Sonntag, 14. März 2021

Ungefähr so wie früher in der Telefonzelle, wenn draußen jemand wartet und alle zehn Sekunden an die Scheibe klopft.

Nur dass ich nicht in einer Telefonzelle stehe, sondern mich von meinen Memory spielenden Kindern weggeschlichen habe und jetzt mit Rechner im Bett liege. Es kann sich allerdings nur um Minuten handeln, bis einer von ihnen mein Fehlen bemerkt und mir hinterher kommt, um mich mit Wünschen nach Müsli, Kindercappucino oder sonstwas zu benängern, und dann ist Schluss mit der ungestörten Schreiberei.
Und wenn man nicht weiß, wie viel Zeit man zum Schreiben hat, schreibt man am besten in kurzen Absätzen, so dass man jederzeit eine Pause bis später einlegen kann.

Ich weiß nicht (wie auch, wenn ich hier seit Monaten nicht mehr meine Nase reingesteckt habe?), wie es euch geht mit dem Lockdown. Mir geht es die meiste Zeit ganz ok. Vermutlich auch darum, weil ich das große unverdiente Glück habe, dass meine Agentur dadurch bisher kaum finanziell betroffen zu sein scheint. Das heißt, ich habe vorerst keine Angst um Job und Geld (abgesehen von der Hintergrund-Existenzangst, die mich unabhängig von Epidemien und dergleichen aber immer schon begleitet und die inzwischen nicht weiter stört). Im Gegensatz zu all denen da draußen, die gerade aus einem Grund, der sich komplett ihrer Kontrolle entzieht, alles verlieren, was sie sich in den letzten Jahren aufgebaut haben. In den ersten Monaten hatte ich sogar noch viel mehr zu tun als jemals zuvor. Ich kann auch zu 100% von Zuhause aus arbeiten. Das ist natürlich schön für mich, auch wenn es mit drei Kindern dazu führt, dass ich an einem normalen Arbeitstag um die 50mal in zunehmend barschem Tonfall sagen muss "Jetzt nicht. Frag Papa. Später. Geh bitte raus. Tür zu! Ich muss hier noch kurz... das machen wir heute Abend. Versprochen!! Mach dir doch ein Müsli, ja? Das liegt im Regal. Nein, dem im Flur. Doch, das liegt da. Lass mein Telefon liegen. Ich brauch das. Mama kann jetzt nicht. Mama muss jetzt hier mal kurz." Ab nächster Woche können die zwei Kleinen wieder 20 Stunden pro Woche in die Kita, und der Große geht an zweieinhalb Tagen zur Schule und wird an den anderen zweieinhalb zuhause unterrichtet. Ich freu mich drauf, wieder ein bisschen Luft zum Atmen (und Arbeiten) zu haben. Auch wenn ich fest davon ausgehe, dass die dritte Welle dem in spätestens zwei Wochen wieder ein Ende machen wird. Kleine Kinder sind jetzt gerade nicht die idealen Hausgenossen, genau so wenig, wie gelockdownte Eltern für kleine Kinder die idealen Hausgenossen sind. Einerseits ist in unserem Haus mehr Leben, als man sich vorstellen kann. Andererseits ist mein innerer Anspruch, trotz allem immer irgendwie da, freundlich, fördernd und zugewandt zu bleiben, jeden Tag neu zum Scheitern verurteilt. Man sollte denken, im Scheitern bekomme ich inzwischen ein bisschen Übung, aber Pustekuchen.

Trotzdem habe ich, ein dickes Dankeschön geht hier an meine Schlafstörung, ein paar Zeitvertreibs-Tipps. Ich gucke gerade zum ungefähr dritten mal "30 Rock" neu, und es ist vollkommen klar, dass die Serie so heute nicht mehr gedreht würde. Aber sie ist und bleibt einfach großartig, lustig, unfassbar detailreich, und ich werde sie bestimmt auch noch ein siebtes Mal gucken eines Tages. Außerdem glotze ich mich nachts um zwei im Schneckentempo durch "Sex and the City" - vermutlich zum zwölften Mal. Und ihr könnt sagen, was ihr wollt: ich lass mich von keinem Bashing davon abbringen, dass das toll war und immer noch ist. Das sind und bleiben meine Mädchen. Außerdem können sie erstaunlich friedlich koexistieren mit "Handmaid's Tale", "Succession", "Pretend it's a city", und "I think you should leave".

Dann habe ich noch von der Shakti-Mat zu erzählen. Das ist eine Matte, die mit Plastikstacheln besetzt und SO stachelig ist, dass es ziemlich weh tut, wenn man sie beim Zusammenrollen aus Versehen an der falschen Stelle anfasst. Auf diese Matte soll man sich legen, am besten mit nacktem Oberkörper, und dann mindestens 20 Minuten so liegenbleiben. Es gibt eine Eingewöhnungsphase, die dauert ungefähr 30 Minuten (wenn man dazu Podcasts hört wie ich, sogar noch kürzer), und dann hatte zumindest ich kein Rückenproblem mehr. Die Matte erzeugt ein Gefühl, von dem ich bis jetzt nicht weiß, ob es gut oder doof ist, und entspannt mich dabei hinter meinem Rücken so stark, dass ich manchmal schon fast eingeschlafen wäre auf dem unbequemen Pieksding.

Nigella bleibt meine Königin, aber Prinzessin Alison Roman schreibt einen Newsletter, der mir jedes Mal wieder das Gefühl gibt, ich bin nicht allein (auf die andere Art, ihr versteht mich, oder? Nicht auf die Art, auf die ich sehr, sehr gern mal wieder allein wäre.)

Ich gehe außerdem gerne nachts spazieren und höre dazu den großartigen Podcast "The guilty Feminist" und zwischendurch "Joan and Jericha", auch wenn ich dabei so laut, hilflos und kreischend lachen muss, dass ich ein schlechtes Gewissen gegenüber den Anwohnern und ihrem wohlverdienten Schlaf bekomme.

Und zu allerletzt, während von unten das Getöse anschwillt, habe ich euch zu berichten, dass ich seit dem 21.Juni letzten Jahres keinen Tropfen Alkohol getrunken habe. Aber das ist einen eigenen Post wert, aus der Küche höre ich sekündlich lauteres Gebrüll nach Broten und Eiern, und ich fürchte, das Zeitfensterchen, in dem Mama ungestört und nicht-Job-bezogen am Rechner hängen darf, schließt sich jetzt gerade mit einem lauten Knall.

Samstag, 13. März 2021

Das ist die Kriiiiiiiiiise.

Klar gibt es Gründe. Es gibt immer Gründe. In diesem Fall gibt es aber vorrangig einen Grund, warum ich mich so lange nicht gemeldet habe. Dieser Grund ist die Krise oder auch die Kriiiiiiiiise. Die Kriiiiiiise (sorry, die Zeit zum Schreiben ist kurz und zu kostbar, um die iiiiis in Kriiiiise jedes Mal abzuzählen) ist etwas, das sich irgendwann vor ein paar Jahren zwischen L. und mir festgesetzt hat und irgendwie nicht wieder geht. Ich weiß nicht genau, wo sie herkommt, aber sie ist unbestreitbar sehr da. Wobei: selbst das kann man gar nicht so genau sagen. Denn zwischendurch ist sie auch so weg, als wäre sie nie dagewesen. In dieser einen Hinsicht erinnert sie an die Geburt eines Kindes, grauenvolle Schmerzen schütteln Dich von Kopf bis Fuß, Du willst einfach nur noch weg hier, es lässt sich wirklich keine Minute länger mehr aushalten - und dann ist es vorbei, und Du unterhältst Dich nett über Ferienpläne und Pizza. Du denkst schon, Du hast Dir das alles nur eingebildet, ist doch halb so schlimm, aber dann kommt die nächste Wehe bzw. in unserem Fall der nächste Streit, und BÄMM ist die Kriiiiise wieder da. Jedenfalls, wie schon erwähnt, sie ist da, und auch in den Pizza- und Urlaubsplanungs-Phasen beschäftigt sie mich sehr. Ich hab keine Ahnung, wie es weitergeht, ob es weitergeht, und ich bin immer noch mehr verwirrt als irgend etwas anderes. Ich hätte nicht gedacht, dass uns das passiert. Zumal wir in den Phasen "dazwischen" immer noch so sind, wie ich uns kennen gelernt habe - eben wie ein Paar, dem so etwas nicht passiert. Es vergeht keine wache Stunde, in der ich nicht darüber nachdenke. Und ich wollte in den letzten Monaten - Jahren - sorry, ich weiß, viel zu viel Zeit - so oft schreiben. Aber ich wusste nicht so richtig, wie und was. Denn ich hab immer über das geschrieben, das mich gerade in Atem hält, und jetzt ist es nun mal DAS hier, was mich in Atem hält, und darüber kann ich schlecht schreiben. Denn auch L. hat dazu eine Meinung, und was für eine, was sage ich: vermutlich hat er 20 Meinungen. Und die kommen hier naturgemäß nicht vor. Und er wäre mit Sicherheit nicht dafür, hier das Blog-Gremium abstimmen zu lassen, wer Recht hat und was zu tun ist. Ganz davon abgesehen, dass ich es irgendwie nicht richtig fände, Euch hier klammheimlich wie ein Tagebuch schreibender Teenie zum Auskotzen und Auf-meine-Seite-Ziehen zu benutzen. Darum ist das große Nr.1-Thema irgendwie verboten. Jetzt ist es aber so: auch zu Kinderwunsch-Zeiten habe ich ja nicht IMMER NUR über Kinderwunsch geschrieben, sondern es gab auch das große weite Themenfeld unter dem Label Normales Leben. Und das gibt es auch hier immer noch. Und ich habe das Schreiben hier wirklich vermisst. Und die Kinder sind inzwischen aus dem Alter raus, in dem sie alle zwei Stunden gestillt werden müssen, ab und zu kann Mama sich an ihren Rechner schleichen. Darum habe ich entschieden, dass es ab jetzt weiter geht. Vermutlich ist inzwischen auch die letzte von euch entmutigt und enttäuscht abgezogen. Niemand wird gerne geghostet, auch nicht unbekannterweise von einer Blogtante, die früher mal teilweise dreimal täglich schrieb und jetzt plötzlich so gar nicht mehr. Das kann ich verstehen. Aber als ich den Blog damals - 2009 war das, glaube ich - anfing, hab ich es erst mal tatsächlich nur für mich getan. Und so fange ich jetzt auch wieder damit an. So wenig ich sonst etwas entscheiden kann gerade, unter anderem mangels Energie und mangels Zutrauen zu mir und meinem Urteilsvermögen - eins hab ich entschieden: die Kriiiiiiiiiiiiiiiiise kriegt mich nicht klein. Und hier wieder zu schreiben, fühlt sich im Moment so an wie ein kleiner, trotziger Stinkefinger in ihr blödes Kriiiiiisengesicht. Wann kommt der nächste Beitrag? Morgen, nächste Woche oder in zwei Jahren irgendwann? Wir werden sehen. Ich hoffe, Ihr Abkürzungsdamen, Euch allen - wo immer Ihr auch seid - geht es gut, ihr seid glücklich, und die dickste Krise weit und breit kommt mit einem i aus und bezieht sich auf einen verstopften Abfluss, eine nahende Deadline zu einem an sich netten, aber gerade etwas nervenden Projekt oder einen eingelaufenen Mohairpulli, der aber eh nicht soooo schön war.