immerhin!

So ein fauler Morgen macht bereit für neue Taten. Stammtisch! Diesmal haben ziemlich viele auf die vorsichtige Anfrage reagiert, und ich würde vorschlagen, wir peilen mal einen der Donnerstage in näherer Zukunft an. Am 19. bin ich vielleicht schon verabredet, aber wie wäre der 26.4.? Der 3.5.? Oder der 10.5.? Weil wir beim letzten Stammtisch plötzlich zu achtzehnt waren und damit für viele nette Kneipen zu viele, würde ich diesmal sicherheitshalber gleich das Abaton Bistro vorschlagen. Vorteile: Große Tische, sie nehmen Reservierungen an, das Essen ist lecker und wer uns dann alle plötzlich doch doof findet, kann den Abend retten, indem er ins Kino geht. Bitte sagt mal Piep bezüglich der Termine, wenn Ihr Interesse habt!

Und dann habe ich leider noch zu vermelden, dass mein neuer Tatendrang in anderer Hinsicht diesmal ins Leere läuft. Eigentlich sollte ich am 2. Mai wieder an meinen alten Schreibtisch zurückkehren. Eigentlich hatte ich mich wie Bolle darauf gefreut. Und eigentlich war das fest abgemacht. Gestern habe ich nun erfahren, dass daraus leider nichts wird. Und nun sitze ich hier und muss mich wieder mal fragen, was ich in nächster Zeit so anfange mit meinem Leben zwischen den Kindern. Ein anderer Job als Werbefifi? (den ich erst mal finden muss, diese Branche - ekliges Wort, aber mach was - hat nicht gerade gewartet auf eine 45jährige Mutti mit drei kleinen Kindern und massiver Selbstvermarktungshemmung, egal wie viele Pokale sie im Schrank hat.) Erst mal arbeitslos und dann weiter sehen? (etwas Borstiges und schlecht Gelauntes in mir sträubt sich dagegen, und zwar mit Macht.) Endlich das verdammte Buch schreiben und dann auf einen dieser fetten Buchdeals hoffen, die es in Wirklichkeit nicht gibt? (Tja.) Oder etwas ganz anderes? Kellnern? Berufsbloggen? Lotto? Edelprostituierte? (Wie edel genau kann es werden mit den Schwangerschaftsjeans, die ich immer noch nicht weggeschmissen habe, und vier Wochen altem Nagellack an den Füßen?) Ich schwimme gerade ein bisschen, aber wir hören ja immer wieder, dass Schwimmen gut für's Bindegewebe, für die Kondition und überhaupt für so ziemlich alles ist.

Montag, 5. März 2018

Mal nichts mit Zigaretten, Alkohol und Lauf-App.

Die Mütter mit den SUVs. Die Mütter mit einer ganzen Handtasche voller Kekse und Salzbrezeln und Reiswaffeln. Die Mütter, die sich immer so doll kümmern. Die Mütter, die sich eigentlich gar nicht kümmern. Die Mütter, die ihre Kinder Sebastian Konstantin nennen. Die Mütter, die ihre Kinder Marcel Keanu nennen. Die Mütter, die beim Kita-Kinderabend ständig reden. Die, die immer am Klettergerüst stehen und unbedingt verhindern müssen, dass ihr Kind 50 cm tief in eine Sandkiste fällt.

Ja. Und was genau ist mit denen?

Ich habe in den letzten Wochen viel nachgedacht. (Fragt mich nicht, wann genau jetzt.) Und ich bin zu einem ziemlich späten Neujahrsvorsatz gekommen: zur Abwechslung will ich mal aufhören, innerlich und äußerlich dauernd die anderen runterzuputzen, rumzukritteln und doof zu finden. Stattdessen soll in meinem übermüdeten Hirn ab sofort Milde walten: ich will mir in diesen Fällen einfach denken, die haben auch ihren Stress und ihre Schlaflosigkeit und ihre Sinnkrisen und ihre Ehekräche. Die wissen auch einfach nicht, wie es geht, und versuchen, es trotzdem irgendwie hinzukriegen. Genau wie ich, und wenn mir das nicht so viel Angst machen würde, dann käme ich vermutlich gar nicht auf die Idee, mir hier ständig andere zu suchen, die ich mir selbst als jedenfalls noch unfähiger als mich verkaufen kann, womit ich dann wieder etwas besser vor mir selbst dastehe. Die haben auch ihren Teil von der Grippewelle oder irgend einer Kitapest mitgekriegt. Und keiner weiß, was andere Kinder ihren Müttern alles so um die Ohren hauen, wie die letzte Nacht war und was der kleine Sonnenschein gerade mit ihrer vor Kurzem noch großen Liebe macht. Darum will ich die ab sofort in Ruhe lassen, ihnen freundlich zunicken, und wenn sie daraufhin die Straßenseite wechseln, einfach denken, siehste? Die musste jetzt eben plötzlich woanders hin.

Bin ich gespannt, wie das wird.

Montag, 19. Februar 2018

Lebenszeichen

Je mehr Vorsätze ich fasse, desto schlimmer wird es. Hier der Beweis: ich traue mich kaum noch nachzurechnen, wie lange der letzte Post her ist, und nun läuft es schon wieder auf einen großen Rundumschlag hinaus. Mal sehen, wie weit ich damit komme, das Baby ratzt jedenfalls und Kalle und Michel sind in der Kita.

1. Das Haus.
Eigentlich hatte ich mich jahrzehntelang als fröhliches, grundoptimistisches Mädchen eingeschätzt, aber seit einiger Zeit ist das Glas nicht nur immer halb leer, sondern hat auch metallic-farbene Lippenstiftspuren am Rand und ist sowieso nicht kalt genug. Mal schiebe ich es auf das Alter, mal auf den Schlafentzug, mal auf die Viren und mal auf die weltpolitische Lage. Insofern ist es kein Wunder, dass ich vier Wochen nach dem Umzug erst mal sehe, was alles noch nicht so ist, wie es sein soll: es hängt noch kein Bild, es sind immer noch ein paar hartnäckige Kartons hier und da, in einigen der Zimmer stehen die Möbel herum wie vom Laster gefallen ohne Sinn und Ziel, und über den Keller will ich gar nicht sprechen. Davon abgesehen fühlen wir uns alle hier sehr wohl. Es ist schön, die Kinder trampeln und rennen und kreischen lassen zu können, weil unsere Nerven die einzigen sind, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Es ist auch schön, den Tag mit voll aufgerissener Lieblingsmucke beginnen und beenden zu können. Und das Haus verlassen zu können ohne Sorge, entweder den Meckerpötten von unten oder der irren vertrockneten Ollen von oben zu begegnen, die diese nervtötenden Angewohnheit hatte, einem im Vorbeigehen irgend eine Anschuldigung an den Kopf zu werfen und dann zeternd wegzulaufen, ohne sich die Antwort anzuhören. Und das Haus ist wirklich, wirklich schön, da kann all unsere Unordnung und selbst der Ausfall von zwei Putzfrauen kurz hintereinander nichts dran rütteln. Und die vielen Stufen sorgen dafür, dass hier zu wohnen einem täglichen einstündigen Bauch-Beine-Po-Kurs gleichkommt. Manchmal sitze ich mit einem Buch und einer Tasse Tee auf einer der Treppen und kann nicht fassen, dass ich hier leben darf. Jetzt müssen die Jungs sich nur noch mit ein paar der anderen Kinder anfreunden, die ich immer in Schneeanzügen an unserem Küchenfenster vorbeizischen sehe, dann sind wir wirklich angekommen. Zumal ich gerade wieder auftauche aus zwei Wochen Grippehölle und voller Tatendrang bin, in der einen Hand das Frosch Badspray, in der anderen die Bohrmaschine, zwischen den Zähnen ein paar Dübel.

2. Die Kinder.
Meine Mutter hatte früher einen kleinen Bilderrahmen im Regal stehen, darin war ein aus der Zeitung ausgeschnittenes Gedicht. Das Ganze war ein Geschenk von einer etwas seltsamen Freundin gewesen. In dem Gedicht ging es darum, dass eine Mutter sich gefälligst nicht beklagen soll über Lärm, Stress, nervende Hausarbeit usw., denn früh genug würden die Kinder groß, und dann wäre es auch wieder nicht richtig. Ich hab es als Kind oft gelesen, ohne mich so recht damit anfreunden zu können, einfach weil es dastand. Und heute ist mir das auch noch eher fremd, dieses Wegbürsten von mütterlicher Not und das Drohen damit, dass es einem hinterher leid täte. Gerade brechen hier die letzten Wochen mit Klara vor der Kitazeit an, und ich habe sie so gern, dass ich manchmal kurz vorm Durchdrehen bin, und ich genieße die Zeit mit ihr auch nach Kräften, aber nein, ich kann nicht sagen, dass mich beim Gedanken daran eine namenlose Melancholie packt. Demnächst kommt sie in die Schneckengruppe, da wird sie liebevoll betreut und trifft andere kleine Schnecken, es gibt neue Bauklötze zu belutschen, das wird toll! Und ich fange wieder an zu arbeiten. Und dann lernt sie laufen und dann sprechen, und dann ist er irgendwann da: der Moment, in dem ich tatsächlich alle drei Kinder spielen lassen kann und selbst in einem anderen Zimmer bin und andere Dinge mache ohne Angst, dass sich gleich jemand das Genick bricht oder eine Murmel verschluckt. Kein Lemming mehr in der Familie, yay! Darüber können andere wehmütige Gedichte schreiben, wenn sie wollen.

3. Das Buch.
Hört bloß auf.

4. Der Stammtisch.
Als ich das letzte Mal davon angefangen hatte, haben sich (glaube ich) zwei versprengte Damen gemeldet, die Interesse hatten. Heute frage ich noch mal: wer wäre gerne dabei? Ich brauche noch so ca. zwei Wochen Schonzeit, bis die Grippe wirklich aus den Knochen ist, aber dann wäre ich wieder mal dabei, wenn wir uns auf einen langen Abend treffen und über Hormone, Kinder und die Abwesenheit von Kindern schwadronieren. Sagt doch mal?

Und da meldet sich der Lemming wieder. Ich sag jetzt nicht bis bald, sonst dauert das wieder sechs Wochen, ok?

Mittwoch, 3. Januar 2018

Mit einem Zeh im Grab.

Ab und zu komme ich morgens vom Kita-Gang zurück und erzähle L. gleich als Erstes, dass heute der Papa XY wieder da war, der nicht mehr so schnell die Treppe runter- wie hochkommt. Oder der mit dem Fiffi. Oder irgendwas dergleichen, das den Zweck erfüllen soll, den es schon lange nicht mehr erfüllt: den Eindruck erwecken, wir würden in unserer Kita zu den jungen Eltern gehören. Bzw. stimmt das auch nicht so ganz, ich glaube manchmal tatsächlich, dass wir guter Durchschnitt sind. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist guter Durchschnitt in einer Harvestehuder Kita trotzdem richtig, richtig alt.

Hier einige Alarmsignale:

Ab und zu wachsen borstige Freak-Haare aus meinem Kinn. Ich bin auf der Hut und erwische sie meistens, bevor sie länger als zwei Millimeter werden, und dann geht es im Stechschritt ins Bad, wo ich sie erst vergeblich mit einer Pinzette ausrupfen will, nicht erwische und dann doch das Epilierdings nehme. Aber eines Tages, da bin ich sicher, geht mir eins davon durch die Lappen, und dann habe ich plötzlich ein drei Zentimeter langes Borstenhaar am Kinn wie meine Oma am Ende.

Könnt Ihr Euch an den Kinofilm “About Schmitt” mit Jack Nicholson erinnern und die Szene mit den Adern am Knöchel? Diese Adern, also die habe ich auch.

Ich verwende inzwischen im Gesicht kaum noch ein Kosmetikum, das nicht irgendwas mit “Repair”, “Hyaluron” oder “Regeneration” im Namen hat: eine Armee von dermatologischen Trümmerfrauen.

Früher war der Unterschied zwischen Make-Up oder nicht der Unterschied zwischen Superdiscoglam und normal-okayem Alltag. Jetzt ist es der Unterschied zwischen normal-okayem Alltag und einem wirklich miesem Tag.

Diese komischen roten Flecken, die überall am Körper auftauchen. Mein Dermatologe nennt sie Blutschwämmchen, und dieses Wort würde ich gerne meiner persönlichen Liste ekliger Wörter hinzufügen, wo schon Wörter wie Mutterkuchen, Nabelschnur und Geschwulst zu finden sind.

Ich treffe manchmal Leute auf der Straße, die ich kenne, und ich weiß überhaupt nicht, woher. Bist du ein Kita-Papa? Hatten wir mal ein daneben gegangenes Blind Date? Saßen wir mal am gleichen Konferenzraumtisch? Waren wir mal Nachbarn? Oder spielst Du nur in einer Fernsehserie mit, die ich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen habe? Ich bin froh, wenn die unbekannten Bekanntschaften Frauen sind, damit sind schon mal eine Menge Optionen raus.

Wenn ich auch nur ein klitzekleines Bisschen Alkohol zu viel trinke, habe ich einen im Vergleich zum körperlichen Kater monströsen, monströs ungerechten und kaum zu überstehenden moralischen Kater.

Beim Aufstehen, Hinlegen, Baby Hinlegen oder Aufheben und überhaupt bei jeder wichtigen Bewegung mache ich jetzt Geräusche.

Ich komme mit gelegentlichen Flüppchen einfach nicht mehr davon.

Ich bin der Meinung, das ist doch keine Musik mehr (und das ist doch kein Fernsehprogramm mehr, Kinderfernsehen war früher viiiiel besser, und was hat dieser Typ bitte im Feuilleton verloren?!?) (Wobei ich trotz alledem noch nie CDU gewählt habe. Immerhin.)

Wann wird er wohl kommen, der Tag, an dem Außenstehende nicht mehr sicher sind, ob meine Kinder meine Kinder oder meine Enkel sind?