Samstag, 31. Dezember 2011

Aber gerade noch so

Liebe Abkürzungsdamen, ich entschuldige mich für die Funkstille. Es wäre bestimmt anders gekommen, hätte ich nicht über die Feiertage zwei Zeitungsjobs angenommen und dadurch jedes Mal, wenn ich mich dem Bannkreis um meinen Rechner auch nur auf zwei Meter nähern wollte, so etwas wie einen elektrischen Schlag aus Arbeitsekel gespürt. Das ging einfach nicht! Auch wenn der Blog doch eigentlich keine Arbeit ist. Aber ich habe auch in den letzten acht Tagen keine Rechnung online bezahlt, so gut wie keine Emails geschrieben und auch nicht an der Meinungsumfrage meines Telefonanbieters teilgenommen. (Der mir übrigens jetzt, nach über zwei Jahren Gekeife, Gefaxe und Geschicke von Urkunden einen ganz lieben Brief geschrieben hat, in dem er mir zur Hochzeit gratuliert und verspricht, bald, ganz bald, die Namensänderung in sein System zu übernehmen.)

Und jetzt bin ich immer noch nicht fertig mit meinen zwei Artikeln, und nun geht es nicht mehr anders, aber leider wird die Zeit knapp, und es reicht wieder mal nur zur Liste.

Also, hier die Liste der Feiertagsmitteilungen.

1. Wenn ihr euch wieder mal fragt "was les ich nur?" dann lest doch mal den Taxiroman von Karen Duve. Vertraut mir einfach und tut es. Es geht auch ganz schnell!

2. Ich weiß nicht, was das für Leute sind, denen dauern der Baum oder der Adventskranz abbrennt. Wir sind ein Haushalt aus Chaoten, die unten die Kerzen anzünden, dann alles vergessen und zu einem Spaziergang aufbrechen. Wir haben einen Hund, dessen buschiger Schwanz sich fast hüfthoch kringelt, wenn er zu einem Sprint um den Baum aufbricht. Und unser Baum hat bisher kein Nädelchen angesengt, noch nie.

3. Dieses Jahr war der Kinderblues wirklich wie angekündigt leicht abzuschütteln. Nicht nur, weil wir ein richtig schönes erwachsenes Weihnachten hatten (am zweiten Feiertag waren wir z.B. feudal essen, und an den beiden Nachbartischen saßen zusammen sechs Kinder, die alle ein ziemlich lautes elektronisches Gerät dabeihatten, um nicht das zu tun, was Kinder sonst in Restaurants tun - ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich als Nerd könnte nicht ruhig danebensitzen, während neben mir ein Knirps erst das leckere Essen kriegt - Schnitzel mit Pommes - und dann auch noch ohne mich Super Mario spielen darf), sondern auch deshalb, weil der nächste Versuch sich jetzt langsam in Kopf und Knochen so breit macht wie eine eben gegessene warme Mahlzeit. Ich bin ganz ruhig und zuversichtlich. In den letzten acht Wochen hab ich mich mit ein-zwei Ausreißern nicht nur wahnsinnig gesund ernährt und mein Handgelenk beim Ausschenken alkoholischer Getränke unter Kontrolle gehabt, nein, ich hab auch an jedem Abend, an dem L. zu seinem Nerdsport geht, Yoga vorm Fernseher gemacht und war oft genug laufen. Außerdem war am Donnerstag mein letzter Pap-Termin zwei Wochen her, und bisher habe ich noch kein mieses kleines Kärtchen von meiner Gynäkologin im Kasten, was nach unserer Absprache bedeutet, dass alles von ganz allein wieder gut geworden ist. Das war noch nie! Jeden zweiten bis dritten Abend nehme ich ein Vagi-C-Zäpfchen zur Normalisierung der (Achtung, ekliges Wort und GAH! Evtl. die widerliche Alternative zum Blogtitel Eiertanz? Hier kommt das Wort: SCHEIDENFLORA! Na, hab ich zu viel versprochen?), und ich und mein Unterleib, wir fühlen uns ausnahmsweise mal als Team. Musste ich also an Weihnachten nicht traurig sein, denn nächstes Jahr haben wir ja dann den Salat.

4. Ist das Geld da. Das Geld, auf das ich jetzt seit zweieinhalb Jahren warte: mein Gründungszuschuss. Alles auf einmal! Was einem Vermögen entspricht, das ich sonst durch redliche Arbeit und Sparfuchs-Verhalten niemals auf einen Schlag auf dem Konto angehäuft hätte. Würde ich euch jetzt die ganze Geschichte erzählen, säße ich erstens morgen noch hier und zweitens würdet ihr mir nicht glauben. Es ist nicht zu fassen, wie viele unglückliche Umstände sich zu so einem Mistviech von Antragsprozess verketten können. Aber jetzt ist alles gut, und mit dem enorm beruhigenden Gefühl eines einigermaßen dicken Bankkontos im Hinterkopf habe ich jetzt beschlossen, meine Finanzen in den Griff zu kriegen. Zum Zeichen des neuen Zeitalters thronen auf meinem Bücherregal jetzt zwei prächtige Spardosen, in die ich jedes Zwei-Euro-Stück werfe, das ich in die Finger kriege. Sind sie voll, kommt das Geld auf das Fluchtgeldkonto. Vom Konzept Fluchtgeld habe ich vor langer, langer Zeit mal in der Cosmo gelesen, es bedeutet, einen geheimen Geldspeicher anzuhäufen, der nur zur Befreiung aus höchster Not oder zur Erfüllung eines sonst unerfüllbaren Wunsches da ist. Also nicht für Handwerkerrechnungen oder den Pizzaservice. Es scheppert schon nicht mehr so schrill, wenn ich etwas einwerfe. Und ich fühle mich ordentlich, vernünftig und souverän: alles drei Dinge, die ich mich selten fühle. Schön fühlt sich das an.

5. Lili und ich haben ein neues Hobby, das ich nur wärmstens empfehlen kann: Geocaching. Ihr ladet euch die App aufs Telefon oder zuhause die entsprechende Seite auf den Rechner, sucht ein Cache in eurer Nähe (ein kleines Ding, das gefunden werden muss - im simpelsten Fall eine Tupperdose mit einem Zettel, auf dem ihr euren Namen hinterlasst und das Findedatum) und geht auf Schatzsuche. Das/der/was auch immer Cache liegt in einem künstlichen Tannenzapfen, in einem Astloch mitten im Moor, hinter einer losen Dachschindel in einer Ruine, an einer Bushaltestelle, wo auch immer, und wer wie ich schon als Kind begeistert war von den Schatzsuchen der ??? oder auf Geburtstagen immer die Schnitzeljagd am liebsten mochte, der wird einmal mehr glücklich sein, dass es das Internet gibt und damit so tolle Sachen. Hier in Hamburg gibt es weit über 1000 Caches, davon ein paar in meiner Nähe, einen davon haben wir sogar tatsächlich schon gefunden. Vor uns liegt ein Jahr voller Abenteuer, Matsch, Gestrüppe und Asseln. Ich freu mich, und Lili sich auch.

Neujahrsvorsätze dann morgen. Wenn ich nicht zu beschäftigt bin mit Wändehochkriechen und Nägelkauen, weil meine Artikel immer noch nicht fertig sind. Ich wünsche jeder Abkürzungsdame das für sie perfekte Silvester! Dass sich hier niemand die Finger abböllert! Und nicht zu viel alkoholfreie Erfrischungsgetränke, muss man nur undamenhaft Aufstoßen von!

Dienstag, 20. Dezember 2011

Meinetwegen Spekulatius ab Februar

Da ist sie wieder: die miese Tante Weihnachtshasserei. Alle finden Weihnachten Scheiße. Angefangen bei dem Gemecker über Spekulatius im August bis hin zum bösen, bösen Konsumterror. Und Weihnachten ohne Kinder ist sowieso eine Riesengemeinheit. Ehrlich? Ganz ehrlich? Ich wäre ein Kandidat dafür, auch im Sommer mal einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Vor ein paar Tagen war ich in einem dänischen Krimskramsladen, als eine billig nachproduzierte Version von "Fairytale of New York" von den Pogues lief, und ich hatte ein Tränchen im Auge, und es war kein Tränchen der Wut. Ich sehe gerne zum dreißigsten Mal die Haselnüsse für Aschenbrödel und den kleinen Lord Fauntleroy. Nur bei Sissi bin ich eher raus, aber das jahreszeitenunabhängig, ich kann nicht vergessen, dass Magda Schneider angeblich Sex mit Hitler hatte, das verdirbt mir den Spaß ein bisschen. Ich backe gerne Kekse und bekomme auch keinen Nervenzusammenbruch dabei. Der Baum ist auch nicht jedes Jahr wieder eine Katastrophe, sondern jedes Jahr wieder schön. Und ich wäre die letzte, der das typische Weihnachtsessen zum Hals raushängt oder die sich sogar über "das ständige Essen" beschwert. Gerne immer her damit! Und bitte so wie immer, bitte Lachs und Gänsebraten und Lebkuchen und dunkelbraune Saucen. Bitte keine Experimente mit Putenrollbraten oder dieses Jahr mal Japanisch. Es gibt viele Gelegenheiten dafür, mal was Neues auszuprobieren, aber für mich ist Weihnachten keine davon. Kann sein, dass es mit Kindern noch schöner wäre. Aber dieses Jahr feiern L. und ich zum ersten Mal so richtig Weihnachten im neuen Haus zusammen, mit Lili, und das wird so schön, dass die Gefahr einer Hirnblutung bestünde, wenn es noch schöner wäre. Und ein paar Tage später feiern wir Mädchenweihnachten, L. wird aus dem Haus gejagt, wir schenken uns nichts (und das hat nichts mit irgend etwas zu tun, was andere Leute Konsumterror nennen) und stopfen uns mit leckerem Essen voll, zum Nachtisch mache ich einen Crumble, das wird schön. Ich mag Kerzen, Tannen, Zimt und Rotkohl. Und in jedem Weihnachten schwingen für mich fast alle Weihnachten mit, die ich schon hatte, da sind ziemlich viele dabei, an denen ich selbst noch ein Kind war. Wisst ihr was? Gerade finde ich, Fairytale of New York ist ein Grund zum Heulen. Noch kein Kind zu haben, ausnahmsweise mal nicht. Aber nagelt mich nicht drauf fest, wir sprechen uns Samstag Abend wieder.

Montag, 19. Dezember 2011

Erst eins, dann zwei, dann drei

Einige Ereignisse, die nichts weiter miteinander zu tun haben als meinen Kinderwunsch:

Ich sitze auf dem Fußboden in meinem Arbeitszimmer und sortiere vollkommen chaotische Papiere und andere Dinge aus vier Jahren. Kontoauszüge, Rechnungen, Versicherungsverträge, die letzten Zuckungen der Papier-Foto-Ära, alles. „Wie kommt eine selbständige Frau eigentlich dazu, ihre Buchhaltung so verlottern zu lassen?“ könnte jetzt eine Kommentatorin schreiben, und ich würde antworten „Mutter? Du hier?“. Jetzt ist alles sortiert, gelocht und abgeheftet oder ruht in Frieden in der Altpapiertonne. Aber unter anderem habe ich bei dieser Gelegenheit auch die Rechnungen vom Chinamann gefunden. Obwohl ich bestimmt nicht nur aus Kostengründen mit der Behandlung bei ihm aufgehört habe, und obwohl ich bei jeder einzelnen Sitzung immer das Gefühl hatte, verhältnismäßig billig wegzukommen – schließlich geht es ja um den langersehnten Nachwuchs, da ist grundsätzlich natürlich GAR NICHTS zu teuer, nicht wahr – ist mir trotzdem klar geworden, als all die Rechnungen jetzt so vor mir lagen, dass ich innerhalb von anderthalb Jahren um die 900 Euro bei ihm gelassen habe. Vermutlich war ich keine Musterpatientin. Vielleicht hätte ich mich besser an die Nahrungsvorschriften halten sollen, auch wenn er selbst gesagt hat, dass das bei mir nicht so entscheidend ist. Aber dass ich nicht gerade mit Feuereifer zur Sache gehe, wenn ich mich abseits der Schulmedizin bewege, wird auch in Zukunft so bleiben. An meiner Endometriose, den diffusen Unterleibsschmerzen oder den Myomen hat die Behandlung nichts geändert. Ein Kind habe ich auch noch nicht. Aber immerhin kann ich sagen, das hab ich auch mal probiert.

Ich liege auf der höllisch bequemen Liege meiner Osteopathin und lasse den Dingen ihren Lauf. Das heißt, teilweise. Denn eigentlich würde ich jetzt wegdämmern. Aber gleichzeitig ist es gerade zu und zu interessant. Die Osteopathin hat selbst vor Jahren eine KiWu-Behandlung gemacht und nach drei IVFs und erschreckend wenig Eizellen-Ausbeute beschlossen, dass sie es jetzt gut sein lässt. (Gut, zu wenig Zellen sind ja nun nicht mein Problem.) Und sie hatte damals mit 39 – ihr Mann war damals 44 – auch eine Adoption beantragt. Und zwei Jahre später, als sie schon über 40 war, kam der Anruf, sie könnte jetzt einen gesunden Säugling haben. Sie hat darüber nachgedacht und sich dann dagegen entschieden. Bequeme Liege hin, entspannendes Raumparfum her: ich war hellwach. Ich hab schon ein paar mal mehr oder weniger ernsthaft über Adoption nachgedacht. Aber ich hatte immer noch eine gewisse Hemmschwelle im Kopf. Nicht, weil ich dachte, das ist nichts für uns oder das ist erfüllter Kinderwunsch zweiter Klasse, sondern weil ich dachte, das wird nichts. Wir sind denen zu alt, wir haben zu konkrete Vorstellungen (Säugling, kein Drogenhintergrund), das ist nur eine weitere Methode, sich frustrieren zu lassen. Aber jetzt sehe ich das anders. In Hamburg, erzählte sie, besteht immer noch ein großer Bedarf. Und zwar gab es bei der zuständigen Hamburger Behörde mal eine dieser entsetzlichen Fräulein Rottenmeiers, die hunderte von Elternanwärtern mit ihrer Art in Angst und Schrecken versetzte, aber die ist inzwischen pensioniert, und sie hatte es immer nur mit einer reizenden, netten und offenen Dame zu tun. Zwischen den Feiertagen, das haben wir gestern abend beschlossen, gehen wir es an. Ich bin ziemlich aufgeregt, gespannt und gottfroh, dass ich jetzt etwas vor der Brust habe, das mich noch nervöser macht als die Frage, ob ich mein Weihnachtsessen so hinkriege wie gedacht, ob der Baum schief ist und ob Lili das Haus abfackelt.

Ich liege bei meiner Frauenärztin auf dem Stuhl zum zweiten Abstrich nach dem miesen PAP. Vorher habe ich drei Nächte lang schlecht geschlafen. Ich hatte das alles schon mal, und die Ärztin damals hat immer beruhigend auf mich eingeredet, dass das alles in soundsoviel Prozent der Fälle, also quasi immer, sich sowieso in Wohlgefallen auflöst, rarara, ei-ei, gaaanz ruhig, und am Ende stand erst eine OP und dann eine gynäkologische Akte, die plötzlich aufging wie Popcorn. Und jetzt wieder. Aber diesmal hatte sie tatsächlich gute Nachrichten: es scheint so, dass man inzwischen herausgefunden hat, dass in manchen Fällen (kommt wohl auch auf die Spielart des HPV-Virus an) auch bei Damen in unserem Alter eine Impfung noch Sinn hat. Bin ich gespannt, was diesmal rauskommt.

Man kann über diesen blöden Kinderwunsch sagen, was man will: langweilig wird es erst mal nicht.

Sonntag, 11. Dezember 2011

Dieser Post läuft unter den Labels "normales Leben" und "Kinderwunsch".

Ich balanciere, umdefiniere und jongliere im Moment mit zwei großen, dicken und schier übermächtigen Wünschen herum, die sich manchmal gegenseitig auszuschließen scheinen. Der eine ist der Wunsch nach einem Kind. Der andere ist der Wunsch, ein "normales", glückliches Leben zu führen mit Freunden, Beziehungen, Job, gutem Essen und Trinken und manchmal auch blödem, unkonstruktivem Herumlungern. Und meistens sieht es so aus, als ob für beide Wünsche gilt: haben oder nicht haben. Aus der Kombination dieser zwei Ausprägungen und der beiden Wünsche ergeben sich folgende Szenarien:

1. Ich lebe mein Leben und bekomme ein Kind, vielleicht sogar zwei oder sogar drei. Nein, wir wollen nicht gierig werden, das bringt schlechtgelaunte höhere Mächte und damit Unglück, zwei. Juchhu, zwei! Bzw. Juchhu, eins! (Man kann nie vorsichtig genug sein.)
2. Ich reiße mich wahnsinnig am Riemen und richte mein Leben komplett an dem Kinderwunsch aus. Ich esse und trinke so, als hätte ich entsprechende Gelübde geleistet, ich plane vorerst weder jobliche noch Reise-Eskapaden, ich vertröste Freunde, die was wollen, auf irgendwann in fünf Jahren, und ich widme mich mit dem gleichen Nachdruck, mit dem ich mich vorher meiner Freizeit, meinem Hund, meinem Mann und meinen Freunden gewidmet habe, irgend welchen Dingen, die angeblich - hört man - jedenfalls sagt das diese Frau da, diese... wie heißt sie noch... die Wahrscheinlichkeit ein klitzekleines bisschen erhöhen können, dass es doch noch klappt mit dem Kind. Und am Ende klappt es.
3. Ich lebe so weiter wie bisher, und aus irgendwelchen Gründen bekomme ich kein Kind, und zwar nie. Ich sterbe, und an meinem Grab weinen keine Enkel. All die Kuchen, die ich noch vorhabe zu backen, werde ich selbst essen müssen. Ich werde auch niemals jemandem das Fahrradfahren beibringen, es sei denn, der Hund zeigt Interesse. Dafür habe ich Urlaube, Freunde, einen Job, Sport und nicht zu vergessen, niemals zu vergessen: L.
4. Ich reiße mich genau so zusammen wie unter Szenario 2 beschrieben und bekomme trotzdem kein Kind.

Ich glaube, wir alle sind uns einigermaßen einig, dass Szenario 1 die dufteste aller Vorstellungen ist und Szenario 4 ein Albtraum, der uns so weder passieren darf noch passieren wird. Sind wir uns da einig? Worüber allerdings Uneinigkeit besteht - und zwar nicht nur unter uns hier im Blog, sondern auch manchmal unter mir (Dienstags) und mir (Mittwochs), ist die Frage, ob nun Szenario zwei besser ist als Szenario 3 und wie groß wir die Wahrscheinlichkeit einschätzen können, dass es das eine oder das andere wird. Meine Entscheidungsfindung wird glaube ich auch dadurch extrem getrübt, dass ich mir Szenario 3 irgendwie nicht vorstellen kann. Das heißt, ich glaube immer noch viel zu sehr - vermutlich weit über meine echten Möglichkeiten hinaus - daran, dass es irgendwann klappen wird. Wieso? Keine Ahnung. Vielleicht geht es mir noch zu gut. Vielleicht bin ich auf diesem Auge ein bisschen doof. Vielleicht aus Selbstschutz. Vielleicht tun uns die Stadtwerke etwas ins Trinkwasser, um uns bei Laune zu halten.
Dann gibt es aber auch solche Tage, da denke ich, zwar gibt es für die Kinderfrage wenig Freiheitsgrade - entweder, ich kriege ein Kind oder nicht. Aber die "Leben" vs. "esoterischer Superschmuh plus triste makrobiotische Ernährung minus Freunde, Freude und Flugreisen" - Variable hat ja vielleicht doch noch ein paar mehr Ausprägungen. Und die lote ich gerade ein bisschen aus.

Zurück von einem wunderschönen Minitrip nach Kopenhagen. Wir waren abends um elf im Bett. Ich habe insgesamt übern Daumen sechs alkoholische Getränke zu mir genommen. Wir haben lange Spaziergänge an der frischen Luft unternommen. Es gab viel Fisch (Omega-Dings-Fettsäuren und so, feine Sache) auf Vollkornbrot. Wir werden sehen, wie es läuft beim nächsten Mal Hormondisco.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Einer meiner ekligeren Ex-Chefs würde sagen: einfach mal den Finger in den Po gesteckt und die Temperatur gefühlt.

Wenn ich laufen gehe, ist alles gut. Es ist nicht nur so, dass ich mich hinterher den ganzen Tag lang unerträglich gut fühle, sondern ich bin auch eine der Ausnahmen, die wirklich GERNE laufen. Ich genieße diese 40 schweißgebadeten Minuten, höre meine Lieblingsmusik auf dem iphone, und zwischendurch erzählt mir die Frauenstimme von nikeplus, wie weit und wie schnell ich schon gelaufen bin. Wenn ich laufe, schlafe ich besser, bin konzentrierter, fühle mich vom Kopf bis zu den Zehen zuhause in meinem unfruchtbaren Körper, und fast das allerbeste daran ist: ich kann essen, was ich will, ohne mir Gedanken um meinen Körperumfang zu machen.
Man sollte meinen, es wäre selbstverständlich, dass ich jeden zweiten Tag laufe und es kaum abwarten kann. Trotzdem vergehen immer wieder Wochen, wenn nicht Monate, in denen ich nicht laufe.

Ich weiß, dass ich Weizen manchmal nicht gut vertrage. Ich bekomme oft innerhalb von Sekunden einen Sechs-Monats-Bauch, muss die halbe Nacht pupsen, dass mir die Augen tränen, und manchmal bekomme ich davon auch noch Pickel. Hat mich das jemals vom Kauf eines Mettbrötchens oder dem Verzehr einer Riesenrutsche Pasta abgehalten? Die Antwort lautet seltsamerweise: Nö.

Rauchen ist ungesund, widerlich, führt zu Krebs, macht hässliche Haut, und mit der Fruchtbarkeit macht es Sachen, vor denen meine Endometriose nur errötend den Hut ziehen kann. Trotzdem gibt es Abende - nicht jeden Tag, nicht jede Woche, sogar manchmal nicht mal jeden Monat - an denen ich das tun muss. Dann muss ich auf dem Weg zur Verabredung noch mal kurz links abbiegen und mir eine Schachtel American Spirits kaufen (in Orange, das sind dann Ökofluppen ohne irgendwelche Zusatzstoffe, und die in der leichtesten Sorte, echte Raucher und sogar Rote Gauloises-rauchende Romanistik-Studentinnen würden mich nicht mal angucken) und den Großteil dieser Schachtel vor der Tür der selbstverständlich Rauchverbots-Bar in den Vollmond pusten.

Ich schreibe einen Blog mit offener Kommentarfunktion, was bedeutet, dass hier jeder alles schreiben kann, was er will, und das, obwohl ich extrem dünnhäutig bin und ein negativer Kommentar mir gerne eine schlaflose Nacht beschert. In diesem Blog versuche ich, eine Art Online-Tagebuch zu führen. Das heißt, ich wache auf, bin in einer bestimmten Stimmung, gehe durch den Tag, und wenn sich irgendwo eine freie halbe Stunde findet, die ich nicht für ein gründliches Fußpeeling oder das kleine Großreinemachen nutzen will, dann schreibe ich einen Post über das, was mir gerade so durch das Hirn und durch den Bauch schießt. Das Ergebnis ist oft das Gegenteil von vielem, was ich am Vortag geschrieben habe. Ich wünsche mir von Herzen ein Kind, was sage ich, drei, und ich muss einiges auf mich nehmen, um vielleicht, mit viel Glück, meinem Ziel irgendwann näher zu kommen als mit einer Dreimonatsfehlgeburt. Ich schreibe hier viel Quatsch, aber wenn ich immer warten würde, bis ich einen rundum fundierten Beitrag parat hätte, dann würde ich vielleicht einmal im Monat posten. Ich weiß nicht, was euch hierher treibt, ich jedenfalls kann nicht anders. Und obwohl wirklich nichts Schlimmes passiert ist - ich glaube, ich bin eine von den verwöhntesten Bloggerinnen der Welt, bis auf den einen Troll hat mich niemand jemals hier öffentlich beschimpft oder ist mir sonstwie zu Nahe gekommen - geht mir sogar so ein Post wie der neulich von einer, die schrieb, sie wüsste auch nicht, was ich eigentlich sagen will und ob ich denn überhaupt ernsthaft Kinder wollte, an die Nieren. Vielleicht sollte ich das hier einfach lassen. Kann ich aber nicht und will ich auch nicht.

Ihr Lieben, damit will ich nicht sagen, ich möchte ab sofort nur noch Lob hören und Kritik ist verboten. Ich wollte nur - wie mit jedem Post - durchgeben, wie es mir gerade geht mit meinem lästigen Kinderwunsch und dem Terz drumherum. Das hier ist nicht die Duma, macht einfach so weiter. Ich mag euch gern.

Und nein, ich bin nicht betrunken. Es ist 18:34, Herrgott.