Samstag, 30. April 2011

Ich hätte ja schon eher gepostet, aber ich war noch in der Maske, kennt ihr ja

Wieder mal passiert erst tagelang nichts und dann auf einmal viel zu viel. Der Reihe nach (jedenfalls versuche ich das nach Kräften, aber bekanntermaßen soll man sich mit Braten in der Röhre ja nicht übernehmen).

Gestern:
Der Zeitplan in London und in meiner Küche/auf meinem Fernsehsofa steht und funktioniert reibungslos. Ich weihe das Original-Krönungs-Service ein, das L. heimlich für mich in England bestellt hat (nicht das ganze Service, sondern einen Teller und zwei Tassen), indem ich vom Teller Eier, Speck, gegrillte Pilze und Tomaten und Toast mit Marmite, Cheddar und bitterer Orangenmarmelade esse. Anders als Götz George in "Schtonk" trenne ich mich nämlich nicht plötzlich oder werfe mit Sachen, wenn man mir Toast mit bitterer Orangenmarmelade vorsetzt. Dazu gibt es aus den Tassen Earl Grey, und zwischendurch zwei Gläser Pimms mit Eis, Gurken, Erdbeeren, Zitrone und Ginger Ale. Das Hochzeitsservice ist für meinen Geschmack ja fast zu stilvoll, es ist z.B. weit und breit kein Bild der beiden darauf zu sehen, aber wenigstens Goldrand, Herzchen und so. Habe ich wohl Glück, jemanden wie L. zu haben, der sowas für mich kauft und daraus dann auch noch bereitwillig seinen Kaffee trinkt?
Wenn ich ihm auch sagen musste, William hätte ich auch genommen, dieser plötzliche Haarausfall hat mich auf eine spezielle Art gerührt, gegen die ich machtlos bin.
Gegen eins musste ich das alles hinter mir lassen, um mit ungewohnt viel Produkt im Gesicht und im gewünscht sommerlichen Kleid in ein Taxi zu springen. Natürlich hatte ich einen Taxifahrer, der mir die ganze Fahrt über unaufgefordert erzählt hat, das wäre ja wohl alles ein Riesenscheiß, wer so was gucken würde, wäre ein Vollidiot und könnte einem leid tun, zeterzeter blablabla. Ich habe gelächelt und huldvoll aus dem Fenster gewunken, so machen wir das im englischen Königshaus.

Und dann der Termin. Ich kann euch jetzt sagen, das Fernsehen hat Recht, fotografiert werden ist wirklich ein bisschen so wie bei Heidi! Die zauberhafte, sommersprossige Visagistin (die sich mit den Worten vorstellte "Ich bin Haare Make-Up"), beäugte das Ergebnis meiner Schminkbemühungen ein bisschen freundlich-argwöhnisch, woraufhin ich schnell so tat, als wären das nicht 30 Minuten Zunge-im-Mundwinkel-geklemmte Anstrengung gewesen und lässig erlaubte, das gleich alles wieder runterzunehmen. Und dann musste ich zwanzig Minuten lang nach oben gucken, nach unten gucken und wieder nach oben gucken. Die Spaziergänger in Planten und Bloomen, die uns auf der Caféterrasse sitzen sahen, fragten sich vergeblich, woher sie uns denn nun kennen sollen. Nirgendwoher, liebe Spaziergänger! Wir sind genau solche Niemande wie ihr! Wir machen uns heute nur mal hübsch! Einen kleinen Triumph hatte ich aber, als Haare Make-up bereitwillig mein weißes Make-up und meinen Lippenstift benutzte, die sie sehr passend fand. Ha.
Dann ging es ohne Umweg über einen Spiegel auf ein weißes Himmelbettchen, das wie zufällig da rumstand, ich musste meine Wollstrumpfhose ausziehen, damit das im Augustheft nicht so kühl wirkt, und dann habe ich eine halbe Stunde lang alles gemacht, was der unfassbar nette Fotograf mir sagte. Im Nachhinein muss ich sagen, der war fast ZU nett. Denn falls die Wahl auf das Bild fallen sollte, auf dem ich auf dem Bett knie und so im Sitzen nach vorne robbe, als würde ich gleich "groarrrrr" machen und einen Tiger imitieren, das hab ich nur gemacht, weil der so nett war und ich deshalb so entspannt! Im August wird der Fotograf Vater, bitte wünscht ihm und vor allem seiner Frau viel Glück. Nach dem letzten Foto bin ich sofort aufs Klo gerannt, und siehe da, ich sah dank ungewohntem Kajal und ein bisschen smoky aus wie Avril Lavigne, zusammen mit dem Blümchenkleid ergab das so eine Art romantic gothic. Nuja. Wir werden sehen. Das war sicher nicht die Schuld von Haare Make-up, sondern lag daran, dass ich das sonst nicht mache, sondern mir die Wimpern tusche, mir einmal die Puderquaste auf die Nase drücke und los, es sei denn, es ist was. Und darum erkenne ich mich selbst kaum noch, sobald jemand mir mit Kajal kommt. Sogar meine Haare waren mit einem Elektrogerät geglättet worden! Das war wirklich noch nie.


Dann die eigentliche Hauptsache, das Gespräch. Wir waren zu fünft: die Journalistin, Simone, eine Dame aus München, die sich noch nicht so richtig in die Abkürzungswelt begeben will, und eine ehemalige Abkürzungsdame, die schon vorübergehend hingeschmissen hatte, als sie plötzlich simsalabim schwanger wurde und jetzt ein vier Monate altes Kind hat. Die Fragen waren zum Teil von der Sorte, die mich sonst auf die Palme bringen ("Glaubt ihr, dass ihr vielleicht irgendwie unbewusst das Kind gar nicht wollt?") Zum Teil aber auch genau richtig und gut, und am Ende hatten wir alle ziemlich viel von dem gesagt, was es so zu sagen gibt. Genauer gesagt, bin ich gespannt, wie die "Emotion" das alles ohne Sonderheft unterbringen will. Ach so, das machen Zeitschriften gar nicht so? Das wird noch editiert und gekürzt?

Nach fünf Stunden bin ich hochzufrieden nach Hause gefahren, immer noch ein bisschen zu Avril-artig für meinen Geschmack, aber trotzdem mit dem Gefühl, einen Nachmittag unter lauter freundlichen, klugen und lustigen Menschen verbracht zu haben. Und vom Rest werde ich ab sofort nichts mehr verraten, schließlich sollt ihr gefälligst Mitte Juli diese Zeitung kaufen.

Dann noch abends mein traditionelles Abschied-vom-Essen-für-Erwachsene-Dinner mit L. Er kommentierte mein nagelneues Gesicht mit den Worten "Schön, dass Monika Lierhaus wieder das Leben genießt". Harr. Ich hab mich am Riemen gerissen, denn ich wusste ja schon, dass ich höchstens mit einer "okayen" Eizelle rechnen kann und die Wartezeit bis zum nächsten rohen Fisch vermutlich eher zehn Tage als ein Jahr betrifft, da muss man nicht auf Henkersmahlzeit-Modus umschalten. Also hatte ich nur halbrohes Fleisch und Weißwein. Und um elf lag ich im Bett.

Heute:
Um halb eins saß ich auf dem Donnerstühlchen, und die Eierbeauftragte verkündete mir freudestrahlend, es wäre EIN ZWEIZELLER! Als sie mein Gesicht sah, schob sie schnell nach: die Zellen waren nicht wie angekündigt am Mittwoch aufgetaut worden, sondern gestern, und da sind zwei zudem sauber geteilte und auch sonst propere Zellen ok. Wir plauderten noch ein bisschen darüber, was jetzt auf mich zukommt, und es zeigte sich, auch nach gefühlt 12 Versuchen kann einen doch noch einiges überraschen. Mir hatten Sprechstundenhilfen immer gesagt, ich müsste jetzt im Schleichschritt gehen, dürfte nicht mehr Radfahren und müsste spitzen Bemerkungen ausweichen. Ich kann mich sogar noch an ein DinA4-Blatt voller Anweisungen und Verbote erinnern. Der Arzt kam dazu und rollte die Augen. Die beiden heute haben herzlich gelacht darüber und gesagt, wenn ich joggen gehen will, soll ich joggen, die Welt wäre ein bedeutend leererer Platz, wenn das JETZT das Würmchen umbringen würde, und stillhalten und die Hände ringen wäre eher kontraproduktiv. (Außerdem habe ich mir einen Anpfiff eingefangen, weil meine Blase voll war, man könnte ja gar nichts sehen auf dem Ultraschall. Aha. Man lernt nie aus, auch nach unzähligen Versuchen, bei denen volle Blase Pflicht war. Was ja auch nicht weiter wundern kann, angesichts dessen, dass sich die Grundfunktionen des weiblichen Körpers ja alle zwei Monate einmal komplett umkrempeln und neu erfinden). Aus irgend einem Grund war ich sofort bereit, zu glauben und zu beherzigen, was mir heute gesagt wurde. Und morgen gehe ich laufen.

Tag 1 mit Würmchen. Am 12. ist der Test.

Freitag, 29. April 2011

Würmchen im Schneewittchenschlaf

Ich hab versucht, in den letzten Tagen nicht zu viel drüber nachzudenken. Und wie sich zeigt, war das wohl eine ganz gute Idee. Denn von drei Zellen ist noch eine übrig. Aber auch die scheint sich gerade noch so mit einem wackligen Zähnchen an der Hängebrücke festzuklammern, denn morgen früh soll ich noch mal anrufen. Mal sehen, ob sie dann noch da ist. Wenn ja, komme ich um halb eins vorbei und hole sie ab. Wenn nicht, dann nicht.
Auf einmal macht Hochzeit gucken nur noch halb so viel Spaß.

Donnerstag, 28. April 2011

Die Queen besteht darauf, dass der Zeitplan morgen strikt eingehalten wird.

Das kann ich gut verstehen. Mir ist sie nicht erst seit dem Film "The Queen" sehr sympathisch, und nicht nur deshalb geht es mir morgen genau so. Mein Zeitplan sieht folgendermaßen aus:
7:00 Der Wecker klingelt.
7:15 Ich bin mit dem Hund unterwegs zum Morgenspaziergang.
7:50 Hund und ich zurück, vermutlich beide Schlammbespritzt. Marmite und Butter aus dem Kühlschrank nehmen.
8:00 ich geduscht vor der Glotze, Handtuch auf dem Kopf. Jetzt beginnt die Berichterstattung im ZDF. Wasserkocher ist angeschaltet, auf dem Schoß quirle ich Rührei, putze Pilze und halbiere Tomaten.
8:10 in die Küche, Tee aufgießen, Butter für Rührei in die Pfanne, Baked Beans in den Topf, Grill für Pilze und Tomaten an. Pilze und Tomaten einölen. Weiche Butter mit weichem Marmite vermischen.
8:15 Eier in die Pfanne. Tomaten, Speck und Pilze untern Grill. Teebeutel raus. Baked Beans umrühren. Muffins in den Toaster.
8:20 perfektes englisches Frühstück aus Eiern, Bohnen, Speck, Tomaten, Pilzen und getoasteten Muffins mit Marmite. In London bisher alles ruhig. Ich hoffe auf Berichte von der Trauung Charles & Diana und natürlich darauf, dass das ZDF Rückblicke auf die Dänenhochzeit zeigt. Hapüh, war das niedlich!
8:40 mit fällt gerade noch rechtzeitig Crinone ein. Außerdem ist es Zeit, das Handtuch vom Kopf zu nehmen.
9:00 Beginn der Berichterstattung auf anderen Sendern. Für einen muss ich mich jetzt entscheiden und den Festplattenrekorder anwerfen. Nachdem L.s Cousine ARD aufnimmt, vielleicht sogar die bbc. Ich hoffe mal schwer, die sind sich nicht zu fein dazu.
9:10 Heute drehen wir mal durch. Zwar habe ich keine britischen Fähnchen mehr besorgt, aber ich rühre mir einen Krug Pimms zusammen. Getränke mit Gurken drin? Ihr anderen Damen könnt gerne Prosecco trinken, ich finde das gut.
9:30 bis 12:00 jetzt zählt jede Minute redefreie Zeit. Wann immer das Fernsehprogramm es zulässt, muss ich schnell ein bisschen an mir werkeln. Beine, Füße, Haare, Gesicht, im Grunde alles eine Großbaustelle! Denn wie ich heute erfahren habe, müssen wir schon um 13:30 da sein, denn es werden Fotos gemacht. Und zwar von einem Fotografen. Der das gelernt hat. Damit das nett wird. (Da haben sie bisher die Rechnung ohne mich gemacht.) Das Briefing für Outfit und sonstiges Erscheinungsbild: "souverän und sexy". Oh Gott.
12:05 schminken. Dazu weitere Gläser Pimms. Hab ich mir bisher auch nur einen Gedanken gemacht, was ich denen erzählen will? Wenn nicht, wäre jetzt der Zeitpunkt.
12:30 letzter Blick in den Spiegel. L. wünscht vermutlich, dass ich nun in meinem fertigen Outfit, mit vier-Schichten-Gesicht und Wildlederpumps noch mal den Hund spazieren führe.
13:00 Schlammverschmiert kommen wir nach Hause. Darauf einen Schnaps, Pimms ist alle.
13:05 zu spät, schmutzig, angetrunken, aber "Sowas von souverän und sexy, alte Scheiße" steige ich in die Bahn, die mich direkt an den Schauplatz der Katastrophe und weg von meinem Fernsehsofa trägt. Ich winke huldvoll aus dem Fenster. Niemand winkt zurück.

Viel aufgeregter kann Kate auch nicht sein.

Mittwoch, 27. April 2011

Liebe Stammtischdamen,

gerade schreibt mir die nette Journalistin, dass eine Abkürzungsdame aus der Sofarunde am Freitag ausfällt und sie jetzt dringend, dringend Ersatz sucht. Hätte vielleicht eine der Hamburger Damen Lust und Zeit? Das Gespräch wird später aufbereitet und abgedruckt in der Zeitschrift Emotion, findet vermutlich um zwei oder drei statt (genaueres wissen wir heute Nachmittag) und zwar mitten in Hamburg, in der Hoheluftchaussee. Mit Öffis perfekt erreichbar! In unmittelbarer Nähe von den nettesten Fress- und Einkaufsmöglichkeiten von ganz Hoheluft, Eimsbüttel, Eppendorf, ach was sage ich, Hamburg! Und wie wär's, wir könnten hinterher auch noch aufn Zwutsch?

Nu kommt schon! Ihr könnt es auch gerne so machen wie ich und unter Pseudonym da antreten, wenn ihr nicht wollt, dass eure Nachbarn, Gemüsemänner und Hundesitter in der Zeitung von eurem Hormonschlamassel lesen.

Außerdem möchte ich mal vorsichtig in die Runde fragen, wie es in nächster Zeit mit dem Stammtischwillen aussieht. Entweder in den nächsten zwei Wochen (dann in meinem Fall alkoholfrei, wäre ja mal eine Abwechslung) oder nach dem nächsten negativen Test. Hm?

Dienstag, 26. April 2011

Flora A. ist nicht zu fassen

Vor zwei Minuten habe ich mir eine Ampulle Brevactid angemischt und in den Bauch gespritzt. Ab übermorgen schmiere ich wieder mit Crinone herum (jaja, ich weiß, Uterogest ist billiger, aber billiger als "hab ich sowieso noch in Mengen hier rumfliegen" wird es nicht, und Crinone habe ich noch in Mengen hier rumfliegen), und Samstag kommen die Würmchen an Bord, die das Auftauen überlebt haben.
In dem Maße, in dem meine Eizellen abbauen, lerne ich dazu. Beim ersten, zweiten oder dritten Versuch hätte ich noch in dem Moment, in dem der Doktor sagt "Freitag ist Transfer" die Lippen zusammengepresst, "Hmhm" gepiept und hinterher zähneknirschend alles, was mir mal wichtig war, aus meinem Kalenderblatt für Freitag gestrichen. Heute habe ich gesagt "Freitag ist doof, geht auch Samstag?" und siehe da, Samstag geht auch. "Ehrlich? Das hier ist natürlich am Wichtigsten, falls das meine Chancen senkt, kriege ich das Freitag irgendwie hin."
Neinnein, Samstag geht auch.*

Und plötzlich senkte sich eine große, schöne Gelassenheit über mein Fusselhirn. Samstag geht auch! Wenn Freitag doof ist, geht auch Samstag!

Und jetzt muss ich ein Geständnis machen. Heute war ich beim Vertretungsarzt, ein sehr wortkarger Vertreter. Während des kurzen Ultraschalls hätten andere Ärzte (die Anästhesisten z.B., von denen ich neulich erzählt habe) einen Wortschwall loswerden können. "So, das wird jetzt kühl, schön entspannt, hier sehen wir... dort sehen wir... ja... das sieht gut aus..." Er war da anders. Rein mit dem Dings, stocher-stocher, markier-markier, raus mit dem Dings, "So." mit kurzem O. Ich habe das als Aufforderung gewittert, abzusteigen, mich wieder anzuziehen und nach nebenan zu gehen, und außerdem als Einladung, etwas auszuprobieren. Nämlich, ihn nicht zu fragen, ob ich mir noch flink einen Termin beim Chinamann machen soll. Von sich aus hat er nicht davon angefangen, ich auch nicht, und ich habe beschlossen, diesmal versuche ich es noch mal ohne.

Das heißt nicht, dass ich ab bin vom Chinamann! Aber ich gebe diesem Versuch nicht viel Herzblut. Kaputte, tiefgekühlte Zellen? Ich mache alles mit und bin auch bester Dinge, aber ich schmeiße nicht auch noch zwei Akupunkturen hinterher und zwinge meinen Chinamann, am Samstag seine Butze zu öffnen nur für eine, die sowieso noch nicht mit sich einig ist, ob sie überhaupt an eine Medizinform glaubt, an die man scheinbar glauben muss, damit sie funktioniert. Petzt es bitte nicht den Würmchen, meiner Ärztin und dem Internet. Ich wette, das merken die nie!
Ich fühle mich wie ein Meisterdieb. Wie ein Meisterdieb bei gelungener Flucht auf einem antiken Motorrad. Mit ohne Helm.


* der Festplattenrekorder ist längst programmiert. Aber der Termin für die muckelige Sofarunde der Unfruchtbaren steht immer noch nicht fest. Und ich wette, da wäre mein Eiertermin genau reingekracht. Hach, dieser ewige Clash zwischen Eizellen und Karriere!

Freitag, 22. April 2011

In einer Welt voller geschmackvoller Eierstöcke muss ich mir natürlich einen mit Swarovski zulegen

Ich hatte mal einen Freund, der wie kein zweiter die Kunst beherrschte, mir das Leben zu versauen. (Dass er es wurde und dann trotz vieler, vieler zergrübelter Nächte so lange blieb, lag daran, dass ich zuerst in einer Stadt studierte, in der Jungs entweder nicht zu haben oder Mitglied der Jungen Union waren oder schwäbelten oder alles zusammen - und dass ich dann da zwar wegzog, aber die nächsten Jahre so viel schuftete, dass ich nur nachts um drei zum Nachdenken kam, und um diese Uhrzeit bin ich zwar gut im Sorgenmachen, aber nicht im Nachdenken. So war das.) Während der drei unvergesslichen gemeinsamen Jahre hat er einige Male voller Süffisanz und Herablassung zu mir gesagt "Du willst eben unbedingt was Besonderes sein".
Auslöser war meistens, dass ich in seinen Augen Zicken machte oder irgend etwas anders sah als er. Und gemeint war das so: "Eigentlich, meine Kleine, bist du doch ein hundsgewöhnliches Ding, im Grunde langweilig. Aber weil du gern was Besseres und Interessanteres wärst, so wie ich es z.B. von Natur aus bin, hast du dir einige Attitüden zugelegt. Wie albern und lächerlich das ist! Aber weißt du, nicht nur DU bist im Grunde langweilig, sondern deine Schrullen sind es mindestens genau so sehr, also erspar mir und meinem Scharfsinn doch bitte das Theater, gähn, gähn, manchmal ist es ein bisschen ermüdend, so wahnsinnig intelligent zu sein wie ich."

Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Moment in meinem Leben noch mal kommen würde. Aber gestern war er da: ich dachte an ihn und wünschte mir trotzdem, er wäre jetzt hier - um das hier zu hören! Von wegen Schrullen und Attitüden, gestern saß ich vor meiner Kinderwunschärztin, und sie erklärte mir zehn Minuten lang und gestützt auf zwanzigjährige Befruchtungserfahrung, dass ich in der Tat ETWAS GANZ BESONDERES BIN! Ha.

Sie sagte, sie hat noch nie erlebt, dass ein Eierstock so auf Hormonbombardements reagiert. Erst hat er sich nicht um fünf Monate Enantone geschert, dann hat er wie irre produziert, aber nach wenigen Tagen einfach alles halbfertig liegen lassen, und auch die Eizellen, die dabei herauskamen, waren so gut wie alle morphologisch auffällig. ("Eigentlich, mein Eierstock, bist du doch ein hundsgewöhnliches Ding, im Grunde langweilig. Aber weil Du gern was Besseres und Interessanteres wärst..." vielleicht wirken solche Kniffe ja bei ihm?)
Nachdem wir also die anatomischen Probleme wie Endometriose und das Barbamama-Myom in meiner Gebärmutter beseitigt haben, habe ich jetzt ein Eizellenproblem. Naja.
Einfach so weitermachen wäre also keine gute Idee, Aufhören aber auch nicht, und sie will nach dem Tiefkühlversuch - bei dem die eingefrorenen Eizellen übrigens ganz gut aussahen - unstimuliert weitermachen, und vielleicht sogar mal eine ICSI versuchen. Eine neue Abkürzung! Mein Befruchtungs-Paninibildchenalbum füllt sich langsam.

Blut habe ich auch dagelassen, und Dienstag Mittag gehe ich wieder vorbei zum nächsten Ultraschall. Irgendwann nächste Woche ziehen vermutlich die Tiefkühlwürmchen ein.

Eine Ereignis, das mir immer komplett unmöglich schien, tritt innerhalb von 24 Stunden zum zweiten Mal ein: Ich wünsche mir, wir hätten Stammtisch und mein Ex wäre da. Nur für fünf Minuten und dann auf Nimmerwiedersehen nicht mehr! Ich wäre währenddessen kurz die Nase pudern, und ihr könntet ihm mal in Ruhe oder gerne auch mit Nachdruck erklären, wie bescheuert genau der Vorwurf an eine Abkürzungsdame ist, mit aller Gewalt anders sein zu wollen als die anderen.

Montag, 18. April 2011

Ein klitzekleines bisschen zu viel Emotion für einen Tag

Das Buch gibt es jetzt schon eine ganze Weile, jeden Tag verkaufen wir ein paar Ausgaben davon, und ich dachte, das plätschert nun so vor sich hin. Aber jetzt durfte ich gerade erst meinen Senf zu Befruchtungsfragen in einer Pharma-Zeitschrift geben, dann habe ich mit vor Nervosität knisternden Fingern eine Seite für die Cosmopolitan getippt, und jetzt möchte eine Zeitschrift, dass Simone und ich uns mit anderen Abkürzungsdamen (und vermutlich einem KiWu-Arzt) in eine Sitzecke setzen und über das Thema Kinderwunsch, unerfüllter Kinderwunsch und alles, was man dabei so fühlt oder auch nicht fühlt, sprechen. Wie ist das, wenn sich dieser Wunsch einfach nicht erfüllt? Wie erlebt man das, wenn man sich von diesem Traum verabschieden muss? Zur ersten Frage kann ich mir inzwischen was einfallen lassen, zur zweiten kaum, weil ich noch weit davon entfernt bin, es sein zu lassen. Aber die Überlegungen, was um Himmels willen ich da sagen soll und wie ich an der eigentlich unausweichlichen Totalblamage vorbeikomme, wird im Moment von einer ganz anderen in den Hintergrund gedrängt.

Warum um Himmels willen findet das am 29. April statt? Ein Tag, der seit Wochen in meinem Kalender mehrfach mit Neonmarkern markiert ist, so dass ich auf gar keinen Fall auf die Idee komme, mir da versehentlich irgend einen Auftrag reinzuschreiben oder einen Arzttermin oder eine Verabredung. Der Plan war längst in Beton gegossen, den ganzen Tag vor der Glotze zu verbringen und Hochzeit zu gucken. Wie nett wollte ich mir das machen! Ich wollte Liveschaltungen zu meinen Mädchen per Skype, ich wollte Eis und rosa Brause, und L. habe ich jetzt auch schon achtmal gesagt, dass er nicht auf die Idee kommen soll, an diesem einen Tag auch nur für eine Minute "mal kurz was gucken" zu wollen. Sonst ist er immer der Herr über die Fernbedienung, dieses eine Mal nicht.

Wochenlang habe ich den Tag verteidigt wie eine Löwin. Und jetzt das. Und das ist zu wichtig, das kann ich nicht absagen. Nicht deshalb. Einen achthundert-Euro-Job hätte ich für den Tag abgelehnt, aber das geht nicht, da muss ich hin. Noch bleibt mir der Festplattenrekorder. Wehe, der funktioniert nicht. Wehe, L. will wieder im falschen Moment Strom sparen und macht irgend einen Quatsch mit meiner Programmierung. Wehe, das dauert fünf Stunden und ich verpasse wirklich alles.

Haltet mich für oberflächlich, dass ich angesichts eines so existentiellen Themas lieber auf dem Sofa sitzen und wildfremden Menschen beim Heiraten zugucken will. Und haltet mich gerne für noch viel oberflächlicher, wenn ich euch jetzt sage, dass der Tag, an dem mir so etwas nicht mehr wichtig ist, der Tag sein wird, an dem ich ernsthaft darüber nachdenken werde, ob es jetzt nicht Zeit ist, aufzuhören mit der Behandlung.

Freitag, 15. April 2011

Heute verreisen wir mal nach Hamburg

Ich finde es ja schon schön und ein bisschen abenteuerlich, im Haus mal in einem anderen Zimmer zu schlafen. Zum Beispiel mit Erkältung im Gästezimmer, damit L. sich nicht ansteckt, auf einer Matratze im Wohnzimmer (direkt nach dem Einzug, als wir noch nüscht hatten, und neulich der frisch kastrierten Lili zur Gesellschaft, die noch nicht die Treppe ins Schlafzimmer hochkam). Als Kind fand ich es auch immer großartig, im Garten zu zelten. Das hier ist ähnlich, nur mit Mädchen! Und ohne Ohrenkneifer und ohne Taschenlampen! Vorhin habe ich meinen dicken Koffer mit Bettwäsche, Ausgehklamotte für zwei Tage und Bummelklamotte für einen von Hamburg nach Hamburg gebuckelt, denn für zwei Tage campieren wir in der Wohnung eines Mädchens, das leider schon viel zu lange und noch viel länger in einer anderen Stadt arbeiten und wohnen muss. Das Abenteuer hat sogar schon vor meiner Ankunft hier begonnen, denn die Mädchen aus Berlin hatten unterwegs einen Motorschaden, mussten mit dem ADAC irgendwohin fahren, einen Mietwagen nehmen. Das Abenteuer wird aber noch abenteuerlicher dadurch, dass nun eine der unordentlichsten Personen der Welt (ich) allein und unbeaufsichtigt in der Wohnung einer der ordentlichsten Personen der Welt (Exilmädchen) sitzt. Vor meinem (und vermutlich auch vor ihrem) inneren Auge läuft in Endlosschleife der Film "Das Bild hängt schief" von Loriot. Spannender wird es auch mit Ohrenkneifern und Taschenlampe nicht.
Liebes Exilmädchen, für dieses Problem gibt es nur eine Lösung: komm wieder! Bitte schnell! Sonst kann ich für nichts garantieren.

Dienstag, 12. April 2011

Ich heule nicht, ich bin erkältet, verdammp

Gestern mittag kam ein Anruf aus der Klinik, meine Blutwerte vom Freitag waren nicht ganz so dufte wie erhofft, ich sollte mir bitte heute mittag noch mal eine Brevactid spritzen und dann...

"Ich hab seit heute Nacht meine Tage."

Äh, tatsächlich? Also, in echt? So richtig?

"Ich kenne das jetzt seit ca. 25 Jahren, das sind meine Tage."

Aber wieso denn jetzt, das ist doch eine Woche zu früh?

"Nein, das ist auf den Tag genau pünktlich."

Aber... aber... ohje, das tut ihr leid. Wir sprechen morgen wieder. Aber die Medikamente muss ich dann jetzt nicht mehr nehmen.

Heute kam der Anruf: am Donnerstag vor Ostern soll ich mich früh in der Praxis "vorstellen".

Und dann? Ich könnte mir vorstellen, meine Ärztin hat auch hier wieder Gedanken gelesen: die Tiefkühlwürmchen würde ich jetzt auch gerne schnell hinter mich bringen. Denn ich glaube, auch die werden nach diesem Quatschzyklus nicht anbeißen, und dann können wir das Thema abhaken und uns dem nächsten Kapitel zuwenden: IVF ohne Stimulation. Nur meine quirligen Eierstöcke und ich. Um dann vielleicht nicht mit einem ganzen Körbchen voller Eier zu starten und am Ende doch ohne Baby dazustehen, sondern um ein, vielleicht zwei richtig schöne Eier zu haben.

Und die alten Tricks bekommen zwar langsam Patina, aber wirken immer noch: ich freu mich auf nächstes Wochenende, wenn die Mädchen geballt anrücken. Und auf ein anderes Wochenende mit einem Mädchen im Exil. Und auf Wandern im Schwarzwald, herumlungern am Pool mit pinken Getränken auf Eis im Juli, und vielleicht ja wirklich New York (zum letzten Mal ohne Kind? Irgendwie... glaube ich das nicht) mit L.
Autsch. Allein, weil diese Krämpfe dann für neun Monate aufhören würden, wäre eine Schwangerschaft doch mal nett.
Ätschipopätschi, Knallbauch: gestern abend habe ich vier Kisten leckeren Sommerwein aus Italien bestellt.

Ich merke genau an dieser Stelle wieder mal deprimierenderweise, dass ein Teil von mir scheinbar immer noch glaubt, für Nicht-unterkriegen-lassen gäbe es irgendwann einen Preis in Form eines Babys. Und wenn es dann ganz schlicht und undiskutierbar nicht klappt, dann fühle ich mich trotz Riesenklappe plötzlich ziemlich klein und doof. Darum jetzt sofort ein Themenwechsel:

Menschen mit vielen Kindern, vor denen ich mich grusele, nicht aus Neid, sondern aus... ich weiß auch nicht, der Tatsache, dass sie ein lebender Beweis dafür sind, dass diese Kindersache nichts, aber auch gar nichts mit Nett oder Nichtnett oder irgend einer Art von Belohnungssystem zu tun hat, sondern vollkommen willkürlich und chaotisch passiert. In letzter Zeit fallen mir da spontan zwei Beispiele ein: dieser grässliche Inzest-Mensch, der hoffentlich bis ans sehr späte Ende seiner Tage hinter Gittern in der gleichen Zelle mit einem Menschen mit krankhaften Blähungen sitzen muss, nachdem er mit seiner Tochter zig Kinder gezeugt hat. Und dann folgendes Video der Kelly Family, das ich bei dooce gefunden habe. Kinder, die auf Befehl ihrer Eltern auf einer Bühne vor Publikum singen müssen, dass sie heute Nacht nicht ins Bett pinkeln.

Montag, 11. April 2011

Pünktlich wie die Feuerwehr, und genau so schön rot

Im Dunkeln weiß man es ja immer nicht so genau. Wenn man im Morgengrauen auf dem Klo sitzt und das Licht nicht anmachen wollte, um sich nicht noch wacher zu machen, als man unnötigerweise um diese Zeit sowieso schon ist, kann man hellrosa, durchsichtig und dunkelrosa nicht wirklich voneinander unterscheiden. Eine Stunde später, immer noch nicht hell, geht das schon einfacher. Rosa, eindeutig. Zurück im Bett wartet L., was an sich schon ein großer Trost ist, und der tut dann sogar noch mehr: er sagt mir, wie viel Glück wir so schon haben - nur wir, mit uns beiden, ohne irgendwas Kleines, was da noch rumspringt, sich Sarah Kay-Spängchen ins Haar knipst und sich die Knie aufschlägt. Er sagt, dass wir weitermachen, so lange ich das will. Und dass er sich schon drauf freut, im Juni mit mir nach New York zu fliegen. Zwischen Familienplanung und Urlaubsplanung liegt manchmal nur ein Klogang.
Übrigens: ich weiß, dass es auch Fälle gibt, wo man trotz Blut schwanger ist. Aber ich bin mir sicher, einfach so was von sicher, dass das hier keiner davon ist. Es rumort zu doll, die Krämpfe sind zu eindeutig, das ist kein geheimnisvolles maskiertes Schwangerschaftszeichen, das ist die olle Tante Rosa.

Sonntag, 10. April 2011

Tag 7 mit Würmchen

Heute ist vielleicht schon der letzte Tag, an dem ich mich zumindest ab und zu ein paar Minuten lang in dem Gefühl wiegen kann, gerade zu dritt (oder wenigstens zu zweit) zu sein. Denn morgen vor vier Wochen hatte ich meine Tage, und ich blicke zwar bei diesem merkwürdigen Zyklus nicht mehr durch, aber würde intuitiv glauben, das ist dann diesen Monat wohl auch so. Jeder Tag, der ab morgen vergeht, ohne dass ich mir eine Unterhose ruiniert habe (aus Aberglauben nehme ich keine prophylaktische Binde, weil ich denke, das könnte mein Knallbauch als Einladung verstehen), bringt mich einen Tag näher an den Test. Noch acht Tage. So elend lang kam mir noch keine Warteschleife vor, was vermutlich daran liegt, dass noch keine so elend lang war.
Mein Kopf fährt wieder mal zweigleisig. Ein Teil bringt mich dazu, mir die Hand auf den Bauch zu legen und versonnen zu lächeln, aus Hoffen eine Extremsportart zu machen und zu versuchen, durch irgend einen Kniff so eine Art mütterliches, ruhiges, fröhliches Dings, äh, Karma herzustellen. Leider klappt das nicht so, ich drücke und drücke, aber es kommt nicht.
Ein anderer Teil meines Gehirns tröstet sich und mich damit, sich wieder mal alles auszumalen, was in den nächsten Monaten unkomplizierter, schöner und lustiger wird, wenn ich nicht schwanger bin. Das hat beim ersten und beim zweiten Mal gut funktioniert, mal sehen, wie es beim dritten Mal so geht. Nein, das war nicht das letzte Mal, aber ich fürchte, endlos viele Versuche haben wir nicht mehr - und lange bevor mich die Ärzte mit Mistgabeln aus ihrer Klinik jagen, wird L. sich querstellen oder zumindest einige gute Argumente verlangen, warum wir weitermachen sollen. (Wobei ich die habe. 1: weil ich das so will. 2.: weil die ersten beiden IVFs für die Tonne waren wegen des Myoms, das sich meine erste Klinik ja noch nicht mal genauer ansehen wollte, um festzustellen, dass das vermutlich nichts macht, während es in Wahrheit wie eine Gummizellenwand zwischen mir und einem Kind gestanden hat. Also war das im Grunde der erste Versuch.)

Der dritte Teil meines Gehirns denkt über das Abendessen nach, das kann er gut und das schadet sowieso nie.
Außerdem gibt es ein kleines gutes Zeichen: vor ein paar Tagen habe ich Kräuter im Garten angepflanzt, und noch sind sie am Leben. Das ist neu! Das war noch nie! Am Ende ist Drücken doch gut fürs Karma?
Laut meinem Chinamann sagt ein japanisches Sprichwort, willst du einen Tag lang glücklich sein, nimm dir eine Flasche Schnaps, willst du ein Jahr glücklich sein, nimm dir eine Frau, willst du ein Leben lang glücklich sein, nimm dir einen Garten. Ich will jetzt nicht lesen, dass der Chinamann mich ans Saufen kriegen will oder misogyn ist! Und Schnaps und Frauen machen mich nicht sonderlich heiß, aber der Garten fängt ganz langsam an, seine wohltuende Wirkung zu entfalten. Ganz langsam.

Es grummelt in meinem Bauch. Kriege ich meine Tage? Und ist es auch ein falsches Signal, wenn ich heute den alten Baumwollschlüpper nehme, den der Hund schon mal in der Mangel hatte?

Samstag, 9. April 2011

Was hat sie, was ich nicht hab? Der große Klinikvergleich.

Gestern war ich noch mal in der Klinik, habe Blut dagelassen, damit überprüft werden kann, ob ich auch genügend Gelbkörperhormon im System habe, und hinterher war ich noch mal zur Akupunktur. Zum Abschied drückte der nette Chinamann mir herzlich die Hand, wünschte mir viel Glück und sagte, dass er jetzt erst mal nichts mehr für mich tun kann: "Wir haben an allen Rädchen gedreht, an denen wir drehen können." Und plötzlich ist klar, dass diese IVF im Grunde jetzt gelaufen ist.

Ich sitze im Bett, der Hund war schon ausgiebig spazieren, neben mir steht eine Tasse Kräutertee, und ich kann meine Augen auch ohne zwei dazwischengeklemmte Streichhölzer ausnahmsweise offen halten. Anlass genug, den großen Vergleich zwischen den beiden Kliniken zu ziehen: was hat die eine, was die andere nicht hat?

Ein dicker Unterschied besteht eigentlich weniger zwischen den Kliniken als zwischen den Ärzten. Arzt A war ziemlich jung, sehr freundlich, sehr korrekt, und wenn ich nicht am Akzent gehört hätte, dass er aus der Dortmunder Ecke kommt, hätte man ihn gut als Schweizer verkaufen können. In seinem Behandlungszimmer gab es ziemlich wenig Persönliches, was natürlich auch daran liegen kann, dass er gerade erst dort angefangen hatte. Bei allem, was er tat und ließ, erklärte er mir genau, wieso und wieso nicht (das ist glaube ich die neue Schule Ärzte, die lernen das jetzt alle, so dass man z.B. Anästhesisten hat, die die Einstichstelle desinfizieren und sagen "Jetzt wird es gleich ein bisschen kalt und feucht, jetzt wische ich, jetzt piekst es, jetzt leite ich eine Lösung ein, jetzt beginnen wir mit der Narkose, jetzt kribbelt gleich der Arm, jetzt haben sie gleich einen merkwürdigen Geschmack oder Geruch in der Nase, jetzt schlafen sie gleich ganz ruhig ein". Ächz.), und es gab immer für alles eine Erklärung, auch wenn ich damit nicht immer restlos zufrieden war. (Z.B. habe ich nie verstanden, wieso es mal hieß, diesen einen Versuch machen wir noch trotz Myom, denn operieren würden wir das ungern, weil zu schwer, und wenn es JETZT nicht klappt, dann wissen wir, dass wir operieren müssen - um dann nach dem gescheiterten Versuch einfach die nächste Runde einzuläuten, mit genau der gleichen Begründung.) Arzt A hätte ich jederzeit als Ingenieur bei einem NASA-Projekt besetzt, oder als kommenden Mann im Beratungsstab der Bundeskanzlerin.
Dagegen Ärztin B: Ärztin B ist vermutlich 50, fröhlich, ein bisschen chaotisch, klackert auf bunten Berkemännern durch die Praxis, und was sie sagt, klingt zwar nicht immer wie aus dem Lehrbuch, aber trotzdem unmittelbar überzeugend. Was sie sagt, hat meistens eher mit grundsätzlichen Dingen über meinen Bauch und meine Aussichten zu tun als damit, was genau in den nächsten Tagen passieren wird. Das kann gut daran liegen, dass sie ja weiß, dass ich das nicht zum ersten Mal erlebe. Ihr Behandlungszimmer ist voll mit Bildern, Fotos und anderen Dingen, die sie mag. Wenn ihr was nicht passt, knallt sie mir das um die Ohren - was ich aber mag, denn wenn man zu zuvorkommend und zart mit mir umgeht, fühle ich mich sofort wieder wie ein armes hilfloses Hormonschaf. Ärztin B wäre sofort durchgegangen als Fernsehköchin, die in einer Ente auf Fresstour durch Europa ist und mit italienischen Trüffelsuchern durch den Wald stapft, als Künstlerin oder als ehemalige Pipi-Langstrumpf-Darstellerin. Wenn Arzt A sagte, er wünscht mir viel Glück, war das höflich. Wenn Ärztin B das sagt, dann strahlt sie mich dabei so an, als würde sie sowieso fest davon ausgehen, dass es klappt. Ich fühle mich mehr zuhause bei Ärztin B als bei Arzt A. Vermutlich bin ich da ungerecht, denn das war eigentlich auf den ersten Blick so, und alles, was danach passiert ist, war fast egal.

Dann die Kliniken: Klinik A liegt um die Ecke der Glückscheeseburger. Klinik B bietet zwar keine Cheeseburger, aber Glückspasta und Glückspizza. Aber das ist längst nicht der einzige Unterschied! Klinik A ist riesig, sie zieht sich über mehrere Etagen, im Wartezimmer gibt es ungefähr 30 verschiedene Zeitschriften, und ich hatte da im Lauf der Monate mit bestimmt acht verschiedenen Sprechstundenhilfen zu tun. Klinik B passt locker in eine Etage, und es geht ein bisschen enger zu: unser gemeinsames Aufklärungsgespräch vor der Punktion hatten wir im Pornozimmer, weil gerade nichts anderes frei war, wo wir dann L. auch allein zurückgelassen haben. Das können andere finden, wie sie wollen, ich fand es nett und familiär.
In Klinik A nimmt man es in so ziemlich jeder Hinsicht sehr, sehr genau. Für die Zeit zwischen Transfer und Test hat Klinik A mir ein doppelseitig bedrucktes DIN A 4-Blatt mitgegeben, auf dem stand, was ich tun und lassen soll, und diese Liste wurde noch mündlich von einer Sprechstundenhilfe ergänzt. (Aus dem Gedächtnis weiß ich noch, dass ich täglich Eiweißpulver trinken, mich eigentlich nur schonen und im Zweifel alles lassen soll, das mir nicht ganz astrein erscheint. Was ich nicht soll, machte den Hauptteil der Seite aus: nicht rennen, auch nicht dem Bus hinterher, nicht Trampolin springen, nicht radfahren, keinen Rohmilchkäse, keine luftgetrocknete Salami oder Schinken, keinen Lachs, keine Mayonnaise, keinen rohen Fisch, kein rohes Fleisch, selbstverständlich keinen Alkohol, keine warmen Duschen, keine... ach, was weiß ich.) Als wir nach dem Transfer die Praxis verließen, erlaubte die Sprechstundenhilfe mir nicht, meine Stofftasche, in der sich sichtbar nicht mehr als ein paar Socken, meine Hausschuhe und das bisschen Klinik-Papierkram befanden, selbst zu tragen.
Klinik B dagegen übertrug mir meine Eier und wies mich an, es in den nächsten zwei Wochen ein bisschen langsam angehen zu lassen, viel Wasser zu trinken und Ruhe zu bewahren. Und der Chinamann, den ich am gleichen Tag zur Akupunktur traf, wunderte sich: "Hat sie ihnen gar nicht gesagt, sie sollen heute und morgen Abend ein Glas Rotwein trinken? Das macht sie immer, hat sie bestimmt vergessen! Dann sage ich ihnen das jetzt." Aha. Wieso das denn, Rotwein nach dem Transfer? "Dem Embryo schadet es jetzt mit Sicherheit noch nicht, der hängt erst in einigen Tagen am Kreislauf mit dran. Das ist also die letzte Chance für wer weiß wie lange. Und außerdem wärmt Rotwein die Gebärmutter, und das braucht sie jetzt - denn immerhin wurde mit kaltem Stahl in einem warmen Milieu hantiert, das mag sie nicht, und wir wollen doch, dass es ihr gut geht für die Eierchen?" Na gut, damit es meiner Gebärmutter gut geht, habe ich schon ganz andere Dinge getan als Rotwein trinken.

Auch bei den Medikamenten ließ es Klinik B lässig angehen. "So, hier sind Ihre Rezepte, hier der Plan, viel Spaß, wir sehen uns in einer Woche wieder." Während ich in Klinik A fast einen Spritzkurs bekam. Aber auch hier will ich Klinik B kein Unrecht tun, nachdem ich mich da als Vollprofi verkauft hatte; beim ersten Mal machen die das bestimmt auch anders. Und der Plan: Klinik A gab mir immer, bei jedem Schritt, längst nicht nur bei der Eisprungspritze, das deutliche Gefühl, wenn ich nicht alles GANZ GENAU SO mache, wie befohlen, dann kann ich die Sache im Grunde vergessen. Klinik B fand es dagegen nicht so schlimm, dass wir das Ganze jetzt um eine Woche nach vorne oder nach hinten verschieben - "alles kein Problem, machen Sie einfach, wie Sie meinen!"

Je länger ich drüber nachdenke, desto lieber ist mir Klinik B. Aber desto lieber ist es mir auch, dass ich meine ersten Versuche in Klinik A hatte, wo man mich bei jedem kleinen Trippelschritt an die Hand genommen und mir jede Entscheidung einfach abgenommen hat.

Gleichzeitig frage ich mich wieder mal, wie zwei Kliniken eine so einfache Sache wie die Warteschleife so unterschiedlich behandeln können. Auch in Klinik A haben das nicht alle Sprechstundenhilfen gleich gemacht. Die eine fing an, mir Dinge zu verbieten, und hörte gar nicht wieder auf. Eine andere schüttelte mir die Hand und sagte warm "herzlichen Glückwunsch, Sie sind jetzt schwanger, verhalten Sie sich dementsprechend." Aber mal ehrlich: es muss doch, nachdem Frauen seit Zehntausenden von Jahren schwanger werden, inzwischen eindeutige, verbindlich belegte Erkenntnisse dazu geben, was in dieser Zeit wichtig ist und was nicht? Und wenn das so ist, wieso sind dann die einen der Meinung, sie müssten uns Thunfisch verbieten (wegen des Quecksilbers) und andere uns sagen, wir sollten uns bloß ein bisschen schonen?
Ich habe einen dumpfen Verdacht, woher das kommt: ich stelle mir vor, ich bin ein Medizinautor und schreibe ein Schwangerschaftsbuch. Ein Buch, das sich frisch schwangere Frauen kaufen, die an der Kasse ein bisschen rot werden und sich dann zuhause mit ihrem Babybuch aufs Sofa legen und alle paar Seiten rufen "Schahatz, wusstest du schon, dass...". Diesen Frauen will man natürlich gönnen, dass der Spaß länger dauert als nur zehn Minuten. Und genau das wäre der Fall, wenn in einem Babybuch stehen würde "herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger, schonen Sie sich in den nächsten neun Monaten, nur nichts überstürzen, toi toi toi für die Geburt."

Freitag, 8. April 2011

Wer weiß?

Der Bauch schrumpft, die wahnsinnige Müdigkeit ist geblieben. Ich könnte ja nachsehen, ob ich die letzten Male nach dem Transfer auch tagelang so müde war, und es dann Crinone zuschreiben, aber ich bin zu müde.

Donnerstag, 7. April 2011

Vor einer Viertelstunde mit Lili auf der Wiese.

Zwei kleine Jungs, beide noch vor Stimmbruch, haben Lili ins Herz geschlossen, wir schmeißen Bälle, die zwei umkreisen sie auf ihren Kinderfahrrädern, es ist ein Riesenspaß. Da sagt der eine: "oh, schon gleich halb neun! Ich muss nach Hause!" und der andere zu mir: "sagen deine Eltern dir nicht, wann du nach Hause musst?" Nein, Herzchen. Die versuchen es zwar immer mal wieder, aber dann bocke ich einfach!

Wundert das irgendwen, dass ich mich nicht so richtig an den Gedanken gewöhnen kann, vielleicht in diesem Leben keine Kinder mehr zu kriegen? Wenn alles blöd läuft? Ich gebe ja zu, es war dunkel, aber die waren ca. acht! Als ich acht war, waren alle ab zwölf erwachsen! Und geht uns das nicht allen so? Ich kann wirklich nicht fassen, wie uns manche Leute ernsthaft erzählen können, wir wären zu alt zum Kinderkriegen.

Sind wir nicht! Sind wir nicht.

Meine Damen, ich präsentiere: die Plauze.

Was soll ich machen, es schmeckt einfach zu gut!



Nein, das ist nicht immer so. Aber kann sich hier irgendwer vorstellen, wie es ist, mit diesem Bauch unter lauter freundlichen, wohlmeinenden und ahnungslosen Leuten unterwegs zu sein? Und wie viele warmherzige Zwinkerblicke ich in den letzten Tagen bekommen habe? Eigentlich müsste ich mit einem Flachmann in der rechten und einer Fluppe in der linken Hand durchs Leben gehen, damit das aufhört.

Also gut. Wir stimmen ab. Werten wir das als Zeichen? Jaaaaaaa! (Fragt sich nur, wofür.)

Abbildung 7.4: Querschnitt durch das Gehirn einer IVF-Patientin während Phase 1 der Warteschleife.

Es ist mal wieder so weit: das monströse Superquiz "schwanger oder nicht?" ist in vollem Gang.

Dagegen spricht:
Das war vermutlich die chaotischste IVF, die ich jemals hatte oder haben werde. Erst habe ich trotz Enantone meine Tage bekommen, daraufhin haben wir den Start der Stimulation eine Woche nach vorne gelegt, dann wollte ich aber fasten, und plötzlich war es kein Problem, die Stimulation doch wieder eine Woche nach hinten zu verschieben. Mit der Stimulation war dann nach fünf Tagen schon wieder Schluss, weil es zu eng und zu voll wurde, und wir haben nicht nach drei oder zwei Tagen rückübertragen, sondern nach vier. Das war ...seltsam. Ich habe wirklich vollstes Vertrauen zu meiner Ärztin und ihren vor Enthusiasmus sprühenden Augen, aber kann so was klappen?

Nach vier Tagen waren es sechs und sieben Zellen. Jaja, ich weiß, zwei können reichen, trotzdem weist das schon darauf hin, dass es meinen beiden Würmchen... naja... ein bisschen an Pfeffer fehlt. "Würmchen, wo seht ihr euch in fünf Jahren?" "Oooch, mal gucken, vielleicht werden wir Zwanzig- oder Dreißigzeller? Muss aber auch nicht sein."

Ich bin 38, habe Endometriose wie keine zweite, ein gerade nachwachsendes Supermyom in der Gebärmutter und ca. zwanzig außen, mein einer Eierstock scheint schlappzumachen, und ich hatte schon zwei erfolglose IVFs. Unabhängig davon, wie ich mich fühle oder was für geheimnisvolle frauliche Dinge in meinem Körper vor sich gehen, meine Chancen sind schon vom Start weg nicht gerade blendend.

Selbst wenn ich jetzt schwanger sein sollte, kann sich das bis zum Test noch jede Minute ändern.

Wenn ich mir jetzt einbilde, dass ich schwanger bin, dann wird nach dem negativen Test am 18. alles noch viel trostloser.


Dafür spricht:
Ich bin müde. So unendlich müde wie selten. Egal, wie viel ich schlafe, ich bin immer noch müde. Und schlafen ist trotzdem nicht leicht. Ich bin seit Tagen so müde, dass ich kaum noch posten kann, denn abends komme ich nach Hause, falle im Mantel aufs Sofa, und wenn L. dann nicht ganz schnell anfängt, mir etwas zu erzählen oder mich auszufragen, dann bin ich auch schon weg.

Nur so ein Gefühl, auch nicht immer, aber ab und zu. Irgendwas ist anders. (Genau, Schatz. Du bist immer noch bis in die Haarspitzen mit Hormonen vollgepumpt und legst jeden Morgen ein Röhrchen Crinone nach. DAS ist anders.)

Heute morgen war mir ein bisschen übel. Was ja aber eigentlich noch gar nicht sein kann.

Einige Dinge riechen komisch. Was eigentlich auch noch nicht sein kann.

Bei anderen hat es doch auch geklappt, verdammt noch mal!

Der Chinamann sagt, ich werde jetzt schwanger. Basta.

In den nächsten Monaten ist der Kalender knallevoll mit Dingen, die unschwanger schöner sind. Der große Mädchenurlaub im Juli, L. will im Juni noch mal mit mir nach New York, Ostern in der Heide, der Garten schreit danach, im Schweiß meines Angesichts beackert zu werden, das Haus auch, ich hab viel zu tun im Job, und ich freue mich auf eine Woche wandern im Schwarzwald mit meinem besten Freund, in der wir jeden Abend vor dem Hüttchen sitzen könnten, mit Blick auf das sommerabendliche grüne Tal, ein Abendzigarettchen rauchen und ein Glas badischen Wein trinken könnten. Weil mein Überraschungsbauch mir gerne querschießt, ist das gerade fast so, als hätte ich mit Absicht genau den Versuchsaufbau geschaffen, bei dem er gar nicht anders kann als schwanger werden und bleiben. Das alles ist erst im August vorbei, bis dahin wäre ich im... Moment... sechsten Monat. Dann hätte mein Bauch es schon um einiges schwerer, mir querzukommen.

18. April. Noch elf lange Tage. Kommt es mir nur so vor, oder ist diesmal auch die Warteschleife länger? Das waren doch mal 11 oder 12 Tage und nicht 14?

Montag, 4. April 2011

Zwei Würmchen und ungefähr zweitausend gedrückte Daumen

Liebe Abkürzungsdamen,

vielen Dank für die Abermillionen Wünsche und Kommentare. In meinem Bauch sind jetzt ein Sieben- und ein Sechszeller. Nach vier Tagen Brutzeit lässt das nicht besonders viel hoffen. Aber ich hoffe natürlich trotzdem, und als ich meinem Chinamann bei der anschließenden Akupunktur erzählen wollte, wie wir das dann beim nächsten Mal machen, sagte der "Papperlapapp, Sie werden jetzt schwanger und basta". Und er ist vom Fach. Gerade bin ich entsetzlich müde, aber heute Abend schreibe ich mehr, versprochen!

Freitag, 1. April 2011

Wir schalten mal zwölf Gänge runter

Gestern waren es noch 17, heute sind es fünf. Drei für die Tiefkühltruhe, zwei für meinen Bauch am Montag mittag.

Nun gut. 17 Kinder wären ja vermutlich auch etwas übertrieben gewesen. Wenn sie dann auch noch mein Apfelgesicht und meine roten Haare geerbt hätten, hätten nur noch ein paar Norwegerpullover gefehlt, und fertig wäre eine noch riesigere Kelly Family gewesen, wer kann das wollen?
So und so ähnlich rede ich mir das seit dem Anruf um viertel nach neun lustig. Dabei ist es eigentlich nur so mittellustig, zumal bei einigen derer, die es nicht geschafft haben, zwar eine Befruchtung stattgefunden hat, aber solche Merkwürdigkeiten wie dreifache Chromosomensätze aufgetreten sind. Nein, nur so mittellustig.
Aber fünf sind übrig. Mit viel Glück sind die beiden, die erst mal noch nicht eingefroren werden, bis Montag immer noch frisch und munter und schaffen es nicht nur über diese vier Tage, sondern über 90 Jahre. Ich wünsche mir... ach, wozu soll ich das noch schreiben, ihr wisst doch alle, was ich mir wünsche.