Es gab Momente in den letzten Tagen, in denen habe ich überhaupt nicht dran gedacht. Zum Beispiel die, in denen ich mit L. Marienkäfer-Polizei im Schwimmbad gespielt habe, wir waren im Wochenendhaus seiner Familie auf dem Land und haben hunderte von Marienkäfern vor dem Ertrinken gerettet. Ich hab sie mir immer auf den Kopf gesetzt und bin mit ihnen an Land geschwommen. Oder der Moment, in dem wir mit dem Pflegehund von L.s Mutter spazieren waren und der Hund immer wieder aus dem Gebüsch auf uns zugerannt kam, dass die Erde donnerte, als würde eine Herde Büffel auf uns zustürmen. Oder der Moment, in dem ich mit dem dicken Zeh genau vor den Pflasterstein gelaufen bin. Oder der Moment, als ich festgestellt habe, dass es auf dem Frühstücksbuffet auch winzige selbstgebackene Kuchen gibt. Oder der Moment, als ich zum ersten Mal wieder im Kino meiner Kindheit war und es noch genau so roch wie früher und der Kinobesitzer sich wie damals von jedem einzelnen Gast an der Tür verabschiedete: "Gute Nacht, schlaft schön".
Es gab auch Momente, da kam es mir vor, als wollte die Welt mich mit der Nase mitten reinstoßen in den ganzen Mist. Der Moment, in dem wir im Wochenendhaus ankamen und L.s Mutter mich mit den Worten begrüßte "Ach, meine Süße, sieht man denn schon einen Bauch?". Oder der Moment, als wir unseren Wir-sind-ein-braves-Brautpaar-Besuch in der Kirche gemacht haben und sich herausstellte, dass in diesem Gottesdienst drei Kinder getauft werden und alle Lieder nur davon handelten, was für ein Schatz Kinder sind und wie dankbar wir dafür sein können, wenn sie uns anvertraut werden.
Ich glaube, L. hat für diese Runde aufgegeben, und das ist vermutlich besser so. (Am Freitag hat er eine Flasche Wein für sich und seine Mutter aufgemacht und mir auch ein Schnapsglas voll eingegossen. Das erscheint euch vielleicht als nicht besonders Desperado-mäßiges Verhalten, aber glaubt mir, ist es. Ich hab es nicht getrunken, auf die paar Tage kommt es jetzt auch nicht mehr an.) Und dazwischen immer wieder Bluten, nicht Bluten, Schmerzen, keine Schmerzen, und das alles in jeder denkbaren Kombination (Nicht bluten, aber Schmerzen. Bluten, aber keine Schmerzen usw.)
Hilft ja nichts, oder? Morgen früh um elf bin ich schlauer. Und vielleicht offiziell nicht mehr schwanger. Auch wenn ich in den letzten Tagen auf alles geachtet habe, das aus mir rauskam und notfalls als wenn auch winziger Foetus durchgegangen wäre und trotzdem behaupten würde, da war nichts, wissen wir es nicht genau. Und schon wieder merke ich, dass ich ruckzuck etwas ziemlich widerliches hier hingeschrieben habe, ohne auf die zarten Gefühle und Mägen meiner Leser zu achten.
Ich würde gerne aus den letzten Stunden, in denen ich noch offiziell schwanger bin, etwas Besonderes machen. Aber ich weiß nicht, wie und womit. Ich bin plötzlich entsetzlich müde und will nur noch schlafen, dabei würde ich gerne an einen besonderen Platz gehen oder etwas Besonderes tun. Ich würde gerne später erzählen können, was ich gemacht habt, und falls es wider jede Wahrscheinlichkeit morgen nicht vorbei sein sollte, dann würde ich gerne eines Tages dem Würmchen davon erzählen, wie Mutti einmal dachte, sie würde es verlieren, und dann zum Abschied noch etwas wirklich Schönes und Cooles machte, nämlich *****, und dann am nächsten Tag erfuhr, dass ein Abschied gar nicht nötig gewesen wäre. Aber im Moment kann ich mir kaum vorstellen, meine Schuhe anzuziehen, geschweige denn, das Haus zu verlassen. Mit.... letzter.... Kraft.... poste.... ich... diesen... Ein....trag. Und nun ist gut für heute, ja?
invisible apple cake
vor 3 Tagen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen