Freitag, 31. Juli 2009

Unheimliche Begegnung

Wieder ein Besuch in meiner alten Firma. Und als ich gerade durch die Haustür unten bin, kommt mir ein alter Kollege entgegen. Keiner meiner engsten Freunde, nur jemand, mit dem ich ein paar mal zu tun hatte. Und er strahlt mich an, legt mir die Hand auf den Bauch und sagt "Na, das wird ja jetzt auch immer runder, schön!"

WATT?

Nur zur Erinnerung: Die Firma ist der einzige Ort, an dem es niemand weiß und auch niemand wissen soll. Ich hab es dort niemandem erzählt. Die paar, die ich eingeladen habe, werden es nach meiner Hochzeit wissen, aber bis dahin sind es noch drei Wochen, in denen ich auch fein stille sein will.

Und überhaupt, was heißt hier "immer runder"? Wer ist hier bitte rund? Ganz zu schweigen von runder?

Setzt euch doch, wollt ihr Kuchen?

Gerade gehe ich auf den Blog und frage mich: was ist denn HIER schon wieder los? Woher kommen all die Leute und Kommentare? Und dann sehe ich: schon wieder ist wunschkinder.net dran Schuld, genau wie beim ersten Mal, und ich freu mir ein Loch in den Bauch, dass ihr alle hier seid. Übrigens muss sich der Wunschkinder-Mann keine Sorgen machen, ich bin sehr geschmeichelt darüber, dass es ihm fast ein bisschen leid tut, dass ich nun auf die (Gähn) schwangere Seite gewechselt bin. Ich bin ganz gerührt über die vielen netten Kommentare, und ich wünsche natürlich allen, die gerade in irgendeinem Abkürzungs-Zyklus-Dings stecken, dass alles fluppt und gut ausgeht, dass ihr es schafft, durch diesen Sturm sauber durchzusteuern, und dass ihr auch bald auf der langweiligen schwangeren Seite ankommt. Und denen, bei denen es schon geklappt hat, wünsche ich natürlich, dass es auch wirklich langweilig wird in den nächsten Wochen, STINKlangweilig sogar, ohne Katastrophen in der Unterhose und mit Arztterminen, die ein einziger Spaziergang sind.
Und dann sind da noch die, die sich inzwischen entschieden haben, es jetzt gut sein zu lassen. Denen wünsche ich, dass sie nie vergessen, warum sie sich so entschieden haben, und dass das Leben ihnen jede Menge von den Dingen bringt, die ihnen klarmachen, dass sie es richtig gemacht haben.

Hapüh. Genug Rührseligkeit verbreitet.

Gestern waren die Mädchen zu Besuch und haben meinen „Ich kann doch nicht den ganzen Tag hier rumliegen, verdammt noch mal, eine Stunde in der Küche wird erlaubt sein, wer bin ich denn“-selbstgebackenen Kuchen gegessen, und ich hab ihnen das Bild vom Würmchen gezeigt. Tiefe Ratlosigkeit. „Aha. Und wo siehst du da jetzt den Kopf?“ Eine hielt sogar die kleinen Striche, mit denen der Arzt die Länge markiert hat, für die Beinchen. Ist es zu fassen? Erst dachte ich, die Mädchen sind eben ein bisschen blöd, geahnt habe ich es schon immer. Aber dann ist mir klar geworden, dass es längst zu spät ist und ich eine von denen bin. Eine von den verstrahlten Schwangeren. In den letzten Tagen hat man aus meinem Mund sogar solche Sätze gehört wie „Ach, auf Alkohol habe ich gerade irgendwie gar keine Lust“ und „Huah, schon elf? Gute Nacht!“
Und dann gehe ich ins Bett und lese einem 6,5 mm großen undefinierbaren Dings, das für menschliche Sprache so empfänglich ist wie ein Rosenkohl, eine Geschichte vor.

Ekelhaft. Das ist einfach nur widerlich.

Donnerstag, 30. Juli 2009

Hab ich übrigens erwähnt,

dass das Schaf auf meinem Hals, das mir nachts die Luft abgedrückt hat, kein Schaf war, sondern meine Schilddrüse? Mit den Hormonen und jetzt der Schwangerschaft habe ich mir eine hübsche kleine Schilddrüsenunterfunktion angezüchtet, und die war schlimmer geworden. Jetzt hab ich stärkere Tabletten, und das Schaf ist Geschichte. (Schilddrüse. Schon wieder ein ekliges Wort mit Drüse.)

Würmchen, es tut mir leid, aber deine Mutter hat einen Knall

In Harry & Sally gibt es eine Stelle, an der Sally denkt, sie wäre doch eigentlich unkompliziert, und Harry sagt, „Du denkst, du bist unkompliziert, aber du bist kompliziert. Das sind die Schlimmsten.“

Hier irrt sich Harry. Die Schlimmsten sind die, die kompliziert sind, das auch im Grunde genau wissen und trotzdem ums Verrecken für unkompliziert gehalten werden wollen. Es ist, als würde Sally sich einen Apfelkuchen bestellen, „einfach ein Stück Apfelkuchen, egal“, und wäre dann todtraurig, dass die Eiskugel obendrauf ist und nicht daneben.

Ich bin so eine. Ich bin die, die nie den Geschäftsführer sprechen will, sondern einfach nie wieder kommt, und zwar wegen einer Sache, die anderen völlig egal wäre, und die trotzdem beim nächsten Mal wieder so tut, als wäre sie der unkomplizierteste Gast im Lokal. Meine Spaghetti Vongole müssen immer ohne Tomaten sein, aber mit Wermut, mein Steak immer blutig, meine Fritten immer genau SO und NICHT ANDERS, mein Bier immer in einem Glas ohne Goldrand und mein Tee immer mit kochendem Wasser gemacht, und auf gar keinen Fall will ich eine Tasse mit heißem Wasser bekommen und einen Teebeutel daneben. Aber brauche ich deshalb zwei Minuten, um eine Tasse Tee zu bestellen? Nein, ich bestelle einfach Tee, denn ich bin ja die unkomplizierte Flora, und hinterher mag ich ihn nicht, und wenn es ganz blöd läuft, auch das Lokal nicht mehr.

Beispiel Nr.1: L.s Mutter kümmert sich mit ein paar Frauen aus dem Dorf darum, die Dorfkirche für die Hochzeit zu schmücken. Sie hat mich gefragt, was für Blumen ich mag, und ich sage voller Überzeugung: „Ich mag eigentlich alle Blumen!“ Zwei Wochen später erzählt sie, sie hätten sich überlegt, vor allem Sonnenblumen zu nehmen, denn die sehen so freundlich und sommerlich und ländlich aus. Mir sträuben sich die Nackenhaare. Sonnenblumen sind so ziemlich die einzigen Blumen, die ich überhaupt nicht mag. (Denke ich jetzt. Bis jemand mit Usambaraveilchen, Gerbera, Calla, Chrysanthemen oder diesen roten Dingern mit dem Schilfrohr in der Mitte ankommt.) Aber wie sage ich das, ohne dass es falsch ankommt und ohne dass ich undankbar oder sogar (keuch!) zickig und kompliziert wirke? (Wer jetzt denkt „Was ist das denn für ein Quatschproblem“, hat vollkommen Recht.)

Beispiel Nr.2: Ich gehe zum Friseur, und als er mich fragt, wie ich es gerne hätte, sage ich, er sollte einfach mal machen, ich vertraue ihm. Das Ergebnis ist, dass er mich innerlich zum lässigsten Kunden des Tages krönt und ich mich hinterher in den Schlaf weine und die nächsten zwei Wochen damit verbringe, zu versuchen, durch pure Konzentration meine Haare dazu zu kriegen, doppelt so schnell zu wachsen.

Beispiel Nr.3: Ich arbeite mit Hochdruck daran, dass mich meine Freunde, meine Familie und L. für eine unkomplizierte, lockere Schwangere halten. Hey, ich bins, nur jetzt eben mit einem kleinen Würmchen im Bauch, seht ihr, ich bin so locker, ich nenne es noch nicht mal „Kind“ oder „Baby“, denn wer weiß, vielleicht geht ja noch alles schief, und wir wollen die Sache doch nicht zu hoch hängen? Und dann kommt L. nach Hause, hat sich Sushi aus Krebsfleisch (Krebsfleisch. Durchgekocht und damit vollkommen harmlos. Krebsfleisch steht auf der Liste der guten Lebensmittel, Krebsfleisch lebe hoch!) gekauft und will mir zauberhafterweise was abgeben, und ich kann nicht, weil ich Angst habe, dass es mit dem gleichen Messer und auf dem gleichen Brett geschnitten wurde wie das normale, gefährliche Sushi. Und obwohl ich es nicht anrühre, wache ich morgens schweißgebadet auf, weil ich geträumt habe, ich hätte von dem Teller, auf dem das Sushi lag, etwas anderes gegessen, und ich kann mich kaum beruhigen. (Neulich habe ich geträumt, ich hätte geraucht. Ihr hättet dabei sein sollen.) Und nur zwei Minuten später verstehe ich die Welt nicht mehr, weil meine Mädchen Angst haben, mit mir in einem Ostseedorf außerhalb der Reichweite jedes noch so winzigen Krankenhauses das Wochenende zu verbringen. Vor ihrem inneren Auge spielen sich schreckliche Szenen ab, in denen ich mitten in der Nacht in einem Blutschwall erwache und wir nichts tun können, woraufhin der Geist meines verlorenen Kindes auf ewig um uns herumspukt. Das ist eine Angst, die einen ganz realen Hintergrund hat (ich blute immer noch und soll mich schonen), eine völlig vernünftige und erwachsene Sorge. Und ich denke für ein paar Minuten allen Ernstes: Wieso sind nicht alle so unkompliziert wie ich? Ey, Locker!

Mittwoch, 29. Juli 2009

Liste ekliger Wörter in der Schwangerschaft

Selten in meinem Leben habe ich mit so vielen ekligen Wörtern zu tun gehabt wie jetzt. Dabei sind es Wörter, die fiese Assoziationen wecken (wie „altes Blut“) und Wörter, die einfach einen fiesen Klang haben (wie „Sperma“, ein Wort, bei dem ich an ein osthessisches Kaff in der Nähe von Fulda denke, in dem der Hund begraben liegt, das Wetter immer mies ist und man Gefahr läuft, dass einen irgendwer aus reiner Langeweile verdrischt). Manche Wörter punkten sogar auf beiden Gebieten.

Hier kommt die Liste, die ich aber gerne noch ergänze:
Mutterkuchen
Dottersack
Nachgeburt
Stützstrumpf
Abnabeln
Befruchtung
Brustdrüse (überhaupt „Drüse“)
Eiweißshake
Scheidenzäpfchen
Kolostrum
Krampfadern
Hohlwarze
Käseschmiere
Hämorrhoiden
Juckreiz
Schmierblutung
Verhecheln


Huääääh. Huäääääääääääh.

Nachricht an die Hasen

Ich hab mir das noch mal angesehen, und scheinbar zickt die Kommentarfunktion immer nur beim ersten Versuch. Also einfach den Kommentar noch mal abschicken, falls eine Fehlermeldung kommt, und dann ist alles gut. Wieso das aber so ist, weiß kein Mensch. Einerseits werden aus undefinierbaren kleinen Klümpchen innerhalb weniger Tage plötzlich Männchen machende Würmchen, andererseits hat das Internet seine Tage. Es ist eine verrückte Welt.

Blümchen, bist du groß geworden

Ich würde euch ja so gerne ein Bild vom Würmchen zeigen. Aber im Moment ist der Scanner unter einer meterdicken Schicht Papiere und Zeitungen und Kram begraben. L. versichert mir, dass das nur ein Zwischenstadium ist auf dem Weg in eine Zukunft, in der unser verbotenes Zimmer das Prunkstück der Wohnung sein wird. (Irgendwann, ganz irgendwann soll es dann mal das Kinderzimmer werden. Aber bis dahin ist es der geheimnisvolle Ort, an den Papiere, die keiner mehr braucht, zum Sterben gehen.)

Jedenfalls: kein Scanner, kein Bild. Aber ich kann ja versuchen, das Würmchen für euch zu beschreiben. Also. Das Würmchen befindet sich in einer Fruchthöhle, die die Form eines Mondfisches hat. Ihr wisst nicht, wie ein Mondfisch aussieht? Zum Glück gibt es das Internet. (Natürlich hat die Fruchthöhle keine Flossen, aber sonst stimmt die Form.) Die Fruchthöhle zeichnet sich schwarz gegen das hellgraue Gekrissel der Gebärmutter ab.

Da, wo der Mondfisch sein Auge hat, sieht man in der Fruchthöhle den runden Dottersack. Schon wieder ein hässliches Wort in dieser Schwangerschaft! Darum wird er auch in den nächsten Wochen komplett verschwinden.
Und an dem Dottersack hängt das Würmchen. Das Würmchen ist laut Ultraschall vom Scheitel bis zum Steiß 6,5 mm groß, wobei es seit gestern angeblich schon wieder einen Millimeter gewachsen ist. Aus Kinnern werde Leut! Wie meine ängstliche Oma sagte (auch wenn sie natürlich tief im Inneren glaubte, aus Kinnern werden erst mal Opfer von Verbrechen und schlimmen Unfällen und daher vermutlich keine Leut.)
Für mich ist vollkommen klar, wo da Scheitel und wo da Steiß ist, L. sieht das anders. Ich meine sogar, ich sehe schon Arme und Beine. Und weil das mein Blog ist und nicht L.s, zählt hier allein meine Meinung, nach der das Würmchen im Moment folgendermaßen dasitzt: Oben ist der Kopf, der leicht nach vorne gekippt erscheint, dann kommt der kleine dicke Bauch, die Ärmchen sind beide nach vorne gestreckt, und die Beinchen auch. Es macht Männchen!

Momente, in denen ich seit gestern das Ultraschall-Bild hingerissen angestarrt habe: 273
Striche auf der Tafel in der Küche, für jeden Schwangerschaftstag einen: 50
Karos auf meiner Bettdecke nach letzter Zählung: 12.340
Spontane Kotzanfälle: 0
Zugenommene BH-Größen: 0
Zugenommene Kilos: 0 (das bleibt besser so, es wäre vermutlich billiger, mir fix ein Kilo abzusaugen oder wegzuhypnotisieren, als das Brautkleid noch mal zu ändern)
Wahnsinnig sanfter, mütterlicher, weicher und weiblicher Ausdruck in meinem Gesicht: 0
Tränen beim Anblick fremder Kinder: 0
Tränen beim Anblick klitzekleiner Schuhe, Hosen, Fahrräder etc.: 0
Tränen ohne jeden Grund: 0
Irre Kicheranfälle ohne jeden Grund: 784

Dienstag, 28. Juli 2009

Wunderkind

Ich fasse es nicht, L. fasst es nicht, die Mädchen fassen es nicht, und dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hat der Arzt es auch nicht gefasst. Aber wir haben einen Herzschlag und ein Würmchen, bei dem klar ist, wo oben und unten ist und das vom Scheitel bis zum Steiß 6,5 mm groß ist. Alles ist genau so, wie es in dieser Schwangerschaftswoche sein soll (auch wenn ich mittlerweile gar nichts mehr raffe, aber scheinbar wird die SSW bei In Vitro anders berechnet, und überhaupt, ich hab eine Insider-Abkürzung verwendet: SSW! Das tu ich sonst nie, bin ganz aufgeregt!), das Blut hat mit dem Baby nichts zu tun, die Regelschmerzen auch nicht, ich soll noch eine Woche liegen, aber das tue ich mit Kusshand und verspreche auch hoch und heilig, nicht zu meckern und zu nölen.

Und nun schäme ich mich fast ein bisschen und fühle mich, als wäre ich eins dieser grässlichen Mädchen, die nach Klassenarbeiten immer gejammert haben, sie hätten bestimmt eine fünf, und dann ist es doch wieder eine 2+, und wenn man genau hinguckt, dann sieht man, dass sie auch noch sauer sind, weil es keine 1 ist. Genau so. Aber immerhin war es auch für den Arzt eine Überraschung. Und für uns ist es ein echtes Wunder. So ein unwahrscheinliches Wunder, dass ich immer noch ganz deutlich die andere Möglichkeit vor Augen habe, an der wir so dermaßen knapp vorbeigeschrammt sind und die immer noch für ein paar Wochen in der Luft hängt. Ich kann mir genau vorstellen, wie ich hier den anderen Eintrag gepostet hätte, in dem es darum geht, warum mein Leben trotzdem schön ist, welche Vorteile die Katastrophe hätte und warum vielleicht alles besser so ist. Ich kann mir auch vorstellen, wie ich mit den Mädchen auf der Couch rumgelungert hätte und Sushi bestellt hätte, drei Sorten mehr, als ich schaffe, und ich kann mir vorstellen, wie ich heute Abend zum ersten Mal wieder eine Alsterrunde gerannt wäre und mir bei jedem Zwicken im Unterleib gedacht hätte, zwick du nur, du Mistbiene, du hast mir in den letzten Wochen auch ganz schön oft wehgetan.

Woran lag es jetzt? Ich tippe auf Glücks-Schwangerschafts-Figur oder Glücks-Socken (meine graukarierten Spezialsocken), mein Vater vermutlich auf die Glückseidechse, kein Mensch weiß es, aber nach dem Termin hat mein Glücks-Cheeseburger so gut geschmeckt wie selten. Blut habe ich auch dagelassen, aber die Hormone haben mir noch nie Schwierigkeiten gemacht, das wird heute hoffentlich auch so sein. Nächste Woche muss ich noch mal zum Blutabnehmen, aber meinen Arzt sehe ich so schnell nicht wieder. Wir haben einen großen Zettel mitgenommen mit lauter geheimnisvollen Abkürzungen drauf (ich habe ja langsam das Gefühl, ich bin die unprofessionellste Schwangere der Welt, alle scheinen diese Kürzel perfekt draufzuhaben und sich auch wirklich dafür zu interessieren – und während es mir immer reicht, zu wissen, dass meine Hormonwerte ok sind, können andere ihre Werte bis auf die Kommastelle runterrasseln), unten stehen mit Kuli erst die schlechten Nachrichten von letzter Woche und dann die guten von dieser, und mit diesem Zettel in der Tasche gehe ich zu meinem nächsten Termin am 15. August, und zwar bei einer ganz normalen Frauenärztin, wo die ganz normalen Frauen mit ihren ganz normalen Schwangerschaften hingehen dürfen. Und in der Klinik lasse ich zwar noch ein mal Blut, aber keinen Angstschweiß mehr.

Montag, 27. Juli 2009

Gute Momente, schlechte Momente, müde Momente

Es gab Momente in den letzten Tagen, in denen habe ich überhaupt nicht dran gedacht. Zum Beispiel die, in denen ich mit L. Marienkäfer-Polizei im Schwimmbad gespielt habe, wir waren im Wochenendhaus seiner Familie auf dem Land und haben hunderte von Marienkäfern vor dem Ertrinken gerettet. Ich hab sie mir immer auf den Kopf gesetzt und bin mit ihnen an Land geschwommen. Oder der Moment, in dem wir mit dem Pflegehund von L.s Mutter spazieren waren und der Hund immer wieder aus dem Gebüsch auf uns zugerannt kam, dass die Erde donnerte, als würde eine Herde Büffel auf uns zustürmen. Oder der Moment, in dem ich mit dem dicken Zeh genau vor den Pflasterstein gelaufen bin. Oder der Moment, als ich festgestellt habe, dass es auf dem Frühstücksbuffet auch winzige selbstgebackene Kuchen gibt. Oder der Moment, als ich zum ersten Mal wieder im Kino meiner Kindheit war und es noch genau so roch wie früher und der Kinobesitzer sich wie damals von jedem einzelnen Gast an der Tür verabschiedete: "Gute Nacht, schlaft schön".
Es gab auch Momente, da kam es mir vor, als wollte die Welt mich mit der Nase mitten reinstoßen in den ganzen Mist. Der Moment, in dem wir im Wochenendhaus ankamen und L.s Mutter mich mit den Worten begrüßte "Ach, meine Süße, sieht man denn schon einen Bauch?". Oder der Moment, als wir unseren Wir-sind-ein-braves-Brautpaar-Besuch in der Kirche gemacht haben und sich herausstellte, dass in diesem Gottesdienst drei Kinder getauft werden und alle Lieder nur davon handelten, was für ein Schatz Kinder sind und wie dankbar wir dafür sein können, wenn sie uns anvertraut werden.
Ich glaube, L. hat für diese Runde aufgegeben, und das ist vermutlich besser so. (Am Freitag hat er eine Flasche Wein für sich und seine Mutter aufgemacht und mir auch ein Schnapsglas voll eingegossen. Das erscheint euch vielleicht als nicht besonders Desperado-mäßiges Verhalten, aber glaubt mir, ist es. Ich hab es nicht getrunken, auf die paar Tage kommt es jetzt auch nicht mehr an.) Und dazwischen immer wieder Bluten, nicht Bluten, Schmerzen, keine Schmerzen, und das alles in jeder denkbaren Kombination (Nicht bluten, aber Schmerzen. Bluten, aber keine Schmerzen usw.)

Hilft ja nichts, oder? Morgen früh um elf bin ich schlauer. Und vielleicht offiziell nicht mehr schwanger. Auch wenn ich in den letzten Tagen auf alles geachtet habe, das aus mir rauskam und notfalls als wenn auch winziger Foetus durchgegangen wäre und trotzdem behaupten würde, da war nichts, wissen wir es nicht genau. Und schon wieder merke ich, dass ich ruckzuck etwas ziemlich widerliches hier hingeschrieben habe, ohne auf die zarten Gefühle und Mägen meiner Leser zu achten.

Ich würde gerne aus den letzten Stunden, in denen ich noch offiziell schwanger bin, etwas Besonderes machen. Aber ich weiß nicht, wie und womit. Ich bin plötzlich entsetzlich müde und will nur noch schlafen, dabei würde ich gerne an einen besonderen Platz gehen oder etwas Besonderes tun. Ich würde gerne später erzählen können, was ich gemacht habt, und falls es wider jede Wahrscheinlichkeit morgen nicht vorbei sein sollte, dann würde ich gerne eines Tages dem Würmchen davon erzählen, wie Mutti einmal dachte, sie würde es verlieren, und dann zum Abschied noch etwas wirklich Schönes und Cooles machte, nämlich *****, und dann am nächsten Tag erfuhr, dass ein Abschied gar nicht nötig gewesen wäre. Aber im Moment kann ich mir kaum vorstellen, meine Schuhe anzuziehen, geschweige denn, das Haus zu verlassen. Mit.... letzter.... Kraft.... poste.... ich... diesen... Ein....trag. Und nun ist gut für heute, ja?

Samstag, 25. Juli 2009

Warteschleife mit Doppelknoten

Der Bluttest, ob wir irgendwelche Krankheiten haben. Die Spermaprobe, ob alles gut ist. Der erste Ultraschall, ob ich Zysten habe und wie die Eibläschen wachsen. Der zweite Ultraschall zum gleichen Zweck. Der OP-Termin und das Warten nach dem Aufwachen, bis der Arzt kommt und sagt, wie viele Eizellen er gefunden hat. Der Anruf einen Tag später, wie viele davon sich befruchtet haben. Die Rückübertragung, bei der wir erfahren haben, wie viele immer noch gut aussehen und eingesetzt oder eingefroren werden können. Der erste Schwangerschaftstest. Der Anruf vier Stunden später. Der zweite Test zwei Tage später. Der dritte Test eine Woche später. Der vierte Test noch eine Woche später. Und jedes Mal hoffen, dass nicht zu viele Idioten ausgerechnet jetzt anrufen, weil ich jedes Mal beinahe aus meiner Haut springe, wenn das Telefon klingelt. Der erste Ultraschall. Der zweite Ultraschall. Ja, wir freuen uns, aber wir warten auf Mittwoch/Dienstag/Samstag/Donnerstag.

Dienstag ist wieder so ein Tag, und ich hoffe so sehr, dass es entweder wie durch ein Wunder steil bergauf geht (was trotzdem bedeuten würde, dass mich anstehende Termine so nervös wie nie machen würden, nachdem ich jetzt weiß, wie wacklig das alles ist). Oder - falls nicht - dann soll es bitte vorbei sein, und zwar am liebsten innerhalb der nächsten Tage. Ich habe letzten Samstag, als es anfing zu bluten, langsam damit angefangen, mich von meiner Schwangerschaft zu verabschieden. Jetzt kann sie auch gehen. Wenn sie für die nächsten acht Monate bleibt, bin ich natürlich die glücklichste Flora der Welt. Aber wenn sie sowieso geht, dann soll sie jetzt gehen und nicht noch endlos hier rumhängen und auf alkoholfreies Hefeweizen spekulieren.

Freitag, 24. Juli 2009

Eine Reise in die Welt der Tiefkühlpizza und Teelichter

L. und ich bei einem Ausflug in meine Vergangenheit, genauer gesagt, in mein Unistädtchen. Ich sitze am Stammtisch in einem Lokal, in dem ich fünf Jahre lang gekellnert habe. Der Pächter hat gewechselt, aber der Neue hat fast alles so gelassen, wie es war, was die Sachen, die sich geändert haben, um so merkwürdiger macht. Vorhin lief hier eine Frau durch, von der ich nicht mehr sagen könnte, ob die früher auch hier gekellnert oder nur getrunken hat. Eigentlich ist es schön hier, aber trotzdem ist mir beklommen. So geht mir das komischerweise oft, wenn ich an die alten Orte komme. Das liegt vermutlich nicht daran, dass es mir damals an diesen Orten so schlecht ging, sondern eher daran, dass es mir heute so viel besser geht. Ich sitze hier an einem Tisch, den ich bestimmt 800 mal in meinem Leben abgewischt habe und auf den ich in so vielen Nächten hundemüde nach der Sperrstunde noch die Stühle gestellt habe, und wenn ich mir jetzt eine Schürze umbinden und die Schicht der Studentin mit Pferdeschwanz übernehmen würde, die das jetzt macht, dann würde ich vielleicht sogar feststellen, dass ich immer noch den Kassencode für einen Salat mit Hühnchen, ein kleines Hefeweizen oder Käsespätzle wüsste oder jedenfalls in den Fingern hätte. Und ich denke daran, dass ich damals immer noch auf eine merkwürdige Art an meinen Eltern festhing, an die kleine Bude und das Gemuckel unter Studenten, an die blöden Referate und das ewige Gewühle nach einem Zweimarkstück für irgendeinen Bibliotheksspind, die Mensa, das ganze Gelaber, die Fahrräder, die einem immer geklaut wurden, an Wochenenden in der WG, an denen ALLE dämlichen Freundinnen und Freunde von ALLEN Mitbewohnern da waren und in der Küche rumhockten und diese ganzen Pärchen ständig Schaumbäder mit Teelichtern auf der Fensterbank nahmen, es war zum Auswachsen.

Und dann denke ich daran, wie froh ich bin, das alles hinter mir zu haben. Vielleicht war das die beste Idee seit Tagen, hierher zu fahren. Kein Mensch kann sich leid tun, vor dessen Auge gerade diese Zeitraffer-Studentenzeit abläuft und der sich sagen kann: so war das mal, aber das alles ist jetzt vorbei, und das ist ein Riesenglück. Ich muss mir das nicht einreden, sondern ich weiß gerade so genau wie schon lange nicht mehr, wie gut ich es habe.

(Eine Menge positive Selbstbeschwörung ist hier gerade im Gange, falls es jemandem entgangen ist. Glaubt es oder nicht, aber es funktioniert.)

Manches ist schon gut so

Ich hab keine Ahnung, warum ich gerade heute an diese Geschichte denken muss. Aber ich muss. Als ich noch zur Schule ging, gab es da ein Mädchen, das dazu neigte, mit dem größten Selbstvertrauen und dem bedeutungsvollsten Ausdruck fürchterlichen Schwachsinn zu reden. Das wurde nicht besser, nachdem sie ein Jahr im amerikanischen Bible Belt beim Schüleraustausch verbracht hatte. Nach einer Weile passierte das, was solchen Leuten leider meistens passiert: irgendwann fingen schon alle an zu kichern, wenn sie nur den Mund aufmachte, egal, ob wieder einer dieser blöden Klopse rauskam oder zur Abwechslung mal etwas Normales. Manchmal muss man vermutlich auch dabeigewesen sein, um einschätzen zu können, wie bescheuert eine Bemerkung in diesem Moment gerade war. Sie selbst war übrigens gegenüber dem Gekicher völlig schmerzbefreit.

Nun kommt die Geschichte, sie ist nicht schön und ziemlich lang, aber ihr werdet sehen, am Ende kommen wir an. Eines Tages im Sommer, als wir so ungefähr 19 waren, haben wir den Tag am See verbracht. Sie war dabei, ich war dabei, noch ein Haufen anderer Leute aus meinem Abi-Jahrgang, und leider auch zwei Jungs aus dem Osten, die damals, kurz nach der Wende, der Vater eines Freundes unter seine Fittiche genommen und für die Ferien zu uns eingeladen hatte. Die Ost-Jungs wollten nackt schwimmen, was uns Klemm-Wessis entsetzlich peinlich war. Sie starrten uns Mädchen auf den Po und machten Luftküsschen, was uns ebenfalls peinlich war. Und sie hatten bei 30 Grad im Schatten eine Flasche Schnaps dabei, was uns allen die Fremdscham ins Gesicht trieb.
Abends gab es eine Party irgendwo in einem abgemähten Feld. Ich hatte ein olles Auto, also fuhr ich, und irgendwie schafften es noch fünf andere, sich mit mir in meinen R4 zu quetschen. Auch das Mädchen mit der Neigung zu blöden Äußerungen war dabei. Als wir dort ankamen, saßen auch die zwei Gäste am Lagerfeuer, inzwischen wieder angezogen. Nun tranken die meisten Schnaps oder irgendwas, und ich saß fröhlich und stocknüchtern dazwischen und dachte nichts Böses. Mein damaliger Freund, damals in meinen Augen der feinste Kerl der Welt, zog ca. achtmal an einer dicken Tüte, die herumging, und legte sich kichernd ins Gras. Und nun kommt das, was diesen Abend in die Top-100 meiner persönlichen Tiefpunkte eingehen lässt (jedenfalls hoffe ich, dass es nicht noch sehr häufig schlimmer kommen wird): einer der beiden Gaststars legte sich plötzlich auf mich drauf. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, schrie ihn an, und als ich irgendwann merkte, dass das nichts nützte, schrie ich die anderen an, mir gefälligst zu helfen. Das nützte aber nichts, weil es allen entweder egal war, sie sich gerade totlachten über meine Anstrengungen oder zu breit waren, um zu verstehen, was da gerade passierte. Mein Freund eingeschlossen, und die Beziehung kriegte in dieser Nacht den Knacks, der vermutlich später ihr Ende war. Ich sah mich schon vergewaltigt inmitten von plattgelegenen Schnecken und Bierflaschen liegen, und das gab mir vermutlich die nötige Kraft, mit einem 80-Kilo-Mistkerl fertig zu werden: Als der Typ dabei war, mir das Hemd aufzuknöpfen, schaffte ich es, ihn abzuwerfen, trat ihm noch ein paar mal kräftig in den Hintern, stieg in mein Auto, gab dem Rest der Bande zehn Sekunden zum Einsteigen und fuhr los. Den gastfreundlichen Vater meines Mitschülers stellte ich am nächsten Tag vor die Wahl, die Jungs mit dem nächsten Zug nach Hause zu schicken, oder sie darauf vorzubereiten, dass einem von ihnen eine Anzeige blüht. Er hat sich dann für die Heimfahrt entschieden, und ich hab den Jungen zwei Tage später trotzdem angezeigt, weil ich bei näherer Überlegung nicht wollte, dass er sich noch mal auf das falsche Mädchen legt. (Findet das jemand unfair von mir? Tja, so ist das Leben.)

Und nun kommt es: auf der Heimfahrt sagte lange Zeit niemand etwas. Und dann kam der Moment, der diesen Abend nicht nur zu einem der schlimmsten, sondern auch der komischsten in meinem Leben gemacht hat: das Mädchen mit den besonderen Einsichten machte den Mund auf und sagte in einem Tonfall wie die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten: "Ich finde, das hat der Herrgott schon gut eingerichtet mit den Männern und den Frauen." Und als ich sie im Rückspiegel fassungslos anstarrte, versuchte sie die Kurve zu kriegen: "Und den Babys natürlich auch. Was denn? Was habt ihr denn?"

Heute, viele Jahre später, sitze ich vor meinem Blog, trage morgens um halb zehn die dritte Unterhose des Tages, weil ich in den nächsten Tagen vermutlich einen Abgang haben werde und es von Stunde zu Stunde ein bisschen mehr blutet, und frage mich:

Ist es nicht gut, dass man am Anfang einer Schwangerschaft so verwirrt ist und das alles so surreal findet, dass man am Ende nicht vor Kummer verrückt wird, wenn es tatsächlich nicht wahr wird?
Oder dass wir gar nicht alle von Anfang an richtig spüren, dass wir schwanger sind?
Oder dass man nie die einzige ist, wenn es schief geht?
Oder dass wir genau wissen: wenn es jetzt nichts wird, dann hat vermutlich etwas Wichtiges nicht gestimmt mit dem Kind, und es war wirklich besser so?
Und dass die kritischste Phase am Anfang der Schwangerschaft ist und nicht am Ende?
Und dass ich nicht die letzten zwei Wochen jeden Tag überm Klo angefangen habe?

Vielleicht will jetzt die eine oder andere nie wieder diesen Blog lesen: eine versuchte Vergewaltigung und Schwangerschaften und mögliche Fehlgeburten und den lieben Herrgott im gleichen Eintrag zu erwähnen, hat die sie noch alle?

Tut mir leid, aber so geht es gerade zu in meinem Gehirn. Seid nicht böse auf mich. Schiebt es meinetwegen auf die Hormone. Denn die Hormone - und das verwirrt mich gerade sehr, noch zusätzlich zu der restlichen Verwirrung - die Hormonwerte sind weiterhin spitzenmäßig. Mustergültig. Optimal.

P.S. Tage später lese ich diesen Post zufällig noch mal, und jetzt klingt er plötzlich so, als hätte ich was gegen Ostdeutsche. Das ist natürlich Blödsinn und tut mir sehr leid, so wollte ich bestimmt nicht klingen, ich hoffe, dass nicht allzu viele von euch das gedacht haben! Das Problem war nicht, dass die beiden aus dem Osten waren, sondern dass sie vermutlich ziemliche Doofköppe waren. Und außerdem war das Problem, dass der Vater des Freundes, der uns die beiden aufgehalst hatte, dem alten Irrglauben vieler Erwachsenen aufgesessen war, dass sich Leute im gleichen Alter immer irgendwie verstehen. "Jugendlich ist Jugendlich, ihr könnt ja mal was zusammen unternehmen". Dass das nicht klappen konnte, wenn man uns brave Abiturienten mit zwei vollkommen ziellosen, arbeitslosen Jungs Mitte 20 ohne Schulabschluss zusammensteckt, auf die Idee wäre er nie gekommen.

Wieso tust du das, Blogger.com?

Wieso bombardierst du mich seit Neuestem, wenn ich hier meine Einträge schreibe, nebenbei mit Werbung für Anti-Abtreibungs-Organisationen?

Seh ich so aus oder was? Und wieso, wieso, wieso fängst Du damit ausgerechnet jetzt an?

Versteh mich nicht falsch, sonst waren wir bisher sehr glücklich zusammen, aber was soll das denn?

Verwirrte Grüße
Flora

p.s. nein, ihr anderen Hasen könnt das nicht sehen, das kommt nur, während ich hier zugange bin. Habt ihr ein Glück, das braucht kein Mensch.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Eidechse vs. Ultraschall

Mein Vater sagt, er hat nach meinem Anruf gestern früh plötzlich eine Eidechse im Haus gesehen, und Echsen, das wüsste man ja, sind ein Fruchtbarkeitssymbol. (Damit ihr versteht, was das heißt: mein Vater ist Naturwissenschaftler. Er hält so ziemlich alles für Unsinn, das sich nicht unter einem Mikroskop beobachten lässt.)

Aber ich weiß nicht. Es ist ja nicht nur der Herzschlag, sondern auch, dass im Moment Fruchtblase und Embryo ein einziger grauer Klumpen sind. Da sollte eigentlich außen die Blase sein und innen drin, heller und klar zu sehen, das Würmchen - zwar natürlich noch nicht mit Armen und Beinen, aber man hätte schon klar sehen müssen, wo oben und unten ist. Und noch nichts davon war da, eben auch noch kein Herzschlag. Inzwischen habe ich den wöchentlichen Schwangerschafts-Newsletter von eltern.de mal lieber abbestellt, bevor ich nächsten Mittwoch (dann kommt er immer) vor meinem Rechner sitze und noch das Heulen anfange.

Ich versuche, mich zu konzentrieren.
Darauf, dass ja immer noch bis Dienstag früh ein kleines Wunder passieren kann.
Darauf, dass L. immer schon gesagt hat, es klappt erst beim vierten Mal.
Darauf, dass noch fünf Prilblümchen im Tiefkühlfach liegen, die sicher auch mal ran wollen.
Darauf, dass ich noch nicht zu alt bin.
Darauf, dass es ein gutes Zeichen ist, dass ich überhaupt schwanger geworden bin.
Darauf, dass wir Ende August heiraten und es doch schön ist, wenn ich mit den Mädchen pinke Brause trinken kann statt Fenchel-Anis-Kümmel-Tee.
Darauf, dass ich das alles nicht allein erlebe, sondern mit L. und den anderen Hasen.
Darauf, dass es um so schöner wird, wenn es irgendwann wirklich klappt.

Und bis dahin: Würmchen, konzentrier du dich auch bitte ein bisschen, ja? Nicht so schlampig und verschwommen da rumhängen, sondern jetzt mal an die Arbeit! Mutti zählt auf dich! (Wenigstens versucht sie es.)

Mittwoch, 22. Juli 2009

Nachricht von den Würmchen

Nur noch eine Fruchtblase, und die mit undefinierbarem Inhalt und ohne Herzton. Mein Arzt hat ein trauriges Gesicht gemacht und mich für Dienstag noch mal bestellt, weil scheinbar eine kleine Chance besteht, dass bis dahin doch noch vielleicht eventuell in manchen Fällen mit Glück was passieren könnte. Oh-Oh. Ich will das Würmchen noch nicht aufgeben, aber ich fürchte, das war's.

Unten liegen trotzdem drei alkoholfreie Biere im Kühlschrank für mich. Ich werde trotzdem nichts vom luftgetrockneten Schinken essen, den meine Mutter extra für mich gekauft hat, und morgen werde ich trotzdem ein Schnitzel bestellen statt einem blutigen Steak. Im Moment fühlt sich alles an wie ein einziges großes "Trotzdem". Wie Geige spielen an Deck der Titanic. Nur ohne nasse Füße. Und, wenn ich drüber nachdenke, auch ohne, dass ich am Ende ertrinke oder von einem umkippenden Schornstein zerquetscht werde. Also genau genommen nicht besonders doll wie Geige spielen an Deck der Titanic.

Ein bisschen viel Aufregung heute für mein Fusselhirn, merkt ihrs?

Viel zu müde, um Angst zu haben

Heute ist der Tag. Gleich gehe ich duschen, dann ziehe ich mich an, packe letzten Kram und fahre mit L. in die Klinik. Und wenige Minuten später werden wir einen Herzschlag sehen. Oder zwei. Oder keinen. Ich weiß es nicht genau, aber es kann sein, dass wir noch ein paar Tage Gnadenfrist haben – falls sich keiner zeigt, zeigt er sich vielleicht schon nächste Woche doch noch. Aber besser wäre es, wir würden etwas sehen. Noch nicht mal zwei Monate alt, und schon die erste Chance, durch die Prüfung zu rasseln. Arme Würmchen. Aus Soli-Prüfungsangst habe ich die halbe Nacht keine Auge zugetan und bin ganz durchsichtig vor Müdigkeit.

Wenn der Termin überstanden ist, werde ich mir den traditionellen Belohnungscheeseburger um die Ecke holen (jaja, ich weiß, dass es dann noch nicht zehn Uhr ist), wir steigen in L.s dicke Kiste und fahren quer durchs Land zu meinen Eltern. Dort werden wir – mit oder ohne Herzschlag – drei Tage zwischen Wäldern, Schnitzeln und CDU-Wählern verbringen. Ob es zum Schnitzel wohl ein Malzbier gibt? Bestimmt, und zwar serviert von einer Kellnerin mit richtigen Kellnerinnen-Schuhen, die ihre Berufsehre verliert, wenn sie nicht von jedem in der Flasche servierten Getränk einen Schluck ins mitservierte Glas gießt.

Meine Eltern haben auch einen Computer. Er ist sehr alt, hat die Farbe von Landleberwurst und hat noch nie richtig funktioniert, und mein Vater hat ihn in einem kleinen jämmerlichen Lädchen in der Vorstadt gekauft. Vermutlich aus Mitleid. Dieses Mitleid hat ihn auch davon abgehalten, ihn zu reklamieren, als sich zeigte, dass man auf diesem Rechner jedes Mal zehn Minuten braucht, um ins Netz zu kommen, und dass man auf dem Weg dorthin an Steckern rütteln und mehrere zehnstellige Geheimzahlen eingeben muss. Meine einzige Erklärung dafür, wie die zwei das aushalten, ist die, dass sie es nie anders kennen gelernt haben. Der Farbenblinde vermisst keine Farben, und meine Eltern vermissen kein blitzschnelles WLAN. Für mich gilt das leider nicht, und deshalb kann ich nicht dafür garantieren, dass ich auch dort jeden Tag schreibe. Wo ich aber gerade sowieso so vieles hoffe, kann ich natürlich auch das ein bisschen mithoffen.

Dienstag, 21. Juli 2009

Noch eine Theorie, meine Unterhose betreffend

4. Das Blut ist nur aus Gründen der Dramatik da. Denn sonst hätte ich wirklich nichts zu berichten. Mir ist nicht schlecht (was bestimmt gut für den einen oder anderen Brüller wäre), ich habe keine irren Stimmungsschwankungen, von denen ich mich dann zum Glück wieder erholen kann, und auch das Schaf ist seit zwei Tagen weg. Das Blut ist also die Schwangerschafts-Entsprechung von der Stelle in Filmen, an denen man kurz denkt, der endsüße neue Freund hat was mit einer anderen, aber in Wahrheit denken die zwei sich nur eine Geburtstagsüberraschung für die Heldin aus, falls ihr versteht, was ich meine. Eine kleine Trübung, damit die Sonne hinterher nur um so heller scheint.

Nachricht an die Würmchen

Gut, Mutti trägt jetzt eine Binde. Aber versteht das ja nicht als Aufforderung!

Drei Theorien, meine Unterhose betreffend

Seit ich Samstag beim Aufstehen Blut in der Unterhose hatte, habe ich fast die ganze Zeit nur gelegen, genau wie befohlen. Ich bin nur aufgestanden, um zu duschen, mir was zu trinken zu holen oder mal ein Baguette in den Ofen zu schieben. Ich habe so viel gelegen, dass ich inzwischen das Gefühl habe, das Bett verschluckt mich und überzieht mich mit karogemusterter Baumwolle; wie das werden soll, wenn ich länger liegen müssen sollte, obwohl ich mich nicht das kleinste bisschen krank fühle, weiß ich nicht, dann hoffe ich auf Literaturtipps. Vielleicht ein Fernstudium?

Trotz dieser ganzen Liegerei habe ich heute morgen wieder Blut in der Unterhose. Und noch 24 Stunden bis zum Ultraschall, der hoffentlich einiges klärt. Bis dahin habe ich folgende Theorien entwickelt:
1.Ich verliere die Würmchen, und alles Liegen kann nichts daran ändern. Wenn das so sein sollte, dann – das hab ich schon geschrieben – wünsche ich mir, dass es jetzt schnell geht, denn mit jedem Tag wachsen sie stärker an mir fest und es wird schwerer, sich von ihnen zu verabschieden.

2.Das sind Reste von der Einnistung, die aus irgend einem Grund noch ein paar Tage in der Gebärmutter herumtrödeln wollten und jetzt nach draußen kommen. Wenn es DAS ist und mit den Würmchen alles ok, wäre es dann nicht besser, möglichst viel herumzulaufen, um den alten Mist schneller los zu werden und die gute Stube wieder ordentlich zu haben für die Würmchen?

3.Mein Zystenrest löst sich auf. Der Zystenrest war übrig geblieben bei meiner letzten Bauchspiegelung. Und angeblich vertragen sich Zysten ja nicht mit Schwangerschaft. Deshalb muss das Ding jetzt gehen. Für diese Theorie spricht: in den letzten Tagen hatte ich manchmal eine Mini-Portion Zystenschmerz. Ein Bruchteil dessen, was mir damals im Flugzeug passiert ist, aber trotzdem eindeutig kein Regelschmerz, sondern der Schmerz, wenn eine Zyste platzt, nur viel schwächer. Dafür spricht auch, dass es altes Blut ist, und die Zysten sind ja genau damit gefüllt. Dafür spricht außerdem, dass das meine Lieblingserklärung ist. Dagegen spricht, dass ich zwar kein As in Anatomie bin, aber trotzdem Zweifel daran habe, dass das Blut sich ausgerechnet diesen Ausgang suchen würde. So weit ich weiß, wird es in der Bauchhöhle abgebaut.

Ein Glück bin nicht ich diejenige, die morgen diesen Ultraschall deuten muss. Da fällt mir wieder die Bloggerin mit dem eigenen Herzton-Abhör-Gerät zuhause ein, die vermutlich inzwischen dreimal täglich damit auf ihrem Bauch herumsucht, die Ärmste. Ich glaube, Kid Rock ist der, der eine eigene Starbucks-Filiale zuhause hat. Ob es wohl auch irgendwo eine gibt, die ein eigenes Ultraschall-Gerät im Schlafzimmer hat? Und die alle paar Stunden das Ding in sich reinsteckt und dann mit gerunzelter Stirn auf das graue Gekrissel starrt und versucht, herauszufinden, ob alles in Ordnung ist oder nicht? Falls es sie gibt, wünsche ich ihr viel Glück und einen Mann, der sie eines Tages ganz vorsichtig, aber bestimmt an der Hand nimmt, mit ihr in den Park geht und ihr ein Eis kauft, während zuhause die Jungs vom Ultraschall-Abholdienst anrücken.

Montag, 20. Juli 2009

Goldene Regeln für den nächsten IVF-Zyklus, Teil 2

Erinnert sich noch jemand außer mir an den alten Werters-Echte-Spot, in dem der Opa sich daran erinnert, wie es früher war, und dann im Lehnstuhl sitzt und selbst einen Enkel hat? „Ja, nun bin ich der Großvater“.
So in etwa fühle ich mich, wenn ich an die Zeit mit IVF zurück denke. (Langsam, langsam, Großmutter, die Chancen stehen nicht schlecht, dass du in Nullkommanix wieder mit Spritzen spielst.)
Und was sonst würde ich jetzt aufschreiben als Teil zwei meiner Goldenen Regeln für IVF?

(Teil eins findet ihr hier:)

7. Du hast dich dafür entschieden, diesen Weg zu gehen. Das heißt nicht, dass diese Entscheidung unumstößlich ist. Aber wenn du sie einmal getroffen hast, solltest du sie von nichts anderem mehr beeinflussen lassen als davon, wie es dir und deinem Partner geht und dem, was ihr aus erster Hand erfahrt. In jedem Freundeskreis gibt es einen Schlaukopf, der die Schulmedizin für eine monströse Krake hält und der nicht müde werden wird, dich mit düsteren Warnungen und Andeutungen aus der Bahn zu werfen. Lass dich nicht zermürben von diesem Geheimwissen, das vermutlich doch nur ergoogeltes Hörensagen ist. Wenn deine Ärzte gut sind, haben sie dich vorher gründlich und erschöpfend über Chancen und Risiken aufgeklärt (und nein, die stecken NICHT alle unter einer Decke – zumal der Gesetzgeber vorsieht, dass Du zusätzlich bei einem Arzt informiert wirst, der nicht an deiner IVF-Behandlung verdient). Damit weißt du, was du wissen musst, um dich zu entscheiden, und das hast du getan.

8. Auch, wenn dir das banal erscheint, aber im Laufe von IVF wirst du neben den Medikamenten folgende Dinge brauchen: weiße Socken, einen Bademantel, in dem du dich auch vor Fremden nicht genierst, einen Arzt, der dir regelmäßig und prompt die Überweisungen zu deinem IVF-Arzt schreibt, ein finanzielles Polster von ca. 1200 Euro pro Versuch für Arztkosten und Medikamente, für die Zeit nach der Punktion einen Vorrat an Lebensmitteln, die du mit minimalem Aufwand zubereiten kannst, eine Telefonnummer, unter der du und nur du immer erreichbar bist, Eiweißpulver aus der Apotheke oder aus der Drogerie, und größere Mengen Fenchel-Anis-Kümmel-Teebeutel.

9. Du wirst in den nächsten Wochen und Monaten öfter mal auf der Arbeit fehlen. Zum Einen stehen diverse Arztbesuche an, und es ist ein eisernes Gesetz, dass du die Acht-Uhr-Termine nur dann bekommst, wenn du sie nicht brauchst. Dann wirst du nach der Punktion für ein paar Tage ausfallen, und wenn der Versuch erfolgreich war, kann es sein, dass dich bleierne Müdigkeit, Übelkeit oder Schmierblutungen für eine Weile ausknocken. Jeder Arbeitsplatz ist anders, aber an meinem war es gut, vorher anzukündigen, dass nun eine gesundheitlich holprige Zeit ansteht und es passieren kann, dass ich ab und zu ausfalle. Meine Begründung waren übrigens Zahnprobleme. Das ist etwas, das jeder versteht und nachvollziehen kann, das keinen Anlass zu irren Spekulationen gibt und bei dem sich gleichzeitig niemand unnötige Sorgen macht, dir würde etwas Ernsthaftes fehlen.

10. Ergibt sich direkt aus 9.: eigentlich bin ich sehr für Erzählen, mir hilft es sehr, dass alle meine Freunde und die Familie Bescheid wissen. Aber beim Job würde auch ich die klare Grenze ziehen. Denn natürlich ist es theoretisch so, dass dein Arbeitgeber damit rechnen muss, dass du als Frau irgendwann schwanger wirst, und dass das deine Karrierechancen nicht beeinflussen sollte. Aber wir alle wissen, dass das wirklich Leben anders aussieht. Und selbst, wenn du auf der Arbeit ein paar allerengste Buddies hast: du solltest dich beherrschen und es ihnen nicht erzählen. Denn zwischen „XY ist eine Frau und könnte daher schwanger werden“ und „XY gibt gerade tausende von Euros dafür aus und jagt sich täglich Hormonspritzen in den Bauch, um schwanger zu werden“ besteht für deinen Chef ein Riesenunterschied. Ich will hier nicht zu finster herumunken, aber ich weiß genau, was in meinem Job passiert wäre: Plötzlich würden sich andere mal „an meinem Kunden versuchen, die sollen es ja lernen“, plötzlich hätte ich nur noch Graubrot auf dem Tisch und die anderen die Törtchen, und plötzlich würde ich feststellen, dass ich zu Meetings, die noch vor Wochen nicht ohne mich stattgefunden hätten, nicht mehr eingeladen wäre. Das Problem von Kindern und Karriere muss jede Frau leider irgendwie bewältigen. Ja, das ist ungerecht und oft nicht einzusehen. Aber ich finde es noch viel schlimmer und zum Schreien unfair, wenn man die Kinder-und-Karriere-Probleme bekäme und im Gegenzug noch nicht mal sicher ein Kind bekommt. Ich wünsche euch, dass euch das erspart bleibt.

11. Du wirst in den nächsten Monaten viel, viel Geld ausgeben. Knauser nicht am falschen Ende: Leg noch ein bisschen was drauf für Reiserücktrittsversicherungen. Auf die paar Kröten kommt es nun wirklich nicht mehr an.

12. A propos Kröten: versuche, nicht auf die gedankliche Bahn zu geraten, dieses ganze IVF wäre „eine gewaltige Gelddruckmaschine“. Du solltest das versuchen im Interesse deiner eigenen guten Laune und Motivation. Wenn du deine erste Rechnung bekommst, dann sieh dir ruhig genau an, welche Posten da aufgeführt sind. Zum Teil sind das Materialkosten wie die Kosten für die Punktionsnadel. Das kostet so ein Ding nun mal. Ja, es ist nicht billig, aber das heißt noch lange nicht, dass deine Ärzte sich jeden Abend im Country Club über dich und die anderen Naivlinge ausschütten vor Lachen. Wenn du dir einmal in Ruhe überlegst, was du dafür bekommst – und damit meine ich nicht „ein Kind“, das wäre an dieser Stelle unfair und stimmt ja auch gar nicht immer – nein, sondern was du dafür in Arbeitsleistung und Aufwand und Betreuung bekommst, zum Teil sogar am Wochenende – und wenn du dann bedenkst, wie viel du dafür ausgibst, dass sich z.B. ein Friseur eine Viertelstunde mit deinen Haaren beschäftigt oder dich ein Taxifahrer zwanzig Minuten lang durch die Stadt fährt, dann relativiert sich das plötzlich ziemlich. Oder nicht?

13. Das hab ich an anderer Stelle schon gesagt, aber ich sage es noch mal: es ist gut für dich, wenn ein negativer Schwangerschaftstest nicht das Ende aller Fröhlichkeit in deinem Leben bedeutet. Und das kannst du unterstützen, indem du dir etwas Schönes vornimmst, das schwanger weniger Spaß macht als unschwanger. Buche einen aufregenden Urlaub, den du vier Wochen nach dem Test antreten willst (und siehe Punkt 11: Reiserücktrittsversicherung). Plane eine wilde Party oder melde dich zu einem schicken Sushi-Kurs, tollen Wein inklusive, an. Das wird nicht verhindern, dass du traurig oder frustriert bist, wenn es nicht klappt. Aber es ist ein schöner Trostpreis.

Im Bett mit Flora

Kein Ultraschall heute, mein Arzt sagt, wir wollen lieber nicht noch mehr Unruhe da unten stiften, stattdessen noch zwei Tage Ruhe halten und auf Mittwoch warten, wenn sowieso ein Ultraschall ansteht. Das hat jedenfalls die Sprechstundenhilfe gesagt, nachdem sie mit ihm gesprochen hatte, und zwar mit einer Stimme, wie sie Mütter haben, wenn ihre Kinder sich fürchten, dass ihnen beim Niesen die Nase abfällt. Also fein still liegen bleiben und sonst nur das Nötigste tun, nicht aufregen und auf Mittwoch freuen, wenn ich die Beiden zum dritten Mal zu Gesicht bekomme. Und tatsächlich besteht nicht der geringste Anlass, sich zu fürchten, denn auf meinem Nachttisch steht als Glücksbringer eine dicke schwangere Mamsell, die eine Freundin für mich in ihrem anthroposophischen Krankenhaus plastiziert hat.

Das könnten zwei Tage mit den längsten Blogeinträgen aller Zeiten werden. Oder zwei Tage, in denen ich noch mal überprüfe, ob ich den Paten wirklich auswendig mitsprechen kann. Oder zwei Tage, in denen ich endlich diesem fiesen Stapel „Zeit“ auf den Leib rücke, bevor er völlig vergilbt ist. Oder zwei Tage für die aufwendigste Pediküre, die ich mir jemals verpasst habe. Oder zwei Tage, in denen ich mich endlich traue, herauszufinden, was mit den Gilmore Girls passiert, wenn die zwei nicht mehr miteinander sprechen. (Bin ich eigentlich die einzige mit einem Festmeter DVDs, die ich mal unbedingt haben wollte, und die jetzt IMMER NOCH EINGESCHWEISST im Regal stehen?)
Ich könnte auch ein Scrapbook anfangen für die beiden (auch wenn das hier fast so etwas wie ein Scrapbook ist – in diesem Fall muss ich mir nur gut überlegen, ab wann sie das hier lesen dürfen, der Furzeintrag z.B. muss eindeutig warten, bis sie aus dem Gröbsten raus sind und keinerlei Rat oder Erziehung mehr von mir nötig haben), oder ich könnte meine Arbeits-Homepage vollkommen umkrempeln (auch wenn sie das eigentlich nicht nötig hat, das wäre das web-Gegenstück zu „die CDs alphabetisch sortieren“, also Blödsinn).
In den nächsten zwei Tagen werde ich mir also wohl keinen Muskelkater holen, aber davon abgesehen ist die Welt innerhalb der Grenzen, die die Abmessung meiner Matratze mir setzt, voller Möglichkeiten. Hab ich es gut!

Trotzdem hab ich einen kleinen Wunsch, den bitte niemand, der sich zuständig fühlt, in den falschen Hals kriegen soll. Ich wünsche mir natürlich, dass alles in Ordnung ist mit den Beiden. Sie sollen es gut haben da drin. Aber falls – nur falls - irgend etwas nicht stimmt, etwas, das mein Bauch nicht alleine wieder hinkriegt und das sich auch mit Medikamenten nicht regeln lässt – dann wünsche ich mir, dass es schnell geht und bald vorbei ist.

Sonntag, 19. Juli 2009

Kämpft, ihr Blümchen!

Das ist die Sorte Bettruhe, von der mancher Zwölfjährige träumt. Wie blau machen, nur ohne die Angst, dass Mutti was merkt: ich muss noch nicht mal krank tun (also hüsteln oder krächzen oder das Fieberthermometer an die Glühbirne halten), und es hat den entscheidenden Vorteil, dass es inzwischen Laptops gibt, die mit ins Bett dürfen und auf denen man Blogs lesen und schreiben, DVDs gucken und noch tausend andere Sachen machen darf. Wenn mir das zu langweilig wird, muss ich nur mit dem kleinen Finger winken, und man reicht mir Käsetoasts, Süppchen und Blumensträuße. Weitere Vorteile: ich bin nicht ansteckend, ich darf alles essen, mir ist nicht schlecht, ich muss kein pinkfarbenes Penicillin schlucken, niemand schiebt mir einen Holzspatel bis hinter die Würgegrenze in den Hals, und niemand zwingt mich, zermatschte Bananen zu essen. Neben mir steht auch kein Eimer, ich muss keinen Schal tragen, und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich etwas gemeinsam mit Sophia Loren! Die musste nämlich laut L. ihre ganze Schwangerschaft hindurch liegen. Und mit Sofia Loren kann man gar nicht genug Gemeinsamkeiten haben.

Es hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: Hier geht es um mehr als darum, einer Mathearbeit aus dem Weg zu gehen. Und nun hab ich die Beiden sogar auch noch auf dem Ultraschall-Schirm im Krankenhaus gesehen, schöner Mist. (Sie sahen übrigens ungefähr so aus wie ungeknackte Mandeln.) Und eigentlich kann ich so verflixt wenig tun. Ich kann nur langsam machen, mich bedienen lassen, liegen und Daumen drücken. Und das Beste hoffen für den Ultraschall morgen früh. Ach, ihr zwei gesichtslosen Nubbelchen, ich zähle auf Euch. Ich liege, so doll ich kann, und ihr müsst euch festklammern, so doll ihr könnt. Versprecht ihr das?

Von meinem Eis für Nur Noch Jedes Dritte Mal Nachsehen, Ob Ich Blute bin ich jedenfalls so weit entfernt wie noch nie. Und das Nachsehen lohnt sich, ich blute. Zum Glück ist es im Moment nur bräunliches und damit „altes Blut“ (einer der ekligsten Ausdrücke, die ich je gehört habe), was wohl ein gutes Zeichen ist. Nun muss ich hoffen, dass es nicht frischer, röter und mehr wird.
Es wird überhaupt viel gehofft hier in letzter Zeit.

Samstag, 18. Juli 2009

Zwei oder Null

Ich bin aufgewacht und habe geblutet, nicht viel, aber genug, um auf Notfall zu schalten und ins Krankenhaus um die Ecke zu gehen. Es gab einen Ultraschall, zwei Ärzte, die beide meinten, nun erst mal Bettruhe und Montag noch ein Ultraschall, und es gab einen Blick auf zwei Fruchtblasen. Zwei. Eine etwas größer als die andere.

Jetzt liege ich hier und weiß nicht, ob ich mich freuen soll, dass es zwei sind, oder ob ich traurig sein soll, dass es bald vielleicht gar keine mehr ist.

Prilblümchen, Prilblümchen, habe ich auf euch den Eindruck gemacht, ich würde mich langweilen?

Freitag, 17. Juli 2009

Normal

Laute Kinder. Kinder, die sich mit drei die Nägel lackieren. Kinder mit Engelsflügeln auf dem Rücken. Kinder, die schon Fahrradfahren dürfen, obwohl sie es noch nicht können. Kinder, die im Bus sitzen, in ihrem Was-macht-der-Bauer-jetzt-Bilderbuch lesen und dabei die anderen, lauten Kindern so genervt mustern, als würden sie hier versuchen, die Börsenberichte zu studieren. Kinder mit Eis überall. Kinder mit Schuhen, die aussehen wie Mäuse. Kinder, die halb im Traum ein Michael Jackson-Lied auf Phantasie-Englisch singen. Kinder, die mit einem Hund unterwegs sind, der fast doppelt so groß ist wie sie. Kinder mit Zahnspangen und Apfeldöschen um den Hals. Kinder, die sich im Kindergarten ein Fernglas aus einem Stück Wolle und zwei alten Klorollen gebastelt haben. Kinder mit einem zugeklebten Brillenglas, Kinder mit Zöpfen, Kinder mit Gummistiefeln, Kinder, die anfangen zu heulen, weil der Hund da vorne graue Haare hat und bald stirbt. Wie meine wohl werden?

Gestern Mittagessen mit zwei alten Kollegen. („Alt“. Als wäre das alles drei Jahre her und nicht sieben Wochen.) Und ich wäre fast geplatzt, um es zu erzählen, vor allem, als irgendwann der Anruf aus der Klinik kam, dass die Blutprobe von gestern früh ganz toll war, die Hormone sich prächtig entwickeln und wir am Mittwoch früh den ersten Ultraschall machen können. Die zwei sind eigentlich mehr Freunde als Kollegen, einer kommt sogar zu meiner Hochzeit, und ich war kurz davor, den anderen auch einzuladen, wenn das nicht bedeutet hätte, dass ich auch noch den, den und die hätte einladen müssen... egal, führt zu weit. Ich würde es so gerne jedem erzählen. Inzwischen suche ich schon fast einen Vorwand, wie in „Haben Sie die Schuhe auch in schwarz? A propos SCHWArz, ich bin übrigens SCHWAnger.“ Der Ausnahmezustand in mir will sich unbedingt Bahn brechen nach außen.
Aber ich darf, darf, darf nicht! Ich musste die ganze Mittagspause durch die Zähne zusammenbeißen und fein die Klappe halten. Denn die Jobjungs sind die einzigen, denen ich es auf gar keinen Fall erzählen darf, Freundschaft hin oder her. Denn vielleicht geht alles noch schief, und mit meiner Selbständigkeit klappt es nicht so richtig, und ich will wieder in einen festen Job, und dann hat sich rumgesprochen, dass ich schwanger war – was bedeutet, ich könnte es wieder sein und vor allem wieder sein wollen. Nein nein nein. Und wenn es klappt, erfahren sie es alle sowieso, sobald ich den Bauch nicht mehr auf die vielen Cheeseburger schieben kann.
Jedenfalls saß ich da mit meinem Thai-Salat und hatte eine Menge zu bedenken, während die zwei von Präsentationen, Kunden, Hektik und noch viel mehr erzählt haben. Ich dachte einerseits „Ich will auch mal wieder, verdammt!“ aber andererseits weiß ich genau, dass mich vermutlich niemand jemals wieder richtig ran lassen wird. Zumindest in meinem alten Job. Aber niemals wird mir das irgend jemand genau so ins Gesicht sagen. Oder bin ich jetzt paranoid? Genau, bist du, würden sie sagen.
Tja. Und nun sitze ich hier und muss mir überlegen, wie das alles weiter gehen soll. Wie Millionen andere schwangere Frauen auch. Gut, oder? Wie ich es mir dachte. Auf einmal ist es völlig normal, schwanger zu sein.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Nur falls ihr euch fragt

Tagsüber läuft schwanger sein bisher folgendermaßen: Ich wache auf, überlege kurz, ob mir schlecht ist oder nicht (nö), gehe ins Bad und sitze zum ersten von ca. 30 mal heute auf der Toilette, wobei ich inzwischen nur noch jedes zweite Mal nachsehe, ob ich blute. (Wenn ich nur noch jedes dritte Mal gucke, kauf ich mir ein Eis, mindestens!) Dann schlucke ich Folsäure und Schilddrüsentablette, gehe in die Küche und mache einen Strich auf meine Tafel: wieder einen Tag weiter. Und dann fängt mein Tag an, der in großen Zügen so ist wie vorher auch. Ich regele meinen Jobkram (dazu ein andermal), gucke nach emails, schreibe einen neuen Blogeintrag und treibe alles mögliche, alles wie immer.
Bis auf die Zupfmassage nach der Dusche. Eins der Mädchen hat mir dieses Bellybutton-Streifenfrei-Öl geschenkt, und jeden Tag knete ich meinen nassen Bauch, bis die paar Tröpfchen Öl verschwunden sind. Das soll zehn Minuten dauern, aber zehn Minuten schaff ich noch nicht. Zumal es schwierig ist, zu zupfen, wenn man so glitschig ist, weil man immer abrutscht. Also morgens fünf und abends fünf. Dann stehe ich so da im Bad, in dem ich mich sonst immer nur mit affenartiger Geschwindigkeit bewegt habe. Ich hab eine Schlafstörung, meistens bin ich nachts um zwei wieder wach und wälze mich bis halb sieben, da ist der Schlaf am Morgen sehr, sehr kostbar, so kostbar, dass ich am Ende runter war auf eine Viertelstunde fürs Bad inkl. Haarewaschen und zwei Minuten Zähne putzen UND Zahnseide, bevor ich in die Firma gerauscht bin. Egal. Inzwischen stehe ich da so rum und fühle mich schon fast meditativ, während ich glitsche und knete. Nach zwei Bauchspiegelungen in den letzten Jahren ist mein Bauch übrigens so oder so keine Augenweide, Nachtkerzenöl hin oder her; es gibt bestimmt Prilblumen, die hübscher wohnen.
Dann fällt natürlich jeden Abend das vertraute „Plopp“ weg, mit dem L. sonst gerne einen großartigen Wein für uns aufgerissen hat. Ab und zu gibt es ein alkoholfreies Hefe, aber weil mich das innerhalb von fünf Minuten zur Hüpfburg macht, spar ich mir das für Abende, an denen es gar nicht anders geht.
Dann kommt jeden Mittwoch mein Schwangerschaftskalender von Eltern.de, in dem heute z.B. unter anderem das hier stand:

Jetzt entwickelt sich Ihr Baby unglaublich schnell, legt täglich einen Millimeter zu. Es bilden sich die Knospen, aus denen Arme und Beine sprießen werden. Das Köpfchen bekommt langsam menschliche Züge; Augen, Nase, Lippen und Zunge bilden sich. Sogar die Milchzahnknospen im Kiefer sind schon da! Und: Ihr Kleines ist ständig in Bewegung und zappelt in seinem warmen Swimmingpool.

Die verarschen mich doch, oder? Milchzähne? Kleines, willst du den Sportteil?
Dann sind da noch die Brustübungen. Handflächen zusammenpressen, bis 30 zählen, Arme kreisen, Arme langsam hoch und runter. Man tut ja, was man kann.
Dann sind da die zwei-drei Minuten im Supermarkt und beim Gemüsetürken, in denen ich mich konzentrieren muss, damit ich nicht zuhause meinen Korb auspacke und dastehe mit Leberwurst, Rohmilchkäse und einer Schachtel American Spirit.
Und die (zum Glück kurzen) Momente, in denen ich die widerliche Eiweißpulverbrabbelplörre runterwürge. (L. findet das übrigens lecker. Wer IST dieser Mann?)
Aber den größten Teil des Tages denke ich kaum dran.
Und dann sind da diese Momente, meistens mitten in der allernormalsten Normalität, in denen mir plötzlich wieder einfällt, dass ich schwanger bin. Das sind tolle Momente.

Und dann wird es Abend, und ich bin spätestens um zehn hundemüde, als hätte ich den ganzen Tag lang Holz gehackt. Aber Schlaf? Nein. Die nächsten Stunden (so ca.6) vergehen damit, dass ich im Bett liege, nach Luft schnappe (das Schaf liegt meistens auch auf dem Hals), schwitze, alles juckt, und ich wälze mich hin und her wie bekloppt und könnte durchdrehen.
Und dann passiert das Wunder: so gegen vier schlafe ich ein. Und um acht bin ich wieder wach. Und zwar hellwach. Ist mir schlecht? Nö.

Dienstag, 14. Juli 2009

Der Fluch der Bücher

Hattet Ihr eine Ahnung davon, wie viele Menschen schon etwas zum Thema „Schwangerschaft“ geschrieben und für andere zugänglich gemacht haben? Wenn es so viel Literatur zum Thema „Früherkennung von Fehlgriffen in der Liebe“ gäbe, wäre die Welt ein schönerer Ort. Erst war ich begeistert. Ich war schon immer das Mädchen, das mehrere Bücher gleichzeitig liest und das zeitweise keinen Nachttisch brauchte, weil es neben seinem Bett einen Festmeter angefangene Bücher liegen hatte. Und jetzt kann ich mehrere Schwangerschaftsbücher gleichzeitig lesen!

Das Dumme daran ist aber zum Einen, dass in diesen Büchern zum Teil völlig unterschiedliche Sachen stehen. Ich habe z.B. ein Buch aus dem GU-Verlag, auf dem vorne eine blonde Schwangere ist, die mit zwei niedlichen kleinen Schuhen auf ihrem eigenen Bauch herumtrippelt. In diesem Buch steht im Ernährungskapitel (hab ich als Erstes gelesen, Fresssack, der ich bin), dass Matjes 1a dazu geeignet ist, diesen oder jenen Nährstoff zu liefern. In meinem anderen Schwangerschaftsbuch (Titel: Frau steht mit extrem gelösten Gesichtsausdruck irgendwo, sieht aus wie Nordseestrand) steht, dass Matjes einer der Feinde ist, denn der ist so gut wie roh. Was jetzt? Dabei ist Matjes wirklich nur die Spitze des Eisbergs, die zwei sind sich auch nicht einig, wenn es um Sauna, Sport, nötige Schlafmenge, Termine für Untersuchungen und noch zig andere Sachen geht. Im Moment mache ich das so, dass ich mir immer die strengere Regel aussuche. Schließlich haben sich eine ganze Reihe von Leuten (unter anderem ich selbst) ziemlich abgeschuftet, um die Prilblümchen dahin zu bringen, wo sie jetzt sind.

Und das Dumme daran ist außerdem, dass die Bücher alle an der falschen Stelle plötzlich ganz vage werden. Ich bin leider so eine, die zu Verboten gerne weiß, wieso sie etwas lassen soll. Roher Fisch enthält häufig Bakterien, die mich zwar nicht umbringen, aber die Prilblümchen. Hitze tötet diese Bakterien ab. Das verstehe ich sofort und weiß dann, wieso ich keinen rohen Fisch soll. So eine Erklärung hätte ich gerne immer und kriege sie fast nie.

Das Dümmste daran ist aber für mich mit Abstand, dass ich ständig das, was da steht, mit dem vergleiche, was mir gerade passiert.
Brustveränderungen? Wo? Ständig schlafen müssen und können? Moi? Übelkeit? Was ist das? Leichte Schmierblutungen? Ich doch nicht! Usw., und ich weiß und sage mir täglich 80mal, dass das alles zwar vielleicht bei vielen Frauen auftritt, aber nicht bei allen, und dass es Frauen gibt, die bis zum vierten Monat oder sogar bis zum fünften (auch wenn ich das immer für Talkshow-Folklore gehalten habe) NICHTS merken, und dass die Abwesenheit von Symptomen nicht bedeutet, dass ich weniger schwanger bin als andere, aber es bleibt ein doofes Gefühl.

Und hier wird es komplett bekloppt: einerseits bin ich süchtig nach jedem Fitzelchen Information, vor allem nach denen, wo drin steht, was gerade mit der Wurst passiert. Ich bin kurz davor, amazon unter Kindersicherung zu stellen mit einem Code, den nur L. kennt. Andererseits wächst, je mehr davon ich bekomme, die Sehnsucht ins Unermessliche nach dem Buch, das Schluss macht mit anderen Büchern, dem Buch, das es wohl nie geben wird. Ein Buch, geschrieben vom größten Experten für das Leben als Schwangere und die Geburt, der als Autor gewählt wurde von einem Gremium weiser, gebildeter, erwachsener und lustiger Menschen (so eine Art UN-Versammlung der entspannten Genies), das wirklich die Wahrheit kennt und sie mir so erklärt, dass sie auch für mich zur Wahrheit wird. Darin Fotos von Avedon, Lartigue und Lord Snowdon. Wenn das Buch dann auch noch gut geschrieben ist, dann bin ich sehr, sehr glücklich. Und so lange wir auf dieses Buch warten, kann nicht das Literarische Quartett für eine einzige Sitzung auferstehen und die tollste und lässigste Frauenärztin der Welt als Gast dazubitten und Schwangerschaftsbücher besprechen?

Ich habe mich immer danach gesehnt, einen Kinokritiker zu finden, der genau meinen Geschmack hat, so dass ich es mir in Zukunft sparen kann, nach Wochen endlich mal wieder im Kino zu sitzen, mit den Zähnen zu knirschen und einen Film zu hassen, der mir empfohlen wurde. Irgendwann habe ich ihn gefunden, und mein Leben ist noch schöner geworden als ohne ihn schon. Kann sich nicht so jemand für Schwangerschaftsbücher finden?

Montag, 13. Juli 2009

Ein dreifach donnerndes BRÖÖÖHT!

Ich habe eine der demütigendsten Nächte meines Lebens hinter mir (und mein Leben war an demütigenden Nächten nicht arm, aber das ist eine andere Geschichte). Gestern Abend gab es Gemüse, Halloumi und Hühnchen aus dem Ofen in Abwandlung eines Rezeptes meiner Küchengöttin Nigella Lawson. Genauer gesagt, bestand das Gemüse aus Paprika (gebraten geht es, dann deprimiert sie mich nicht), Süßkartoffel, Kartoffel und roter Zwiebel. Alles mit Olivenöl so lange gebacken, bis es leicht braun gefleckt ist und die Zwiebeln schon ganz weich und süß sind.
Und heute Nacht brach die Hölle los. Eine schweflige, drückende, widerliche Hölle. Ich habe heute Nacht... ohje... also gut, raus damit: ich habe heute Nacht grob geschätzt 180 mal gefurzt. Es fing an, als wir noch auf dem Sofa saßen, und zu diesem Zeitpunkt konnte ich mich noch rechtzeitig aufs Klo verdrücken und so tun, als wäre nichts. Wenn da nicht der Lärm gewesen wäre.
Versteht mich nicht falsch: als Kind habe ich genau so brüllend gelacht über jeden Pups wie vermutlich jeder andere auch, und manchmal tue ich das heute noch. Über die Pupskissenszene mit Mr.Big und Carry habe ich gelacht bis zum Ende des Abspanns. Aber das gestern war bitter. Das war so unendlich peinlich. So lange der Fernseher lief und ich mich hinter zwei geschlossene Türen zurückziehen konnte, war es eine glatte 12 auf der nach oben offenen Giulia-Siegel-Peinlichkeitsskala. Aber es zeigte sich, da ging noch was.
Seitdem ich schwanger bin, haben wir abends ein Ritual: L. tut einfach, was Erwachsene Abends so tun, die nicht am nächsten Tag um sechs die Kühe melken müssen, er liest Zeitung, guckt Fern oder macht sonstwas bis um eins oder halb zwei. Ich fange um neun an zu gähnen, bin um zehn im Bett und wälze mich dann da todmüde bis um zwölf hin und her und versuche alles, um diese Müdigkeit noch um das kleine Bisschen zu verstärken, das zum Einschlafen reicht und mich möglichst das Schäfchen-Stadium überspringen lässt. Gestern Abend lag ich da und habe in meiner Verzweiflung zu Dr.Kawashima auf voller Lautstärke gegriffen. Denn bald war die Frequenz zu hoch, um jedes Mal aufs Klo zu rennen. Mit weit geöffneter Balkontür lag ich da und kämpfte mit den Tränen, so hat das gestunken. Auf dem Klo bleiben war auch keine Option, denn L. wollte noch duschen. Und die ganze Zeit habe ich inständig gehofft, dass das vorbei ist, bevor L. ins Bett kommt oder auf die Idee kommt, mal kurz nach mir zu sehen und mir zärtlich durchs Haar zu wuscheln.
Es war nicht vorbei. Und die Geräusche zu übertönen, war nur die halbe Miete. Es half nichts, als er ins Bett wollte, musste ich ihm sagen, dass ich heute wohl auf der Couch schlafe. Die Couch ist ca. 50 cm kürzer als ich im ausgestreckten Zustand. Und sie ist von L.s Kopf auf dem Kopfkissen und den beiden Ohren, die an diesem Kopf befestigt sind, nur durch eine dünne Wand getrennt. Und ich könnte schwören, dass jedes Mal, wenn ich mit knallrotem Kopf eine neue Granate abfeuerte, von nebenan ein leises Kichern zu hören war.

Wir lüften immer noch. Und ich glaube, jetzt schon sagen zu können, dass ich für eine lange, lange Zeit keinen Sex mehr haben werde.

Wieso erzähle ich euch diese eklige, demoralisierende und miese Geschichte?
Weil ich das auf die Schwangerschaft schiebe. Ich weiß, mit sowas rechnet man später, aber glaubt mir, ich habe dieses Essen nicht zum ersten Mal gekocht und schon gar nicht die erste gebackene Zwiebel meines Lebens gegessen, und wenn jemals etwas vorgekommen wäre, was auch nur einem Hundertstel dieser Katastrophe entspricht, dann hätte ich mit Sicherheit einfach eins der anderen tausend großartigen Nigella-Rezepte ausgesucht für einen gemütlichen Sonntag Abend mit der Aussicht auf eine romantische Sonntag Nacht.

Gut. Damit soll für immer davon geschwiegen werden.
Werten wir es als Salutschüsse für den Start in die – Tadaaa – SECHSTE WOCHE!

Sonntag, 12. Juli 2009

Es wird ein Schäfchen

Das erste Symptom, das erste Symptom! Ich kann nicht mehr schlafen. Soll das so? Laut meinen schlauen Büchern soll man angeblich müde sein. Bin ich nicht oder nicht mehr als sonst. Aber kaum liege ich nachts im Bett und das Licht geht aus, fühle ich mich, als würde jemand auf mir sitzen. Genauer gesagt, auf Brust und Bauch. Dazu schwitze ich und hab einen Geruch nach nasser Wolle in der Nase. Und so beklommen kann ich nicht einschlafen. Irgendwann tue ich das dann doch und wache morgens völlig gerädert auf. Zum Glück wird der Effekt abgemildert dadurch, dass ich seit Wochen keinen Tropfen getrunken habe, denn auch nach nur einem oder zwei Gläsern Wein habe ich mich morgens immer ein bisschen unseriös und zerstört gefühlt. Den Job des Alkohols erledigen jetzt die Hormone und das unsichtbare Schaf, das abends auf mir Platz nimmt.

Was ist sonst noch zu berichten aus der unbekannten Welt der Menschen, die machen können, dass zwei Striche kommen?
Seit zwei Tagen klitzekleine schwarze Krümelchen in der Unterhose. Erst dachte ich, mich trifft der Schlag, bis mir einfiel, was das ist: Letzte Reste der Einstiche von der Punktion.
Dann habe ich ein Kilo abgenommen. Und gestern musste L. unbedingt den Müll wegbringen, weil ich dachte, ich lebe auf einem Komposthaufen, obwohl die Mülltüte gerade erst zwei Stunden im Dienst war.

Leute, die im Bus für mich augestanden sind: 0
Brech-Attacken: 0
Hormonpickel: 0
Zugenommene Körbchengrößen: 0
Mütterliche Gefühle beim Anblick fremder Kinder: 0
Tränen beim Anblick von klitzekleinen Möbeln, Kleidern etc.: 0
Gurken mit Eis: 0

Samstag, 11. Juli 2009

Dinge, die ich jetzt schon vermisse

1.Matjes, Sushi, blutiges Fleisch, Mayonnaise, luftgetrockneten Schinken
2. überhaupt Sachen essen, ohne nachzudenken oder Leute mit blöden Fragen zu nerven. Es tut mir so leid, z.B. bei McDonalds die Frau an der Kasse zu fragen, ob ihrer Meinung nach die Mayo auf dem Fishmac mit oder ohne Konservierungsstoffe ist (mit: gut, ohne: mies), denn dann guckt sie mich mit diesem unendlich müden Blick an, der sagt „Ich arbeite bei McDonalds an der Kasse. Warum fragst du mich das, Wirrkopp?“
3.Nicht bei jedem komischen Gefühl aufs Klo rennen in der Angst, jetzt würde ich die Wurst verlieren
4.Fahrradfahren, rennen, wenn mir danach ist
5.Sauna, heiß baden
6.Trinken und Rauchen auf Tausende von Arten: Rosé auf Eis auf dem Balkon, Rotwein auf der alten Ledercouch, Bierchen unter Bäumen oder mit Elbblick, Prosecco auf Eis im Stehen. Auch wenn es eigentlich besser auszuhalten ist als erwartet. Was ist los, werde ich jetzt eine von diesen „hab ich nicht nötig“-Nervensägen?
7.Weggehen MIT Alkohol und der Chance auf Zigaretten und der Möglichkeit, bis nachts um fünf ganz viel Quatsch zu machen, und ohne um elf langsam anzufangen, vor Müdigkeit zu schielen
8.Herbstklamotten kaufen – Herbstkleider sind meine Lieblingskleider, und bald hängen sie im Laden, und es tut mir jetzt schon leid, dass ich nicht einfach da reingehen und mir Sachen aus Cord und Tweed und Wolle kaufen kann, weil ich noch nicht weiß, ob ich ein Wal sein werde oder nur ein Kugelfisch
9.Boxen auf der wii
10.Nach dem Duschen eincremen oder auch nicht
11.Nervtötende Kleinkinder sehen und denken „Ein Glück muss ich mit dem Balg nur zwei Minuten im Bus verbringen und nicht mein Leben“ und nicht „Bitte, lieber Gott, meins soll anders werden“.
12.Von einem guten Job hören und denken „das mach ich, und dann schufte ich mir zwei Jahre lang den Arsch ab und hab den Spaß des Jahrhunderts dabei“.

Freitag, 10. Juli 2009

Vortrauer ist die dümmste Trauer

Die Mutter meines Vaters war der ängstlichste Mensch der Welt. Jede noch so harmlose Situation konnte in ihrem dicken, wirren Kopf sofort in eine Katastrophe umschlagen. Bei jedem Abschied brach sie in Tränen aus aus Angst vor Autounfällen. Ich weiß nicht, wie oft sie mir eingeschärft hat, ich dürfte nicht mit Fremden ins Auto steigen, auch wenn sie Schokolade hätten. Ist gut, Oma. Wenn es Hühnchen gab (und sie machte das beste Hühnchen der Welt), schaute sie mit angstgeweiteten Augen panisch um sich, weil sie Angst hatte, eins von uns Kindern würde den spitzen Knochen am Hähnchenschenkel verschlucken und daran ersticken. Sie kam sogar ins Schwitzen, wenn ich in ihrem Rührfix Sahne schlagen durfte, lief händeringend um mich herum und japste „Aber keine Butter machen! Keine Butter machen!“ Egal, wie gemütlich und nett man es gerade hatte, ihr Kopf war immer ausgerichtet auf die Katastrophe, die in der nahen Zukunft lauern könnte (und die nie kam. Weder die Butter, noch der Knochen, noch der Schokoladenmann, noch der Autounfall.)
Diese Oma vertrat die Theorie, im Winter dürfte man auch im Haus nicht zu warm angezogen sein, denn wenn man später nach draußen gehen würde, dann würde man draußen nach der Wärme drinnen noch mehr frieren und sich eine Lungenentzündung holen. Eine Lungenentzündung. Drunter tat sie es nicht.

Den dicken, wirren Kopf habe ich von ihr geerbt. Die Angst besser nicht.

Jeden Morgen wache ich auf, frage mich kurz, ob wohl gleich diese berühmte Morgenübelkeit einsetzt (bisher noch nicht), flitze aufs Klo, um zu gucken, ob ich immer noch nicht blute und die kleine Wurst verliere, und dann freue ich mich. Ungefähr fünf Minuten lang und so doll, dass es weh tut. Und dann setzt die Bremse ein. Besser nicht zu früh freuen, könnte ja noch alles Mögliche schief gehen, und dann?
Nun ist die Frage: wenn man die Gefahr bedenkt, nach Riesenfreude ganz, ganz tief zu fallen, wann ist diese Gefahr vorbei? Nach drei Monaten? Nach einer Fruchtwasseruntersuchung? Aber auch nach fünf Monaten kann noch was schiefgehen! Und wie! Also nach der Geburt, wenn das Kind gesund und niedlich und vor allem DA ist? Aber was ist mit plötzlichem Kindstod? Oder was mit schlimmen Kinderkrankheiten, Autounfällen, Schlittschuhfahren auf unsicherem Gewässer, Hühnerknochen, dem schwarzen Mann? Darf ich mich entspannen und freuen in dem Moment, in dem die Wurst 18 wird und aus dem Gröbsten raus ist? Wieso soll ich stundenlang schlotternd vor Kälte auf dem Sofa sitzen, um mich hinterher in den fünf Minuten an der Bushaltestelle nicht zu verkühlen?

So geht das nicht. So kann ich nicht leben, und ich glaube auch nicht, dass das funktioniert. Wenn ich das Baby verlieren sollte, bin ich traurig. Und vorher ängstlich gewesen zu sein oder mir die Vorfreude zu verkneifen, würde daran überhaupt nichts ändern. Bestimmt hilft es, wenn ich im schlimmsten Fall nicht kistenweise Babykram in den Keller räumen muss. Aber es hilft nicht, vorher wochenlang sorgenvoll aus dem Fenster in den Regen zu starren. Das kann ich hinterher immer noch. Zu einer Zeit, von der ich später denken werde (das weiß ich schon genau): da hättest du eigentlich zum Platzen glücklich sein müssen. Nach den ganzen Wochen und Monaten mit IVF, in denen du dich am Riemen gerissen hast, hast du jetzt etwas, von dem du manchmal schon geglaubt hast, dass es nie passiert.

So. Wo sind diese Wunderkerzen und Knallfrösche, die von Silvester noch übrig waren?

Donnerstag, 9. Juli 2009

Die da

Nicht nur meine Eltern, L., meine Geschwister, meine Freunde und ihr alle seid so unfassbar nett zu mir, nein, auch mein Hormonspiegel benimmt sich: wie befohlen, haben sich seit vorgestern alle Werte verdoppelt. Mein Körper macht genau was er soll, wie verrückt ist das denn?
Unfassbar alles. Ich hatte inzwischen die ersten Erlebnisse, bei denen ich drei Meter neben mir stand, mir zugesehen habe beim Schwanger sein und es nicht fassen konnte: zum Beispiel war ich gestern die Nervensäge im Restaurant, die vier Minuten gebraucht hat, um bei der Bestellung ein Essen ohne Parmesan zu finden. (Wer hätte gedacht, dass reichlich Käse jemals GEGEN ein Essen spricht?) Oder die, die zum Bus GEGANGEN statt GERANNT ist. Wie ein Geher bei der Olympiade, dieser Watschelgang, denn noch bin ich zum Rennen noch nicht wieder zugelassen. Was aber natürlich der Busfahrer nicht wissen konnte, der brav auf mich gewartet hat. Vorgestern habe ich in der Buchhandlung in Babybüchern geblättert und mir dabei so eine Art Gruß-Blick mit einer Frau im neunten Monat zugeworfen (machen das Schwangere? Grüßen die sich, wie Motorradfahrer? Und wenn ja, wie? Gibt es eine spezielle Handbewegung, oder reicht grinsen und rot werden?) Und heute durfte ich in der Apotheke erklären, in der wievielten Woche ich bin, um der Apothekerin klarzumachen, dass ich wirklich DIESE Folsäure brauche und nicht die andere. Muss man sich mal vorstellen. Die Schwangere ist in einer Woche. Demnächst ist sie sogar in einem Monat. Und ich bin dabei und guck ihr dabei zu.

Omas tragen keinen Bikini

Meine Mutter hat ein altes Fotoalbum, das ist von außen mit einem flotten 50er-Jahre-Muster in beige und grau bedruckt, und innen besteht es aus dickem, cremigem weißem Büttenpapier und Zwischenblättern aus dünnem Transparentpapier mit Spinnweben-Prägung. Darin sind all ihre Fotos bis zur Hochzeit. Fotos, auf denen sie vier Jahre alt ist und Kuchen isst, ganz manierlich (wie ich meine Oma kenne, waren schlechte Tischsitten ein Grund für die Apokalypse), Fotos, auf denen sie mit Freundinnen spielt (auch ganz manierlich in ihrer manierlichen Siedlung), und dann irgendwann Strandfotos im Bikini, Fotos mit netten Strandjungs, Fotos, auf denen sie in einem Kostümchen Seil springt und Fotos von einer Klassenfahrt nach Hamburg, auf dem diese 15jährigen Mädchen alle frisiert und angezogen sind wie Jackie Kennedy. Ich habe mir dieses Fotoalbum als Kind so oft angeguckt, am liebsten Sonntag Morgens, wenn meine Eltern noch schliefen. Ich bin im Nachthemd ins Wohnzimmer geschlichen, habe mir das Album aus dem riesigen Bücherregal gezogen, mich auf den Teppich in einen Sonnenfleck gesetzt, meine besondere Lesehaltung eingenommen (sitzen, Knie anziehen, in den Nachthemd-Stoff überm Knie beißen, Album vor die Füße, zusammenkauern, vollkommenes Glück) und meiner Mutter beim Kuchen essen, Schlitten fahren, Puppen spielen und flirten zugeguckt. Und weil ich es so oft angeguckt habe, fühlt es sich inzwischen an, als wäre ich die ganze Zeit dabeigewesen. Und manchmal kam es mir in meinem Sonnenfleck auf dem Teppich auch vor, als wären diese Fotos, auf denen man die Delial Schutzfaktor drei förmlich riechen konnte, wirklicher als die Frau, die gerade in ein paar Metern Entfernung versucht, noch ein bisschen zu schlafen, bevor der ganz große Rummel losbricht und mein Bruder ins Plantschbecken will.

Und diese heiße Biene im Bikini wird jetzt Oma?

Es ist wirklich nicht zu begreifen.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Abrakadabra

Wie wird aus einem In Vitro-Blog ein Schwangerschaftsblog?
Und daraus abgeleitet noch ungefähr 80 andere Fragen:
Die meisten Frauen, die hier mitlesen, machen selbst gerade eine In Vitro-Behandlung mit. Und die meisten von Euch versuchen vermutlich, sich einerseits nicht unterkriegen zu lassen, aber andererseits auch nicht ZU hoffnungsvoll zu sein – jedenfalls nicht bei diesem speziellen Versuch, um nicht zu traurig zu sein, wenn es nicht klappt – nein, lieber allgemein hoffnungsvoll bleiben – also hoffen, dass es irgendwann schon klappen wird. Und nun komm ich mit meinem dümmster-Bauer-dickste-Kartoffeln-Glück angetrampelt.
Gehe ich euch jetzt auf die Nerven, wenn ich erstens ständig den Computer knutschen könnte vor Freude, und zweitens irgendwann wieder anfange zu meckern?
Darf man nach IVF schwanger werden und sich dann auch noch beschweren, dass einem nicht 24 Stunden am Tag die Sonne aus dem Arsch scheint?
Oder darf man so widerlich fröhlich sein, wenn sie es doch tut?
Und dann ist da noch die Frage: ich bin gerade am Beginn der fünften Woche. Ich müsste eigentlich den Ball sowas von flach halten, denn noch können 1000 Dinge schief gehen (wenn ich einem meiner Bücher glauben schenke, dann sind es noch ein paar mehr, und einige davon habe ich JETZT SCHON quasi herausgefordert...) - vielleicht ist dieser veränderte Blog-Zustand ja genau so vorübergehend wie mein körperlicher Zustand, und in ein paar Wochen sind wir schon wieder auf IVF eingestellt, der Blog und ich?

Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, dass es bei mir geklappt hat. Als hätte ich irgendwo in einer langen, langen Warteschlange gestanden und mich schon fast mit den Leuten um mich herum angefreundet, und dann kommt der Türsteher, gibt mir die hohe Fünf und nimmt mich mit, an der ganzen langen Schlange vorbei, und ich schäme mich.

Bin ich eigentlich bescheuert?

Ach herrlich: es gibt doch nichts Besseres als eine Schwangerschaft, um zur Abwechslung mal ein richtig schönes Chaos im Kopf zu produzieren.

Experten, wohin man schaut

Das Prilblümchen ist im Moment einen Millimeter groß, bzw. zwei, bzw. so groß wie ein Streichholzkopf, bzw. so groß wie ein Reiskorn.
Während der Schwangerschaft ist Räucherfisch ein perfekter Eiweißlieferant bzw. eine tödliche Gefahr, weil oft nicht gar genug. Ausweg: am besten die Fische selbst im heimischen Räucherofen räuchern!
Kräutertees sind jetzt ein guter Durstlöscher; aber Achtung vor Minztee und Himbeerblättern!
Die Sauna ist gut für das Wohlbefinden, das muss jede Frau selbst sehen, wie sie sich wohlfühlt, bzw. kann die Sauna durch zu hohe Körpertemperatur dem Baby echt übel schaden.
Der Schleimpfropf, der verhindern soll, dass sich Sachen in die Gebärmutter verirren, die da jetzt nicht hingehören, löst sich sechs Wochen vor der Geburt oder zwei bis drei Tage vorher.
Der erste Ultraschall steht gestern, in einer Woche, in dreien oder am Mitte des dritten Monats an.
Ab und zu ein Glas Wein tut gut und kann niemandem schaden, wenn man mal davon absieht, dass das Kind schon durch einen Schluck Hirnschäden davontragen kann, aber wer weiß das schon so genau? Liebe zukünftige Mutter, wenn es dir DAS Wert ist, dann natürlich: Prost.

Warum, warum, warum hab ich mir ZWEI Babybücher gekauft und war außerdem auch noch im Internet unterwegs? Dabei kennen wir doch das Internet und wissen, was für eine wirrköpfige Klatschtante es ist!

Wie vergesse ich jetzt diesen Quatsch am Besten ganz schnell wieder? Saufen scheidet ja nun leider aus.

Ich glaube, ich mache jetzt was, was ich schon lange wollte, aber noch nie getan hab: ich hol mir einen Schwangerschaftstest und freue mich wie ein Schneekönig, dass er positiv ist. Zum ersten Mal in meinem Leben will ich auch zwei Linien sehen. Das ist mir locker die acht Euro wert.

Wieso darf das Label zu diesem Post nicht "Schwanger!!!" heißen, sondern gildet nur ohne Ausrufungszeichen?

Und das kam so: (wobei, wie das kam, das wisst ihr ja, hab ich ja lang und breit erzählt...) Ich komme zurück aus der Stadt und vom Test, im Gepäck ein Doppelpack HSV-Schnuller, den miesen alkoholfreien Sekt und einen ausgewachsenen Haschmich. Und als ich in die leere Wohnung komme, weiß ich: jetzt sind noch mindestens vier Stunden totzuschlagen. Nachdem ich beinahe die Tapete von der Wand genagt, beinahe die Einrichtung zerlegt und beinahe in meinen Computer gebissen habe, klingelt um zehn vor zwei das Telefon, mein Arzt ist dran und klingt schon beim ersten Wort so, als könnte er nur mühsam ein Kichern unterdrücken. „Also, ich habe gute Nachrichten: sie sind schwanger, der Wert war sehr deutlich positiv, und alles sieht hervorragend aus.“ Und dann hat er noch irgendwas davon gesagt, dass ich Donnerstag noch mal zur Blutabnahme kommen soll und in drei Wochen dann zum Ultraschall (mein erster Ultraschall ohne Zystenbezug! Yeeeeih!), es kann aber auch gut sein, dass er irgendwas über die Wirtschaftskrise, Rosenzucht oder die Flugverbindung nach Rom gesagt hat, so genau weiß ich das leider nicht mehr. Denn in diesem Moment war ich kurz vorm Durchdrehen und wollte nur noch, dass dieses Gespräch beendet ist, so dass ich mich ungestört und in Frieden laut kreischend auf dem Fußboden wälzen kann. (In meinen In Vitro-Papieren heißt es, Patientinnen mit psychischen Problemen könnten von der Behandlung ausgeschlossen werden. Und wir wollen ja nicht... nüch?)
Nach zehn Minuten kreischen und wälzen bin ich kurz zu mir gekommen, um zu meinem Weinmann um die Ecke zu laufen und für alles Geld, das ich noch im Portemonnaie hatte, eine Flasche Champagner rosé für L. zu kaufen, es reicht schließlich, wenn einer von uns beiden die Light-Live-Plörre trinken muss. Dann noch ein bisschen wälzen und kreischen und mit dem HSV-Schnuller in der Hosentasche lauern, bis L. endlich nach Hause kommt. Als er dann kam, habe ich mich auf dem Balkon versteckt, und da hat er mich dann gefunden mit meinem Schnuller und dem breitesten Grinsen der Welt.

Und das war dann ein sehr, sehr großer Spaß. Hihi. Ich hatte manchmal schon Angst, dass L. sich gar nicht so richtig freut und auch nach einem positiven Test immer noch denken wird: ohje, ohje, aber wenn es schief geht und wir doch kein Baby kriegen, aber diese Angst war – wie sich gezeigt hat – sehr, sehr bescheuert und unbegründet.

Und dann hatten wir nur noch so wenig Zeit, weil L. schon vor Wochen Theaterkarten für gestern Abend hatte und die Vorstellung schon um sieben anfing, weil auch zwei Kinder mit auf der Bühne waren, und dabei wollte ich doch noch dasitzen und mich freuen und alkoholfreien Sekt trinken und mit allen stundenlang telefonieren und bloggen und noch tausend Sachen mehr. Aber das ging dann eben nicht. Und deshalb haben wir nur kurz mit den angehenden Großeltern telefoniert, die sich gefreut haben wie Bolle, und ich habe mit den Mädchen telefoniert, und dann hat L. mich davon abgehalten, mit noch mehr Mädchen zu telefonieren, und dann hab ich vergeblich versucht, in unserem Viertel ein Babybuch zu kaufen (hab ich gesagt, ich würde unser Viertel mögen? Falsch, ganz falsch!), und dann war auch schon Zeit zum Aufbruch, und dann habe ich in der Stadt noch schnell zwei Babybücher gekauft, Theater (zwar wunderschön, aber ich hab die ganze Zeit nur darauf hingefiebert, endlich mein Babybuch zu lesen und zu erfahren, was die Wurst jetzt schon kann und wie groß sie ist, und muss das hier so dunkel sein, ich kann ja die Schrift nicht erkennen?), Hände wundklatschen, nach Hause, Babybuch lesen, uff.

Ich kann euch sagen: es stimmt, was die Leute sagen. Schwangerschaft IST anstrengend.
Und ich glaube gleichzeitig, ich werde es nicht kapieren, bis sie mich in den Kreißsaal schieben, dass ich nun wirklich schwanger bin.

Dienstag, 7. Juli 2009

Positiv!

KannnichtschreibenmussmichaufdembodenwälzenundKREISCHEN!
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Sechs Minuten

Jetzt ist es Punkt eins. Ab drei kommt der Anruf. Wieso erst ab drei, letztes Mal doch schon um zwei? Ich könnte durchdrehen. Aber ich lass es lieber. Stattdessen habe ich den HSV-Schnuller mal auf Verdacht besorgt, notfalls kriegt ihn L.s kleiner Neffe, ich habe nämlich nicht vor, jedes Mal in Tränen auszubrechen, wenn ich an meine Wäscheschublade gehe, in der er jetzt liegt. Außerdem war ich bei Thalia und habe mir Babybücher angeguckt, aber NICHT gekauft! Auch wenn ich im Stechschritt den Laden verlassen musste, um mich davon abzuhalten. Aber den widerlichen alkoholfreien Sekt habe ich besorgt und kalt gestellt. Wenn ich nicht schwanger bin, kippe ich ihn ins Klo und mach mich auf dem Weg zum Weinhändler meines Vertrauens. Denn dann wird L. mich heute Abend zu Sushi und Weißwein ausführen, auch wenn er das jetzt noch nicht weiß.

Zurück zuhause, habe ich dem Nerd in mir Luft gemacht, indem ich erst mal mit Dr. Kawashima auf der DS trainiert habe. Schließlich habe ich nicht nur eine Gebärmutter, sondern auch ein Gehirn. Wenn ich meinen Teller nicht leergegessen habe, will Dr. Kawashima, dass ich ein Akrostichon bilde, also aus den Buchstaben eines Wortes einen Satz bilde, der dazu passt. Heute war das Wort MAMA. Was denkt der sich eigentlich?

Außerdem bin ich jetzt schon ganz heulig wegen der unzähligen Daumendrück-Kommentare und -SMSen von den anderen Hasen und meinen Mädchen. Wieder mal denke ich: es kann ja sein, dass es für manche Frauen einfacher ist, wenn niemand Bescheid weiß. Für mich ist es so auf jeden Fall besser. Wenn es schief geht, nehme ich lieber in Kauf, ein paar Mal zu oft drüber sprechen zu müssen, als das ganz alleine in einem abgedunkelten Zimmer durchzumachen. (Ich habe Freundinnen, die haben sogar in den ersten Monaten nichts erzählt und dann erst ein Jahr später in einem Nebensatz erwähnt, sie hätten ja dann auch eine Fehlgeburt gehabt. Wie machen die das? Ich würde das nicht schaffen. Absolute Verschwiegenheit und geheimnisvolle Undurchdringlichkeit sind nicht meine Stärken.)

Als ich in der Klinik war, stand da ein Paar, dass sich erst mal nur die Prospekte mitnehmen wollte. Ich dachte nur, ihr zwei habt noch viel vor euch. Ich habe noch nie etwas mitgemacht, bei dem man sich so schnell wie ein Vollprofi fühlt wie IVF. Es ist wie in diesen Geschichten, in denen man eine Nacht irgendwo verbringt, und wenn man den Ort wieder verlässt, sind sieben Jahre vergangen. Wohingegen mein Schreibtisch gerade ein Ort ist, an dem man stundenlang sitzt, und hinterher sind sechs Minuten vergangen.

13:06.

Montag, 6. Juli 2009

Morgen um die Zeit

Morgen um die Zeit weiß ich es. Heute aber noch nicht. Das ist nun wirklich ein simpler Zusammenhang, jedes Kind müsste das verstehen. Ich versteh es trotzdem nicht. Ich kann überhaupt nicht begreifen, dass wir vielleicht gerade mit einer kleinen Wurst im Bauch im Theater waren (ablenken funktioniert übrigens doch: in dem Stück ging es unter anderem um Schwangerschaft, und bin ich zusammengezuckt? Nahein!) und Bus gefahren sind.

Außerdem war ich auf der Suche nach Brautschuhen, die nicht hinten offen, vorne spitz und viel zu flach sind (wieder erfolglos, ich versteh nicht, wieso die alle gleich aussehen und alle so, als wären sie für Bräute gemacht, die mit weniger als einer Dose Elnett im Haar nicht auf die Straße gehen) und dann noch in meiner Stammapotheke mit der zauberhaften Apothekerin, um mir für das letzte Röhrchen morgen noch einen Sechserpack Crinone zu besorgen.

Folgendes Gespräch:
Sie: Das kostet ja jetzt keine Zuzahlung mehr.
Ich: Ach? Das ist aber neu, oder? Naja, kommt für mich vermutlich ein bisschen spät, aber die anderen haben Gl...
Sie: Ach nee. Das ist nur bei Schwangerschaft. Sind Sie schwanger?
Ich: Das weiß ich nicht. Das weiß ich erst morgen.
Sie: Denn WENN Sie schwanger wären, wäre das jetzt kostenlos.
Ich: Aber ich weiß es nicht. Ich hoffe es nur.
Sie: Wann ist denn der Test? Können sie dann nicht hinterher noch mal vorbeikommen?
Ich: Um zehn, aber das Ergebnis kriege ich erst später.
Sie: Wir verkaufen auch Schwangerschaftstests.
Ich (Winde mich wie ein Aal): Äh... aber das geht leider nicht, ich brauch einen anderen Test, ich meine...
Sie: Ach so. Ja. Gut. Und was meinen Sie, was da rauskommt?
Ich: Wissen Sie was, ich zahl das jetzt einfach.

Ich bin nämlich doch ein bisschen abergläubisch. Wer hätte das gedacht?
Morgen. Ich fasse das wirklich nicht. Angenommen, ich wäre jetzt nicht mit L. zusammen, sondern mit irgend einem Nerd mit Computerberuf, dann könnte ich jetzt an seine DVD-Sammlung gehen, mir die "Herr der Ringe"-Trilogie raussuchen und einfach alle drei Teile ansehen, und dann wäre es schon so weit, zum Test zu fahren. Oder wenn ich mich jetzt in einen Zug setzen und meinetwegen nach Amsterdam fahren würde, dort kurz Luft holen und wieder in einen Zug zurück steigen würde. Dann wäre es auch Zeit. Oder ich könnte...
Bekloppt. Ich werde es nicht schaffen, egal wie ausgefuchst ich mir das hintrickse, mir tatsächlich vorstellen zu können, dass in 12 Stunden (und dann noch mal so ca. vier hintendran) alles komplett anders sein wird als jetzt. Egal ob es klappt oder nicht.

Ihr Lieben, ich bin schwer gerührt, dass ihr mir hier alle so feste die Daumen drückt und verspreche, zurückzudrücken!

Die In-Vitro-Version von "Twin Peaks"

Gestern Abend: ich schiebe meinen drei-alkoholfreie-Hefeweizen-Wanst in die Wohnung, nachdem ich mit einem der Mädchen die Schanzen-Saison eröffnet habe (ihr dürft euch das nicht als offiziellen Termin denken. Also, wir haben keine Kostümchen getragen, und es wurde kein rotes Band durchschnitten, und Bläser gab es auch keine. Das Ganze war mehr eine private Eröffnung.), und krähe L. an: „Immer noch nichts! Immer noch nichts!“ Er grunzt nur irgendwas.
Ich: „Was denn los, nun doch kein Babywunsch mehr?“
Er: „Doch, aber ich will nicht, dass du hinterher enttäuscht bist.“
Ich: „Bin ich doch nicht, haben wir gerade noch mal besprochen, höchstens ein bisschen. Wenn es nicht geklappt hat, dann passe ich demnächst in mein Hochzeitskleid, darf auf meiner Hochzeit trinken und habe einen lustigen Sommer. Nüch?“
Er: „Ich kenn dich. Das sagst du dir jetzt alles, aber dann...“

Er traut mir einfach nicht. Ich mir aber!
Heute morgen übrigens immer noch nichts.

Und ich habe inzwischen den Plan in Beton gegossen, dass ich das in Zukunft immer so mache. Und euch kann ich das auch nur ans Herz legen. Wenn ihr noch Versuche vor euch habt, dann nehmt euch irgend etwas richtig Tolles, Sensationelles vor, das so ungefähr zwei bis sechs Wochen nach dem Test stattfindet, und das ohne Schwangerschaft einfach mehr Spaß macht.
Diesen Skiurlaub mit allen Freunden auf der Hütte wie im Video von „Last Christmas“, nur ohne Fönfrisuren. Oder das, was ich letzten Sommer hatte, eine Woche irgendwo im Süden am Pool mit euren besten Freundinnen. Oder eine berittene Tour durch eine tolle Gegend. Oder etwas, das mit Wildwasser zu tun hat. Oder einfach nur eine Party, als gäbe es kein Morgen.
Wer so knapp und nach so viel Arbeit wie wir am Baby-Hauptgewinn vorbeischliddert, sollte doch einen Trostpreis haben, oder? Und je besser der Trostpreis, desto größer der Trost. Und desto entspannter könnt ihr die letzten Tage vorher überstehen. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich diesen kleinen Anker nicht gehabt hätte. Ich will es auch gar nicht wissen.

p.s. angeblich sind doch Träume Boten der Zukunft. Und hier komme ich nicht weiter. Was will mir folgender Traum in Hinblick auf den Test morgen sagen?
Also. Ich bin zu Besuch bei einer netten Hexe, die in einer Wohnung lebt, in der alle Einrichtungsgegenstände nur aus Papier sind, und es steht dann drauf, was es sein soll. (Der Fernseher ist eine Schachtel, auf der Fernseher steht. Sehr 90er-Musikvideo.) Sie ist damit beschäftigt, Eis auf die klassische Art herzustellen, das heißt, erst mal muss eine Eier-Sauce im Wasserbad gerührt werden und muss gar werden, aber darf nicht kochen. Ich muss das beaufsichtigen helfen. Gleichzeitig habe ich andere Verpflichtungen: ich muss alles tun, um meine ehemalige Firma zu retten, darf dabei aber von niemandem gesehen werden, und ich spiele bei einem Eishockey-Spiel mit. Ich muss also die kurzen Penalty-Unterbrechungen nutzen, um mich um Eis und Firma zu kümmern. Die Hexe schmiedet inzwischen Pläne, sich einen Esel zuzulegen, und sie weiß auch schon, welchen Esel: er lebt in einem Computerspiel, das im Weltraum spielt. Wenn ich mit Eis, Eishockey und Firma durch bin, muss ich also in dieses Computerspiel und den Esel da rausholen.

So. Jetzt ihr.

Sonntag, 5. Juli 2009

Das Wochenende einer Bekloppten, Teil 9

Sonntag, 20:38
Nichts, nichts, nichts. Und ablenken klappt nicht mehr, irgendwie kriegt alles einen Baby-Bezug, und wenn es nur die schwangeren Frauen sind, die scheinbar überall hervorploppen. Überall die Biester! Schade, dass ich mich nicht für World of Warcraft oder Squash interessiere, damit könnte man vermutlich noch locker ein paar Stunden ohne jeden Hormonbezug totschlagen.
Davon abgesehen aber weiterhin nichts außer diesem komischen Zwicken, mal rechts und mal links. Keine Übelkeit, keine komischen Gefühlswallungen, kein Heulen, keine Geruchsempfindlichkeit. Alles wie immer. Dafür habe ich gerade festgestellt: zehn Tage ohne einen Tropfen Alkohol, und man sieht aus wie das Kind auf der Rotbäckchen-Flasche. So frisch und rotwangig und gesund! Scheußlich! (Seht ihr: sogar mein Spiegelbild hat Kinderbezug. Ich dreh durch.)

Das Wochenende einer Bekloppten, Teil 8

Sonntag, 16:00
Immer noch nichts. Die Wohnung war Mist, viel zu laut, kein Balkon, hässliche Fenster, das Haus ziemlich runtergekommen, und hier könnte man kein Kind vor die Tür lassen. Für den merkwürdigen Fall, dass man eins hätte. Oder fünf, wie die Wahrsagerin vom Flohmarkt prophezeit hat. Aber das Straßenfest war nett. Wenn man in einem Viertel wohnt, in dem sogar ein Straßenfest NICHT bis zur Weißglut nervt, weil alle irgendwie friedlich, frisch geduscht und ohne zu drängeln ihrer Wege gehen, die Flohmarkthändler nette Sachen und keinen Müll verkaufen, es nicht überall nach verbranntem Fleisch stinkt, bis die Augen tränen, keine Hundertschaften der Polizei in Bereitschaft stehen müssen und die Vattis nicht morgens um elf schon besoffen sind, und wenn außerdem niemand in Lederhosen auf einer Bühne steht und „Hang on sloopy“ oder „Macarena“ singt, dann sollte man da wohnen bleiben.
Noch ein Grund mehr gegen die doofe Wohnung.

Außerdem versuche ich gerade, mich auf einmal Klo und Nachsehen pro Stunde runterzukochen. Es ist einfach zu heiß für einen ausgewachsenen Rappel, das muss sogar ich einsehen.

Das Wochenende einer Bekloppten, Teil 7

Sonntag, 11:04
Und muss sich dieses Crinone eigentlich ausgerechnet auf diese dämliche Art aus mir rausschleichen? Auf diese Art, bei der ich drei Stunden lang ständig denke, das war's? Und wieso wird Crinone eigentlich genau in DER Packungsgröße verkauft, in der einem bis zum Test-Tag immer genau EIN Röhrchen fehlt, so dass man eine zweite Packung kaufen muss, die aber bis zum nächsten Versuch nicht mehr haltbar ist?

Sonntag, 12:35
Zurück vom Flohmarkt um die Ecke bepackt mit sechs Dolly-Büchern (was auch immer mich da geritten hat, sie waren billig), einer Kinderbibel für L.s Patenkind (immerhin hübsche Bilder und goldene Lesezeichenbändchen), einer Ladung Keramikkrüge für Mehl, Salz und Zucker (Nestbautrieb) und zwei mal Erich Kästner. Überall Gitterbettchen, Fisher Price, Playmobil und ausgemusterte Strampler. Und an einem Stand folgende Argumentation:
L., größter Eisesser der Welt, bewundert einen Stapel aus zehn hübschen Eisbechern und überlegt sich, vier davon zu kaufen.
Flohmarktstandfrau: Nehmt doch zehn, sonst sitzt ihr mit fünf Kindern um einen Tisch und es gibt Streit.
Ich: Wir sitzen aber nicht mit fünf Kindern um einen Tisch.
Frau: Aber bald.

Was WOLLEN die eigentlich alle? Ist ja gut, ist ja gut, ich gerate ja schon in Panik und hab längst demütig eingesehen, dass ich auch nicht cooler bin als andere, aber kann die Welt jetzt bitte mal aufhören mit dem Quatsch?

Das Wochenende einer Bekloppten, Teil 6

Sonntag, 9:59
Wer alle zwanzig Minuten aufs Klo muss, verbraucht eine Menge Klopapier. Deshalb hab ich gestern neues gekauft, es ist mit Kamillen bedruckt. Und gerade habe ich für einen winzigen Augenblick eine der Kamillenblüten, die in der Mitte Orange sind, für den Vorboten eines Blutflecks gehalten. Ich dachte, die Welt friert ein. Gut. Das wäre wohl die Antwort auf die Frage, ob ich nicht doch wenigstens ein BISSCHEN entspannter bin als die anderen IVF-Hasen. Welcher Depp hat dieses Klopapier gekauft? Ich meine, BEDRUCKTES Klopapier? Wieso nicht gleich Klopapier mit einem fröhlichen roten Tupfenmuster?

Das Wochenende einer Bekloppten, Teil 5

Sonntag, 9:05
Das Wilde an so einem Wochenende ist: schon kurz nach dem Aufstehen muss man sich mit den ganz wichtigen Fragen beschäftigen. Um eine Zeit, in der es mich sonst schon fast überfordert, den Wasserkocher in Gang zu setzen. Ist das Tag 1 vor der großen Enttäuschung oder der offizielle Tag 27 meiner Schwangerschaft? Bin ich so, wie ich hier gerade sitze und tippe, eine angehende Mutti oder eine Frau, die sich demnächst eine ganze Batterie von Hobbys zulegen muss? Stimmt es, dass man in den ersten Schwangerschaftswochen noch mal abnimmt? (Eigentlich dreht sich mein Leben sonst ziemlich wenig um mein Gewicht, Schuld ist nur dieser verflixte L., der nun schon wieder laufen geht, und mein Hochzeitskleid, das gerade irgendwo von fleißigen Händen zusammengenäht wird und mir Ende August mal besser passen sollte.) Wie würde mein Kind aussehen, wenn es... Stopp. Bis hierher und nicht weiter. Sind das jetzt vielleicht die letzten Tage, in denen ich noch Discojeans, Bikinis und Minikleider tragen kann? Wer weiß, für immer? Hat sich die große Maschinerie schon in Gang gesetzt, die mich mit Schwangerschaftsstreifen überziehen, für Monsterhupen sorgen und mich für die nächsten fünf Jahre um den Schlaf bringen wird? Sollte ich das lieber genießen, hier zu sitzen und ein Tässchen Tee zu trinken, während nichts weiter zu hören ist als der Wind, der durch die Bankontür rauscht? Gleich lese ich ein bisschen in der Zeit, dann gehen L. und ich los und starren ein paar hübsche Wohnungen von außen an, die er im Netz gefunden hat, nachher Flohmarkt... ist sowas vielleicht demnächst vorbei?
Aaaaja. In dem Moment, wo die Schwangeren-typische Torschlusspanik einsetzt, wäre es vielleicht an der Zeit, die Bremse reinzuhauen. Denn bisher bin ich weder schwanger noch nicht schwanger, sondern vielleicht schwanger. Haben wir das jetzt? Gut. Dann ist jetzt hoffentlich für eine Stunde Ruhe in der Rappelkiste, in die sich mein Kopf gerade verwandelt.