Sonntag, 30. Juni 2013

Und das, obwohl bisher niemand auf die Idee gekommen ist, ich könnte irgend etwas mit Brooke Shields gemeinsam haben, vielleicht abgesehen davon, dass wir beide keine großen Fans von Tom Cruise sind.

Hab ich gesagt, ich habe überhaupt keine Angst vor der Geburt? Ganz so stimmt das nicht. Ich habe keine Angst davor, dass es losgeht, während ich gerade am entferntesten Punkt des Hundespaziergangs bin und dass ich dann hilflos im Wald liege, denn meistens ist L. dabei und immer mein Telefon. Ich habe auch keine Angst, dass die Schmerzen überhaupt nicht auszuhalten sind, denn das haben schon ganz andere hingekriegt. Ich habe keine Angst vor schrecklichen Kunstfehlern, denn komischerweise haben vier Jahre Kinderwunschbehandlung mein grundsätzliches Vertrauen in die Ärzteschaft nicht erschüttern können. Außerdem habe ich "meine" Ärztin im Krankenhaus schon kennen gelernt (vorausgesetzt, sie ist da, wenn es losgeht) und die ist von der besten Sorte: patent, plietsch und mit wenig Neigung zum großen Drama. Ich glaube fest, wir schaffen das, Würmchen und ich.

Was mir Angst macht, ist etwas anderes. Vier Jahre - nein, inzwischen sind es schon fast fünf - habe ich auf den Moment hingefiebert, hingehofft, hingespritzt und hingezittert, in dem ich mein eigenes, von mir selbst ausgetragenees Kind in die Arme gelegt bekomme. Jetzt ist er fast da. Und meine größte Angst ist: was, wenn es nicht so ist, wie ich denke? Was, wenn es mir z.B. so geht wie Brooke Shields und vielen anderen Frauen, die plötzlich feststellen, dass sie das schreiende Würmchen auf dem Bauch liegen haben und es tut sich - NICHTS, aber auch garnichts? Was, wenn mir dieses kleine, schrumpelige, rotblaue Ding völlig fremd ist und auch erst mal bleibt? Was, wenn ich mein Kind sehe und in diesem Moment nur denken kann, was soll ich denn damit? Versteht mich nicht falsch, ich wünsche mir seit so langer Zeit nichts anderes so sehr wie dieses Kind. Und so ist das immer noch. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit ihm spreche, ihm sein Zimmer zeige, mit ihm durchs Haus laufe und ihm die Hunde erkläre. Ich tue fast nichts im Haus (abgesehen von den ca. 28 Klogängen täglich), bei dem ich mir nicht vorstelle, wie das wird, wenn wir das erst zusammen machen. Ich schiebe durch Edeka und denke, demnächst habe ich hier die Kinderkarre dabei. Ich gehe in den Keller und mache die Wäsche an und sage mir, dass das demnächst auch einhändig klappen wird, mit Würmchen auf der Hüfte. Ich glasiere einen Schoko-Nuss-Kuchen für den Besuch meiner Schwiegermutter heute und stelle mir vor, wie wir demnächst zu zweit im Teig manschen. Aber ich bin mir sicher, auch Brooke Shields hat sich auf ihr Kind gefreut und war bester Dinge. Vielleicht ist es albern, dass angesichts einer immer noch windschief sitzenden Plazenta und angesichts der bevorstehenden ersten Geburt meines Lebens mit 40 Jahren DAS meine größte Sorge ist. Aber albern oder nicht, so ist es. Das und die Angst, dass irgend etwas mit Würmchen nicht in Ordnung ist. Denn vielleicht kann ich es immer noch nicht ganz glauben, dass ausgerechnet ich so ein Glück haben soll. Da draußen wimmelt es von Abkürzungsdamen, die das bestimmt alle viel besser gemacht haben als ich. Die brav und ohne Lästerei seit Jahren zum TCM-Onkel gehen, die ihre Ernährung komplett umgestellt haben, obwohl sie genau so verfressen sind wie ich, die sich die Behandlung vom Mund absparen mussten und die jedem Tipp zur Erhöhung der Fruchtbarkeit gefolgt sind, und sei er ihnen noch so rammdösig vorgekommen. Die seit Jahren nicht mehr die Nacht zum Tag gemacht haben, sich aus dem Raum entfernen, wenn jemand eine Zigarette ansteckt (und damit meine ich nicht, dass sie zum Rauchen nach draußen gegangen sind), die ihre Wände sicherheitshalber mit dreimal so teurer Biofarbe gestrichen haben, die schon gar nicht mehr wissen, wie Kaffee riecht. Und dann komme ich. Da kann doch was nicht stimmen. Irgend einen Knüller muss doch die Welt für mich in der Hinterhand haben. Irgend einen kleinen, fiesen Haken.

Würmchen, für Dich ist der Fall jetzt schon klar: der Haken ist, deine Mutter hat einen gewaltigen Knall.

Freitag, 28. Juni 2013

Szenario 1 bis 4.

Nach dem Termin heute in der Geburtsklinik stellt sich die Lage folgendermaßen dar: die Plazenta sitzt neun Milimeter vom Muttermund entfernt. Der Grenzwert ist eigentlich ein Centimeter, da fehlt also ein Milimeterchen. Ich habe jetzt einen Termin für einen geplanten Kaiserschnitt am 12.7., und am 11.7. muss ich sowieso hin zur Narkosebesprechung. Bei dieser Gelegenheit wird noch mal ein Ultraschall gemacht, um nachzusehen, ob sich daran noch was getan hat.

Szenario 1:
Am 11. ist alles beim Alten, die Plazenta sitzt immer noch zu dicht am Muttermund. Dann machen wir am 12. einen Kaiserschnitt. 12. Juli, schönes Geburtsdatum, finde ich! Dafür habe ich dann ein Jahr verordnete Zwangspause in Sachen Kinderwunsch. Das würde zwar einerseits mit ziemlicher Sicherheit bedeuten, dass es das war mit dem Kindersegen. Andererseits ist das vielleicht gar nicht so schlecht für meine hormonzerfressene Seele, mal eine Weile lang nicht darüber nachzudenken und einige Entscheidungen weniger zu treffen zu haben.

Szenario 2:
Am 11. sehen wir, dass die Plazenta sich weiter nach oben gezogen hat. Dann sagen wir den Termin am 12. ab und warten, was passiert. Und wer weiß, vielleicht macht es sich ja schon am 13. von alleine auf den Weg.

Szenario 3:
Es geht los, und zwar schon vor dem Termin am 11.
Dann sollten L. und ich zusehen, dass wir uns gleich aufmachen - also nichts mehr mit noch mal schlafen legen, Nudeln kochen, duschen und all dem anderen, was man aufgeregten Erstgebärenden so rät, sondern los. Wir versuchen es dann erst mal "normal". Die Chance, dass es dabei dann zu Blutungen kommt, liegt bei 30% gegenüber 15% bei einer günstiger liegenden Plazenta. Ich habe also ziemlich reelle Chancen, Würmchen auf herkömmlichem Weg in die Welt zu pressen.

Szenario 4:
Wir versuchen es auf herkömmlichem Weg, und ich bekomme Blutungen. Passiert das, bedeutet das auch nicht sofort Tod und Verderben für mich, sondern eben einfach, dass wir dann einen schnellen Kaiserschnitt machen und ich evtl. Blutkonserven brauche. Dazu kann es natürlich auch kommen, wenn wir den Kaiserschnitt am 12. absagen und es danach spontan oder eingeleitet versuchen.

Ich habe keine Ahnung, woher die nun wieder kommt. Aber hier macht sich gerade so eine große, schöne Ruhe breit. Vielleicht bekomme ich mein Kind per Kaiserschnitt. Vielleicht auch nicht. Ich lasse mich überraschen. Der Klinikkoffer ist gepackt, die Handwerker haben sich ins Wochenende verabschiedet, der Fensterboss hat unsere Standpauke mit angemessener Demut über sich ergehen lassen, wird uns beim Preis entgegen kommen und schickt ab Montag drei Leute mehr, das Wetter ist eh zu mies, um draußen in irgend einer Form aktiv zu werden. Die Berge von Stramplern von L.s Cousine sind nun zum zweiten Mal gewaschen, getrocknet und sortiert, und weil sie im ersten Stock nun fertig sind, zumindest innen, werden sie auch erst wieder von ihrem neuen Eigentümer verdreckt. Ich weiß nicht, warum ich keine Angst habe, aber habe ich nicht. Meine einzige Sorge ist, ob an Würmchen alles dran ist, ob es ihm gut geht und ob es tatsächlich so wird, ihn im Arm zu halten, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Der Rest wird sich finden. Und jetzt koche ich mir noch einen schönen Schoko-Yogitee, der scheint mir an dieser für mich völlig untypischen Gemütsruhe nicht ganz unschuldig zu sein.

Donnerstag, 27. Juni 2013

Sogar die verdammte Tastatur ist eingestaubt. Und der Rechner war zugeklappt. Zugeklappt!

Würmchen wiegt jetzt 3.200 Gramm und kann laut Ärztin jederzeit kommen, auch wenn sie noch kein konkretes Anzeichen entdecken konnte, dass es in den nächsten zehn Minuten losgeht. Der Wehenschreiber war unauffällig, er zappelt immer noch kräftig, und die Senkwehen können zwar alles mögliche gewesen sein, aber eben keine Senkwehen, denn der Kopf sitzt immer noch nicht fest im Becken. Was bedeutet, wenn es losgeht und die Fruchtblase platzt, muss ich im Liegen und damit im Krankenwagen ins Krankenhaus. Morgen fahre ich aber erst mal in meiner eigenen schäbbigen Schüssel und sitzend da hin, denn dann habe ich einen weiteren Termin, bei dem festgestellt werden soll, wie tief genau die Plazenta nun sitzt und was das heißt. Meine Ärztin war nicht begeistert von ihrer Lage, hat sich noch mit einem Kollegen besprochen und ist zu der Ansicht gelangt, dass das die Füchse aus der Geburtshilfe besser beurteilen können. Den nächsten regulären Arzttermin habe ich am Stichtag, das heißt am 12.7., und ab da muss ich alle zwei Tage kommen, es sei denn, Würmchen bequemt sich. Ich war außerdem begeistert zu hören, dass in meiner neuen Praxis längstens sieben Tage über Termin gewartet wird, dann schicken sie einen ins Krankenhaus zur Einleitung. Die Vorstellung, fast zwei Wochen auf glühendem Klinikkoffer zu sitzen, fand ich noch nie verlockend. Auch wenn hier immer noch... aber das ist eine andere Geschichte.

Ich wundere mich inzwischen, dass man nicht öfter in der Zeitung liest von Menschen, die sich von hinten an Handwerker heranschleichen und sie mit Bademantelgürteln, Bratpfannen oder Flaschen zur Strecke bringen. Ich neige nicht zu körperlicher Gewalt, aber der Impuls ist inzwischen da. "In einer Woche schaffen wir es wohl nicht" hatte der beflissene Projektleiter damals im Dezember zu uns gesagt. "Aber in zwei auf JEDEN Fall." Jetzt sind die Fensterfüchse die sechste Woche hier, und ein Ende ist nicht abzusehen. Gestern kamen plötzlich statt der inzwischen schon vertrauten anderen Vögel ein ca. zwölfjähriger Gehilfe und ein mir noch fremder Mann, die uns vorgestellt wurden als Mitarbeiter einer ganz anderen Tischlerfirma. Unsere Fensterfüchse sind inzwischen auf einer anderen Baustelle verplant, die beiden sind der Ersatz. Sie haben noch nie mit unserer Fensterfirma gearbeitet und umgekehrt. Wäre ich auch selbst drauf gekommen, nachdem sie den ganzen Tag das Haus in Lärm und Staub gehüllt haben und trotzdem nicht mehr als sechs einfache, angeschrägte Bretter an zwei Fenster montiert haben. Morgens hatte ich ihnen noch gesagt (die Putzarie von gestern noch in den Neunmonatsknochen), sie sollten bitte, bitte darauf achten, den Tag über alle Türen hinter sich zuzumachen, damit der Staub nicht in jedes einzelne Zimmer und in jede Ritze quillt. Ergebnis war, dass alles offen stand. Sogar das Kinderzimmer, und in dem hatten sie noch nicht mal zu tun. So dass ich jetzt noch mal die ca. achtzig Strampler und winzigkkleinen Babyschühchen usw., die uns L.s Cousine geschickt hat, waschen, trocknen, falten und anhand ausgebleichter Größenschildchen sortieren muss. Das wird zusätzlich erschwert dadurch, dass der Weg zur Waschmaschine inzwischen völlig verbaut ist mit riesigen Handwerkergeräten, die in unserem Keller zwischengelagert werden. Inzwischen betrachte ich die Aussicht auf die Geburt als willkommene Chance, mal ein paar Stunden ohne Handwerker zu verbringen. Ich hoffe jedenfalls, der Kreißsaal wird nicht gerade neu gekachelt, während ich da liege.
Morgen kommt der Chef der Fensterfirma persönlich hierher, und dann werde ich ihm mal was erzählen. Ein einziges Mal während dieser Monate will ich die Schwangerenkarte voll ausspielen, und er bekommt sie morgen links und rechts um die Ohren. Seit meiner Schulzeit hatte ich nicht mehr sechs Wochen am Stück frei, verdammt. Ich hatte mich seit Dezember auf den Mutterschutz gefreut. Diese Zeit sollte dazu da sein, sich zu sammeln, zu schonen, noch ein paar letzte schöne Dinge in Freiheit zu genießen und sich behaglich auf das Baby zu freuen. Ich dachte, ich verbringe diese Zeit mit einer Gala auf der Couch. Oder mit L. in der Heide. Oder mit meinen Mädchen rippchenessend beim Portugiesen. Stattdessen verbringe ich diese Zeit damit, von fremden Männern auf dem Klo überrascht zu werden, fast täglich um halb sieben aufstehen zu müssen und einen niemals endenden Kampf gegen den Staub zu führen. Und das ist einzig und allein die Schuld dieser beschissenen Fensterfirma. Da kann einem schon mal der Bademantelgürtel ausrutschen, oder?

Außerdem habe ich noch einen Tipp für ein gesundes Sommergetränk: Neulich hatte ich vergessen, dass ich mir einen ganzen Topf Yogi Chai Tee Schoko gekocht hatte. Den losen, nicht den aus Beuteln. Man streut zwei Teelöffel in einen Topf voll Wasser und lässt das alles 10-15 Minuten kochen, woraufhin ein großartiger Duft das ganze Haus durchzieht. Der Topf stand jedenfalls am nächsten Morgen immer noch da. So geht das Getränk: man rührt eine individuelle Menge Honig in den Tee (geht besser, wenn er noch etwas warm ist), nimmt sich ein großes Glas mit Eiswürfeln, füllt es durch ein Teesieb zu zwei Dritteln mit dem zart gesüßten, abgekühlten Yogitee und gießt das Ganze mit kalter Milch auf. Ich trinke davon im Moment ca. zwei Liter am Tag. (Nein, unbekannte und sicher wohlmeinende Kommentatorin, Yogi Chai ist ein reiner Gewürztee und koffeinfrei. Frei, sage ich!)

Mittwoch, 26. Juni 2013

Gestern, im Supermarkt an der Kasse:

Ich (lade meine Einkäufe aufs Band, unter anderem zwei Flaschen Chianti, von denen eine halbe in die Puttanesca-Sauce zur Pasta wandern soll, der Rest in meinen Besuch heute Abend): "Tüdelü, Dumdidum..."
Mir fremde Frau, herrisch: "Sind Sie sicher, dass Sie das als Schwangere trinken sollten?"

Tja, und nun? Ich schwanke zwischen folgenden Antworten:
1. Ich Depp! Hab ich völlig vergessen, dass schwangere Frauen keine Gäste haben dürfen. Da kann ich mich nur vorbehaltlos entschuldigen und Sie herzlich bitten, dass das unter uns zwei Hübschen bleibt.
2. Sind Sie sicher, dass Sie das was angeht?
3. Ja, leider. Ich muss meinen Pegel halten, und die halbe Flasche Sprit von heute morgen ist auch schon fast verstoffwechselt.
4. Wieso schwanger? Wer ist hier schwanger? Oh mein Gott, sie meinen...
5. Lieber den Barolo, meinen Sie? Hab ich auch schon drüber nachgedacht.
6. (unter heftigen Tränen) Ich bin nicht schwanger! Aber stolz auf meinen Körper!

Usw. usf.

Die einzige, ziemlich langweilige und geistlose Antwort, die mir in meiner Verblüffung einfiel, war:
7. (ungefähr in dem Ton, in dem man auch "Fresse!" sagen würde) Yep.

Ich weiß, es könnte schlimmer sein. Holly von "Nothing but bonfires", selbst in der 36. Woche, berichtete gestern von einer Frau, die sie daran hindern wollte, bei Starbucks ein Schokomuffin zu kaufen. Wegen des Koffeins in der Schokolade, falls ihr euch fragt (ich hab mich nämlich gefragt). Ich hab auch schon mal eine Frau auf der Straße getroffen, die mir am liebsten meinen koffeinfreien Frappucino aus der Hand geschlagen hätte.

p.s. bevor sich hier eine berufen fühlt: Meine Puttanesca blubberte bestimmt anderthalb Stunden fröhlich und meine Ölflaschen, Mehlgefäße, Senfgläser und Besteckhumpen mit kleinen roten Spritzern bekleckernd vor sich hin, bevor wir sie gegessen haben. Da bleibt kein Promillchen übrig.


Dann hab ich noch zu berichten von meinen Senkwehen. Jedenfalls denke ich, das waren Senkwehen. Nach einem knüppelvollen Tag gestern (Waren Handwerker da? War es laut? Und dreckig? Hatte ich mehrfach gegen all den Staub anzuputzen und außerdem noch achtzig andere Dinge zu erledigen? Ja, ja und ja.) lag ich irgendwann um kurz vor Mitternacht endlich im Bett und dachte: Au Backe. Es zog so mittig, ungefähr ab Bauchnabel und dann die zehn Zentimeter abwärts, und zum ersten Mal habe ich einen Eindruck davon bekommen, was passiert, wenn ein Organ, das man trotz seiner vielfältiger Interessen und Hobbies (Myome. Endometriose.) sonst so gar nicht wahrnimmt, mal die Muskeln spielen lässt. Heute morgen bin ich aufgestanden und hatte den deutlichen Eindruck, der Schwerpunkt meines Bauchs hat sich ungefähr fünf Zentimeter nach unten verlagert. Und Würmchen hält verdächtig still. Nicht völlig still (ratet mal, wie oft ich ihn seit dem Aufstehen schon mit dem Zeigefinger gepiekt habe, um sicherzugehen, dass er noch lebt), aber irgendwie eingeschüchtert. Vermutlich war das für ihn auch anstrengend. In einer halben Stunde mache ich mich auf in die Stadt zu meiner Gynäkologin, die mir hoffentlich bestätigt, dass er jetzt endlich fest mit dem Kopf tief im Becken sitzt. Schluss mit dem Getobe! Wir sammeln unsere Kräfte jetzt für den Endspurt.

Hach, Bloggen macht durstig. Wo ist jetzt der Rest von diesem Chianti?


Dienstag, 25. Juni 2013

Bock auf Spülhände, irgendwer?

Scheinbar hatte ich längst sehnsüchtig darauf gewartet, denn als der Handwerker gerade aus der Küche rief "Ich mach mal Frühstück, ok?" hatte ich kurz den Reflex, zurückzurufen "Supi, ich nehme gerne zwei Scheiben Knäcke mit gesalzener Butter und ein gekochtes Ei! Danke!", bevor mir klar wurde, so war das nicht gemeint. Ihr müsst nämlich wissen, das kommt bei uns nicht vor: jemand anderes als ich macht Frühstück, und ich darf mir aussuchen, was ich will. Vielleicht bin ich deshalb immer fast fiepig vor Ungeduld, wenn L. und ich mal in einem Hotel mit Frühstück übernachten und er morgens nicht aus den Federn kommt, während ich genau weiß, dass mit jeder weiteren Viertelstunde die Chance auf unverschwitzten Käse und frisches Rührei sinkt. Versteht mich nicht falsch: ich mache gerne Frühstück, und das ist vermutlich Teil der Erklärung dafür, warum ich es heute IMMER tue und L. NIE. Und bitte denkt nicht, L. würde in diesem Haus keinen Finger rühren. Im Moment ist er beispielsweise seit Monaten mein Packesel, der alles trägt, was ich nicht tragen kann, und das ist eine Menge. Er ist für so gut wie alles zuständig, was mit Organisation zu tun hat, er fällt Bäume, er karrt irgendwelchen Mist zum Recyclinghof, er fährt mit den Hunden zum Hundefriseur, er sitzt nicht den ganzen Tag auf dem Sofa und lässt sich die Pantoffeln hinterhertragen. Aber alles, was unter das Stichwort "Hausarbeit" fällt, ist mein Metier, und ehrlich gesagt habe ich das so weder gewollt noch entschieden. Es kommt zwar vor, dass L. einen Rappel bekommt und beschließt, dass jetzt der Kühlschrank geputzt oder das Wohnzimmer gesaugt wird, aber es endet für gewöhnlich damit, dass der komplette Inhalt des Kühlschranks auf der Küchenablage steht, während innen alles beim Alten ist, oder dass der Staubsauger einfach zwei Wochen im ungesaugten Wohnzimmer steht. Vor Weihnachten hat unsere Putzfrau uns irgendwann verkündet, dass sie die Haare von Pflegehund Momo leider nicht verträgt (eigentlich haaren Airedales nicht, aber Momo ist wohl auch in dieser Beziehung anders) und uns verlassen. Damals hat L. gesagt, das wäre überhaupt kein Problem, er würde einfach ihre montäglichen Aufgaben übernehmen. Wir würden in Zukunft Sonntags Nachmittags aufräumen, und er würde dann Montags alles fegen und putzen, während ich in der Stadt arbeite. Das ist bisher null mal passiert, und das wird auch in Zukunft nicht passieren. L. ist schon imstande, sich stundenlang mit häuslicher Arbeit zu beschäftigen, nur sieht er seine Aufgabe dabei irgendwie anders. Ich bin der schlichtgestrickten Überzeugung, beim Putzen ginge es darum, zwei-drei Stunden mit Seifenwasser und Schwämmen und Mopps und Besen zu hantieren, und danach ist der Fußboden, das Waschbecken, die Küchenablage und die Dusche sauber. Bei L. läuft das irgendwie anders. Er hat stundenlang aufgeräumt! (Hat er wirklich, er ist der ehrlichste Mensch der Welt und keiner Schwindelei fähig. Wenn er sagt, er hat stundenlang aufgeräumt, dann hat er stundenlang aufgeräumt.) Und trotzdem liegen die Staubmäuse in den Ecken der Treppenstufen noch genau so da wie vorher, die Waschbecken sind voller Kalk und die Spülmaschine weder aus- noch eingeräumt. Ich weiß, ich tue ihm Unrecht. Aber trotzdem bekomme ich es gerade ein bisschen mit der Angst, wenn ich nachts so daliege und nicht weiß, ob dieses ulkige Ziepen im Bauch jetzt schon eine Wehe ist oder nur ein ulkiges Ziepen. Denn Babys haben die Eigenschaft, das Ausmaß von erforderlicher Hausarbeit mit einem Schlag zu verdreifachen. Erstens brauchen sie eine saubere Umgebung. Zweitens saugen sie Mutti mit der Muttermilch die Energie aus, ständig mal hier längszuwischen und mal da etwas mit in den Keller zu nehmen, wenn sie sowieso auf dem Weg dorthin ist, dann bleibt mehr liegen, und das alles türmt sich ruckzuck zu einem Riesenbatzen auf. Drittens machen sie selbst auch Dreck: Fläschchengerümpel, Windelgerümpel, Kinderwagenmatschspuren, vollgekackte Strampler und Milchschwälle auf vor fünf Minuten frisch gebügelt angezogenen Oberteilen. Vielleicht findet sich ja alles, und ich muss mich entspannen. (Mich entspannen zu müssen, ist eine meiner Hassübungen.) Vielleicht legt der Anblick seines eigenen Würmchens in L. einen Schalter um, und er wird zum welteifrigsten Spülmaschineneinräumer. Vielleicht endet das alles mit Tränen und Gebrüll. Ach so, ihr meint, ich soll das mit ihm besprechen? Das wäre vielleicht mal eine Idee. Hätten wir dieses Gespräch nicht schon ungefähr 180Millionen mal geführt. Ex-Abkürzungsdamen, wie lief das bei euch mit dem unsexiesten Thema der Welt: was wird mit der Hausarbeit, wenn das Baby da ist?

Sonntag, 23. Juni 2013

Es heißt doch immer, man sollte die letzte babyfreie Zeit genießen.

Was ich hiermit tue: mit einem babyfreien Post. Bekanntermaßen steht die Welt nicht auf Mütter, die nur noch über ihre Blagen reden, darum dachte ich mir: heute versuche ich mal, über den Rand meines Neunmonatsbauchs (Da. Schon wieder.) hinwegzusehen und mich ausschließlich um wenn auch ungeordnete Themen zu kümmern, die mit Babys nichts zu tun haben. Oder mit Geburten. Oder Schwangerschaft.

1. Die Mia.
Ich konnte es kaum erwarten, dass sie endlich ankommt. Dann konnte ich es kaum erwarten, dass der UK-Adapter dazu geliefert wird. Dann, dass sie endlich aufgeladen ist. Von einem Bein aufs andere hüpfend, habe ich den Ladevorgang überwacht. Dann ging es los. Anfangs war ich vollkommen begeistert, ich habe mich jeden Abend darauf gefreut, mir endlich das Gesicht elektrisch reinigen zu dürfen. Dann habe ich verschiedenes festgestellt: Die Bürste kann auf die Dauer ganz schön schubbern, vor allem auf den roten Stellen an meinen Wangen. So dass es besser ist, das wirklich nur einmal am Tag zu machen und nicht, wie eigentlich vorgesehen, zweimal am Tag. (Es gab eine Zwischenphase, in der ich dachte, das ist vielleicht wie Fasten: man muss da jetzt durch auf die harte Tour, um am anderen Ende gestärkt und rötungsfrei hervorzugehen. In dieser Phase habe ich trotz Schubbern zweimal täglich die Bürste genommen, aber nach einer Woche war es nicht besser, eher im Gegenteil, und ich bin zurück auf einmal täglich gegangen.) Ich wollte, dass es funktioniert. Und zum Teil hat es das ja auch, die Haut war glatt und pickelfrei, und das blitzsaubere Gefühl nach einem Tag voller Make-Up, Schweiß und Geschmiere ist schwer zu beschreiben oder zu toppen. Trotzdem nagten erste Zweifel an mir. Dann habe ich festgestellt, dass nicht jedes Waschgel gleich gut mit der Bürste funktioniert. Mein Toleriane-Waschgel für empfindliche Haut von Roche-Posay z.B. geht fabelhaft damit. Das Rosaliac-Gel gegen Rötungen dagegen, das eigentlich ohne Wasser angewendet werden soll, naturgemäß nicht so. Und das Honig-Waschgel von Nuxe ist irgendwie zu aggressiv mit Bürste, wovon ohne Bürste nichts zu spüren ist. Aber dann. Dann habe ich im klugen Internet recherchiert und mir zusätzlich zu der mitgelieferten sensitive-Bürste eine weichere delicate-Bürste bestellt. Und jetzt ist alles sowas von gut. Ich predige die Mia wie ein wiedergeborener amerikanischer Jesusspinner. Ich verwende sie zweimal täglich, mit dem Waschgel, das gerade in der Nähe steht, und kann mir das natürlich auch einbilden, aber ich glaube, meine Haut wird jeden Tag ein bisschen besser. Weniger rot, weniger Pickelchen, selbst in der Sommerhitze, da habe ich sonst immer welche! Weniger Fältchen um die Augen, weniger... ach, alles, was nervt, verschwindet langsam. Nichts schubbert, und nach der Reinigung ist die Haut so glatt, dass ich ständig hinfassen muss, und trotzdem keine Pickel... die Mia kommt jetzt übrigens nach Deutschland, habe ich mir sagen lassen. Bei Douglas soll man sie online kriegen, die Bürstchen gibt es da wohl jetzt schon.

2. Das große Fressen.
100 neue Rezepte wollte ich in einem Jahr ausprobieren. Leider bin ich mit dem Aufschreiben ein bisschen hinterher, aber ich bin mir ziemlich sicher, mindestens dreißig sind es bis jetzt. Dabei zähle ich solche nicht mit, die aus der Lamäng entstanden sind. Nein, es muss korrekt zugehen: Kochbuch aufschlagen, Rezept finden, Zutaten ranschaffen, nachkochen. Die Sache ist nur die: ich glaube inzwischen, ich brauche Stress zum Kochen. Diese lange Zeit ohne nervtötende Arbeitstage macht so schön entspannt. Da sinkt der Druck, unbedingt wenigstens den Abend noch irgendwie mit etwas Leckerem und Interessantem zu vergolden. Auch die Wochenenden, an denen ich früher imstande war, in reiner Montagspanik schnell-schnell vier warme Mahlzeiten unterzubringen, sind so ruhig und völlig in Ordnung, wie sie sind... es gibt Sonntage, da frühstücke ich Wassermelone, esse mittags zwei Toasts mit Käse, nachmittags gehen wir gemütlich ein kleines Eis essen und abends gibt es noch mal Wassermelone. (Und ich wundere mich, dass ich nicht so richtig zunehme.) Sollte es tatsächlich Stress sein, der mir fehlt, dann wird es in der Küche rund gehen, wenn Würmchen erst da ist. Vielleicht liegt es aber auch an den Handwerkern, die in jedem Zimmer des Hauses zu jeder Tageszeit auftauchen können, auch in der Küche. Die stören mich. Und zwar gewaltig. Man kann nicht entspannt vor sich hinschnibbeln und hinrühren, wenn die immer da sind.

3. Der epileptische Hund.
Vor vier Wochen hatte Momo noch einen Anfall, in der unvergesslichen Nacht, als L. so bumsvoll war und ich völlig verzweifelt, dass nun das Luminal vielleicht doch nicht anschlägt. Jetzt haben wir uns wieder beruhigt und sind vorsichtig optimistisch. Mit zwei Luminal am Tag, eine morgens und eine abends, kommt sie gut zurecht. Ich zumindest kann nicht finden, dass sie müder oder stumpfer ist als vor den Tabletten. Morgens ist sie am quirligsten, dann machen beide Hunde nach dem ersten Gang und Frühstück einträchtig ein Rätzchen, mittags auf dem Spaziergang ist sie mal ein bisschen trottelig, mal tobt sie durchs Unterholz je nach Tagesform, und Abends gegen halb zehn geht sie schlafen. Ich weiß, dass das Internet aus allen Nähten platzt vor Leuten, die der Meinung sind, Luminal dürfte man einem Hund nicht geben, und überhaupt sind Tabletten des Teufels. Letzte Woche habe ich erst wieder den Fehler begangen, aus einem anderen Grund danach zu googeln, und saß dann fassungslos vor einem Forum, in dem ein völlig verzweifeltes Dalmatiner-Frauchen, dessen Hündin heftige Anfälle hat und seit zwei Tagen Luminal bekommt, sich in ihrer Not an die Runde gewendet hat, ob "das jetzt so bleibt", und statt ihr zu erklären, dass sie auf jeden Fall die Eingewöhnungsphase abwarten und ansonsten entweder auf ihren Tierarzt hören oder sich einen anderen suchen und dann eben auf den hören soll, wurde ihr von irgendwelchen Mausebärchen1972s und Fetzi09s nicht geraten, sondern eher befohlen, jetzt sofort Luminal abzusetzen. Und ich befürchte, sie ist dem Rat gefolgt. Bei uns liegt der Fall so: ohne Luminal hatte der Hund zuletzt Cluster-Anfälle, das heißt Anfälle, bei denen ein Anfall fast direkt in den nächsten übergeht. Zu viel davon, und das Nervensystem wird irreparabel geschädigt, ganz davon abgesehen, dass der Hund völlig verängstigt, verspannt und von der Rolle war. Nach dem letzten Cluster musste sie vier Tage in einem Käfig im Keller einer Tierklinik zubringen, hing am Tropf und stand unter ständiger Beobachtung. Mit Luminal ist für uns als Herrchen und Frauchen, die den ganzen Tag mit ihr zusammen sind, überhaupt kein Unterschied zu der Zeit vor der Epilepsie festzustellen. Sie ist fröhlich und unternehmungslustig und, auch nicht unwichtig, über Wochen anfallsfrei. Natürlich ist das nicht schön, dass es nur mit Tabletten geht. Natürlich finde ich das nicht toll, dass ich als Schwangere die laut Beipackzettel nur mit Gummihandschuhen anfassen darf. (Auch wenn ich mich manchmal frage; ehrlich? Trockene Tabletten? Und wenn ich mir sofort danach die Hände waschen würde? Aber gut...) Oder dass wir uns wirklich ziemlich eisern an einen 12-Stunden-Rhythmus halten müssen, damit der Pegel im Blut auf konstantem Niveau bleibt. Aber das ist alles Pipifax im Vergleich zu der Belastung für uns alle, jede Nacht bei jedem kleinen Geräusch hochzuschrecken in der Panik, dass das wieder ein Anfall ist.

4. Der Sommer danach.
Vorletzten Sommer waren wir Mädchen zusammen auf einer Finca, das war himmlisch. Letztes Jahr waren wir zusammen in der Heide, das war zwar theoretisch auch himmlisch, aber nicht ganz unproblematisch und davon abgesehen auch leider nicht das Gleiche. Dieses Jahr hatte ich den Mädchen eigentlich dringend ans Herz gelegt, den Urlaub ohne mich zu machen, den sie mit mir nicht machen können: den mit acht Stunden Strand und Sonne am Tag, abends in die Strand-Disse und urlaubsflirten, und das alles in einem Häuschen, in dem die Küche aus nicht mehr als zwei Kochplatten und einem Kühlschrank mit Eisfach bestehen muss und das entsprechend spottbillig ist. Haben sie das so gemacht? Haben sie nicht. Und dabei haben wir alle solches Urlaubsheimweh, dass es nur so kracht. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei. Und ich recherchiere und recherchiere. Ich sage zu L. "puh, ist das anstrengend, mit dem Bauch in dieser Hitze, ich muss mich wohl mal hinlegen" und dann renne ich kichernd ins Schlafzimmer, Tür zu, Rechner auf und recherchiere. Im Moment hat Sizilien die Nase vorne, aber auch an Elba habe ich liebe Erinnerungen. Und jetzt kommt's: Tipps sind erwünscht! Hat eine der Damen einen guten Anbieter von Ferienhäusern auf Sizilien und/oder Elba an der Hand? Sardinien wäre auch gut. Die Häuser sollten schön, sauber und nah an der Küste sein, am allerallerliebsten mit fußläufigem Zugang zum Meer, und wenn es dann auch noch einen Pool gibt (ich weiß, in Italien nicht so häufig), um so besser. Und wir brauchen dringend einen hübschen kleinen Ort in der Nähe, durch den wir abends noch schlendern können, wo wir unter freiem Himmel Linguine alle Vongole essen und hinterher auf dem Heimweg an einer schönen Granita nuckeln können.

Ich könnte mich auf den Kopf stellen, aber mir fällt kein fünfter Punkt mehr ein, der keinen Babybezug hat. Das haben Schwangerschaften wohl so an sich, sie machen sich breit, nicht nur im Bauch, sondern auch im Kopf und im Blog. Aber immerhin, der Versuch zählt!

Samstag, 22. Juni 2013

Eigentlich wollte ich doch nur eine kleine Fahrt mit Baby ins Grüne machen.

In unserem Vorort ist Dienstags und Samstags Markt. Meine Gefühle gegenüber diesem Markt sind gemischt: es sollte Spaß machen, tut es aber nicht immer. Wenn man wie ich gerne kocht und Kochbücher und Kochsendungen verschlingt, bekommt man den Eindruck, jeder echte Fressack müsste auf Märkte stehen. So frisch! So vielfältig! So günstig! Ich habe den dumpfen Verdacht, die Hälfte aller Standbetreiber kauft genau so auf dem Großmarkt ein wie jeder normale Fisch- und Gemüsehändler auch, verkauft den Kram aber gegenüber Edeka mit teilweise deutlichem Aufpreis für's schöne Einkaufsgefühl. Und während der treue Gemüsehändler jeden Tag da ist und hofft, seine gewaltigen taufrischen Bunde Minze und seinen Knoblauch an den Mann zu bringen, schneien die Marktleute nur ab und an mal rein, und zum Dank stürzen sich alle darauf. Gleich zu Anfang des Marktes steht immer ein Mann, der vermutlich per Mehrheitsbeschluss an den Rand verbannt wird, mit einem Stand, an dem er Schlachtabfälle für Hunde verkauft. Allerlei Gekröse, Hälse, Mägen, sowas. Es stinkt erbärmlich, und er selbst hat den Geruch längst für immer angenommen. Auch eine dreiwöchige Dauerdusche mit meinem guten Pfefferminzduschgel plus zwischengeschalteten Saunagängen und Salzpeelings könnte da nichts ausrichten, da bin ich mir sicher. Als wir gerade erst hergezogen waren, habe ich die junge Lili manchmal mit auf den Markt genommen und ihr als mustergültiges Frauchen sogar ab und zu etwas da gekauft. Ich wäre beinahe umgefallen, was das kostet. Es stellt sich heraus, dass man auf unserem Markt schon angegammelte Schlachtabfälle ungefähr so teuer bezahlt wie feines demeter-Rumpsteak ein paar Stände weiter. Vier mickrige Stückchen getrockneter Ochsenziemer? 11,76 bitte. Schön sind die Fischstände, aber gerade leide ich ein bisschen vor der Auslage, denn gerade hat die Matjes-Zeit wieder begonnen, und Matjes und Krabbensalat und schöner Lachs in Sashimi-Qualität und all das sind immer noch verboten. Verboten, verboten, verboten, ich konnte das noch nie leiden, wenn irgendwas verboten ist, schon gar nicht, wenn es mit Essen zu tun hat. An den Obstständen ist die Auswahl zwar raffinierter präsentiert, aber trotzdem kleiner als bei meinem netten Gemüsetürken, fast immer gibt es irgendwas nicht, was ich brauche, so dass ich dann mit den Taschen voller Fremdgemüse noch zu einem anderen Stand (oder mit rotem Kopf zum Türken, der über diese Treulosigkeit immer hinweglächelt) muss. Außerdem führt der Markt mir immer wieder vor Augen, dass ich am Herd doch noch nicht so weit bin, wie ich gerne wäre: Körbchen übern Arm, loslaufen, gucken was es gibt und dann improvisiert einkaufen, daran erkennt man ja wohl den Könner (und daran, dass er in seiner eigenen Kochsendung ständig Gemüseleute und Fischmänner mit Vornamen begrüßt). Bei mir endet ein Marktgang immer damit, dass ich zu viele verschiedene Dinge einkaufe, weil sie gut aussehen, und am Ende feststelle, dass ich jetzt zwei Drittel der Zutaten für ca. acht Rezepte zusammen habe, aber leider für kein einziges alle.

Und hier kommt Würmchen ins Spiel. Würmchen hindert mich nicht nur am Matjesessen, sondern auch daran, elf Kilo Rezeptbruchstücke nach Hause zu wuchten. Mit Würmchen im Bauch kaufe ich plötzlich wieder nach Gewicht ein. Ich bin gezwungen, mir auch vor dem vollsten Stand zu überlegen, was ich zuhause habe und wie ich jetzt mit möglichst wenig und vor allem möglichst leichten Zutaten daraus etwas mache. Speck hab ich, Petersilie wächst im Garten, Pasta und trockenen Wermut hab ich auch, wie wären Linguine mit Speck aus dem Ofen wie bei Nigella? Dafür bräuchte ich nichts. Ich stehe vor dem Fischstand, und auf einmal fallen mir die Krabben wieder ein, die ich vor einer Weile eingefroren hatte. Ich will schon ein Riesensteak vom Biostand ordern, da fällt mir ein, dass ich noch Hack habe und 1a Köttbullar mit Kartoffelpü machen könnte... sogar Preiselbeeren sind noch da! Am Ende laufe ich nach Hause mit einer Einkaufstasche, die sich immer noch lustig vor und zurück schwingen lässt, weil darin nicht mehr ist als ein Bund Minze, zwei Knollen Knoblauch, ein Baguette, ein kleines Stück Ziegenkäse und ein paar Oliven. Würmchen macht, dass ich so billig einkaufe wie noch nie (und das für jemanden, der früher imstande war, eine halbe Monatsmiete auf dem Markt zu lassen. Nicht auf unserem Gekrösemarkt, aber auf dem Markt. Es gab Markttage in der Stadt, da bin ich während eines Marktganges zweimal an den Geldautomaten gegangen.) und trotzdem so lecker esse wie selten. Bauch macht erfinderisch.

Außerdem steige ich seit gestern voll ein in die Autositz-Problematik. Auf unseren icandy passt ein Maxi Cosi, die Adapter haben wir schon. Gestern wollte L. sowieso zu einer Werkstatt, der Babymarkt lag am Weg, und ich dachte, da fahren wir jetzt eben kurz vorbei und kaufen einen Kindersitz. Ha! Eine etwas ungepflegte Verkäuferin dröhnte uns mit ihrer lauten Stimme eine Viertelstunde lang an, und dann sind wir fluchtartig wieder gegangen. Grobe Richtung ihrer Instruktionen war in etwa "Gut, wenn ihnen das Leben ihres Babies egal ist, können Sie das natürlich so und so machen. Ansonsten hätten wir hier..." Ich hatte ja keine Ahnung. Ich dachte z.B., Maxi Cosi ist Maxi Cosi, die werden schon alle auf unseren Wagen passen. Nix da! Jetzt stehen wir vor folgenden Fragen und Entscheidungen:
1. Es gibt, wenn ich das richtig überblicke, drei Möglichkeiten, einen Autositz im Auto zu befestigen. Erstens: man schnallt ihn mit dem ganz normalen Gurt an. Zweitens: neuere Autos (meins nicht, aber L.s offensichtlich) haben eine Isofix-Vorrichtung, das sind zwei harte metallene Ösen zwischen Rücklehne und Rücksitz, da hakt man ihn ein. Dritten: man kauft so ein gewaltiges, metallisches Dings, das dann im Auto fest montiert wird und in das man wiederum den Autositz einhakt.
2. Es gibt Babyschalen (also Kindersitze für Neugeborene), die man mit ins Flugzeug nehmen und dort relativ fest montieren kann und welche, mit denen das nicht geht. Kurioserweise scheint das bei Maxi-Cosi nur mit dem billigsten Modell zu gehen. Ich verstehe das nicht.
3. Es gibt außerdem einen neuen Maxi Cosi, aus dem die Kinder nicht mit spätestens einem Jahr rauswachsen, sondern der auch noch für Vierjährige geeignet ist. Der scheint mir so ein metallisches Einhak-Schlitten-Dings schon eingebaut zu haben. Er kostet mehr als doppelt so viel wie ein normaler Einsteiger-Maxi Cosi, aber dafür ist er eben zwei Kindersitze in einem, was mir sinnvoll erscheint. Diesen Milofix gab es aber in unserem Babyladen nicht.

Gestern Abend habe ich mir jede einzelne Mutter auf dem Geburtstag gegriffen und alle gefragt, wie sie das mit dem Babysitz gemacht haben. Alle hatten nur einen Gurt zum Befestigen. Das Isofix-Ding ist hinten im Auto, ich hatte aber z.B. vor, oft mit dem Kind und den Hunden loszufahren zu einem langen Spaziergang zu viert. Ist das Kind hinten, besteht die Gefahr, dass die Hunde sich unter und neben dem Hundegitter durchwursteln und einfach auf den Kleinen drauftreten - mit langen Krallen und nicht unbeträchtlichem Gewicht. Da bin ich dagegen. Habe ich ihn vorne neben mir, kann ich ihn aber sowieso nur mit Gurten befestigen. Dieses Befestigungsdings hinten wäre also nur für Fahrten, auf denen L. und ich gemeinsam unterwegs sind, so dass einer von uns hinten neben der Wurst sitzt und sich erstens kümmern kann bzw. zweitens die Hunde zurückhält. Solche Fahrten werden nicht den Löwenanteil der Fahrten ausmachen. Während gestern die Verkäuferin uns noch andröhnte, der preiswerte, aber flugzeugtaugliche Maxi Cosi wäre quasi eine Todesfalle, lese ich heute, dass er bei Stiftung Warentest mit gut abgeschnitten hat. Außerdem hat mir immer noch niemand mit letzter Sicherheit sagen können, ob man den Kindersitz direkt mit den Isofix-Ösen verbinden kann oder ob man dann trotzdem noch dieses Metallmonstrum braucht. Sollte das so sein, schlägt das Pendel gerade in Richtung Milofix aus. Aber passt der auf unser Kinderwagengestell? Harrrrg.

Liebes Würmchen,

Seit gestern bist du kein Frühchen mehr, herzlichen Glückwunsch! Heute morgen bin ich aufgewacht und habe beschlossen, darauf zu pfeifen, dass unter den Fensterbänken in deinem Kinderzimmer immer noch der Putz bröckelt und Löcher klaffen, und beschlossen, zu putzen, egal ob da noch mal der Maler durchmuss oder nicht. Ich muss noch ein paar Leitz-Ordner mit albernem Steuerkram auf den Dachboden schaffen und dort verstauen, das Regal von einem halben Kilo Staub befreien und Deinen Vater dazu kriegen, es an die vorgesehene Wand zu rücken, dann ist der Rest ein Kinderspiel. Ich glaube nicht, dass Dich Ordnung schon besonders interessiert, und Du wirst lachen: mir geht es eigentlich mit 40 Jahren immer noch genau so, aber das hier ist anders. Zu wissen, dass Du hier bald einziehen sollst, weckt in mir eine große Sehnsucht, mit dem großen Straußenfederstaubwisch, einer Flasche duftendem Öko-Reinigungsspray und riesigen Mengen Seifenwasser anzurücken. Und wenn ich eins in den letzten 40 Jahren gelernt habe, dann ist das, diese seltenen Launen zu nutzen, bevor sie wieder in den Tiefen meines Fusselhirns verschwinden.

Gestern abend war ich zum vermutlich achten Mal auf meiner "letzten Party" vor Dir, es fühlt sich langsam an wie Howard Carpendales Abschiedstournee, immer gibt es doch noch einen Abend, an dem alle trinken außer mir und ich mich gegen Mitternacht stillvergnügt in mein Auto setze und uns nach Hause ins Bettchen fahre. Und wieder mal haben bestimmt fünfzehn Menschen den Bauch mit Dir drin angefasst und uns viel Glück gewünscht. Die netten Frauen bei Edeka an der Kasse wünschen mir Glück, der Polizist, der auf dem Heimweg wissen will, ob ich was getrunken habe, wünscht mir Glück, Familie und Freunde sowieso, der Schornsteinfeger, der Klempner, die Nachbarn, die Tierärztin, alle wünschen uns Glück, und langsam habe ich wirklich das Gefühl, das könnte klappen mit uns beiden. Es könnte tatsächlich passieren, dass ich Dich demnächst, sehr demnächst sogar, gesund und rund und rosig im Arm halte. Anderen ist es doch auch passiert, wieso also nicht mir? Und ich bin sogar so optimistisch, dass ich anfange, Pläne zu machen. Ich mache Pläne, wie wir zwei zusammen zum Babyschwimmen gehen. Wer weiß, vielleicht lernst Du da Deinen besten Freund für's Leben kennen? Ich mache Pläne, mit Dir und den Hunden zwei Stunden lang durchs winterliche Moor zu schieben. Ich mache Pläne für Wochenenden in der Heide, an denen wir auf einer Decke unter Kiefern liegen und zugucken, wie die Zweige sich im Wind wiegen. Ich mache Pläne für Fahrten über den Markt, auf denen wir schönes frisches Gemüse kaufen, und dann schieben wir nach Hause, und dann mantsche ich daraus unter Deiner Aufsicht Deinen ersten Brei. Im Moment - noch ohne Schlafentzug, ohne schmerzenden Dammriss, ohne Stillprobleme und ohne erste Erkältungssorgen - freue ich mich auf alles. Auf jede vollgekackte Windel, auf winzige Wäsche, die auf dem Balkon im Wind flattert, auf mucksches Geknötter, auf Spaziergänge durch Hagel und Hitze und überhaupt. Du wirst schon wieder lachen, was Deine Mutter für eine bescheuerte, verplante Vollidiotin ist, aber ich freu mich sogar auf die Geburt.

Dieses Wochenende wird das Kinderzimmer ein Kinderzimmer, basta. Und ab Montag darfst Du gerne vorbeikommen. Ich bin zuhause.

Mittwoch, 19. Juni 2013

Siri, pack doch bitte meinen Klinikkoffer zu Ende, wisch hier einmal feucht durch, und wenn Du schon dabei bist, dann krieg auch bitte gleich mein Kind für mich. Ja?

Bücher sortiert in die, die ich in den nächsten Monaten unbedingt lesen muss, und die, die auch für ein halbes Jahr verschwinden können: Haken dran.
Bücher entsprechend in den Keller geschafft oder im Schlafzimmer verstaut: Haken dran.
So dass Würmchens angehendes Kinderzimmerregal jetzt leer ist: Haken dran.
Schreibtisch ausgeräumt, so dass ihn heute Abend L. und mein Bruder aus dem Kinderzimmer auf den Dachboden wuchten können: Haken dran.
Klinikkoffer von extrem lässiger Ledertasche, die aber leider nur das Fassungsvermögen eines kleinen Schuhkartons hat, in uncoolen, aber praktischeren Rollkoffer umgepackt und im Zuge dessen gleich um mehrere wichtige Dinge ergänzt: Haken dran.
Spucktücher, die ich während der Erkältung nachts als Halstücher benutzt habe, damit nicht mein ganzes Bett mit braunem Tigerbalm verschmiert wird, in die Kochwäsche gesteckt: Haken dran. (Wehe, das geht nicht raus und ich muss neue kaufen.)
Bett für meinen Bruder klargemacht: Haken dran.
Restliche Belege für Mittagspausen etc. für 2013 für die Steuer sortiert: Haken dran.
Noch ausstehende Kreditkartenabrechnungen organisiert, gesichtet, Steuer-relevante Posten markiert und erklärt und abgeheftet: Haken dran.

Ich finde, mehr kann man von einer Dame im neunten Monat an einem Tag mit 34° nicht erwarten.

Noch offen auf der To-Do-Liste sind:
- neuer Bezug für Baby-Bay
- Bezug für Kinderwagenmatratze
- Maxi-Cosy
- Tragedings für Frischgeschlüpfte Babies

Das machen wir morgen, eine willkommene Entschuldigung, für ein-zwei Stündchen vor den Handwerkern in den Babymarkt zu fliehen.

Und dann muss noch das Paket aus England ankommen, in dem L.s Cousinchen uns ihre rausgewachsenen Baby-Sachen schickt. Die muss ich dann auch noch mal waschen und trocknen und falten.

Dann müssen die Handwerker endlich, endlich verschwinden.

Dann bauen wir noch das IKEA-Bett auf, bzw. aus bitterer Erfahrung mache ich das lieber alleine, das endet sonst mit Scheidung und alleinerziehend und all dem, IKEA können wir nicht so gut zu zweit.

Dann sollten wir noch Rollos oder licht-dichte Gardinen im Schlafzimmer und im Kinderzimmer befestigen, denn man hört ja, dass Babies in abgedunkelten Räumen besser schlafen. (Klitzekleine Schlafbrillen wären doch toll. Wobei ich mir sicher bin, irgend eine Schlaubiene hat schon wieder herausgefunden, dass die quasi direkt zum plötzlichen Kindstod führen.) Oder warten wir mit der Verdunkelung lieber, bis wir festgestellt haben, dass unser Würmchen tatsächlich nur im Dunkeln schläft? Vielleicht ja auch so.

Dann muss ich noch einmal alles putzen und feucht abwischen, durchlüften, und dann könnte es tatsächlich den Moment geben, in dem ich noch ein paar Bilder aufhänge im Kinderzimmer und wir dann auch mal fertig sind.

Laut Schwangerschafts-Apps, denen ich gestern doch mal wieder einen Höflichkeitsbesuch abgestattet habe, sind es noch 23 Tage. Warum also die plötzliche Hektik? Weil ich das dumpfe Gefühl habe, so lange dauert es nicht mehr. Mein Bauch macht komische Dinge. Und mit komisch meine ich, manchmal tut das ganz schön weh. Sind das jetzt Senkwehen? Braxton-Hicks-Kontraktionen? Ich hatte gedacht, die wären schmerzlos. Wenn das Wikipedias Vorstellung von Schmerzlos ist, dann rate ich Wikipedia dringend, es mal selbst zu versuchen. Oder ist wieder mal die blöde Endometriose Schuld, dass das so zwiebelt? Es ist jedenfalls beruhigend zu wissen, dass in einem Eppendorfer Klinik-Medikamentenlager die Zutaten für eine feine PDA warten, auf denen mein Name steht. Manchen hier wird nämlich langsam ein bisschen mulmig. Zum Beispiel dann, wenn sie auf einem zwei-Kilometer-Hundespaziergang dreimal Pause machen müssen. Oder wenn sie sich nach einer ca. 20 Gramm wiegenden Socke bücken und plötzlich das Gefühl haben, sie kommen nie wieder hoch, sondern kriegen gleich ihr Kind direkt hier unten im Waschkeller. Oder wenn sie morgens ein bisschen länger schlafen, daraufhin die Blase noch ein bisschen voller ist als sonst und das im Ergebnis dafür sorgt, dass sie es nur an der Hüfte im rechten Winkel nach vorne geknickt noch aufs Klo schaffen. Und dabei macht Würmchen bisher nur Spaß.

Oder?

Dienstag, 18. Juni 2013

Würmchen und ich haben jetzt schon eine Menge gemeinsam.

Wenn es etwas gibt, das sogar mein Fusselhirn dazu bringen kann, sich auch mal ein paar Stunden gehackt zu legen und mich in Ruhe zu lassen mit unbegründeten Sorgen, Umtrieben und Querschlägern, dann sind das Ordnung und Routinen. (Leider sabotiert Fusselhirni selbst mich normalerweise nach Kräften dabei, für das eine oder andere zu sorgen.) Von Babys hört man ja Ähnliches: jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett etc. Die Handwerker sind für drei Tage verschwunden, während irgendwo am anderen Ende der Stadt in einer Werkstatt unsere Fensterbänke und Fensterrahmen gebastelt werden. Und weil wir Samstag Abend L.s Geburtstagsgäste zu Besuch hatten, heute ein Kollege von L. vorbeikam und wir ja schließlich auch Augen und Nerven haben, haben wir beschlossen, darauf zu pfeifen, dass Donnerstag hier sowieso wieder alles aussieht wie Sau und trotzdem geputzt und aufgeräumt, so gut es eben ging. Jetzt nehme ich auf jedem Gang von oben nach unten einen oder zwei Jutebeutel mit Büchern mit (aus dem Regal im Ex-Arbeitszimmer und zukünftigen Kinderzimmer) und verstaue sie ordentlich im Keller. Auf jedem Gang nach oben nehme ich dafür leere Beutel oder Körbe mit und befülle sie neu, um sie dann griffbereit an die Treppe zu stellen. Langsam wird es leerer da oben. Jeden Morgen koche ich einen großen Topf Yogi Tee Schoko und lasse ihn dann in Ruhe abkühlen. Jeden Mittag packe ich die Hunde in meine Prollkarre und fahre mit ihnen immer die selbe Route zum immer gleichen Spaziergang am Flüsschen entlang, wobei ich unterwegs die beiden immer mit der gleichen Gummifrisbee bei Laune halte. Zurück vom Spaziergang mache ich mir ein großes Glas kalten Yogitee mit Milch und ein bisschen Honig auf Eis, setze mich damit an meinen Rechner, regele, was zu regeln ist und freue mich am leeren, aufgeräumten Esszimmer und der Abwesenheit von Handwerkern und Handwerkerlärm, und wenn mir dann wirklich nichts mehr einfällt, was ich mit Hilfe meines Computers sonst noch tun könnte, dann suche ich ein Rezept aus einem meiner Kochbücher heraus und mache mich auf den Weg, um die Zutaten für unser Abendessen zu besorgen. Sicher würde es mich noch mehr beruhigen, wenn am Kinderzimmer nur noch die Bilderrahmen geradezurücken wären. Aber es geht eben noch nicht, und dieser ganze ruhig dahinplätschernde planmäßige Tagesablauf tut auch schon eine Menge für meinen Blutdruck. Selbst die Hunde merken mir an, dass etwas anders ist, und gehorchen ihrem tiefenentspannten Frauchen gerade aufs Wort. Überall, wo ich hinfahre, tut sich wie von selbst ein Parkplatz auf, und jede Ampel wird in dem Moment grün, in dem ich auf sie zufahre. So könnte es meinetwegen noch gut vier Wochen weiterplätschern. Es fühlt sich an wie die erste Woche der Sommerferien, wenn man noch denkt, das geht jetzt ewig so weiter.

Geht es doch, oder?

Sonntag, 16. Juni 2013

Die Lage im Großen und Runden.

37. Woche geht bisher so ähnlich wie 36. Woche. Der klitzekleine Teil meines Gehirns, der sonst für die Aufrechterhaltung von Ordnung, Sauberkeit und frisch gebügelter Wäsche zuständig ist, hat sich hormonbedingt etwas breiter gemacht als gewohnt und plädiert schwer dafür, dass Ndogo noch eine Weile bleibt, wo er ist, bis im Kinderzimmer alles auf Kante liegt. Der Teil meines Gehirns dagegen, der gerne atmet, Treppen steigt, rennt und sich bückt, hätte meinen Bauch lieber heute als morgen wieder für sich. (Wobei Bücken gar nicht der größte Teil des Problems ist. Wieder hochzukommen, das ist die Kunst.) Verstärkung bekommt er von dem Teil, der mittlerweile vor Neugier platzt, was das eigentlich genau für ein Kind ist, das da wächst.

Ich wiege 76 Kilo, das heißt ein Kilo weniger als noch vor einer Woche, und das liegt vermutlich auch daran, dass meine sonst beeindruckenden Scheunendrescher-Qualitäten gerade aus Platzmangel ein bisschen verkümmern. Je nachdem, ob man jetzt einen guten oder schlechten Tag vor der Schwangerschaft als Vergleichsgröße nimmt, würde das entweder bedeuten, ich hätte acht oder sechs Kilo zugenommen. Trotzdem höre ich fast immer als erstes "Mein Gott, der Bauch ist ja riesig!" sobald ich jemanden treffe, den ich lange nicht mehr gesehen habe.
Der Bauch wird immer wieder steinhart, was überhaupt nicht weh tut und auch so vorgesehen zu sein scheint. Dadurch wird es nur leider manchmal schwierig, zu ertasten, wo Würmchens Wirrkopf sich gerade befindet. Immer noch unten, wo er hingehört? Zwischen all dem Harten dachte ich zwischendurch auch schon mal, der Kopf wäre wieder oben. Oder hat Würmchen nur besonders dicke Knie? Oder Fersen? Oder einen stahlharten Knackpo? Zu wissen, dass es nun vielleicht doch kein Kaiserschnitt wird und wir uns doch auf eine normale Geburt einstellen können, umgibt jede Verhärtung, jedes Ziepen und jedes merkwürdige Vorkommnis in meinem Bauch mit einer ganz neuen Aura. Könnte es das schon sein? Gestern Abend, als wir mit L.s alten Freunden im Restaurant saßen, rauschte die Unterhaltung immer mal wieder minutenlang an mir vorbei, weil ich ganz deutlich merkte, dass da was war. War da was? Da war was. Es flutschte, drückte und zog jedenfalls ganz gewaltig. Und jedes Mal ging der ganze Film im Kopf los: Es geht los. Wir haben zwar bestellt, aber bisher gab es nur den Aperitif. Was jetzt? Vertrauen wir dem Kellner und lassen unsere Kreditkarte hier? Wär doch schade um den schönen Hirsch. (Essen ist mir wichtig, wie man in solchen Momenten merkt.) Dann war aber doch nichts, und hätte ich je den Plan gehabt, dass L. und sein Sohn am gleichen Tag Geburtstag haben sollen, dann sollte ich jetzt besser schnell damit anfangen, etwas Unvernünftiges zu tun. Die Auswahl an Verhaltensweisen, die quasi unmittelbar eine Sturzgeburt zur Folge haben, soll ja riesig sein. Tees! Einläufe! Alufolie!

Diese Woche ist die letzte Woche, während der Würmchen noch die Chance hat, als Frühgeburt zu gelten. Ist sie kommenden Freitag vorbei und er noch nicht da, zählt er als genau zum richtigen Zeitpunkt geboren. Inzwischen feiern wir L.s Geburtstag jeder auf seine Art: die Hunde mit Nickerchen auf dem Rasen in der Sonne, L. mit einem Stück Erdbeerbiskuitrolle und einem Glas Champagner als Frühstück im Bett, und ich mit meinem ersten Post im Schlafanzug seit Ewigkeiten. (Wer hätte gedacht, dass Mutterschutz so ungemütlich wird? Fast jeden Morgen muss ich ab sieben geduscht und angezogen sein, sonst kommen mir die Handwerker dazwischen.) Dazu dröhnen L.s neue Mozart-Opern-CDs durchs Haus, und zwar ausdrücklich nicht in der Absicht, aus Würmchen ein Wunderkind zu machen, sondern weil er heute Geburtstag hat.


Schon ca. zweihundert Mal habe ich jetzt den Rat gehört oder gelesen, dann zu schlafen, wenn das Baby schläft. Mangels Baby praktizieren wir heute eine Abwandlung: sich dann einfach mal keine Sorgen zu machen, wie um Himmels Willen das alles nur werden soll, wenn die Sorgen sich schlafen gelegt haben. Wenn ein laues Lüftchen ums Haus und durch die Fenster weht, die neuerdings auch Kipp können, wenn der Rhododendron blüht, wenn der Kühlschrank voller Roter Grütze und Kuchen ist und wenn der Tag so dermaßen geburtstagsfein ist, wie man sich das nur wünschen kann.

Donnerstag, 13. Juni 2013

Oder Krake. Wie wär's mit einer schönen Runde in der Krake?

Das war einer der schnellsten Arzttermine meines Lebens. Nach der Geburtsanmeldung im gleichen Krankenhaus, bei der ich schon fast am Stuhl festgewachsen bin, hatte ich mit dem schlimmsten gerechnet, aber heute war ich noch nicht mal fertig mit dem Ausfüllen des Aufklärungsbogens "Äußere Wendung", da wurde ich schon aufgerufen. Drei Minuten später lag ich mit einem Haufen Glibber auf dem Bauch auf der Liege, und der Arzt sagte nur: "Nö. Kopf unten. Alles gut." Ja, gut - da habe ich mir den Glibber wieder abgewischt, meine Garderobe in Ordnung gebracht und bin wieder gegangen. Mit das dramatischste an diesem Krankenhausbesuch war der Parkplatz in der Tiefgarage. Eigentlich hätte ich meine kleine Prollkarre einfetten müssen, um da reinzukommen. Oder entsprechend mich, um aus der Karre zu kommen. Die paar Sekunden, die ich mit dem Bauch zwischen Wand und Tür feststeckte - puh! Aber vielleicht hätte man dabeisein müssen.

Die Plazenta ist weder unangenehm noch angenehm aufgefallen, sollte sie noch blöd liegen, wird meine Ärztin das wohl bei einem der nächsten Besuche feststellen. Aber zu arg kann es eigentlich nicht sein, sonst hätte man das heute wohl gesehen. "Tja, dann wünsche ich mal eine schöne Geburt" hat der Arzt noch gesagt, bevor Würmchen und ich wieder in die Tiefgarage gegangen sind, uns von Kopf bis Fuß mit Olivenöl eingefettet haben und über den Beifahrersitz zurück hinters Steuer geflutscht sind. Und wenn er sich jetzt noch mal dreht, dann drehen wir ihn eben nächste Woche.

Damit sind wir bereit für den Klassiker: das Warten. Das nächtliche Aufschrecken, falscher Alarm. Dann irgendwann richtiger Alarm, Hugh Grant verliert die Nerven, nachts um vier unter Gebrüll ins Krankenhaus, die fast überfahrene Polizeikontrolle, die nervenzerfetzend ruhigen Damen an der Rezeption im Krankenhaus, die acht Kilometer, die L. auf dem Krankenhausflur zurücklegen wird... hach...
und jetzt? Kauf ich mir doch eins dieser Bücher über Hypnobirthing?

Irgendwann, wenn Du groß genug bist, fahren Du und ich mal im Heidepark eine schöne Runde Achterbahn. Ich hab das Gefühl, daran könntest Du Spaß haben.

Das Glücksrad dreht sich weiter: gestern beim Hebammentermin lag Würmchens Kopf so ungefähr auf fünf Uhr. Heute taste ich ihn auf acht, gestern früh auf zwei. Wobei zwölf die einzig richtige Richtung wäre. Ok, um nicht zu wirr zu werden: er liegt immer noch in "perfekter" Beckenendlage. Die Wahrscheinlichkeit dafür, ich hab es nachgesehen, liegt so zwischen 3 und 5%. Zusammen mit den Wahrscheinlichkeiten dafür, gleichzeitig verstopfte Eileiter, Endometriose und Myome zu haben und der Wahrscheinlichkeit, mit fast 40, zwei nicht besonders plietschen Kryozellen und beim dreizehnten Versuch schwanger zu werden und zu bleiben, ist Würmchen wohl tatsächlich ein extrem unwahrscheinlicher Sonderfall und damit schon jetzt etwas gaaaanz Besonderes. Heute um halb zwölf haben wir einen Termin im Krankenhaus, dann gucken die sich die Lage noch mal genau an und entscheiden dann, an welchem der nächsten Tage sie ihn drehen. Die Hebamme hat mir Mut gemacht: ich hätte viel, viel Fruchtwasser, da wäre sehr viel Platz für eine Wendung, und in zwanzig Jahren im Job wäre es ihr noch nie vorgekommen, dass eine ihre Patientinnen dann spontan per Notkaiserschnitt hätte entbunden werden müssen. (Mies wäre es allerdings, wenn noch so viel Platz wäre, dass das pfiffige Würmchen sich einfach bei nächster Gelegenheit wieder zurückdreht.) Sie hat mir erklärt, dass die es wirklich meistens gut hinkriegen, vor allem, wenn noch so viel Platz ist, und wenn sie auf Schwierigkeiten stoßen, dann lassen sie es einfach. Würmchen und ich, wir haben also noch ein paar Wochen zusammen. Und dafür bin ich mehr als dankbar, denn hier ist immer noch weder ein Ende noch ein Kinderzimmer abzusehen. Ich weiß auch, dass Babys sich vermutlich nicht an herumliegenden Ziegelsteinen und Mörtelsäcken stören, dass es auch keinen Wert legt auf hübsche Wanddekoration oder saubere Fußleisten und wohl kaum mit dem Finger auf dem Rand seiner Wickelkommode langfahren wird, um zu sehen, ob es staubt. (Tut es, und wie.) Aber für mich ist das wichtig. Mich, mich, mich. Ich will ihn haben, diesen wenigstens halben Tag, in dem ich mich ganz allein mit einer Tasse Tee ins Kinderzimmer setze, die Tür hinter mir zumache, mich in den Ohrensessel setze, mich umsehe, tief durchatme und denke: jetzt kannst Du kommen, Würmchen. Kopf oder Po voran, ganz egal. Dann puste ich auf meinen Tee, rücke vielleicht noch ein Bild gerade, stelle ein paar Blumen aus dem Garten in eine Vase und erzähle Würmchen ein bisschen von seinem zukünftigen Zimmer.

Und wenn es ganz gut läuft, dann habe ich bis dahin auch diese grässliche, unappetitliche, rotäugige Erkältung in die Flucht geschlagen.

Dienstag, 11. Juni 2013

Eiliger, sogar besonders eiliger Aufruf:

Gibt es irgendwo in Hamburg eine Abkürzungsdame, die dank Eizellenspende schwanger ist und bereit wäre, sich morgen um die Mittagszeit kurz darüber zu unterhalten? Meine ORF-Interviewdame ist gerade gegangen, es war ein sehr, sehr nettes Gespräch, ich kann sie als Interviewpartnerin nur jedem wärmstens ans Herz legen! Für ihr mehrteiliges Radio-Kolleg zum Thema Kinderwunsch sucht sie jetzt noch nach genau so einer Dame, was sich in Wien ähnlich schwierig gestaltet wie hier. Sollte hier eine sein, bitte per Kommentar melden, irgendwie kommen wir bestimmt zusammen. 1000000 Dank schon mal im Voraus!

Unseren Tee nehmen wir heute mal im Jahr 2010

Heute nachmittag besucht mich eine nette Dame vom ORF, um sich mit mir über Kinderwunschbehandlungen zu unterhalten. Wäre das wohl spektakulär, wenn ich währenddessen Würmchen auf einer Picknickdecke im Garten zur Welt bringe, Steißlage und alles? (Und wieder mal bin ich aus unzähligen Gründen froh, dass das eine Radio-Reportage wird.) Bis dahin muss ich alles versuchen, um meine Stimme irgendwie auf Normalniveau zu bringen. Die Erkältung, die L. mir vor ein paar Tagen verpasst hat, ist nämlich auf dem Ekligkeits-Siedepunkt. Sonst werde ich schon leider sehr brüchig und leidgeprüft klingen, und genau so soll es sich nicht anhören, wenn es nach mir geht.

Eigentlich sollte sich das Ganze fast anfühlen wie eine Reise im Zeitmaschinchen: Kinderwunschzeit, das war doch letztes Jahr, jedenfalls früher. Aber ich lese mir die Fragen durch, die sie mir schon mal vorab geschickt hat, und es ist alles noch genau so wahr und da wie irgendwann 2010. Wir sind immer noch ein Kinderwunschpaar, nur eben eins, das zur Abwechslung mal Glück hatte. Wie war das, als ich erfahren habe, dass das nichts wird mit "Huch, ich bin schwanger"? Was habe ich zum Thema Loslassen zu sagen? Wieso hat es jetzt geklappt und früher nicht? Wie sind wir mit den Enttäuschungen umgegangen? Wie hat sich mein erster IVF-Zyklus angefühlt, meine erste Spritze? Ich hoffe, die Dame vom ORF wird nicht enttäuscht sein, aber ich musste nicht das Wochenende damit zubringen, alte Tagebücher und den Blog zu durchforsten, denn die Antworten sind alle noch genau so klar wie vor der Schwangerschaft. Das geht fast aus dem Stegreif.

Was mich aber interessieren würde: wie war das bei euch, liebe Abkürzungsdamen, bei denen es auch irgendwann geklappt hat? War das Abkürzungskapitel irgendwann vorbei? Oder ist es immer noch genau so präsent, auch ohne Blog, der das Flämmchen weiter am brennen hält? Wie lange hat es gedauert, bis ihr euch einigermaßen entspannen konntet - jedenfalls bis auf das Niveau, auf dem sich auch "natürlich" Schwangere irgendwann mal gemütlich einrichten? War es euch überhaupt wichtig, das hinter euch zu lassen? Natürlich war ich froh, dass die Angst irgendwann nicht mehr ganz so allgewaltig war, aber je länger ich darüber nachdenke, desto weniger wichtig ist es mir - unser Kind ist nach vier Jahren Spritzen und Warteschleifen entstanden, das ist eben so. Und die Angst habe ich vermutlich mindestens genau so stark der Fehlgeburt zu verdanken wie der langen Kinderwunschbehandlung, und Fehlgeburten können ja leider leider auch Nicht-Abkürzungsdamen erleiden.

Ich werde wohl nie vergessen, wie ich zum ersten regulären Termin bei meiner Ex-Frauenärztin am Tresen stand und mit der Sprechstundenhilfe besprach, warum ich hier bin, und sie mit so klitzekleinem Mäusestimmchen ihre Fragen stellte, dass ich keinen Piep verstanden habe: nach der Kinderwunschbehandlung, in welcher Klinik wir waren, wann genau der Transfer war. Und es war auch egal, dass ich bestimmt dreimal gesagt habe "Wie bitte? Sie können ruhig laut sprechen, das ist mir wirklich überhaupt nicht peinlich", ohne dass es irgendwas genützt hätte.

So. Jetzt backe ich noch einen Rhabarberkuchen und überlege mir, an welchem Ort des Hauses es gerade am wenigsten staubt und kracht, damit wir uns da niederlassen können.

Samstag, 8. Juni 2013

Aus unserer beliebten Reihe "Frauen sind zum Anquatschen, Wegdrängeln und Rumschubsen da".

Ich stehe an der Tankstelle am Ende der Waschstraße im Schatten und warte darauf, dass die Jalousie hochfährt und ich mein Auto wiederbekomme. Ich stehe auf dieser Seite, weil auf der anderen Seite der Scooter-artige Vollproll steht, der gerade versucht hat, mich von meinem Platz wegzudrängeln und mich drei Minuten lang angeschnauzt hat, damit ich ihn vorlasse, was ich aber nicht getan habe. Darauf bin ich ein bisschen stolz (GANZ kleine Schritte machen wir gerade...), aber habe trotzdem keine Lust, mir jetzt weitere zehn Minuten lang sein ungedämpftes "Schwangere Megafotze"-Gemaule durchs offene Autofenster anzuhören. Darum stehe ich hier. Drei Meter neben einem zweiten, älteren Vollproll, der unter lautem Technogedröhne seinen Clio auf Hochglanz poliert. Ich gucke nicht hin. Ich gucke betont weg. Sein Clio interessiert mich offensichtlich nicht.

Ist aber auch egal.

"Der ist jetzt so sauber, da kannste von essen. Hmmmmm."

"Den kannste jetzt ablecken, jaaaaaa. Schlabber-Schlabber."

"Naaaaa, willste gar nicht mal gucken?"

"Mit Liebe muss man das machen. Viiiiiiel Liebe."

"Findste doch auch gut, Liebe, oder?"

An manchen Tagen gefühlt 50% aller Männer, ich wünsche mir inbrünstig, dass euch irgend eine miese, unappetitliche und sehr schmerzhafte Männerkrankheit einfach wegputzt, damit der Rest der Welt endlich Ruhe hat. Oder wenigstens eure miesen Haarprodukte könnten euch ausgehen, ohne dass ihr daran gedacht habt, Nachschub zu kaufen, was dann natürlich die Schuld eurer Frauen, Freundinnen und Mütter wäre.

36. Woche.

Gewicht: 77 Kilo. Wehwehchen: Verstopfung wegen Eisentablette, dafür keine Kreislauf-Zusammenbrüche mehr, woraus ich mal schließe, dass die auch mit Eisenmangel zu tun hatten, und wieder mal die Zähne fletsche, dass meine alte Ärztin danach irgendwie nie geguckt hat, auch wenn ich schon seit dem vierten Monat regelmäßig fast umkippe. Oder auch tatsächlich. Rechtes Knie tut übel weh, aber nur, wenn ich es erstens beuge und mich zweitens daraufstütze, also tue ich das einfach nicht mehr und verschiebe die Behandlung auf hinterher. Andere besondere schwangerschaftsbezogene Vorkommnisse: Würmchen turnt wie ein Weltmeister, so lange es noch geht. Im Moment dreht er sich hin und her wie ein aus dem Ruder gelaufenes Glücksrad. Ob sein Kopf nächste Woche wohl auf Kaiserschnitt, auf normale Geburt oder auf eine Waschmaschine zeigt, werde ich jetzt einfach in Ruhe abwarten. Die Kurzatmigkeit ist besser geworden (angeblich eine der angenehmen Nebenwirkungen, wenn Babys Kopf irgendwann fest im Becken sitzt - als ob), aber diese heftigen Tritte und Herumwurschteleien sind schon gruselig. Ich kann mir noch so sehr vornehmen, jede Aktivität meines Kindes mit Freude, Mutterliebe und Wärme zu begrüßen, im ersten Moment denke ich immer noch jedes Mal "HUAAAAAAARG!". Die Leinengänge (also morgens und abends) mit den Hunden sind jetzt fest in L.s verantwortungsvolle Hände gelegt, aber den Mittagsgang mache ich manchmal noch, wenn mir danach ist, und gerade ist mir danach. Endlich Sonne und grün und warme Winde, es macht Spaß, langsam und gemächlich mit den Hunden am Flüsschen entlangzuwatscheln.

Die Fenster sollten eigentlich am Dienstag, "spätestens Dienstag, plus-minus (Minus. Hm-hm.) zwei Tage" komplett fertig sein. Also fertig wie in fertig, versprochen, kein Bauteil fehlt mehr, alles sieht proper und schön aus, die Handwerker verabschieden sich und kommen auch nicht wieder, es sei denn, wir rufen sie. Leider, leider... Also leider dauert das nun noch mindestens drei Wochen. (Mach acht draus, würde ich sagen.) Aber einer der netteren Fensterboys hat mir nun auch noch mal versprochen, versprochen, hoch und heilig versprochen, dass nächste Woche das Kinderzimmer fertig wird. Und mit etwas Glück sieht es dann so aus, dass wir nicht sofort streichen MÜSSEN. Ich könnte den halben Tag heulen, tue ich aber nicht. Dazu ist das Wetter auch zu schön. Und auf der Sonnenseite steht außerdem auch noch, dass der miese, anzügliche Vorarbeiter inzwischen wohl einen anderen Einsatzort gefunden hat und sein Frettchengesicht hier seit Tagen nicht gezeigt hat. Ansonsten ist es ein bisschen einsam auf der Sonnenseite. Mein Nestbautrieb verkapselt sich gerade irgendwo tief drinnen zu einem Magengeschwür, vermute ich mal, und ich kann mir kaum noch vorstellen, dass wir irgendwann mal nicht mehr ab sieben Uhr mit diesen fremden Männern zusammenleben, die ständig überall herumstapfen und Dreck machen, dass sich irgendwann ein Hauputz mal wieder für mehr als zwanzig Minuten lohnt, dass wir irgendwann unsere Fenster mit richtigen, ernstgemeinten Griffen öffnen und schließen und nicht mehr mit diesem einen gummiüberzogenen Baustellengriff, der immer gerade weg ist, weil man ihn von Fenster zu Fenster mit sich herumschleppen muss, dass unser Haus irgendwann mal wieder uns gehört und dass ich tatsächlich irgendwann solche Sachen machen kann wie Regale einräumen oder Bilder aufhängen. Diese beschissenen Fensterboys haben meine Ferien und mein Kinderzimmer gestohlen, so sieht es nämlich aus.

Donnerstag, 6. Juni 2013

Erledigungsmarathon: Kilometer 9 bis 14.

1. Die Fenster.
Irgendwie wird alles immer, immer schlimmer, aber weil heute noch die Fenster im Kinderzimmer endgültig fertig werden - samt Regenschiene, Innenfutter und was weiß ich was für Fachbegriffen - kratzt mich das kaum noch. Ommmmmm. Seit gestern sind nicht nur die Fensterboys, sondern auch die Maurer im Haus, nach letzter Zählung sind nun sechs Männer damit beschäftigt, in dem Moment reinzukommen, in dem ich auf dem Klo sitze und mich mit den Nebenwirkungen der Eisentablette herumplage. Seit zwei Tagen werden außerdem jeden Abend die großen Löcher zwischen Wohnzimmer und Straße mit dicken Spanplatten vernagelt, und hätten L. und ich jemals vorgehabt, in unserem Wohnzimmer eine Swingerparty zu feiern, wäre jetzt der perfekte Moment dazu - wären da nicht die Quadratkilometer von Malerfolie, das Geröll usw. Und natürlich mein Neunmonatsbauch, klar. Stündlich gibt es neue schlechte Nachrichten. Eine bisher als grundstabil geltende Mauer ist plötzlich nur noch Brösel. Dämm-Material von 1927 macht ausgerechnet jetzt schlapp. Steine, die vorher zu einer hübschen Zierleiste vermauert waren, passen da plötzlich nicht mehr hin, wo sie gestern noch maßgeschneidert gesessen haben, und jetzt will der Handwerker das entstandene Loch "einfach praktisch mit Blech abdecken" - non? Ich denke nein. Aber das ist alles egal. Denn heute noch, versprochen, heute noch, wird das Kinderzimmer fertig. Zwar droht neue Komplikation, weil L. jetzt plötzlich der Meinung ist, wir bräuchten keinen Maler, er könnte das selbst, aber das warte ich mal in Ruhe ab und raufe mir die Haare, wenn es dazu einen Anlass gibt. Wer hätte gedacht, dass ein Marathon so entspannend sein kann?

2. Ikea.
Es gab das ausgesuchte Bettchen nicht, also haben wir ein anderes genommen, das wir außerdem gleich mitnehmen konnten. So einfach kann es sein! Dazu eine Matratze, die bei Ökotest mit sehr gut getestet wurde, zwei Packungen der weißen Superwaschlappen, ein geringeltes Babybadehandtuch mit Kapuze, zwei Schlafsäcke für Neugeborene, eine Babywanne, ein Matratzenschoner, eine Matratzenauflage, drei winzige Spannbetttücher, KEIN Nestchen (nachdem ich jetzt oft genug gehört habe, bei den ganz kleinen sollte man das lassen), zwei Packungen schöne Spucktücher, zwei Frottee-Dinger zum Abdecken der Wickeltischauflage (die leider ausverkauft war bis August), ein Dreierset Plastekanister zum seitlich Einhängen am Wickeltisch, vier Körbe für die Expedit-Fächer in weiß und eine solarbetriebene Lichterkette für L.s bevorstehenden Geburtstag. Um L.s Nerven zu schonen und weil die Zeit knapp war, hatte ich mir einen Generalstabsmäßigen Schlachtplan gemacht. Ich schwöre, wir waren keine 30 Minuten in dem Laden. Und schon wieder habe ich ein paar Sorgen weniger. Die Wickeltischauflage habe ich jetzt gerade bei amazon bestellt, genau wie eine leichte, gestrickte Babydecke. Gestern habe ich außerdem die vor Ewigkeiten gekaufte antike Wiege aus dem Sauerland zusammengebaut, sehr hübsch ist sie, aber es scheint nicht möglich zu sein, dafür eine passende Matratze zu finden. Macht nichts, habe ich mir überlegt: viel Zeit wird Würmchen darin sowieso nicht verbringen (mit verschiedenen Leihgaben hat er jetzt die Möglichkeit, sich an fünf verschiedenen Orten lang zu machen), viel wiegen wird er auch noch nicht und Rückenprobleme werden noch eine ganze Weile auf sich warten lassen - wir falten einfach eine dicke Wolldecke passend und decken sie mit einer leichten Strickdecke ab, dann hat er es darin wunderbar weich. Bevor wir nun anfangen, Kaltschaum zuzuschneiden - nee.

3. Der Steuerkram.
Ist fertig bis auf eine klitzekleine Kleinigkeit. All die Zettelchen, die in den letzten Jahren mein Portemonnaie zu grotesken Ausmaßen ausgebeult haben, sind säuberlich sortiert und in beschrifteten Umschlägen verstaut, die Handyrechnungen chronologisch abgeheftet. Meine Steuertante wird begeistert sein. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass meine Bank mir meine gesammelten Kreditkartenabrechnungen schickt, dann packe ich den Kram ins Auto und fahre ihn schnell vorbei. Wenn man bedenkt, wie tüchtig und ruhig ich mich fühle, nachdem ich so eine Mistarbeit erledigt habe, sollte ich mich eigentlich darum reißen.

4. Der Erste-Hilfe-Kurs für Babys.
Es gibt einen Anfang Juli in meiner neuen Praxis. Entweder, dann ist Würmchen schon da, dann wird es natürlich schwierig, mich einfach fünf Stunden auszuklinken. Oder ich bin kurz vorm Platzen. Weil der nächste Kurs aber erst Ende September ist, melde ich mich dazu jetzt trotzdem an.

Und jetzt liege ich auf einer Decke im Garten, trinke koffeinfreien Eistee, und ob die Handwerker das bei ihren Fensterarbeiten sehen können und mich für eine stinkfaule Drohne halten, ist mir piepschnurzegal. Und einatmen, ausatmen.

Würmchens Kopf war heute morgen wieder nicht zu tasten, woraus ich freudig geschlossen habe, dass er unten im Becken verstaut war. Jetzt ist er irgendwo da, wo ich sonst meinen Blinddarm vermute. Spannendes Kind habe ich da, oder?

Mittwoch, 5. Juni 2013

Einige Erkenntnisse, diese Schwangerschaft betreffend, in letzter Minute.

Vor vielen Jahren hatten wir mal eine Bekannte (das heißt, wir haben sie immer noch, wir sehen sie nur nie), die war sehr, sehr dünn. Giraffendünn. Also groß und unfassbar grazil. Immer, wenn ich sie so gesehen habe, vor allem von der Seite betrachtet, dachte ich mir: schön schön, aber wo hat sie nur ihre Organe? Wie kann das gehen? Jetzt weiß ich: man kann monatelang einen Großteil seiner lebenswichtigen Organe im Empire-Stil tragen und trotzdem wunderbar leben. Naja, wunderbar ist was anderes, man wird ein bisschen kurzatmig, beim Fußnägelschneiden erleidet man vor Beklemmung fast eine Panikattacke, und letzte Nacht hatte ich das Gefühl, mein Magen wickelt sich gerade um meinen Kehlkopf, aber es geht. Es geht!

Welche Entscheidung man auch immer trifft, die Schwangerschaft, Geburt und Hege und Pflege des Kindes betreffend, immer, wirklich immer wird sich eine Krösa-Maja finden, die einem erzählt, damit würde man das Kind kaputtmachen. (Erinnert ihr euch an Krösa-Maja? Das war die Alte, die bei Michel auf dem Kattult-Hof immer in der Küche herumsaß und von Typhus und Blutvergiftung erzählte. Sie meinte es nur gut!) Das Gute: beim ersten, zweiten und dritten Mal wirft einen das noch aus der Spur und treibt einen in die Arme von Dr. Google. Aber das lässt irgendwann nach, und man entwickelt eine sonnige Gelassenheit. "Serenity now!" hieß das bei Seinfeld.

Mein Bauch hatte lange Zeit Ruhe vor fremden Tätschlern. Aber dann, eines schönen Tages, ging es los und gab aber auch sofort kein Halten mehr. Letzte Woche hat der Schornsteinfeger mir lange und innig seine kohlschwarze Pranke auf das weißgestreifte Mini-Kleid gelegt, das ich gerade als Oberteil trage. "Das bringt Glück", grinste er. (Und das gute Sensitiv-Öko-Color-Waschmittel von Budni hat es auch 1a wieder hingekriegt. Also hatte er wohl Recht.) Vorgestern stand ich beim türkischen Gemüsehändler, als eine Frau in der benachbarten Bierkneipe aufsprang, zu mir gerannt kam, mir dreimal ihren Zeigefinger in den Bauch piekte und schrie: "Daaaaaaa ist ein Junge drin!". Und so geht das jetzt jeden Tag. Und es macht mir weniger aus als gedacht.

Ich bin wohl einfach nicht der Shoppingtyp. Ich bin tatsächlich imstande, einen Babymarkt zu betreten und mit leeren Händen wieder zu verlassen, und das mit gut gedeckter EC-Karte. Ein großes Glück ist allerdings, dass der Berliner Babymarkt in Berlin ist und nicht hier. Da würde ich vermutlich morgens schon auf der Schwelle stehen und aufgeregt mit meinem Portemonnaie winken, wenn sie aufmachen. (Babykorb heißt der Laden und ist in der Bundesallee. Sieht von außen nach gar nichts aus, ist aber von innen mit ganz tollen Sachen vollgestopft, von denen man erst denkt, was ist das denn, um dann zwei Minuten später zu denken, das brauche ich aber unbedingt.)

Eisentabletten sollte man eigentlich immer nachts nehmen. Auf diese Weise verschläft man einfach den schlimmsten Teil des rostige-Zunge-Phänomens. Und der Klotrick funktioniert 1a: heute Nacht hatte ich die Wahl, ob ich das Tablettchen um eins, um zwei oder um vier nehme und habe mich für vier entschieden.


Liebe Damen, außerdem habe ich zu berichten, dass das Würmchen sich gestern Abend mit viel Tamtam gedreht hat. In meinem Bauch war so viel Bewegung, dass man das durch eine dicke Bettdecke und die Tagesdecke darüber gesehen hat. Das Gefühl war irgendwo zwischen ulkig, gruselig, "nochmal bitte!" und nackter Panik. Noch im Schlaf war ich überglücklich, denn dadurch haben wir zumindest mal zwei weitere Wochen gewonnen, könnte ich mir denken, und kommen um die Hauruck-Nummer im Krankenhaus herum.

Dachte ich. Heute morgen war Würmchens Kopf wieder da, wo er die letzten Wochen immer schon war. Es scheint ihm zu gefallen da. Aber wer weiß, vielleicht tut er mir den Gefallen ja nochmal?


Dienstag, 4. Juni 2013

Erledigungsmarathon: Kilometer 1-8.

Das mit der Krankenkasse und dem Mutterschutzgeld ging wider Erwarten easy-popeasy: zwar kam das Ganze kurz ins Stocken, als ich feststellte, dass das einzige im Netz vorhandene Antragsformular schon sehr auf angestellte Bald-Mütter zugeschnitten ist, aber ich habe dann kurzerhand den Papierkram zusammengepackt und bin zur nächstgelegenen Filiale gefahren. Da allerdings ging es noch mal rund: ich war schon am Einparken, als ein Fuchs von einem Rentner mir den Parkplatz wegnehmen wollte. Ungerührt habe ich weitergemacht, was ihn dann dazu brachte, sich mit hochroter Birne und gesträubtem Haarkranz an meinem Fenster aufzubauen und rumzubrüllen. Weiterhin sonnig lächelnd bin ich ausgestiegen und mit einem "Entschuldigung, darf ich mal? Ich hab hier noch zu tun" an ihm vorbeigeschoben. Daraufhin ist er mir nachgelaufen, um mir nachzuweisen, ich hätte im zu dem Parkplatz gehörigen Geschäftsgebäude ja wohl gar nichts zu tun sondern wollte "nur shoppen". Und da habe ich mir inständig gewünscht, er würde jetzt bitte die Polizei rufen. In sich hatte er diesen Impuls auf jeden Fall, das war der Typ, der als Hobby Falschparker aufschreibt und verpetzt. Wäre das schön gewesen! Ich mit glasklarem Krankenkassen-Anliegen und Neunmonatsbauch, er mit nüschte außer offensichtlich erhöhtem Schlaganfallrisiko. Hihihi... hat er aber nicht, zu schade. Und der Antrag war dann auch binnen fünf Minuten ausgefüllt und erledigt.

Im Babymarkt war ich gerade, leider ohne richtig greifbaren Erfolg, denn in meinem Schwangerentran hatte ich vergessen, vorher das Wickeldings auszumessen und nachzusehen, ob unser gebraucht übernommenes Babybay das Original- oder das Maximodell ist. Dafür war nebenan ein dm (zu denen ich eigentlich nie gehe, weil ich gerüchteweise gehört habe, die würden unserem heißgeliebten Budni hier das Wasser abgraben wollen, und auf Budni lasse ich nichts kommen, aber wenn die Blogdamen so gute Tipps geben...), und da habe ich dann eine Packung Ökowindeln für Neugeborene, zwei Schnuller für korrekte Zahnstellung in weiß und blau, eine Tube Windsalbe, eine Schachtel Bio-Stilltee, eine Schachtel Baby-Kleenex und einen biobaumwollenen Strampelsack gekauft. Bei normaler Kleidung bremse ich mich, so gut es geht, denn am 8. Juni kommt L.s Cousine aus London angeflogen, im Gepäck eine Riesenladung Babykleidung. Ihr Junge, der im März geboren wurde, ist von Anfang an so irre gewachsen, dass die erste und zweite bis dritte Größe jetzt schon zu klein sind, das dürfen wir alles erben. Und vor dem 8. Juni wird Würmchen doch wohl hoffentlich nicht kommen? Bitte?

Die Fenstermänner tun, was sie können (tun sie wirklich, ich gucke alle fünf Minuten nach, und wehe, wenn nicht), aber unser altes Haus macht ihnen gerade einen Strich durch die Rechnung. Zwei Erker, die neu befenstert werden sollten, erweisen sich als total marode und müssen jetzt neu gemauert werden, bevor man auf den Schutt jetzt noch neue Fenster setzt. Zum Glück ist das im Erdgeschoss und nicht im Kinderzimmergeschoss, und ich hoffe und bete (und habe das jetzt auch schon so oft zu jedem Beteiligten gesagt, die Platte hat echt einen Sprung), dass das Kinderzimmer davon unbeschadet fertig wird. Achtet nicht auf uns, ist egal, ob wir im Geröll und mit Sperrholzplatten statt Fenstern leben! So lange nur Würmchen ein kleines, friedvolles und intaktes Reich hat. Morgen kommt ein Maurer und sieht sich das Schlamassel an, ich denke mal, ich werde auch zu früher Stunde schon nicht an Wimperntusche und Lippenstift sparen.

Die Rosen habe ich übrigens auch hochgebunden. Ich weiß, ich sollte gerade andere Prioritäten haben, aber erstens ist das mal eine Aufgabe gewesen, die null Muskelkraft erfordert, und zweitens sind die Rosen das einzige, was bei mir wirklich beeindruckend wächst, und inzwischen haben wir fast so etwas wie eine Beziehung - und wenn die Ausleger noch lange auf der Erde herumgelegen hätten, dann hätten sie über kurz oder lang die Hunde abgeknickt, und das hätte mich ehrlich bekümmert.

Ich habe meine Papiere zur Hälfte sortiert, ich gebe zu, zur einfacheren Hälfte, aber immerhin. Extrafleißschweinchen gibt es dafür, dass ich das alles bei strahlendem, wunderschönem Atlantik-Wetter mache, nachdem es hier wochenlang nur geschüttet hatte. Andere gehen ein Eis essen, ich mache die Steuer, da ist doch ein Lob wohl mal angebracht? Heute jedenfalls müsste ich damit fertig werden.

L. selbst hat es zwar vermutlich schon wieder vergessen, aber er hat sich plattquatschen lassen, noch diese Woche mit mir sowohl zu Ikea als auch in die Agentur zu fahren.

Soweit. Das geht doch eigentlich ganz gut voran, oder?

Und dann hab ich noch zu berichten, dass ich seit gestern Eisentabletten schlucke, genauer gesagt ferro sanol duodenal (wieso denke ich immer an "Brat fettlos mit Salano ohne"?) und dass mir das gar nicht gefällt. Aber so gar nicht. Das Rezept war in der Post, weil meine Frauenarztpraxis nach einer Blutuntersuchung einen Eisenmangel festgestellte hat, und gestern habe ich es eingelöst. Die Apothekerin hat mir eingeschärft, dass die Eisenpillchen sowohl auf sehr nüchternen Magen als auch mit großem zeitlichen Abstand zur Schilddrüsentablette genommen werden müssten - tja nun, da habe ich ein Problem, denn ich bin nicht bereit, mir den Wecker auf fünf Uhr früh zu stellen, dann Eisen zu schlucken und vier Stunden später L-Thyroxin, um dann nochmal eine halbe Stunde aufs Frühstück zu warten. Eine Lösung, mit der sie einverstanden war, war dann schließlich, abends um sechs zum letzten Mal zu essen und dann direkt vor dem Schlafen das Eisen zu schlucken. Auch nicht so doll, abends ohne Wein kann schon trostlos sein, aber jetzt auch noch ohne Essen? Zudem ist mir auch im Schlaf richtig schön schlecht geworden von dem Ding, und der rostige Geschmack im Mund macht es auch nicht besser. Aber was solls, ist der Endspurt, und bald ist das vorbei. Heute werde ich mir (natürlich nur aus Rücksicht auf den Eisenmangel) ein-zwei schöne dicke Burger braten.

Montag, 3. Juni 2013

Habt ihr den Knall gehört? Das war der Startschuss zum Erledigungsmarathon.

Inzwischen habe ich einen Termin in meiner Geburtsklinik: am 13. Juni soll ich mich da vorstellen, dann werde ich untersucht. Liegt Würmchen dann immer noch falsch, wird ein zweiter Termin gemacht, vermutlich am 14. oder noch eher am 15. Juni. Dann versuchen sie, ihn von außen zu drehen. Geht das schief, machen sie dann sofort einen Kaiserschnitt. Das heißt, es kann passieren, dass ich heute in zwölf Tagen ein Baby habe.

Yay bzw. Urgs.

Neben aller Freude und Ungeduld heißt das auch, jetzt sollte hier in mancherlei Hinsicht mal Butter bei die Fische.

Ich muss den Handwerkern Tag und Nacht wie die Steuerfahndung im Genick sitzen, damit sie jetzt bloß Gas geben und wenigstens das angehende Kinderzimmer schon mal fertig gestrichen werden kann. Wenigstens das.

Ich muss zu Ikea (wobei ein Großteil der Aufgabe darin besteht, L. mitzuschnacken), ein Kinderbett aussuchen, ein paar Babyhandtücher und Babywaschlappen und solchen niedlichen Killefitt kaufen und außerdem Körbe oder andere Einsätze, die in mein Expedit-Bücherregal passen. Das soll nämlich das Babyzimmerregal werden. Dafür qualifiziert es sich durch genau diese Körbe: die passen haargenau in die Fächer wie Schubladen und sind perfekt, um Strampler, Söckchen, Windeln oder was auch immer man sonst so für Babykrams braucht, darin ordentlich und griffbereit zu verstauen.

Damit Expedit diese verantwortungsvolle Rolle übernehmen kann, müssen aber erst mal die 800 Bücher daraus verschwinden. Dafür muss ich ein Möbeltaxi organisieren, das von meinen Eltern in Süddeutschland nach Hamburg fährt und mir mein uraltes, aber wunderschönes Bücherregal bringt.

Damit ich das Bücherregal aufbauen kann, muss eigentlich auch der klägliche Rest des alten hässlichen Einbaukleiderschranks im zukünftigen Arbeits- und Gästezimmer abgebaut werden. Dann brauchen wir aber einen neuen Kleiderschrank, am besten einen für die Ewigkeit und schön genug, um in unser Schlafzimmer zu dürfen. Um diese Shopping-Dominorallye an dieser Stelle zu unterbrechen, finde ich mich damit ab, einen Großteil meiner Bücher erst mal in alten Umzugskartons im Keller zu verstauen, das Bücherregal zwar herzuschaffen, aber für spätere Verwendung in die Garage zu packen und kurz durchzuatmen. Uff.

Dann brauchen wir noch einiges an Krams, das aber mit einem koordinierten Gang durch den zehn Autominuten entfernten Babysupermarkt zu kriegen sein sollte. Eine Auflage für den Wickelservierwagen, Schlafsäcke für das Würmchen und all sowas. (Mein Gott, sind die teuer! Am Samstag in Berlin, als wir unseren Kinderwagen abgeholt haben, habe ich mal einen Blick auf Preisschilder geworfen. 86 Euro für einen zwar niedlich sternchenbedruckten, aber trotzdem winzigen Schlafsack?!? Von einer Marke, von der zumindest ich als Abkürzungsdame noch nie gehört habe? Schaudernd bin ich weitergegangen und in der Petit Bateau-Abteilung gelandet. "Jetzt mache ich mir mal einen Spaß" dachte ich und habe auch dort auf die Preisschilder für Schlafsäcke geguckt. 65 Euro? Wer hätte das gedacht, dass man bei solchen Sachen mit Petit Bateau noch billig bedient ist?)

Bevor ich wieder irgend eine Frist verbammele, muss ich heute noch mit meiner Bescheinigung über die in sieben Wochen (als ob) bevorstehende Geburt, die gestern in der Post war, zur nächsten Niederlassung der Barmer. Im Netz war ich schon, das könnte lustig werden, denn die Informationen dazu, was genau jetzt mit mir als künstlersozialkassenversicherter selbständiger Barmer-Kundin passiert, gehen extrem auseinander.

Ich muss L. mit in die Stadt schleppen und (möglichst nach Feierabend oder zur Mittagspausenzeit) meiner alten Agentur einen Besuch abstatten. Auf dem Rechner liegen immer noch Dateien, die ich brauche, im Schrank sind immer noch Hamstervorräte an Special K.s, Müesli und dergleichen, und ich würde gerne alles Wichtige in eine Kiste packen, von L. ans Auto buckeln lassen und mitnehmen. Dann kann ich auch das im Kopf mal abschließen und wirklich wissen, dass jetzt Babyzeit ist und nicht die kurze Pause zwischen zwei Jobs.

Ich muss (möglichst bei dieser Gelegenheit) zu C&A und mir wie angewiesen billige riesige fleischfarbene Miederhosen kaufen.

Ich muss zusammen mit L. eine Entscheidung treffen, ob wir das Kinderzimmer rein weiß streichen wollen oder wenigstens eine bunte Wand haben möchten. Oder Tafelfarbe? Bunte Tafelfarbe? Die entsprechende Farbe sollten wir dann möglichst selbst besorgen. Unser Stamm-Malermeister ist ein Vereinskollege von L., der ist zwar sehr nett und hat immer von jetzt auf gleich Zeit, aber er scheint leider - ungünstig in seinem Beruf - farbenblind zu sein. Unsere Haustür z.B. sollte er in einem tiefdunklen Graublau streichen, das ich mit viel Gedöns samt Pantone-Farbcode etc. festgelegt hatte. Jetzt ist sie hell-lavendelfarben. Wollen wir Würmchen nicht in einem orangefarbenen Kinderzimmer aufwachsen lassen, sollten wir ihm da zur Hand gehen.

Ich muss mich zu einem Baby-Erste-Hilfe-Kurs anmelden. Zum Glück bietet meine neue Arztpraxis so was an. Bevor Würmchen da ist (oder notfalls eben in den ersten Wochen, bevor er viel Gelegenheit hat, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen), will ich wissen, was ich tun kann, wenn ihn eine Biene sticht. Oder wenn er sich verbrennt. Oder wenn er blau anläuft. Oder wenn er keine Luft bekommt. Oder... was auch immer.

Ich muss meine Finanzpapiere aus dem letzten Jahr und den letzten Monaten sortieren, abheften und möglichst eigenhändig zu meiner Steuerberaterin fahren. Nicht ganz leicht, wenn das Arbeitszimmer immer noch eine staubige Hölle voller Geröll ist, aber muss ja.

Ich muss die Betten klar machen für den Einfall meiner Familie. Die halten sich bereit und wollen hier anrücken, sobald es losgeht, was ja jetzt - erwähnte ich das schon? - schneller gehen kann als gedacht.

Und das sind nur die Dinge mit direktem oder indirektem Babybezug. Soll ich anfangen von Kletterrosen, die endlich was zum Hochranken brauchen? Von meinem Auto, das immer mehr Aussetzer hat und außerdem nur zwei Türen, so dass ich eigentlich vor dem Baby noch ein neues bräuchte? Von meinem Knie, das mir seit Wochen Ärger macht und mit dem ich eigentlich mal zum Orthopäden wollte? Von Zahnreinigungen, Haus-Großputz und all den kleinen Nestbautriebbefriedigungen wie Kleiderschrank ausmisten, Blümchen auf die Tische, Kekse backen, die ich jetzt wohl nicht mehr hinkriege? Nee nee nee, davon fange ich lieber nicht an.

Sonntag, 2. Juni 2013

Kennt ihr das auch?

Ich wache auf und brauche ein paar Sekunden, um zu wissen, was da nicht stimmt. Kippenkater. Anderthalb Schachteln sind es wohl gewesen. "Aber ich habe die meisten nur bis zur Hälfte geraucht", denke ich. "Und zum Glück, zum Glück hatte ich wenigstens noch genug Verstand, um nur American Spirits in Orange zu rauchen, die Leichtgewichte unter den Fluppen". Irgendwelchen Blödsinn musste ich wohl machen, das war schließlich eine Hochzeit! Eins meiner Mädchen hat geheiratet, es war alles ganz wunderschön, und auch ohne Ströme von Alkohol war dieser Abend emotionaler Ausnahmezustand. Nur so kann ich mir das erklären, dass ich tatsächlich eingeknickt bin und geraucht habe. Und nachdem ich erst eine Zigarette geraucht hatte, war es auch fast schon egal, ob danach noch eine, noch eine und dann noch einige kamen. Gestern Abend dachte ich noch, Sünde ist Sünde, da spielt die Menge jetzt auch keine Rolle mehr. Aber jetzt ist morgen, grauer Morgen danach. Die Schuldgefühle pressen mich für einen Moment tief in die Matratze, wie konnte ich nur? Wie konnte ich nur? Würmchen gibt mir einen Tritt: er ist noch da, mehr Glück als Verstand nennt man das wohl. "Andere Schwangere rauchen fast die ganze Schwangerschaft über" denke ich trotzig. "Noch in den 50ern und 60ern hat da kein Mensch einen Gedanken dran verschwendet." Aber das ganze fadenscheinige Verteidigungsplädoyer nützt nichts, ich fühle mich grauenvoll. Ich bin das Letzte. Jetzt kann höchstens noch Information helfen. Neben mir auf dem Hotelnachttisch liegt mein Handy, ich fange an zu googeln. Zigaretten Ausrutscher Schwangerschaft. Zigaretten letztes Trimester. Zigaretten neunter Monat. Immerhin hatte ich nicht mehr als drei Gläser Wein, das kann doch kaum zählen. Wie immer sagt jeder was anderes. Dass Zigaretten nicht gut sind, darin sind sich alle einig. In den Foren werden die schwachen Damen vielstimmig zur Schnecke gemacht, was treibt sie auch dazu, ausgerechnet auf Urbia um Absolution zu bitten? Einige Quellen sagen auch, böse Sache, aber jetzt eben einfach nicht wieder tun und nicht zu viel drüber nachdenken, das stresst nur, und der innere Stress schadet dem Kind noch weiter, mit Glück geht alles gut. Ich googele und googele, L. neben mir wälzt sich schon ein paar mal hin und her, der Lichtschein meines Displays scheint ihn im Halbschlaf zu blenden. Wieso hat der das eigentlich nicht verhindert? Weil ich durchtrieben genug war, mich zum Rauchen immer irgendwohin zu verziehen, wo er nicht war. Aber er muss es doch gerochen haben? Ich weiß es doch auch nicht. Für mich stinkt mein Atem jetzt noch schrecklich. Ich gehe ins Bad und putze mir so leise wie möglich die Zähne, auch die Zunge wird geschrubbt, auch wenn ich genau weiß, das nützt jetzt nichts, da muss ich durch. Würmchen strampelt noch mal. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch und versuche, mich per Gedankenkraft zu entschuldigen: bitte, mein Süßer, kannst du mir das verzeihen? Bitte? Dafür hast du auch einen gut bei mir, versprochen! Und wo ich schon mal wach bin, wühle ich in meinem Waschbeutel nach Schilddrüsentabletten und Schwangerschaftsvitaminen, davon gibt es gleich einen doppelte Dosis heu...

Ich wache auf und liege in meinem Hotelbett. Das Handy liegt neben mir auf dem Nachttisch, L. schläft tief und fest und schnarcht sein diskretes kleines Heuschnupfenschnarchen. Ich habe nicht geraucht. Natürlich habe ich nicht geraucht. Und natürlich habe ich keine drei Gläser Wein getrunken. Ich habe den Abend mit alkoholfreiem Bier, Apfelschorle und Sturzbächen von Wasser verbracht. Aber dieser Traum war raffiniert. So was von mies: alles war so realistisch, das hätte kein Lindenstraßen-Ausstatter besser hingekriegt. Das Hotelzimmer im Traum war unser Hotelzimmer. Mein Schlafanzug war mein Schlafanzug. Sogar die letzte Google-Suche, als ich im Traum mein Handy angemacht habe, um mich schuldfrei zu googeln, war meine echte letzte Google-Suche: ich hatte nach der Hausnummer der Bar geguckt, in der die Hochzeit war. Ich hatte den gleichen Schlafanzug an, und im Hotelzimmer stand sogar der Kinderwagen, den wir gestern abgeholt haben, und genau wie im echten Leben bin ich auf dem Weg ins Bad mit der Hüfte am Getränkehalter hängengeblieben. In der Bar war alles gleich, die kleinen Dekoherzchen, die an Holzstielen zwischen dem Kopfsteinpflaster steckten, das zauberhafte Brautkleid, meine Mädchen um mich herum, die Gespräche, die Musik, alles, alles, alles! Der einzige Unterschied zwischen Traum und Realität war, dass ich im Traum geraucht hatte. Und getrunken. Und um das dann zu begreifen, habe ich fast noch mal zehn Minuten gebraucht heute morgen.

Sowas ist mir ab und zu schon mal passiert, Träume, die so wenig traumhafte Elemente haben, dass es wirklich schwer wird, sie von Realität (oder erinnerter Realität) zu unterscheiden. Aber diese Sorte Traum, diese perfekte Kopie von gestern Abend nur mit einem kleinen Unterschied, die habe ich erst, seit ich schwanger bin. Und immer hat der Traum etwas damit zu tun, dass ich böse war. Sehr böse. Geht das noch mehr schwangeren Damen so?