Donnerstag, 31. Dezember 2009

Jedes Runterfahren ist ein kleiner Abschied

Vier Tage kein Mucks. Und ich habe keine Entschuldigung außer der, dass mein Rechner zusehends vor die Hunde geht. Wenn ich ihn auch nur um einen Milimeter bewege, fällt sofort der Akku raus und ich muss ihn neu starten, was inzwischen bei dem armen Schatz ca. zehn Minuten dauert. Während ich schreibe, habe ich mit der Evakuierung meiner Musik und meiner anderen paar verbliebenen Dateien begonnen. Ich hoffe, es verbirgt sich nicht doch irgendwo in seinen vergammelten Drähten eine Intelligenz. Ich hoffe, er kann nicht verstehen, was ich da schreibe, ich möchte ihm so gerne Kummer ersparen. Er soll am liebsten im Schlaf sterben, ganz friedlich. (Und nicht mit einem Funkenregen und einem tödlichen Stromstoß, während ich gerade an ihm sitze und nichts böses denke.) Wir hatten es schön zusammen. Oft hab ich an ihm gesessen, Musik gehört und Wein getrunken, und eins führte zum anderen.

Jedenfalls, mein Rechner geht langsam vor die Hunde. Und es macht weniger und weniger Freude, an ihm zu sitzen und zu schreiben. Schon allein deshalb, weil durch die ständigen Stromausfälle seine Uhr auf 1970 steht und er mir ständig aus Besorgnis um meine Sicherheit den Zugang zu allen Internetseiten verweigert, weil "ihr Zertifikat noch nicht gültig ist". Ein Greis mit Glasknochenkrankheit und Alzheimer spielt Bodyguard für mich. Es ist rührend und anstrengend.

Ich kann euch aber versichern, dass ihr in den letzten vier Tagen keine bahnbrechenden Ereignisse mit IVF-Bezug in meinem Leben verpasst habt. Ich hatte Besuch von meinem Bruder und einer Freundin, ich habe endlich zwei Bücher zu Ende gelesen, ich hab vorm Weihnachtsbaum gesessen und in regelmäßigen Abständen Kontakt zu Alufolie und Alkohol gehabt. Heute z.B. habe ich den Teig für den Mitbringselkuchen zur Silvesterparty in Alufolie (Gasp!) eingewickelt. Nun plagt mich natürlich mein Gewissen: muss ich die anderen Partygäste warnen, dass der Genuss dieses Kuchens zu Unfruchtbarkeit führen kann, und wo wiederum das hinführt, sieht man ja an mir?

Ich werde mir außerdem gleich eine, vielleicht sogar zwei Schachteln Öko-Zigaretten kaufen und bis zum letzten Stummel aufrauchen. Morgen werde ich darum vielleicht erst gegen vier Uhr Nachmittags, vielleicht aber auch gar nicht mehr posten. Es wird mir dreckig gehen, und ich hoffe, dass die Erinnerung an die Schmerzen, Übelkeit und das totgeweihte Gefühl, mit dem ich morgen aufwache, so schnell nicht verblasst und ich es deshalb schaffe, meinen Vorsatz durchzuhalten und bis mindestens April nicht zu rauchen.

Ich hoffe sowieso noch so manches. Wollt ihr raten, was?
Alles werde ich natürlich nicht verraten. Außer, dass ich für euch alle das meiste davon mithoffe. 2010, wie klingt das? Doch wohl wie ein gutes Jahr?
Habt es gut heute Abend, ihr kleinen Silvesterknaller.

Sonntag, 27. Dezember 2009

Die reine Magie

Pfeif auf unser Alter, die Qualität unserer Eizellen oder ähnlichen Kokolores. In den letzten Monaten habe ich ganz andere Methoden entdeckt, den Erfolg oder Misserfolg der nächsten Behandlung todsicher vorauszusagen.

1. Wenn ich an die Bushaltestelle komme und der Bus noch dasteht oder in den nächsten zwei Minuten kommt, klappt es.
2. Wenn ich gleich den Vorhang aufziehe und die Sonne scheint, klappt es.
3. Wenn ich die Wohnungstür aufschließe, bevor das Licht im Treppenhaus ausgeht, klappt es. Na gut, wenn ich es auf unser Stockwerk schaffe.
4. Wenn ich es schaffe, mir auch diesmal wieder den Schwangerschaftstest von Budni zu verkneifen, klappt es.
5. Wenn ich gleich den Bummel über die Schanze (d.h., durch die Unfruchtbarengeisterbahn - überall Muttis und Schwangere) schaffe, ohne auch nur ein einziges Mal sowas zu denken wie "Menno" oder auch nur "Hrmpf", klappt es.
6. Wenn ich die nächste bin, die in der Klinik drankommt, klappt es.
7. Wenn ich die einzige im Klinikfahrstuhl bin und niemand aus den anderen merkwürdigen Firmen zusteigt, klappt es.
8. Wenn ich nach jedem Besuch in der Klinik brav meinen Glücks-Cheeseburger esse, klappt es.
9. Wenn ich es diesmal schaffe, alle Folsäurepillchen zu nehmen, ohne dass der Boden aus der Packung fällt und die restlichen Pillchen sich in alle Winde zerstreuen, klappt es.
10. Wenn ich fortan ein mustergültiges Leben ohne Zigaretten, Alkohol, Zucker, Weizen, Fleisch, Alufolie oder Sushi führe, klappt es.

Freitag, 25. Dezember 2009

Noch nicht Dreinachten

Ok, vielleicht kann ich nicht ganz so viel Zeit wie andere damit verbringen, die Spielzeugabteilungen zu durchkämmen. Geschenke für Kinder machen leider mehr Spaß als Geschenke für Erwachsene. (Schon allein deshalb, weil Kinder nicht diese bis zum Wahnsinn nervtötende Angewohnheit haben, zu antworten "Ooooch, weiß auch nicht, ich brauch ja nichts", wenn man sie fragt, was sie sich wünschen. Den Teufel würden sie tun.) Andererseits: wenn man erst mal Kinder hat, wird es vermutlich auch nicht leichter, sich einfach mal für ein paar Stunden zu verdrücken und in aller Ruhe die neuesten Entwicklungen bei Playmo und Lego unter die Lupe zu nehmen. Vor allem käme man vermutlich nicht weit mit der Tüte vom Spielzeugladen. Alles würden sie finden und durchwühlen, die Biester.
Vielleicht habe ich auch niemanden, der strahlende Augen beim Anblick der Kerzen am Baum bekommt, außer mir selbst und L. (der aber eher angesichts anderer Dinge strahlende Augen bekommt, hähämm. Insgesamt ist er weniger anfällig für Merci-Werbespot-Stimmung als ich. Hat der ein Glück.)
Vielleicht wird sich das auch im nächsten und übernächsten und überübernächsten Jahr nicht ändern. Das wäre sehr traurig.

Andererseits kocht nebenan gerade eine Broccolisuppe als Vorspeise, und danach gibt es blutige Steaks, und niemand wird maulen, dass er kein Broccoli mag, niemand wird sein Steak von innen grau verlangen, und niemand wird nörgeln, was das für komische gelbe Haare im Reis sind. "Safran, Süße, das schmeckt gut." "Ich hasse Saffan. Du bist doof."
Ich trinke ein Glas Rotwein, während ich diesen Eintrag poste, und gleich, wenn ich das Steak und vor allem den Broccoli intus habe, kann ich mir genauso gut über eine schöne Kugel streichen wie manch andere. Im Kühlschrank ist Champagner, gleich zünden wir die zweite Runde Kerzen an, und niemand wird sein ferngesteuertes Auto in den Baum fahren lassen und ein Inferno verursachen. Nächstes Jahr haben wir zwar vermutlich noch kein Kind, aber einen Hund werden wir haben, Ende Januar dürfen wir die kleine Fellwurst abholen. Das ist also - alles in allem - für lange Zeit das letzte Weihnachtsfest, bei dem niemand im Haus zu doof für Kerzen ist und pausenlos an die Leine muss, so lange sie brennen.

Nein, ich rede mir nicht gerade ein, dass Kinder in Wahrheit irgendwie doch nicht so toll sind. Das könnte ich gar nicht. Aber demnächst sitzen wir (wir alle. Ihr und ich.) bestimmt alle auf der anderen Seite des Zauns. Und darum streiche ich nochmal ordentlich über das Gras und freue mich darüber, wie schön grün es hier ist.

Guter Rotwein. Welche Sorte ist das? Muss ich mir merken.

Zweinachten II

Weihnachten dieses Jahr ging so:
Es fing fast zu schön an, um wahr zu sein. Aber weil ich Angst hatte, am Dienstag abgeschickte Päckchen würden vielleicht nicht pünktlich bis Donnerstag, also Heiligabend, meine Familie erreichen, hatte ich tatsächlich am Mittwoch vor einer Woche alle Geschenke gekauft und am Donnerstag alles eingepackt und abgeschickt. Vor Selbstzufriedenheit aus allen Nähten platzend, trat ich meinen Urlaub in London an. Ich war zwar ein bisschen unruhig, dass es trotzdem noch Stress geben würde mit den Geschenken für die Familie von L., aber habe mich damit beruhigt, dass wir ja am Dienstag landen würden und damit noch den Mittwoch und Donnerstag haben würden, um alles hinzukriegen. Außerdem: Urlaub zur Weihnachtszeit in London - da sollten doch wohl alle Geschenke zu kriegen sein?
Dann kam eine dicke Erkältung und warf mich aus dem Nichts drei Tage ins Bett. Und L. ging zwar immer wieder los mit Missionen wie "niedliches, britisch angehauchtes Spielzeug für den kleinen Sohn seines Cousins" oder "irgendwas mit Schottenkaro für seine Mutter", aber kam dann jedes Mal mit einem neuen Paar runtergesetzter Clarks-Schuhe und sonst nichts wieder. Es stellte sich heraus, dass London ein weniger paradiesisches Shoppingwunderland ist als gedacht. Als wir dann am Dienstag die mehrstündige Tour zum Flughafen angetreten hatten, stellte sich heraus, dass easy Jet wegen drei Zentimetern Schnee sämtliche Flüge gestrichen hatte. Der Flughafen quoll über vor Menschen, die binnen Stunden das Aussehen und die hoffnungslose Ausstrahlung gestrandeter Flüchtlinge angenommen hatten und vergeblich versuchten, eine bequeme Position mit dem Kopf auf ihren stahlharten Rimowa-Koffern zu finden. Irgendwann kam die Durchsage, wir sollten uns doch anderweitig orientieren, hier gäbe es jedenfalls erst am 28. wieder einen Flug. Die meisten blieben trotzdem, wir sind wieder abgezogen. Easy Jet kann sich auf was gefasst machen. Per Telefon konnte L. uns dann mit viel Glück auf einem Flug gestern früh um sieben nach Hannover unterbringen, wo wir zwar auch nichts verloren hatten, aber angesichts dessen, dass ich schon kurz davor war, uns kurzschlussartig auf einen Flug nach Zürich zu buchen, war das ein gewaltiger Schritt nach vorne. Trotzdem klappte dank der Airline mit dem fröhlichen orangefarbenen Logo mit einem Mal mein ganzer dufter Weihnachtsplan in sich zusammen. Ich würde keine Zeit mehr haben, die versprochenen Weihnachtskekse für die Familie zu backen, keine Zeit, um für das Weihnachtsessen am 25. mit L.s Mutter einzukaufen, keine Zeit, einen Baum zu besorgen und die im Chaos verlassene Wohnung aufzuräumen, keine Zeit für letzte Geschenke, ob mit oder ohne Schottenkaro, keine Zeit, Weihnachtskarten zu schreiben und abzuschicken, keine Zeit für garnichts.
Gestern um halb fünf piepte der Wecker. Da war ich schon seit zwei Stunden wach und starrte mit panikgeweiteten Augen an die Decke unseres niedlichen Londoner Hotelzimmers. Egal, wie ich es drehte und wendete, das würde alles nichts werden. Es würde nur die vor dem Urlaub produzierten Heidesand-Kekse geben, bisschen mager als Geschenk. Dann noch ein paar Bücher, die L. besorgt hatte. Nichts von all den gut durchdachten Geschenkideen, die rote Wangen oder sogar ein Tränchen der Rührung in die Gesichter der angeheirateten Verwandtschaft zaubern würden. Und das mir, wo ich doch jedes Jahr bis zur letzten Sekunde in der Sorge lebe, ich hätte irgendwen nicht ausreichend oder sogar gar nicht bedacht und würde es erst unterm Baum merken. (Weihnachten ohne Geschenke ist für mich ein Traum, die totale Befreiung. Das wird zwar vermutlich nie passieren, aber träumen wird man ja wohl noch dürfen.)
Der Flug ging tatsächlich, und zwar nur mit einer halben Stunde Verspätung. Und während wir noch um unser Weihnachten jammerten, war eine Freundin schon emsig wie ein Weihnachtswichtel unterwegs, um für uns das Nötigste zu Essen und einen Baum zu besorgen. Alles klappte wie am Schnürchen, um zwei waren wir zuhause und hatten sogar noch die letzten zehn Minuten Öffnungszeit unseres Supermarkts erwischt. Zwar nicht genug, um für einen Festtagsbraten einzukaufen, aber genug für Toast und Schinken und Käse und ein paar Vitamine. Champagner zum Mitbringen hat L.s Mutter besorgt. Die Strumpfhose hatte keine Laufmasche, die Wimperntusche klumpte nicht, die Schuhe waren wie durch ein Wunder schon sauber und mussten nicht von Matschkrusten befreit werden, das Taxi kam pünktlich, und um sechs saßen wir bei L.s Familie unterm Baum, ein Glas Champagner in der Hand.
Bei L.s Onkel gibt es keinen Sekt, sondern Champagner und Diskussionen darüber, welche Sorte die beste ist. Es gab dieses Jahr aus Angst vor berserkerhaften Anwandlungen des Kleinen keine echten Kerzen, sondern elektrische. Es gab keine geordnete Bescherung, sondern irgendwann fingen alle an, auszupacken und sich gegenseitig immer mehr und mehr Geschenke in den Schoß zu werfen. Zwischendurch gingen wir zum Rauchen nach draußen und guckten auf den verschneiten Garten und die Alster. Während bei uns zuhause Weihnachten, so wie es immer war, nur funktioniert, weil alle Beteiligten durchgehend so tun, als wären meine Eltern immer noch Mama und Papa und wir immer noch Kinder oder Teenies, die heute ausnahmsweise mal länger aufbleiben und Wein trinken dürfen, waren wir diesmal erwachsen. Es gab alten Rotwein und Wild, und hinterher noch einen Whiskey. Es gab zwar wenig Rituale, aber es wurden Weihnachtslieder gesungen (es stellte sich heraus, dass wir alle weniger textsicher sind als gehofft) und es gab erwachsene Konversation über Berufe, Kinder, Essen und Reisen. Die Bücher kamen, so weit ich das sehen konnte, wider Erwarten gut an, und obwohl meine Geschenke von Zuhause von der Deutschen Post in Geiselhaft genommen sind bis nach den Feiertagen, habe ich trotzdem so viel wie sonst zum Auspacken gehabt. Es gab einen rührenden Brief vom kleinen Sohn meiner Cousine, der mein besonderer Freund ist, mit einem Foto, auf dem man sieht, wie er neben dem Playmobil Piratenschiff schläft, das ich ihm geschenkt habe. Das war schön. Der Bauch hat überhaupt nichts ausgemacht, und mit dem Kleinen habe ich Bücher angeguckt. Ich bin extrem froh und dankbar, dass ich keinen sentimentalen Durchhänger à la "ach, ob ich wohl jemals für ein eigenes Kind Piratenschiffe verpacke?" hatte. Reines Glück, aber dafür kann man ja manchmal am dankbarsten sein. Am Ende gab es sogar noch ein Taxi nach Hause.
Jetzt mache ich uns Weihnachtstoasties und koche Eier. Und dann freue ich mich darauf, wenn es dunkel wird und wir zum ersten Mal unseren Baum anzünden.

Zweinachten

Bei uns zuhause geht Weihnachten so:
Der Baum liegt seit Tagen hinterm Haus. Wenn es geschneit hat, klebt Schnee an den Zweigen, wenn es geregnet hat (ratet mal, was häufiger vorkommt) mit undefinierbarem braunem Schmodder vermischte Tropfen. Gegen zwei geht mein Vater in seiner Traditionsdaunenjacke hinters Haus, flucht ein bisschen und kommt drei Minuten später mit dem Baum ins Zimmer, während meine Mutter (klüger geworden mit den Jahren) sich an dem Punkt des Hauses beschäftigt, der am weitesten entfernt ist. Wegen des uralten Weihnachtsbaumständers, der noch nie richtig funktioniert hat, aber trotzdem nie ausgetauscht wird, dauert das Aufstellen ca. eine Stunde. Wichtig ist nicht nur, dass der Baum gerade steht, sondern die schönste Seite muss auch noch nach vorne zeigen, und trotzdem muss die hässlichste Seite ganz nach hinten, und die schönste und die hässlichste Seite liegen sich selten direkt gegenüber. Steht der Baum, wird er mit einem Gespinst von Angelschnüren fixiert, in die jeder von uns über die Feiertage mindestens einmal reinrennt. Dann plaziert mein Vater noch an mehreren Punkten des Wohnzimmers einen Eimer Wasser, man kann nicht vorsichtig genug sein.
Jetzt ist die Aufgabe meiner Mutter in der Waschküche/im Keller/im Kinderbadezimmer plötzlich erledigt, und sie kommt dazu, lobt den Baum und vor allem meinen Vater, wischt unauffällig den Schnee-und-Nadel-Matsch weg, und wir gehen in den Keller, um die acht Pappschachteln zu holen, in denen wir unseren Weihnachtsbaumschmuck aufbewahren. Seit ich über 30 bin, darf ich nämlich schmücken helfen und muss nicht mehr aufgeregt in meinem Zimmer sitzen, bis alles fertig ist. (Wie das bei ältesten Geschwistern oft ist, haben mein kleiner Bruder und meine kleine Schwester automatisch zur gleichen Zeit gleiche Rechte dazugewonnen.) Früher hat meine Mutter kleine rote Äpfel mit Speck eingerieben und an roten Schleifen an den Baum gehängt, aber während der Jahre, in denen wir einen Hund hatten, ist sie davon abgekommen, aus Angst, eines Morgens den Hund mit dem kompletten Baum im Schlepptau in seinem Körbchen zu finden, die Pfoten im Schlaf liebevoll um einen Speckapfel gewickelt. Also Äpfel ohne Speck, bunte Figürchen aus dem Erzgebirge, dicke grüne Kerzenständer und rote Kerzen. Wir sind ein Haushalt, in dem die elektrische Kerze noch nie auch nur einen Zentimeter Boden erobert hat, und das wird auch immer so bleiben. Ganz oben an die obersten Zweige unter der Spitze kommen der Engel in der Sonne und der Engel in der Wolke, sonst haben wir freie Hand. Weil es inzwischen sehr viele Figürchen sind, dauert das Schmücken eine Stunde. Langsam wird es dunkel, und meine Schwester kommt von ihrer Tour durchs Örtchen zurück, wo sie ihren 80 Freunden aus der Schulzeit Geschenke gebracht hat. (Mein Abijahrgang war größtenteils doof, Ausnahmen sind weggezogen oder in einem Fall inzwischen mit einer Frau verheiratet, die mich für vollkommen verrückt hält. Daher kann ich mich zuhause auf die Familie konzentrieren.) (Nun guckt nicht so, ich hab Freunde, massenhaft! Nur eben nicht in meinem Heimatdorf! So!) Jetzt verkriechen meine Schwester und ich uns in unserem alten Zimmer, bedrucken Packpapier mit selbstgeschnitzten Kartoffelstempeln (einmal haben wir sogar ein Rentier mit Geweih hingekriegt, während wir früher noch nicht mal einen Stern mit mehr als zwei Zacken - also genau genommen keinen Stern - schnitzen konnten, wir werden immer besser), sauen uns vollkommen ein und sitzen am Ende vollkommen fertig vor einem Stapel verpackter Geschenke. Dann ziehen wir uns an und schminken uns, während mein Bruder, der im Familienkreis plötzlich jedes Mal wieder 15 ist, vor dem Badezimmer rumkaspert und abwechselnd wissen will, ob der Anzug zu eng und er zu dick ist, und sich über unsere Schminkerei lustig macht. Meine taktvolle 48-Kilo-Schwester lobt meine Schuhe (immer klug bei Frauen mit Hormonquatschfigur), wir ordnen die Geschenke zum achten Mal (ich habe jedes Jahr bis zur letzten Sekunde Angst, ich hätte jemanden vergessen), ich schreibe noch eine Weihnachtsmail an eine alte Freundin, die ich zuletzt auf der Hochzeit und davor ca. zu Kriegsende gesehen habe, und dann ist es Zeit: Licht aus, Baum an, alle laufen in feierlicher Prozession die Treppe runter ins Wohnzimmer, bauen ihre Geschenke in nach Empfänger geordneten Häufchen auf, meinem Vater fällt jetzt plötzlich ein, in den Keller zu laufen und eine Flasche Sekt zu holen, und dann stoßen wir an, mit den großartigen alten Sektschalen meiner Eltern, die nur zu Weihnachten benutzt werden. Alle wünschen sich frohe Weihnachten, es gibt Küsschen links und Küsschen rechts und einen rührend verklemmten Händedruck/Schulterklopfer mit meinem Bruder, und wenn alle dem Baum ein Kompliment gemacht haben, dann darf der Jüngste anfangen. Das war früher mal der Hund, der immer ein in Geschenkpapier verpacktes Würstchen auspacken durfte. Jetzt ist es meine Schwester. Sie hat, wie gesagt, 80 Freunde im Dorf, alle schenken ihr etwas, es dauert Stunden. Gelegenheit für uns, mehr Sekt zu trinken. Dann kommt mein Bruder dran, der am schwierigsten zu beschenkende Mensch in der Familie, meistens gibt es von meiner Schwester und mir etwas mit Sportbezug und von meinen Eltern Hemden oder Krawatten oder sowas, der Ärmste, aber er scheint sich zu freuen. Dann ich, meine Mutter und mein Vater. (Mein Vater spielt eine ganz eigene Rolle bei der Bescherung, als letztes Jahr L. zum ersten Mal dabei war, konnte ich ihm exakt wie bei der Trueman Show auf die Sekunde vorhersagen, in welchem Moment er mit Schere und Weidenkorb anrückt und uns antreibt, das Geschenkpapier ordentlich zu entsorgen und was er dann als nächstes sagt und tut. Am 24.Dezember ist mein Vater ein gut funktionierendes Uhrwerk.) Und dann geht meine Mutter in die Küche und rührt ihre großartige, ungeschlagene Cocktailsauce zusammen, außerdem macht sie Sahnemeerrettich, denn bei uns gibt es zu Weihnachten seit achtzehn Jahren Lachs, Krabben, Bündner Fleisch und hinterher rote Grütze. (Vorher gab es achtzehn Jahr lang Fleischfondue, bis meine Familie es leid war, dass mein Vater und ich uns jedes Mal in die Wolle kriegten, weil ich so wahnsinnig viel davon essen konnte und er sich laut Sorgen machte, was das mit meinem damals auch noch ca. 45-Kilo-Körperchen anrichtet. Auch hier: Papa, das Weihnachtsuhrwerk. Übrigens ist der Plan trotzdem nicht aufgegangen, denn es zeigte sich: auch von Krabben, Lachs und Bündnerfleisch kann ich irre Mengen verdrücken. Aber wenigstens ist dabei kein brennendes Rechaud im Spiel, das von meinem Vater mit Feuerwehrhauptmannhaftem Eifer bewacht werden muss.)
Nach dem Essen tragen wir das heilige Weihnachtsporzellan in die Küche, räumen ein bisschen auf, ziehen unsere Weihnachtsschlafanzüge an, zünden die Kerzen am Baum noch mal an und setzen uns zwischen unsere Geschenke, um noch ein-zwei-drei Gläser Wein zu trinken und die ersten Seiten unserer Weihnachtsbücher zu lesen. Und am nächsten Morgen treffen meine Schwester und ich uns traditionell unterm Baum und essen eine Schüssel rote Grütze.
So geht Weihnachten bei uns. Obwohl es weder Gesang noch Kirchgänge einschließt, habe ich doch inzwischen das Gefühl bekommen, so und nicht anders muss Weihnachten sein.

Jetzt zeigt sich, Weihnachten geht auch anders. Wie genau, schreibe ich, sobald sich der Tippkrampf in meiner linken Hand gelegt hat. Aber ich kann schon mal sagen: der Bauch hat mir nichts getan. Überhaupt nichts!

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Ja, ist denn heute schon Weihnachten?

Eigentlich wollten wir schon vor zwei Tagen zurück sein. Eigentlich wollten wir noch in Ruhe einen Baum kaufen und Geschenke für L.s Verwandtschaft (meine ist zum Glück längst versorgt). Eigentlich sollte noch alle Zeit der Welt sein, um den Kühlschrank vollzupacken, denn eigentlich sollte morgen auch noch L.s Mutter zum Essen kommen. Eigentlich war der Plan perfekt. Bis easy jet sich geweigert hat, vorgestern irgendwen aus London wegzufliegen, und wir für eine Weile sogar dachten, wir kommen hier gar nicht mehr weg, jedenfalls nicht vor dem 28. Ich hatte mich innerlich schon auf Rock'n'Roll-Weihnachten im Hotel eingestellt. Und jetzt sind wir doch noch hier, heute morgen um sieben sind wir nach Hannover geflogen, dann mit dem Zug hierher, und eine Freundin hat uns sogar noch einen Baum besorgt.

Die letzten Tage waren ziemlich anstrengend. Aber heute Abend setzen wir noch einen drauf, denn dann gehen wir zu L.s Familie Weihnachten feiern, unter anderem mit der Frau seines Cousins, die Mitte März ihr zweites Kind erwartet. Mitte März. Da wäre ich auch fällig gewesen. Zum Glück gibt es Champagner, L.s Familie lässt sich nicht lumpen. Das lustige ist, ich habe noch keine Ahnung, wie das endet. Vielleicht ist das überhaupt nicht schlimm, sie mit Bauch und Mineralwasser in der Hand zu sehen (das Mineralwasser in der Hand kann mir wohl ohnehin wenig anhaben). Vielleicht kommen mir aber auch irgendwann die Tränen. Aber wenn, dann hoffe ich, es liegt nicht am Neid, sondern nur an dieser "alles hier erinnert mich an die Würmchen"-Situation. Zum Glück ist mein Leben ja eher arm an solchen Situationen. Außer an Weihnachten, dem Fest, an dem alles anders ist.

Heute kann ich leider nicht mehr schreiben. Es sind noch Haare zu fönen, Geschenke zu verpacken, Strümpfe zu finden und Freunde anzurufen, und um sechs müssen wir auf der Familienfeier stehen, mit gekämmtem Haar und sauberen Schuhen. Aber ich verspreche einen großen, prächtigen Weihnachtspost für die nächsten zwei Tage. Mindestens einen! Und dann wünsche ich uns heute Abend allen Champagner und die dazu passende Gemütslage. Frohe Weihnachten, Abkürzungshasen.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Die Küchenuhr läuft.

In der Küche läuft die Produktion von Heidesand im großen Stil seit zehn Uhr auf Hochtouren. Jedes Blech muss 15 Minuten im Ofen bleiben, nach zehn Minuten nehme ich die abgekühlten Plätzchen der letzten Fuhre vom zweiten Blech, schneide die gekühlten Teigrollen in dünne Scheibchen und präpariere das nächste Blech, so dass es sofort in den Ofen kann, wenn nach einer Viertelstunde die anderen Kekse fertig sind. Alles, was ich seit zehn Uhr tue, muss in dieses Zehn-Minuten-Zeitfenster passen. Ich habe innerhalb von zehn Minuten geduscht und mein Gesicht gewaschen und eingecremt, ich habe in zehn- Minuten-Schritten alle Päckchen für die Familie fertig gemacht, ich habe zwei mal zehn Minuten mit einer Freundin telefoniert, ich habe zwei zehn-Minuten-Emails geschrieben, und das hier wird ein zehn-Minuten-Post.

Noch fünf. Die To-Do-Liste ist noch so ungefähr eine Din A4-Seite lang, und gegen sechs werden wir das Haus verlassen, zum Flughafen fahren und bis Dienstag nach London fliegen. Ich hab noch nicht gepackt, ich war noch nicht auf der Post, um meine Weihnachtspäckchen loszuschicken (weiter als zehn Minuten entfernt, deshalb), ich war noch nicht bei Budni, um mir endlich neue Wimperntusche zu kaufen, ich hab... ach, egal. Wieso hab ich eigentlich trotzdem gerade das schöne Gefühl, dass das alles laufen wird und ich genau um sechs den Koffer zumache, die Jacke anziehe und von allen To-Dos-Befreit losziehen kann?

Hasen, L. will diesmal seinen Mini-Rechner nicht mitnehmen, und ich glaube, mal gehört zu haben, dass man schnell Haus und Hof verschleudert, wenn man im Ausland mit seinem Iphone im Internet ist. Darum weiß ich noch nicht, ob ich aus dem Urlaub schreibe. Macht euch keine Sorgen, mir geht es gut. Und wenn ich wiederkomme, ist Weihnachten - Zeit des Glühweins, des Tannendufts und der langen Stunden am Rechner.

Noch null. Plätzchen fertig, Post auch.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Alle haben es gesagt, aber ich hab's nicht geglaubt

Jo hat Recht. Wenn es einmal läuft, dann läuft es. Schon ist das erste frei verdiente Geld auf dem Konto. Und der Laden, in dem ich gerade zwei Tage war, will mich unbedingt wieder buchen. Ich werde jetzt kein Auto leasen oder größere Geldsummen in Uran investieren (oder in Schuhe, Himmel, habt ihr auch gesehen, dass Christian Louboutin nach Hamburg kommt, und das mir mit meinem Hackenfetisch! Würde übrigens auch albern aussehen beim Zustand meiner restlichen Garderobe, schwarze Superpumps zu Wollpulli und tatsächlich vom Mann geerbter Boyfriend Jeans, nein... wobei?), aber ich glaube wirklich, jetzt ist Land in Sicht.
Pech für die Silberrücken, hihi.

Ich und mein HCG-freies Blut sitzen vorm Rechner und genießen den ersten Abend der kleinen Ferien. Wohin jetzt mit meiner Freiheit? Morgen bezahlt mich niemand fürs Aufstehen, die Welt steht mir offen heute Nacht! Hat jemand schon den neuen Woody Allen Film gesehen? Und wie ist eigentlich das Essen in diesem so unglücklich benamten mongolischen Restaurant "Mongos"? Oder um ausnahmsweise Tomte zu zitieren, "Wie sieht's aus in Hamburg, ist das Wetter noch intensiv? Sind die Bars noch laut wie Kriege?"

Im Keller wiehert mein Fahrrad und scharrt nervös mit den Reifen.

(Sie dreht durch. Wie angekündigt: kaum ist auch nur der kleinste Silberstreif am Horizont, schon fühlt sie sich als Sieger. Bedauernswert.)

Montag, 14. Dezember 2009

Leider bin ich zu alt, dass meine Mutter mir eine Entschuldigung schreibt

und muss es deshalb selbst tun.

Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte entschuldigen Sie mein kürzliches Fernbleiben vom Blog. Die letzten Tage waren hektisch, betriebsam und extrem arm an Momenten, in denen ich
a) dringend etwas loswerden musste zum Thema Kinderwunsch und
b) unbeaufsichtigt von Menschen, die mich dafür bezahlen, dass ich über alles außer Kinderwunsch nachdenke, an einem netzfähigen Rechner war.

(außerdem hatte ich, ahämm, meine Tage. Seit inzwischen genau genommen 16 Tagen.)
Die bezahlen mich schließlich nicht fürs Bloggen und Schnattern, sondern für strategisch sauberen Business-Trara, und den sollen sie auch kriegen.

Es tut übrigens nach wie vor unendlich gut, wieder eigenes Geld zu verdienen. Auch wenn ein Großteil davon demnächst in den Rachen der Krankenkasse wandern wird und die andere Hälfte schon fast komplett für Weihnachtsgeschenke verplant ist. Aber dann kommen andere Jobs und neues Geld, ich hab das im Gefühl. Die Strähne reißt nicht ab. Vor zwei Tagen habe ich mit einer alten Freundin gesprochen, die inzwischen in einer anderen Stadt wohnt und die jetzt schon ganz aufgeregt ist, dass ich vielleicht demnächst tageweise für ihren Mann arbeiten könnte. Ich weiß nicht, wieso, aber ich glaube, das klappt.

Und wieder mal stehe ich vor der Frage: mach ich das mit dem festen Job, oder jage ich weiter dem Gespenst vom Freiberufler-Paradies hinterher mit Nachmittagen in der Sauna, Nächten beim Franzosen und spontanen Kurzurlauben, gefolgt von doppelt und dreifach bezahlten Superbuchungen? Eieiei. Nicht leicht. Vor allem auch deshalb nicht, weil der feste Job immer noch nicht ganz so fest ist. Die melden sich einfach nicht. Hab ich was falsch gemacht? Roch ich schlecht? Aber wieso dann der herzliche Abschied? Erleichterung, dass Stinki endlich geht?

Nun muss ich mich aber konzentrieren und in meinem Kopf kramen, ob ich Kinderwunsch-News habe. Ach ja, habe ich. Heute war ich beim Bluttest, HCG ist unter der Nachweisgrenze, yippie, dafür habe ich jetzt Blutflecken in der Ellenbeuge meines Lieblingsrollis, weil ich wegen meiner Pflasterallergie immer nur einen Tupfer kriege und das mal zwei Sekunden, mal fünf Minuten dauert, bis nichts mehr kommt, und heute war ein Fünfminutentag. Wieder mal wurde es 16:00, und ich hatte immer noch keine Nachricht aus der Klinik. Also habe ich da angerufen, und die Dame am Telefon sagte mir: "Ja, dann sehen wir uns also im Januar, sagen Sie mit der nächsten Blutung Bescheid, dann starten wir Crinone und nehmen den nächsten Kryo-Zyklus in Angriff.Bis dahann!"
So sicher bin ich mir da noch nicht, wisst ihr?

Ich dachte ja, falls es nicht klappt diesmal, müssen wir mal den Dingen stärker auf den Grund gehen bzw. den Myomen an den wulstigen Kragen. Ich dachte, jetzt kommen Ultraschalls, vielleicht wieder eine Bauchspiegelung und ähnliches. Und jetzt einfach weitermachen? Hm.

Und L.s Mutter hat am Telefon gesagt, ein Hund für uns wäre zwar auch nett, aber sie würde lieber ein Enkelkind hüten. Ja gut, dann gibt das den Ausschlag, nichts wie ran, oder?

Samstag, 12. Dezember 2009

Der zweite IVF-Stammtisch

Zurück vom zweiten Abkürzungs-Stammtisch in Hamburg. Ein bisschen angetüdelt, aber nicht zu schlimm zum Schreiben, es steht nicht zu befürchten, dass ich hier irgendwelche Dummheiten poste. Und natürlich haben wir Damen allergrößten Wert darauf gelegt, dass uns das alles nicht unterkriegt, und das tut es auch tatsächlich nicht. Wir sind nicht allein! Aber mir fiel bei der Gelegenheit ein Ereignis wieder ein, von dem ich noch gar nicht berichtet hatte:

Man stelle sich vor, 60ster Geburtstag meiner Mutter, die Familie ist komplett versammelt, samt den drei niedlichen Kindern meiner Cousinen. Der Große meiner älteren Cousine ist mein spezieller Freund. Also haben wir mehrere Stunden auf dem Wohnzimmerteppich sitzend verbracht, mit Spielen und Lego, und das war sehr nett. Ich schreibe das jetzt noch mal, damit hier auf gar keinen Fall der irreführende Eindruck entsteht, ich hätte innerlich gelitten wie ein Hund, mich ständig gefragt "Warum ich?!?" oder dergleichen. Das war sehr nett!
Bis zu dem Moment, in dem mein Blick nach oben schweifte (in Treppenstufen gebautes Haus, alle sehen ständig alles von irgendwoher) auf die Brüstung des Esszimmers. Dort hingen meine Mutter, mein Vater und meine Schwester und beobachteten mich mit einem Ausdruck, als würden mir da unten gerade die Zehennägel gezogen. "Die ÄRMSTE!" sagte der Blick. "Das muss die HÖLLE für sie sein!"

Und das war dann die Hölle. Der Kleine ganz bestimmt nicht. Aber Geburtstagskinder dürfen alles, da ist meine Mutter keine Ausnahme, und außerdem hat sich meine Familie sowieso schon dreizehn Orden verdient dafür, dass sie mich nicht löchern und nerven und bemitleiden, jedenfalls normalerweise nicht.

Und jetzt kann ich nur alle Hamburger Abkürzungs-Damen, die meine Aversion gegen das VaPiano am Rothenbaum teilen, einladen, sogar dringend einladen, beim nächsten Mal dabei zu sein, wenn es heißt: hoch die Tassen für die gute Sache der abkürzungsbefeuerten Kindermacherei.
Das war nämlich sehr schön, und wer nicht dabei war, hat was verpasst.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Man fasst es einfach nicht.

Zwar lässt der Silberrücken und seine Bande sich reichlich Zeit mit dem Rückruf, der doch eigentlich gestern Vormittag kommen sollte. Aber kratzt das hier irgendwen? Mich jedenfalls nicht. Denn ich war nicht nur letzten Freitag, diesen Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag gebucht, sondern Montag und Dienstag gleich schon wieder. Kein Mensch weiß, in welchen Löchern die sich bisher alle versteckt hatten. Das ist wirklich eine meiner ungünstigsten Eigenschaften: kaum läuft es wieder einigermaßen, habe ich fürchterliches Oberwasser und reiße schrecklich die Klappe auf. Bisher habe ich mit all diesen Aufträgen weniger verdient als früher in einem Monat, was ja auch vollkommen ok ist für ein paar Tage Arbeit, aber schon fühle ich mich wie Graf Koks und würde mit am liebsten mit Zehneuroscheinen dicke Zigarren anzünden. Es fühlt sich so großartig an, nicht mehr die Wände hochzugehen und mich genau deshalb den ganzen Tag auf den Straßen rumzutreiben, wo mir ganze Rudel von Muttis um die Ohren schieben, und ich kann euch sagen, das macht jeden mürbe und selbstmitleidzerfressen, da kann man sich sonst was vornehmen oder verkneifen.

L. ist auch glücklich. Es geht uns sofort um Längen besser, seitdem ich morgens aus dem Haus gehe und etwas tue, wofür ich nicht nur gebraucht, sondern auch bezahlt und gelobt und gepudert werde.
Sollte der Traum doch noch wahr werden, in Zukunft jede Woche drei Tage zu arbeiten, mich am Ende von allen fröhlich zu verabschieden und bis zur nächsten Buchung im gleichen Laden nie wieder einen Gedanken daran zu verschwenden? Und nebenbei am Rechner irgend etwas anderes auszuhecken? Hm.

Auf der anderen Seite die verlockende Aussicht, in Zukunft sieben Tage die Woche zu arbeiten, niemals gelobt und gepudert zu werden, und L. so selten zu sehen, dass ich ihm einen Brief schreiben muss, wenn ich wissen will, ob er glücklich ist, nur WANN? verdammt noch mal soll ich den schreiben???

Mit den Buchungen schmort jetzt aber auch gerade die Zeit bis Weihnachten gewaltig zusammen. Denn vorher müssen wir noch sechs Tage Urlaub unterkriegen, falls es mit den Silberrücken klappt, den letzten bis Juli, und ich muss noch Weihnachtseinkäufe machen, einen Weihnachtsbaum und endlich wenigstens zum dritten Advent einen Adventskranz (sonst heule ich, hilft ja nichts), ich muss die Plätzchen backen, die ich L.s Mutter und seiner restlichen Familie kiloweise versprochen habe, ich muss mir etwas zum Anziehen kaufen, worin ich so passabel aussehe, dass mir die Leute im Urlaub nicht aus Mitleid Kleingeld in den Kaffee werfen, und ich muss.... ach.

Das Beste an all dem Geraffe und Gemache ist, dass ich wieder mal nicht zum Nachdenken komme. Denn mein Unterleib entwickelt sich wieder mal zu etwas, wovon man sonst widerwillig in irgendwelchen Brigitte-Dossiers liest. Ich blute immer noch. Die Blutungen gehen morgen in den vierzehnten Tag. Es zwickt und grummelt. Ich hasse das, aber zum Glück komme ich nur fünf Minuten am Tag dazu, es zu hassen, denn in den restlichen 23 Stunden und 55 Minuten habe ich andere Sachen zu tun.

Die Uhr läuft bis zum Stammtisch.

Ich kann nur noch mal alle Abkürzungs-Damen aus Hamburg, die Lust haben, dabei zu sein, bitten, mir auf wunschkinder.net eine Botschaft an Eiertaenzerin zu schreiben. Denn die Planung, wann und wo, läuft bereits auf Hochtouren.

Aber selbst, wenn es bei der kleinen Runde bleibt, die sich bisher gemeldet hat: ich freu mich sehr auf euch. Nach den letzten Wochen kann ich kaum irgend etwas besser brauchen als eine Runde Weiber, die nach dem ersten Glas Rotwein auch alle soooo eine Klappe haben, dass wir uns ja wohl von so ein paar dämlichen Hormonen nicht unterkriegen lassen, pah -

wir doch nicht.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Warteschleifen gehen auch ohne IVF

Noch nichts Neues. Das Gespräch gestern war sehr nett, hat aber die Lage eher noch unüberschaubarer gemacht, weil jetzt plötzlich ein geheimnisvoller zweiter Job im Spiel ist, über den ich noch nichts weiter weiß, bei dem ich aber heute Nacht im Kaffeerausch plötzlich das ungute Gefühl hatte, er hätte mehr mit meinem alten Job zu tun, als mir lieb wäre. Sprich: die brave große Schwester spielen und anderen den Rücken frei halten, damit sie sich unbeschwerter austoben können. Aber wir werden sehen. Eigentlich sollte heute ein Anruf kommen, der nicht kam.

(Bevor ihr fragt: auch beim Supergeheimprojekt hat sich immer noch nichts getan. Wäre ich ein Zähneknirscher, hätte ich inzwischen nichts mehr, womit ich kauen könnte, und das wäre schade, denn ich kaue doch so oft und gerne.)

Und Freitag bin ich schon wieder gebucht. Am Ende kommt diese Selbständigkeit doch noch ins Rollen?

Montag, 7. Dezember 2009

After Work Party

Drei Tage gebucht, und schon kann ich mir kaum noch vorstellen, wie das ist, den ganzen Tag hier rumzuhängen. Und morgen habe ich zwar frei, aber so viel zu tun mit Ämtern, sauber machen und all dem Kram, der in den drei lumpigen Arbeitstagen liegengeblieben ist. Außerdem steht morgen das große Silberrücken-Gespräch an, ich werde also auch, wenn ich mit all dem Gemache schon um elf durch sein sollte, nicht auf dem Sofa liegen, sondern mich reinhängen. Wie auch immer.

Heute hatte ich zum ersten Mal einen Moment, den ich eigentlich nie erleben wollte. Und ich weiß noch nicht, wie ich das anstellen soll, aber ich werde versuchen, dass ich nie wieder in so ein Löchlein falle. Denn zum Glück war es nur ein Löchlein, kein tiefes Loch, und nach wenigen Minuten war ich schon wieder voll drin in meiner eigentlichen Aufgabe, uff. Aber heute habe ich mit früheren Kollegen gearbeitet, und die haben mir von einem Besuch bei noch einer ehemaligen Kollegin erzählt. Diese Kollegin ist schätzungsweise acht Jahre jünger als ich, und sie hat inzwischen ein Kind und ist schwanger mit dem zweiten. Sie haben erzählt, wie niedlich und schlau das kleine Mädchen ist, und dann kam der unvermeidliche Moment, in dem ich Fotos zu sehen bekam. Fotos von der Kleinen mit Zöpfen und Grübchen, und Fotos von der Kollegin, wie sie neben ihrer Schwester steht, beide mit schwangeren Bäuchen, auf die sie sich lustige Gesichter gemalt hatten. Ich rede mir ein, ich hätte ganz fröhlich und unbeschwert reagiert, wäre ja vermutlich auch das letzte, wenn nicht. "T. ist schon ganz weit, in der vierzehnten Woche!" Ja, so weit war ich auch schon mal fast.

Aber hier geht es nicht um mich, sondern um eine andere, und wenn ich mal schwanger sein sollte, erfolgreich schwanger, meine ich, dann möchte ich ja auch nicht, dass andere mich neidisch und missgünstig anstarren. So lange ich nicht jedes Mal in die Hände klatsche und in die Luft springe, wenn ich vom Unglück anderer Leute höre, muss ich auch nicht die Mundwinkel nach unten ziehen, wenn es jemand anderem gut geht. (Wieder mal ist mein innerer Einpeitscher am Werk. Aber er macht seine Sache sehr gut und hat mir schon oft wirklich geholfen, deshalb lasse ich ihn mal machen. Und ich weiß, dass so etwas als Trost aus dem Mund von anderen extrem unpassend und billig wirkt. Es klappt nur, wenn man es sich selber sagt. Aber man muss es ehrlich meinen. Das ist manchmal ein Problem. Meistens aber erstaunlicherweise nicht.)

Jetzt sitze ich am Rechner, trinke ein Feierabendbier und versuche, das Gefühl zu kultivieren und zum Wachsen zu bringen, dass es doch gut ist und bald noch besser wird.

Ach ja: in letzter Zeit war ich ziemlich schlampig darin, die Kommentare zu beantworten. Das heißt nicht, dass ich sie nicht lese und mich nicht darüber freue. (An dieser Stelle ein dicker, feuchter Knutsch an Jane und alle anderen, die gerade ihren Blümchen hinterherwinken.) Und mindestens genau so freue ich mich auf den Stammtisch am Freitag.

Samstag, 5. Dezember 2009

Machts gut, Blümchen

Ist ja sowieso nicht so die Jahreszeit für Blümchen.

Ach je. Und ich kann noch nicht mal sagen, ich wäre nicht gewarnt gewesen. Eigentlich kenne ich das ja schon. Und eigentlich weiß ich das ja schon seit letztem Sonntag. (Und ich will auch euch andere Abkürzungsmädchen da draußen gar nicht warnen. Ich fände es schade, wenn das hier eine liest und sich vielleicht demnächst, wenn der Test positiv ist, gar nicht richtig freuen kann, weil sie denkt, das geht ja am Ende doch schief. Das wäre schrecklich! Nein, denkt das nicht, ich glaube nämlich, das ist vor allem bei mir so. Wieso, das werden wir hoffentlich demnächst mal rausfinden. Und mit ganz viel Glück kann man sogar etwas dagegen machen.)

Da ist ein kleiner Teil von mir, der sagt sich: jetzt gehe ich am Dienstag zu diesem zweiten Gespräch mit dem Silberrücken und hole mir den Job. Und dann vergehen noch ein paar Tage, die sind eher nicht so funkelnd, aber wer hat schon immer funkelnde Tage? Dann gehe ich wieder arbeiten, und nachdem ich deutlich merke, wie gut mir die letzten zwei Tage getan haben, an denen ich zu tun hatte und ordentlich gepampert wurde mit Lob und Anerkennung, weiß ich, dass das gut sein wird. Ich muss dann acht neue Kunden und achtzig neue Leute kennen lernen, und ich stehe morgens um acht fluchend auf und komme nachts um elf fluchend nach Hause, und dabei werde ich mich pudelwohl fühlen. Und dann irgendwann - vielleicht in der alten Klinik, vielleicht in einer neuen - starten wir den nächsten Versuch. Dieser kleine Teil denkt sich, das war vermutlich besser so. Und zwar nicht nur deshalb, weil eine Schwangerschaft, bei der gleich am ersten Tag nach dem Test Blut fließt, unter keinem guten Stern steht. Sondern auch sonst. Denn ich kenne mich und weiß, ich hätte vielleicht nichts gesagt, aber ich hätte gelitten wie ein Hund, da jeden Tag hinzugehen und genau zu wissen, dass demnächst das Gespräch mit den Bossen ansteht, und dass es gut sein kann, gerecht oder ungerecht, dass danach eine Tür zugeht, die besser offen bleiben sollte. "Kinder oder Karriere", haha. Ich hasse das Thema, aber trotzdem kann es einen auch ziemlich mies erwischen, ohne dass man auch nur die leiseste Aussicht auf Kinder hat. Dieser Teil denkt sich außerdem, es könnte schlimmer sein. Und zwar gewaltig viel schlimmer.

Und dann ist da ein etwas größerer Teil, der nicht nur traurig ist, sondern auch ein bisschen sauer. Mir wird gerade klar, dass ich wohl heimlich gedacht habe, wenn ich mich nur zusammenreiße, nicht in Selbstmitleid versinke, nicht zu viel fürchte und nicht zu viel hoffe, dann gibt es dafür so etwas wie ein Sternchen unter meine Karma-Bilanz, und die Prämie dafür ist eine gute Schwangerschaft. "Schwanger, ich???" Wie ein Oscar-Gewinner, der so tut, als würde ihn das jetzt völlig überrumpeln und kalt erwischen, und der dann sogar so tut, als müsste er seine seit Wochen einstudierte Dankesrede jetzt schnell improvisieren. Jetzt stellt sich heraus, es gibt keine Karma-Sternchen. Das einzige, was es dafür gibt, ist, dass ich es selbst noch mit mir aushalte, was natürlich auch nicht schlecht ist. "Wo bleibt meine Belohnung?" Deine Belohnung, Schatz, ist in Abrahams Wurstkessel.

Ich setze eine Flasche Brause und eine Schachtel Fluppen darauf, dass der erste Teil zwar gerade noch ein bisschen durchhängt, aber trotzdem das Spiel gewinnt. Gefälligst.

(Übrigens fühle ich mich ein bisschen albern dabei, diese niemals richtig vorhandene Schwangerschaft und ihr mitteljähes Ende mit dem Label "Fehlgeburt" zu bezeichnen, will jetzt aber kein neues Label eigens für diesen Zweck einführen, weil ich das dumpfe Gefühl habe, das würde Unglück bringen.)

Blümchen, keine Ahnung, wieso ich euch das jetzt erzähle. Ihr wart ja ziemlich klein, mit eurem Lesevermögen wird es noch nicht weit her gewesen sein. Überhaupt hatte ich ja diesmal nur ca. 24 Stunden, mich an eure Anwesenheit zu gewöhnen, so richtig ans Herz gewachsen seid ihr mir zum Glück noch nicht, und die Konversation mit euch ist ein bisschen klamm, so wie mit Leuten, neben denen man auf einer Party zufällig landet. "Und was macht ihr so?" Das wäre im Moment eine extrem blöde Frage an euch. Ich hatte das Gefühl, ich sollte euch einen Abschiedspost widmen. Eine Schultüte werde ich für euch ja nicht kaufen. Gefällt er euch, der Abschiedspost?
Nein? Mir auch nicht.

Prokrastination für Fortgeschrittene

Eigentlich würde heute ja der große Post über Enttäuschung einerseits, Traurigkeit, aber auch andererseits Erleichterung darüber anstehen, dass ich jetzt endlich eine klare Entscheidung habe. Ich müsste erzählen, wie das war gestern, als der Anruf einfach nicht kam, dann irgendwann doch, und ich mitten im dicksten Bürostress plötzlich wusste, dass ich nicht mehr schwanger bin. Und vermutlich auch nie richtig war, denn, wie die Frau am Telefon sagte, das war scheinbar "nur eine chemische Schwangerschaft ohne erfolgreiche Einnistung".

Aber das Problem ist, ich hab gerade nicht die geringste Lust, davon zu erzählen.

Stattdessen ist mir gerade aufgegangen, dass Freitag in sechs Tagen ja schon der große Abkürzungsstammtisch ansteht! Noch mal: wer aus dem Hamburger Raum kommt und/oder dabei sein will, kann mir auf Wunschkinder.net schreiben, mein Pseudonym ist Eiertaenzerin. (Oder Eiertänzerin?) Zum Ort der sicherlich glamourösesten Veranstaltung des Abends in der ganzen Stadt habe ich noch keinen konkreten Plan, freu mich aber über Vorschläge!

Freitag, 4. Dezember 2009

Was soll ich sagen.

Um vier kam der Anruf. Seitdem hatte ich ein Feierabendbier, zwei Zigaretten, drei Sorten Maki und zwei Glas Weißwein.

So läuft es eben.

Irgendwo in der Stadt kommt gerade eine Frau vom Klo und hüpft kreischend mit einem Test durch die Wohnung, bei dem zwei Linien zu sehen sind. Die möchte ich an dieser Stelle herzlich grüßen und ihr viel Glück wünschen.

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Dieser Post ist zufällig entstanden, als ich mit der Stirn auf die Tastatur gesunken bin

Ich könnte ja jetzt etwas davon schreiben, dass es inzwischen überhaupt nicht mehr blutet, aber trotzdem der Unterbauch ein bisschen zieht, so ungefähr wie am letzten Tag vor der Periode. Ich könnte auch etwas davon schreiben, dass mir heute zwei Biere angeboten wurden und ich noch nicht mal ein kleines bedauerndes Zucken im Hirn hatte. Das war keine Vernunft, ich hatte keine Lust auf ein Feierabendbierchen nach einem harten Tag. Und das ist bei mir selten.

Aber ich bin so müde. Müde von den Hormonen, müdegearbeitet, müdegegrübelt und müdespekuliert. Morgen um sieben klingelt der Wecker, dann geht es in die Klinik und dann gleich weiter zum nächsten Arbeitstag. Der erste Schultag hatte gleich dreizehn Stunden. Und deshalb mache ich für heute die Wahrsagebude zu.

Wir. Warten. Ab.

Jein

Morgen ist der nächste Test. Und der wird nach den Erfahrungen der letzten Monate so laufen, dass der Wert "weiter gestiegen ist", wenn auch nicht phänomenal und raketenartig, so dass wir "das weiter beobachten müssen", z.B. am Montag morgen um halb acht. Grrrrrr. Ich würde sagen, inzwischen habe ich bei meinem crazy Unterleib einen gut. Oder auch acht. Wie wäre z.B. folgender Deal: Unterleib, du machst einfach weiter wie gewohnt in deiner spritzig-frechen Art, und dafür bekomme ich in den nächsten 30 Jahren keinen Krebs, und auch die Pap-Abstriche bleiben im grünen Bereich? Abgemacht? Zusätzlich natürlich dazu, dass irgendwann trotz dieser Achterbahnfahrt am Ende ein Kind rauskommt. Klingt doch eigentlich ganz fair, oder?

Inzwischen hat die Blutung nachgelassen wie jede andere stinknormale Periode nach vier Tagen, und damit fehlt mir auch die Guck-doch-hin-du-dumme-Nuss-Gewissheit, nicht schwanger zu sein, die ich bis gestern Abend bei jedem Gang zur Toilette wieder klar vor Augen hatte. Zeit für eine Pro- und Contra-Liste:

Ist Flora schwanger?

Pro:
- HCG-Wert vom letzten Mal (abwarten.)
- Eine Körbchengröße mehr als sonst
- Müdigkeit. Gestern war ich kaum imstande, einem Kinofilm bis viertel vor elf zu folgen, ohne mit der Nase ins Popcorn zu kippen.
- Übelkeit. Gestern im türkischen Supermarkt hätte ich fast vor die Fleischtheke gespuckt. Gut, da lagen auch Pansen und Gekröse und dufteten ziemlich durchdringend, aber trotzdem - eigentlich kann ich das ab. Ich bin die, die ihre Abende gerne bis zum Ellenbogen in einer Gans verbringt und schon mal frisch verkatert drei Kilo Entenlebern entädert hat.
- Ich habe einen fabelhaften Job ab Januar in Aussicht. Wenn das nicht der blödeste denkbare Moment ist, um schwanger zu sein, weiß ich es auch nicht, deshalb müsste es eigentlich geklappt haben.
- Außerdem wären wir langsam mal dran.


Contra:
- Gefühlt ein Liter Blut in vier Tagen, außerdem noch jede Menge Glibberzeug, und das alles begleitet von üblen Bauchkrämpfen.
- Wie hoch war noch mal die Wahrscheinlichkeit bei einem Auftauzyklus? Also. Ich glaube an Wahrscheinlichkeiten.

Liebe Leser, es trennen uns nur noch 30 Stunden von einem weiteren uneindeutigen Ergebnis.

Und nun gehe ich eine Runde arbeiten. Zum ersten Mal seit sechs Monaten. Es fühlt sich an wie erster Schultag, abgesehen davon, dass meine Mutter mir gestern Abend nicht die Kleider für heute rausgelegt hat, und auch einen neuen Tintenkiller kann ich hier nicht sehen. (Außerdem wurde ich früher für Schule nicht ganz so üppig bezahlt. In Tintenkiller umgerechnet wären das ja... Moment... Chhhhhhrrrrrr-Püh.)

Dienstag, 1. Dezember 2009

Splatter-Post

Ich blute und blute und blute. Blut in meiner Wäsche, Blut auf dem Bettlaken, Blut in der Dusche. Zum Glück werde ich in den nächsten Tagen vermutlich keinen müden Gedanken daran verschwenden, denn, man höre und staune: ich bin gebucht. Zwei Tage lang werde ich Geld scheffeln, schuften und dieses ganze Kinderwunschthema schön zuhause lassen. (Ich hoffe, dass ihre Schreibtischstuhlbezüge waschbar sind. Ihr macht euch keine Vorstellung. Ja, und das trotz fast stündlich gewechselter Nacht-Binde mit achtzig Tropfensymbolen.) Und ehe ich drüber nachdenken kann, ist es Freitag, und ich gehe wieder zum Test.

Und zur Progesteronspritze. Der Bericht steht ja noch aus. Nein, ihr müsst nicht an den Nägeln kauen, auch die Progesteronspritze tat nicht weh. Man bekommt sie übrigens in den Po, und niedlich fand ich, dass ich husten sollte, während es piekst. Leider dauert es eine ganze Zeit, denn der Inhalt der Spritze verteilt sich nicht gut im Körper, deshalb muss die Sprechstundenhilfe drücken und drücken und drücken. Gaaaaanz langsam. Ich wurde vorgewarnt, dass es gleich ganz schön weh tun würde (tat es nicht) und dass im Lauf des Tages mein Bein schmerzen könnte (tat es). Wovor ich nicht gewarnt wurde, war der zweistündige Tiefschlaf, in den ich nach meiner Heimkehr gefallen bin. Mit Wimperntusche, Kleidern und allem. Und das mir, die sonst schon Probleme hat, einzuschlafen, wenn ich mir nicht das Gesicht gewaschen, Tonic benutzt und meine drei verschiedenen Cremes an Ort und Stelle verwendet habe. Was mir allerdings den meisten Kummer macht, ist der Plan für die nächsten Wochen laut Klinik: ab sofort habe ich mich mindestens zweimal wöchentlich dort einzufinden, um die Spritze zu bekommen. Aber Mitte Dezember wollten L. und ich verreisen. Muss ich nun durch Schottland irren und mir einen Dorfarzt suchen, der mir meine Spritze gibt? Oder müssen wir etwa, schockschwerenot, schon wieder wegen meines Unterleibs zuhause bleiben? Der arme L., er hat schon kaum mehr die Kraft, enttäuscht zu sein. Blümchen, angeblich spürt ihr ja ständig alles Mögliche, was um euch herum so vorgeht. Wenn ihr ein Herz habt und es euch nicht schon jetzt mit euerm Vater verscheißen wollt, dann entscheidet euch langsam mal, wohin der Weg gehen soll. Und wenn ihr es euch nicht mit eurer Mutter verscheißen wollt, dann hört mal auf, da unten so zu treten und zu zwicken. Ich spüre nämlich auch so einiges.

Nach wie vor lebe ich ein Zwitterleben: einerseits gehe ich felsenfest davon aus, nicht schwanger bzw. bald nicht mehr schwanger zu sein, andererseits verkneife ich mir aber Trostprosecco, Trostrotwein, Trostsushi und Trostrohmilchstinkekäse weiterhin. Ausgestoßen aus beiden Lagern: nicht schwanger und nicht nicht schwanger! Bitter.

Ich blute. Hatte ich schon erwähnt?

Montag, 30. November 2009

Ich bin auf 280.

Es tut mir so leid, hier ausgerechnet zur Essenszeit mit solchen widerlichen Details zu kommen, aber ich möchte, dass hier niemand mehr in der Illusion lebt, aus mir würden stündlich einige Tröpfchen Blut rinnen. Nein, da kommt eine Menge. Und nicht nur Blut, wenn ihr versteht, was ich meine. Was auch immer sich da in den letzten Wochen dank Crinone oder Estrifam aufgebaut hat, hat gerade die Koffer gepackt.

Als ich also heute morgen vor der Rezeption in der Klinik stand und die Sprechstundenhilfe mir erklärte, das müsste aber noch gar nichts heißen, und als ich gerade eure zauberhaften Kommentare gelesen habe, habe ich eher mitleidig gelächelt. Ihr seid so süß, aber ich habe rote Klumpen in der Hose, mein Endometriose-Unterleib krampft, und ich würde eine Menge dafür geben, wenn ich jetzt einfach eine Ibuprofen schlucken dürfte. Schwanger-trotz-Periode ist für mich inzwischen zu einem Teil der Kinderwunsch-Folklore geworden. Und eigentlich habe ich mir mehr aus Gutmütigkeit eine Progesteron-Spritze geben lassen und brav meinen Arm hingehalten, um noch mal Blut da zu lassen.

Und jetzt kommt gerade der Anruf: Progesteron-Werte sind viel zu niedrig, und das könnte eine Erklärung für die Blutung sein. Aber HCG steigt an. Heute habe ich auch erfahren, dass der Wert am Freitag bei 68 lag (eher schlapp), heute aber bei 280 ist. Und Freitag muss ich wieder hin.

(Von der Progesteron-Spritze erzähle ich morgen mal. Die war lustig.)

Ich weiß nicht, was ich hoffen soll. Aber ich weiß, was ich nicht hoffe: dass sich das hier zu einer jetzt noch bekloppteren Version meiner ersten Schwangerschaft entwickelt. Entweder, im Laufe der nächsten Wochen - und damit meine ich nicht sieben bis acht Wochen, sondern ein bis zwei Wochen - normalisiert sich alles, und ich darf einfach ganz normal schwanger sein. Meinetwegen mit Gurken und Schokolade, auch mit Spucken am Morgen und Heulerei, aber bitte, bitte nicht wieder mit wochenlanger Dauerperiode. Bitte.

Oder, die nächste Untersuchung (Freitag, viertel nach acht. Na Danke.) lässt mich vom Haken und ergibt, dass es diesmal nichts geworden ist. Ich verspreche, ich wäre weder enttäuscht noch böse noch von Selbsthass zerfressen. Ich würde mich einfach darauf konzentrieren, den Job zu bekommen und die restlichen Wochen bis Januar nach Kräften zu genießen. Mit Weihnachtsmarkt, Krimi auf dem Sofa, Spaziergängen, Kochen, Rotwein und Freunden.

Sonntag, 29. November 2009

Wie fühlt man sich so als Dings?

Ihr könnt die Luftschlangen wieder einpacken. Samstag waren schon zwei Tröpfchen Blut in der Unterhose. Dann wieder nichts, und ich dachte schon, ich bin wieder außer Gefahr. Bis ich heute Morgen mit Regelschmerzen aufgewacht bin und im Halbschlaf noch das Mantra "Crinone-Nebenwirkungen, Crinone-Nebenwirkungen" innerlich vor mich hingeleiert habe. Dann bin ich irgendwann aufs Klo gegangen und habe festgestellt: nichts Nebenwirkungen. Ich habe geblutet, und zwar kräftig, das ließ sich mit keiner Nebenwirkung der Welt wegleugnen.

Das hat mein sowieso schon ziemlich einfallsreicher Unterleib super hingekriegt: zwei Tage sitze ich zwischen meinen Freunden und nippe am Mineralwasser, und in dem Moment, in dem der Spaß vorbei ist, ist Entwarnung.

Nicht, dass ich hier den Eindruck mache, eine verpasste Sektsause wäre gerade meine Hauptsorge, all der schöne pinke Alkohol. Aber ich habe keine Ahnung, was jetzt passiert. Denn inzwischen hat es schon wieder aufgehört. Morgen um halb zehn habe ich meinen Termin in der Klinik, Blut raus, Progesteron rein. Aber ich werde morgen so früh wie möglich da anrufen und versuchen, noch einen Spontantermin bei meinem Arzt zu bekommen. Ich kenne die Blutshow ja schon vom letzten Mal, am Ende macht er einen Ultraschall und stellt fest, dass die Blümchen immer noch an Ort und Stelle sitzen. Oder er sagt wenigstens, dass wir das mit dem Progesteron erst mal lassen können.

Ich will gar nicht jammern. Aber wieso geht es nicht mal ohne Terz? Wieso war der blöde Test nicht einfach negativ? Und wenn er schon positiv war, wieso kann es dann nicht einfach mal ohne Zicken gehen? Und zwar am liebsten neun Monate lang? Letztes Mal waren wenigstens die ersten drei Wochen nach dem Test ohne blutige Zwischenfälle.

Harrrrgh.

Freitag, 27. November 2009

Wie die katholischen Karnickel.

Schwanger. Ich fasse es nicht.

Mein Wert ist zwar "ziemlich gut", aber "zur Sicherheit" machen wir weiter mit Estrifam und Crinone, und ab naechster Woche bekomme ich zwei Progesteron-Spritzen (falls ich das mit miesem Empfang im dicksten Wochenend-Verkehr richtig verstanden habe) woechentlich. Erscheine ich euch zu cool und abgeklaert? Dieser Blog bietet noch nicht die Moeglichkeit, dass man beim lesen z.B. ueber die Schriftfarbe erkennen kann, wie ich mich fuehle (so wie bei Kraken), aber ich kann euch versichern, wenn ich der Heultyp waere, wuerde ich jetzt heulen vor Glueck. Wuerde ich ehrlich!

Und dann hatte ich heute auch noch das bisher netteste Vorstellungsgespraech meines Lebens (und ich hatte schon Vorstellungsgespraeche... Anderes Kapitel.) Fuer einen Job ab dem ersten Januar. Kann mir das mal jemand so erklären, dass ich es verstehe, wieso das gerade jetzt passiert? Wo ich seit April mit viel Energie und finanziellem Aufwand versuche, schwanger zu werden?
Am Besten Spiele ich noch schnell Lotto. Scheint mir so ein Tag zu sein.

Donnerstag, 26. November 2009

Ich packe meinen Koffer und bin raus, mein Kind

Wieso denn schon wieder ein ganzes Wochenende in die Heide?
Weil wir da leben werden wie die Könige. Wir werden ein ganzes Wochenende lang vorm Kamin rumlungern, ich werde zwischendrin stundenlang am Herd stehen, wir werden auf der wii herumspacken und lesen, und entweder wir alle oder alle außer mir werden unseren aus dem Ruder gelaufenen Alkoholvorräten zu Leibe rücken. Das sind ja wohl Gründe genug. Aber bevor hier gejammert wird, L. nimmt sein iphone mit, und ich werde auf jeden Fall posten, ob das hier jetzt wieder ein Schwangerschaftsblog wird oder nicht.

Harrrrgh. Bin aufgeregt. Wenn auch - Ehrlichkeit muss sein - im Moment fast mehr wegen des Jobs als wegen des Tests. Denn inzwischen hat sich zentimetertief in meine Hirnwindungen eingegraben, wie wenig selbst ein positives Ergebnis zu bedeuten haben kann. Während ein Job so ziemlich alles, was in meinem Leben gerade nicht klappt, in Ordnung bringen würde. Was für einen herrlichen Dezember wir hätten, wenn ich wüsste, ab Januar geht es wieder los! Und was für einen mulmigen, nervösen Dezember, Januar und Februar wir hätten, wenn der Test positiv wäre!

Morgen und so

Mein erster Kindergarten war eigentlich kein richtiger Kindergarten, sondern ein Zusammenschluss von Eltern, die gemeinsam die Miete und die Erzieherinnen bezahlten. Ein richtiger Kindergarten wurde damals von der Stadt oder einer Kirche betrieben. In meinem Kindergarten führten wir Kinder ein fröhliches Hippieleben. Wir hatten Bücher und Puppen und Legespiele, aber niemand hatte etwas dagegen, wenn wir nicht damit spielten, sondern lieber auf Bäume kletterten oder uns mit Matsch bewarfen. Im Sommer waren wir fast durchgehend nackt und haben uns mit Schläuchen bespritzt. Die Erzieherinnen hatten Nerven wie Drahtseile und saßen, so weit ich mich erinnere, meistens entspannt zusammen und tranken Kaffee. Trotzdem passierte nie etwas Schlimmes - abgesehen vielleicht davon, dass zwei Jungs einmal zusammen in den Supermarkt liefen und einen ganzen Karton Capri-Eis rausschmuggelten, die Beute wurde hinterher unter allen Kindern aufgeteilt. Falls man solche Dinge unter "schlimm" verstehen will.
Aus diesem Kinderparadies habe ich mich leider selbst vertrieben. Denn meine Freundin bequatschte mich, zu ihr in den katholischen Kindergarten zu kommen, indem sie sich die herrlichsten Geschichten ausdachte, wie gut man es da hätte. Schwärmte ich von Gartenschläuchen, erzählte sie von Schwimmbädern mit Rutsche usw. Am Ende hatte ich meine Mutter ziemlich schnell so weit, denn der Hippie-Kindergarten war am anderen Ende der Stadt, und zu den Katholiken konnte ich notfalls zu Fuß gehen. Schon am ersten Tag dämmerte mir, dass ich einen grauenvollen Fehler gemacht hatte. Alle Herrlichkeiten, von denen meine Freundin mir erzählt hatte, waren erstunken und erlogen, und sie hatte noch nicht mal ein schlechtes Gewissen deshalb. An Matsch und Wasser war nicht zu denken, hier hatte man brav dazusitzen und mit Puppen zu spielen. Hatte ich mich dann endlich mit den Puppen abgefunden und so etwas wie einen Plot entwickelt, an dem ich entlangspielen konnte, war Schluss mit Puppen, und wir mussten Zack-Zack "an die frische Luft". Für renitentes Verhalten gab es eins hintendrauf. Einmal pro Woche kam der übellaunige Pfarrer und erzählte uns in einem schlecht beleuchteten Keller mit trostloser sakraler 70er-Jahre-Dekoration Geschichten aus dem alten Testament. Wir gruselten uns. Danach übten wir beichten. Nicht der Stoff, aus dem sonst Filme mit Nonnen und Kinderleid gedreht werden, aber trotzdem nicht schön. Und ich bin ganz sicher, dass ich mich später stärker hätte für die Kirche erwärmen können, wenn ich damals nicht ganz so oft hätte "Danke" singen müssen.

Viele der Mädchen, die damals mit mir im Kindergarten waren, waren später auch mit mir in der Schule, und deshalb weiß ich, dass sie in meiner Heimatstadt wohnen geblieben sind und jetzt selbst Kinder haben. Und beim letzten Abitreffen, zu dem ich mich geschleppt habe, haben ein paar schon erzählt, dass ihre Kinder jetzt einen Platz im katholischen Kindergarten hätten. "Wisst ihr noch?" fragten sie mit leuchtenden Augen. Ja, weiß ich noch ziemlich gut. Bin ich die einzige, die es da grässlich fand? Oder haben die anderen das vergessen? Hatten die Hippies meine Standards versaut?

Egal, wie dieser Test morgen ausgeht und was für Wunder und Schrecken der Ultraschall-Schirm danach für mich bereit hält: ich hoffe inständig, dass ich nie vergesse, was ich als Kind geliebt und was ich gehasst habe. Und dass ich niemals aus irgendwelchen verschwurmelten Gründen denke, ich müsste meine Kinder zu etwas zwingen, was mir "ja schließlich auch nicht geschadet hat". Damit meine ich nicht, dass meine Kinder keine Hausaufgaben machen müssen oder zu jeder Mahlzeit Mohrenköpfe bekommen. Aber sie werden nicht mit einem müffeligen Priester in einem Keller sitzen und gezwungen werden, schon mal zu üben, ihm ihre Sünden zu beichten. Frische Luft, allerdings.

Mittwoch, 25. November 2009

Lasst mich noch mal kurz meinen Kopf sortieren.

Also, entweder, ich bin schwanger und kriege den Job nicht. Dann habe ich entweder die Möglichkeit, mich wie irre um das nächste Gespräch zu bemühen, so dass ich möglichst noch anderswo unterkomme, bevor mein Bauchnabel nach außen geploppt ist oder jede Sekunde die Fruchtblase platzen kann. Problem dabei ist, dass ich mich ja jetzt schon wie irre bemühe, noch irreres Bemühen würde dazu führen, dass ich mit beschrifteten Gleitschirmen über den Firmengebäuden zukünftiger Arbeitgeber kreise oder wildfremden Personalchefs Sushi liefern lasse. Oder aber, ich stecke es für diesmal und freue mich auf eine aufregende Karriere, nachdem das Kind geboren und abgestillt ist. Oder, ich bin zwar schwanger und joblos, aber kann weiterhin darauf hoffen, dass die Auftragslage auf dem freien Markt jede Sekunde anzieht, und dann ist hier aber was los!

Möglichkeit zwei wäre, dass ich schwanger bin und den Job kriege, als lebender Beweis dafür, dass man eben doch alles haben kann. Dann fange ich da an und habe von der ersten Sekunde an ein schlechtes Gewissen, auch wenn ich streng genommen während des Vorstellungsgespräches noch keine Ahnung hatte (Test um neun, Gespräch um halb elf, Anruf Klinik zwischen zwei und drei. Siehste? Ich hatte ja KEINE AHNUNG...). Und in diesem Fall wäre der Job besser großartig und die Kollegen das Tafelsilber der Hamburger arbeitenden Bevölkerung, denn sonst gehe ich nach der Geburt jeden Tag weinend zur Arbeit. ("Was will die Frau eigentlich?" Ich hasse Menschen, die immer alles ganz genau wissen, und zwar sofort.) Oder ich fange an und drücke mich wochenlang um Firmenparties, und dann habe ich irgendwann wieder eine Fehlgeburt und bin froh, dass ich vorher niemandem was erzählt habe.

Möglichkeit drei: ich kriege den Job und bin nicht schwanger. Darüber mache ich mir keine Gedanken, das kenne ich aus über acht Jahren unschwangerer Berufserfahrung. Das klappt, da weiß ich Bescheid!

Möglichkeit vier: nicht schwanger, kein Job. Nu hör aber auf.

Wieso muss eigentlich immer alles gleichzeitig passieren?

Mutti Mutti, Lulu hat Bommel gefressen

Inzwischen sind noch ein Kerry Blue Terrier (Kenner erinnern sich an Lulu aus "Ich heirate eine Familie") und ein Boxer im Gespräch. L. sagt, wir ziehen aufs Land und nehmen sie alle. Wir werden sehen.

Meine Tage habe ich immer noch nicht. Ich wache zwar jeden Morgen mit dem Gefühl auf, es wäre so weit, aber das legt sich dann in den ersten Minuten nach dem Aufstehen. Und dann bekomme ich heute auch noch einen Anruf und habe am Freitag ein Vorstellungsgespräch. Das wird ein heißer Tag: Schwangerschaftstest, Jobgespräch und Schwangerschaftstestergebnis innerhalb von weniger als sechs Stunden. Wobei ich wieder mal ganz froh bin, dass nun die Aussicht auf einen Job, den ich vielleicht sogar haben will, dazwischenfunkt. Ist doch schön, wenn ein bisschen Normalität einkehrt und es bei mir genau so irre zugeht wie bei anderen Frauen, die fluppende Eileiter und keine Myome haben. Und das Gute an diesem potentiellen Arbeitgeber ist, dass ich da kein schlechtes Gewissen hätte, wenn ich ihn nach relativ kurzer Zeit für ein Weilchen hängen lassen müsste. Der könnte das verkraften.

Dienstag, 24. November 2009

Billi ließ sich nur von hinten fotografieren

Deshalb hier ein Netzbild, das ihm ein bisschen ähnlich sieht.

So sieht Billi ungefähr aus, nur die Haare sind kürzer, und wenn er jemals ein Spängchen tragen sollte, wäre das ein ganz übler Scherz.



Diese Sorte Hund ist also Billi.

Nun zum Vergleich ein Bild von einem Hund, der eher MEINE Sorte Hund wäre:



Dieser Hund sitzt im Moment ebenfalls in einem Tierheim, und zwar, so unfassbar es klingt, genau dieser Hund und keiner, der ihm irgendwie ähnlich sieht.

L. sagt, dieser Hund würde mir die Haare vom Kopf fressen. Und mit 80 cm Rückenhöhe wäre er imstande, mir tatsächlich die echten Haare vom Kopf zu fressen, wenn er mit den sprichwörtlichen Haaren fertig ist.
Ich sage, die würden uns mit einer Etagenwohnung niemals so einen Hund mitgeben, da könnte ich ihnen sonstwas davon erzählen, wie gern ich stundenlang auch bei Schietwetter spazieren gehe und jogge und dass die schönsten Parks Hamburgs direkt um die Ecke sind.
So ziemlich jeder, der mir einfällt, würde sagen, ich bin bekloppt.

Harrrrrgh. Ein Glück hab ich wenigstens bei Kindern keine Wahl. Was unten rauskommt, wird behalten und großgezogen.

Billi

Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich vor einer Weile hier überlegt habe, ob wir uns nicht einen Hund kaufen sollten. Nicht als Ersatzbaby oder als Ersatzirgendwas, sondern einfach so. Es erscheint mir für uns fast natürlicher und selbstverständlicher, einen Hund zu haben, als keinen zu haben. Ich liebe Hunde, L. liebt Hunde, so viel Zeit wie im Moment hatten wir noch nie, die Tierheime platzen aus allen Nähten. In eins davon sind wir gefahren. L. hat mich schon beim Aussteigen aus dem Auto gewarnt, dass das jetzt vielleicht ziemlich schlimm werden würde. War es auch für viele Hunde. Einerseits hätte ich gerne alle mitgenommen, den alten Jochen mit seinen trüben Augen, Kampfhundmischling Freya (hat die Nazis oder Wagnerfans gehört? Ich fürchte, ich fürchte...) die ja auch nichts dafür kann, und die vielen, vielen Schäferhundmischlinge, die es da noch viel häufiger gibt als Kampfhunde. Es gab sogar einen Dalmatiner, der aber scheinbar einen gewaltigen Rappel hatte. Und dann gab es Billi. Billi ist so ein kleiner wuscheliger Hund, ein bisschen so wie das Köterchen aus der Cäsar-Werbung, nur größer. Billi hat trotz seines niedlichen Äußeren seine Vorbesitzer massakriert, und das war dann das Ticket ins Tierheim. Jetzt sitze ich hier mit meinem Karo Kaffee und habe eine kleine Diashow im Kopf: klick - Billi friedlich zusammengerollt am Fußende meines Bettes, im Schlaf knurrt er ein bisschen mit seiner Hundepiepsstimme. klick - Billi, der meine lieben Gäste in einer Ecke der Küche zusammengetrieben hat und in Schach hält. klick - Billi in der Hundeschule, wer hätte gedacht, dass unter diesem Wuschelpelz eine Art Komissar Rex steckt? klick - Billi macht Hack aus unserem Baby.
Mal davon abgesehen, dass er beißt ("womit denn?" hat L. zu Recht gefragt), ist das eigentlich überhaupt nicht meine Sorte Hund. Meine Sorte Hund ist groß, damit fängt es schon mal an. Meine Sorte Hund hat eine tiefe, melodiöse Stimme, lässt sich kräftig auf den Rücken klopfen und hat ein kluges Gesicht. Meine Sorte Hund ist kein Hündchen mit Aufmerksamkeitsstörung, und sie ist mehr als nur niedlich. Aber irgendwie -

Naja. Wir werden sehen. Heute geht es ins zweite Tierheim, und Billi wird übermorgen vermutlich auch noch zwischen seinen traurigen Kumpels sitzen und auf uns warten. (Bildet euch nicht ein, dass das Tier an uns denkt. Wir waren zwar fast eine Stunde mit ihm draußen spielen, aber ich stelle mir angesichts seines putzigen kleinen Gesichts vor, dass über seinem Kopf eine Denkblase mit einem großen Gummihamburger mit Quietscheffekt schwebt. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.)

Und meine Tage habe ich auch noch nicht.

Montag, 23. November 2009

Willkommen in der lahmarschigsten Achterbahn der Welt

Heute Nacht liege ich noch da und denke: was ist das denn, so ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch - das kann doch wohl nur...
und heute morgen wach ich auf und habe Regelschmerzen.

Abwarten. (Was kann man sonst von einer Warteschleife auch groß erwarten?)

Sonntag, 22. November 2009

Großmutter, warum kneifst du den Po so zusammen?

Was hab ich gesagt? Elf Uhr, und bisher muckst sich nichts. Und das, obwohl wir gestern ganz friedlich waren und der Pro-Kopf-Verbrauch an blubbernden Getränken bei ca. einer Flasche pro Kopf lag.

Und ich hab es wieder getan, obwohl ich doch nicht wollte. Nach den ernüchternden Erfahrungen mit Light Live-Sekt alkoholfrei, Light Live-Weißwein alkoholfrei und Light Live-Rotwein alkoholfrei habe ich gestern im Supermarkt zu Rotkäppchen alkoholfrei gegriffen. Denn wenn ein Getränk damit wirbt, dass man damit "dazugehört", dann hebt der Gutgefundenwerdejunkie in mir die Hand. Außerdem dachte ich: von der Firma Light Live hab ich noch nie gehört, aber Rotkäppchen müsste immerhin wissen, wie ein einigermaßen trinkbarer Sekt schmecken sollte. Und falls sie es im Dazugehör-Labor mal für ein paar Minuten vergessen, können sie sich ja nebenan im Dabeisei-Labor einen Pappbecher borgen und sich auf Schiene bringen.
So leid es mir tut - ich würde mir so wünschen, dass Rotkäppchen den vielleicht-schwangeren und schwangeren und stillenden Frauen der Welt einen genau wie echt schmeckenden Pseudosekt geschenkt hätte. Aber so ist es nicht. Rotkäppchen hat den Frauen der Welt ein Getränk geschenkt, das wie eine danebengegangene Weingummi-Schorle schmeckt und von dem man eine Stunde später pupsen muss wie von einem Topf Grünkohl. Das kann es doch auch nicht sein! Natürlich, wenn die anderen Damen bis dahin jede zwei Flaschen getrunken hätten und entsprechend in der Stimmung sind, sich über Pups-Scherze und Pups-Anzünde-Scherze zu freuen, dann klappt es mit dem Dazugehören. Aber sonst -

Andererseits kann ich auch nicht sagen, ich wäre ausgegrenzt oder sogar gedisst worden. Das ja nun auch nicht.

Fazit: ich kann euch ja wohl kaum davon abhalten, es mal auszuprobieren. Aber dann sucht nach dem letzten Glas das Weite und sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.

Freitag, 20. November 2009

Wagen schieben, Flunsch ziehen

Jetzt in einer Woche weiß ich Bescheid. Zu dem Zeitpunkt werde ich wahrscheinlich schon in der Heide sitzen, genau da, wo der Handyempfang am allermiesesten ist, und werde zwar nur Bruchstücke von dem mitkriegen, was die Klinik mir sagen will, aber ich hoffe, das Wesentliche kommt durch. Und ein paar Stunden später kommen dann meine Freunde nach, und dann wird sich entschieden haben, ob Flörchen Wasser oder Rotwein zum Essen bekommt.

Ich hab immer noch Rückenschmerzen.

Au Backe.

Vor lauter Zielerreichungsgejapse verliert man ja manchmal ein bisschen aus den Augen, worum es dabei geht. Im Moment lautet das oberste Ziel Schwangerschaft. Dass aus einer Schwangerschaft, wenn alles gut geht, eines Tages mal ein Baby wird (oder sogar zwei) ist zwar selbstverständlich, aber ich vergesse es trotzdem manchmal. Dann sind da die Momente, in denen es mir wieder einfällt, und dann kann mir schon ein bisschen mulmig werden. Jetzt wird es ernst: Schluss mit Rumgehopse nachts um drei, Schluss mit diesem herrlichen Gequarze (vorerst jedenfalls) und Schluss mit ausschlafen.

So ein Blödsinn. Gar nichts wird ernst. Deine Chancen stehen diesmal bei unter 20%. Entspann dich.

Heute habe ich wieder ganze Rudel von jungen Müttern gesehen. Die Glückspilze! Aber zum ersten Mal seit langer Zeit ist mir aufgefallen, dass die meisten davon nicht besonders strahlend und glücklich aussehen. Man sollte meinen, sie tanzen den ganzen Tag mit einem Lied auf den Lippen durch die Straßen und stecken fremden Passanten Blumen zu. Tun sie aber nicht. Wieso nur? Wenn ich wieder mal eine sehe, werde ich sie vielleicht fragen.

Morgen früh breche ich auf nach Berlin. Genauer gesagt, in eine Wohnung mit Internet. Und nachdem ich die einzige sein werde, die Samstag Abend nichts trinken kann, stehen die Aussichten gar nicht so schlecht, dass ich Sonntag Morgen ein bisschen Zeit totzubloggen habe. Vielleicht wird es sogar Fotos geben, wer weiß?

Donnerstag, 19. November 2009

Wir mussten damals für unsere Estrifam ja noch acht Stunden durch den Schnee marschieren

Soll niemand sagen, wir IVF-Patientinnen wären verwöhnte Biester, die grundsätzlich eher andere für sich machen lassen, und so eben auch bei der Vermehrung eine Horde Ärzte in Trab halten. Heute morgen zur Estrifam-Zeit stellte ich fest, dass in meiner Nachfüllpackung Estrifam plötzlich rot ist statt blau. Und das lag daran, dass die Apothekerin von schräg gegenüber mir vorgestern die falschen Pillchen mitgegeben hat. Also bin ich im Nachthemd in meine Jeans gestiegen, habe meine ollste Jacke übergeworfen und bin da schnell noch mal auf einen Sprung vorbeigegangen. Dachte ich. Denn es zeigte sich, dass nicht nur diese Apotheke die richtigen Pillchen nicht dahatte, sondern auch sämtliche Apotheken im näheren und weiteren Umkreis. Als sie endlich eine Apotheke am Telefon hatten, die Estrifam auch in blau führte, war die zwei Stadtviertel weiter. Liebe Leserinnen, seid nicht zu schockiert, aber hier sitzt eine, die heute schon anderthalb Stunden ohne Unterhose oder Frühstück durch die Stadt gelaufen ist, nur um sich fortzupflanzen.

Mittwoch, 18. November 2009

Heute basteln wir uns ein Warteschleifchen

Das Bemerkenswerte ist übrigens nicht, dass da acht Kinderwagen waren. Sondern das Bemerkenswerte ist, dass ich, falls es nur zwei gewesen wären, das sofort wieder vergessen hätte und mir ein neues Zeichen ausgedacht hätte.

Heute schleppe ich mich schon den ganzen Tag mit Schmerzen im unteren Rücken herum. Die fingen gestern Nachmittag langsam an und waren heute morgen doppelt so schlimm. Und in diesem ganzen irre vagen und von Mythen und Blödsinn regierten Schwangerschaftskosmos spielen Rückenschmerzen doch bestimmt eine Rolle, oder? Die könnten doch am Ende eine dieser Sachen sein, wegen derer man zum Arzt geht und sich schon sonstwas ausmalt, und dann kommt der Arzt zurück in den Raum, sieht einen väterlich an und sagt "Herzlichen Glückwunsch, sie sind schwanger". Zwar habe ich eisern beschlossen, an so einen Quatsch nicht zu glauben, aber jeder hat lieber ein Horoskop, in dem steht "heute gehört ihnen die Welt" als eins, in dem es heißt "Vermeiden sie heute übereilte Entscheidungen", selbst wenn er so ein Horoskophasser ist wie ich.

So bin ich eben mit Rückenschmerzen herumgeschlufft und habe mir ein bisschen, ein ganz kleines bisschen ins Fäustchen gelacht.

Bis mir einfiel, woher die Rückenschmerzen kommen. Woher denn?
Reichlich blöde Frage von einer, die einen ganzen Tag lang mit zwei halbmeterdicken Kissen unterm Po im Bett lag.

Falls es geklappt hat, müssten sich heute die Blümchen einnisten.
Falls nicht, bekomme ich vermutlich nächsten Donnerstag Regelschmerzen und Freitag meine Tage.
Und egal, ob es geklappt hat oder nicht, in zweieinhalb Stunden gibt es Lammschulter mit Knoblauch und Rosmarin. Immerhin ist darauf Verlass.

Dienstag, 17. November 2009

Geht mir weg mit Statistik, ich hab das Kinderwagenorakel

Vor ein paar Jahren war ich mit O. zusammen. (Jedenfalls habe ich ihn vor ein paar Monaten mal so abgekürzt und muss jetzt wohl dabei bleiben. Ich musste allerdings gerade meinen halben Blog nach der korrekten Abkürzung durchforsten. Denn nach alter Internet-Etikette ist es ja verboten, seine Exfreunde mit rekonstruierbarem Namen in seinem Blog zu verbraten. Gott, wie viel anstrengender das Leben ist, wenn man es sich mit niemandem verscheißen will, selbst mit denen nicht, die es sich längst mit mir verschissen haben. Also, O.) Irgendwann hat er dann Schluss gemacht, was sicherlich zu unserer beider Vorteil war. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann hatte ich in den Wochen vor dem Ende selbst schon das eine oder andere Mal gedacht, ob es das jetzt sein kann, diese Riesensache, von der alle angeblich träumen? Trotzdem war es hart, als es vorbei war, und zwar wohl auch deshalb, weil dieses Ende unter so dermaßen katastrophalen, demütigenden, bizarren und lächerlichen Umständen kam. Ich hatte ziemlich lange zu knabbern. Und eine nicht unerhebliche Zeit lang hatte ich einen kleinen Tick, von dem damals noch nicht mal meine Freundinnen wussten: wenn ich zur Arbeit gefahren bin, dann habe ich unterwegs gezählt, wie viele Autokennzeichen aus seiner Heimatstadt ich gesehen habe. Waren es mehr als zehn, dann dachte ich: alles wird wieder gut, ihm fällt ein, wie gewaltig seine Neue gegen mich abstinkt und was für einen schrecklichen Fehler er gemacht hat, und wir kommen wieder zusammen. (Ich wusste damals eben noch nicht, dass "alles wird gut" und "wir kommen wieder zusammen" einander ausschließen und nichts im gleichen Satz zu suchen haben.) Waren es weniger als zehn, dann habe ich das beiseite gefegt und mich auf das nächste Autokennzeichenorakel konzentriert.

Vorhin habe ich wieder mal eine meiner Google-Ausnahmen gemacht und nachgelesen, welche Erfolgschancen grob übern Daumen so ein Auftauzyklus hat. Die einzige Studie, die auch wirklich eine Studie war und nicht irgendwelcher Forenquatsch und die unter den ersten zehn Treffern war, kam auf entmutigende 14 erfolgreiche Geburten bei 140 untersuchten Fällen. Zehn Prozent, das ist nicht viel. Vielleicht gibt es ja bessere Zahlen, aber eigentlich bin ich ganz froh, wieder ein bisschen mehr Bodenhaftung zu haben mit meiner Vibrations-Hysterie, die besseren Zahlen will ich also gar nicht wissen, macht euch nicht die Mühe, mir irgendwelche Links zu schicken, das ist alles ganz gut so. Trotzdem hatte ich gerade einen Rückfall. Als ich von meinem Mini-Raubzug in den Supermarkt kam (wer darf ab sofort die Lücke des abendlichen Weinchens einnehmen? Bist du es, Bio-Möhrensaft? Oder du, Nacho-Cheese-Chip mit Chilidip? Wir werden sehen, wer das Rennen macht.), habe ich gedacht: wenn ich jetzt auf dem kurzen Heimweg (und Umwege gilden nicht) mehr als drei kleine Kinder sehe, dann klappt es. Und wisst ihr, wie viele Kinder ich gesehen habe? Auf einer Strecke von ca. 600 Metern? Acht.
Kinderwagenorakel, was wirst du mir morgen verkünden?

Radaubrüder

Der Tag im Bett war gestern, heute hat er damit angefangen, als erstes die Küche aufzuräumen, mir einen Tee zu kochen (nicht schwarz und noch nicht mal grün), während das Wasser warm wurde, mir mein Crinone-Röhrchen reinzudrücken, und erst mal zu gucken, was in meinen Mailboxen so los war. Bevor ihr fragt: nichts mit Jobbezug. Ich werde langsam, aber sicher wahnsinnig. Zumal der Plan ja eigentlich mal war, wieder unter Dach und Fach zu sein, bevor ich ein zweites Mal schwanger bin und es mir mit meinem Arbeitgeber und dank seiner Geschwätzigkeit mit noch sämtlichen anderen verscherze. Meine Oma sagte Samstags am Kaffeetisch zu mir: "einen Job suchst du dir aber erst mal nicht. Du musst jetzt erst mal ein Kind kriegen." Ach, Oma. Wenn es ganz blöd läuft, komme ich auf die Art in dein Alter, bis ich das nächste Mal wieder ran darf.
Es liegt auch nicht an mir. Es liegt an den Zeiten. Das ist zwar nur ein schwacher Trost, aber immerhin ein Trost. Im Moment stellt in meinem Beruf niemand irgendwen an.

Nun habe ich für heute wieder genug gequengelt. Damit zu einem Thema, über das andere im Netz gerne quengeln: Crinone scheint mir ziemlich unbeliebt zu sein! Manche fluchen über den Preis. Dazu kann ich nichts sagen, billig ist es nicht, aber ich weiß nicht, wie dieser Preis zustande kommt und bin deshalb dazu lieber fein still. Eine ganze Menge fluchen aber auch darüber, dass es schwierig anzuwenden wäre. Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass eine Frau sich beschwert hat, nachdem sie das Gel wie befohlen bergab geschüttelt hat und die Kappe abdreht, würde das Gel wild herausspritzen, und sie hätte keine Ahnung, ob der klägliche Rest noch als Dosis reicht. Das ist mir noch nie passiert, und ich schüttele kräftig. Was mir schon mal passiert ist, war ein winziges, zwei Milimeter langes Gelwürstchen, das nach dem Öffnen aus der Öffnung hervorlugt. In den meisten Fällen konnte ich das immer noch an Ort und Stelle bugsieren. Einmal nicht, und da - muss man erst mal drauf kommen! - habe ich, nachdem ich das Luftkissen leergedrückt hatte, mit dem man die Dosis sonst rausschiebt, noch ein bisschen auf dem Stift herumgedrückt, um noch den ein oder anderen Rest rauszuholen. Nebenwirkungen: bei mir null. Und ich weiß, dass ich nicht die einzige bin, gestern habe ich mir einen Ruheraum nach der Rückübertragung mit einer Frau geteilt, die sagte, die einzige Nebenwirkung bei ihrer IVF wäre die Übelkeit vom Doxyzyklin gewesen, während die Hormone ihr alle gar nichts getan hätten.

Ansonsten stehe ich vor einem kleinen Problem. L. hat mich nach der Fehlgeburt auf Knien darum gebeten, diesmal keinen Wind zu machen, bevor wir nicht wirklich in der sicheren Zone sind. Ich kann ihn verstehen, auch wenn ich finde, SO einen Wind habe ich eigentlich nicht gemacht. Weder habe ich die Kinderzimmereinrichtung geplant, noch habe ich mit Tränen in den Augen in Geschäften kleine Strampler an mich gepresst. Außerdem sorgt ein ganzes buntes Rudel kinderloser Freundinnen dafür, dass das Thema Kinder nicht überhand nimmt. Trotzdem, ich kann ihn verstehen, und er will mir ja auch nur Kummer ersparen.

Aber.

Bei allem Bemühen, auf dem Teppich zu bleiben, und bei allem guten Vorsatz, schön den 27. und den Test abzuwarten, diesmal hab ich ein merkwürdiges Gefühl. Schon als ich gestern die Klinik verlassen habe, war was anders. Und gegen Abend fing der Radau in meinem Bauch an. Nichts war unangenehm, aber ich hatte wirklich über Nacht ein paar mal das Gefühl, ich hätte mir ein Telefon mit Vibrationsalarm in den Bauch pflanzen lassen. Ich weiß schon, dass das keine wie auch immer geartete Aktivität der Zellblümchen auslösen könnte, auch wenn das noch so dicke Zwölfzeller waren. Und wenn doch, dann habe ich jetzt schon Angst, was für einen Alarm die Biester in der Pubertät machen. Aber irgendwas war da. Vielleicht hat mein Arzt ja auch nur mit der Kanüle eins der Myome angestupst. Was weiß ich. Lasst mir den Spaß, ausnahmsweise mal esoterisch zu schwafeln. Ich hab da so ein Gefühl! Und in zehn Tagen nach dem negativen Test lachen wir dann wieder zusammen herzlich drüber, was für ein Unfug das mit diesen blöden Gefühlen ist.

Montag, 16. November 2009

Die Hühnersuppe danach

Falls es klappen sollte - FALLS - und die kleine Wurst fragt mich eines Tages mal, wenn sie schon nicht mehr klein ist, sondern wenn sie mit ihrer Mutter in einer Bar sitzt und ein Glas Wein trinkt (das kann doch nur schief gehen. Ich weiß noch nicht mal, ob ich schwanger bin, und schon plane ich, dass ich eine Tochter bekomme, die eines Tages, wenn sie längst volljährig ist und sie niemand mehr dazu zwingen kann, sich mit mir abzugeben, mit mir auf Muscheln und Wein ausgeht.), wie das eigentlich war, als sie entstanden ist. Was war das für ein Tag?
Und dann müsste ich sagen: der Tag, an dem du in meinem Bauch gelandet bist, war ein Tag Mitte November, an dem es geschüttet hat, und Mutti lag zwar im Bett, aber nicht in scharfer Unterwäsche, sondern sie hatte Socken und einen Schlafanzug an, außerdem zwei dicke Kissen unterm Po, und hat dort die halbe BBC-Pride and Prejudice-Verfilmung gesehen, dann zum Xten Mal den Sex and the City-Film, sie musste fast heulen, als Charlotte mit Bauch joggen geht, aber nicht bei den ganzen Versöhnungen, und sie hat literweise Hühnersuppe und Schokoladeneis zu sich genommen, immer abwechselnd. Das klingt nicht besonders heiß.

Der Test ist am 27. November morgens um neun. An diesem Tag brechen wir mit Freunden in die Heide auf, weil dort im Weinkeller immer noch tonnenweise Cremant rosé, Rotwein und Weißwein von der Hochzeit liegen. Ich koche, L. zündet ein Feuerchen an, und dann wickeln wir uns in Wolldecken. Ist das nicht großartig? Entweder, ich weiß dann, dass ich schwanger bin, und werde alle Pflanzen umbringen, weil ich ständig heimlich meinen Rotwein in die Töpfe kippe. (Ein Teil der Freunde darf es wissen, ein anderer Teil lieber nicht, weil L. ein bisschen abergläubisch geworden ist und "keinen Wind machen will", indem er alle Freunde in Hysterie versetzt.) Oder ich weiß, dass ich nicht schwanger bin, und dann wird es einfach ein nettes, rotweiniges Winterwochenende mit viel flüssigem Trost, an dem ich nicht allein bin, sondern von Mädchen mit Korkenziehern, Playlisten und Zigarettenschachteln umgeben.
Ich bin ein Glückskind. Und jetzt hole ich mir noch mehr Schokoladeneis.

Drin

Zwei dicke fette Prilblümchen, veritable Zwölfender, sitzen jetzt in meinem Bauch und teilen sich den Platz mit einem Glückscheeseburger und sechs Glücks-Chicken-McNuggets mit Senfsauce.

Ich kann mir nicht helfen, aber ich hab so ein Gefühl... nur so ein Gefühl.

So. Und auf eindringlichen Ratschlag hin (nicht vom Arzt, sondern von euch) bleibe ich heute im Bett. Es ist ja nicht so, dass ich nie auf Ratschläge höre. So lange der Ratschlag einschließt, den ganzen Tag im Bett zu lungern, DVDs zu glotzen, zu lesen und mir ein Lieblingsgericht nach dem anderen servieren zu lassen, bin ich da ziemlich offen und einsichtig.

Nur lachen darf ich nicht so viel, darum ist meine Filmauswahl etwas eingeschränkt. Der Pate, Teil 1 bis 3? Kostümschinken?

Wäre dieser Post von Roland Emmerich, würde er "Showtime" heißen oder ähnlich dämlich

Ich habe ein Wochenende mit wenig Internet und vielen Kindern hinter mir. Das heißt, inzwischen ist sogar das geschehen, was niemand mehr für möglich gehalten hätte: meine Eltern haben einen Computer, der mit einem Klick im Internet ist. Nicht besonders schnell, aber man muss nun keinen 12stelligen Code mehr eingeben und auch an keinem Kabel mehr rütteln. Dieser Quantensprung ist allerdings für meinen Vater so aufregend, dass er jedes Mal, wenn er das Rechner-Anmach-Geräusch hört, sofort angelaufen kommt und sich in der Nähe herumdrückt, weil es doch so viele hochinteressante Dinge in diesem sagenhaften Internet gibt, die er mir unbedingt zeigen muss. Und meine Familie weiß nichts von diesem Blog, und das soll auch so bleiben, also konnte ich es mir schlecht mit einem Glas Wein am Schreibtisch gemütlich machen, weil ich zuhause so argwöhnisch und schreckhaft beim Schreiben bin, dass mein Kiefer knackt.
Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch keine Lust - meine größere Familie samt Onkel, Tante, Cousinen und ihren Kindern sehe ich so selten, da will ich nicht den Internet-Schrat spielen. Das Wochenende war auch so bunt genug. Meine Mutter mochte ihre Geschenke nicht nur aus Höflichkeit, mein Vater hat auf ihrer neuen Kaffeemaschine achtfachen Espresso produziert und dabei so getan, als müsste das so, ich habe noch mal alles gegessen, was ab heute nicht mehr geht, die Kinder waren sagenhaft niedlich und haben hoffentlich Glück gebracht, und einer der kleinen Jungs ist jetzt mein größter Fan und geht überall hin, wo ich hingehe. Irgendwann vor Monaten hatte ich mal ein blödes Gefühl, weil ein Kind nicht auf meinem Arm bleiben wollte. Ich dachte, vielleicht riechen die Kinder das Fruchtbarkeitspech wie Tiere das Erdbeben und wollen einfach nur weg von einem. Wenn das so ist, muss ich mir keine Gedanken machen, ob das heute alles klappt, denn die kleine Wurst war nur unter Tränen und tiefer Depression von mir loszueisen. Dafür saßen wir während der fast fünstündigen Bahnfahrt im ICE direkt neben einem entsetzlichen Kind, das mit seinem Onkel unterwegs war. Der Onkel hatte es wohl schon seit ein paar Tagen an der Backe, ich weiß nicht, ob er wirklich so ein Stoiker war, oder ob er einfach keine Kraft mehr hatte. Aus diesem Kind kamen pausenlos Geräusche. In fünf Stunden war es vielleicht fünf Minuten still. Dabei redete es nur Blödsinn in irrer Lautstärke, und wenn ihm wirklich nichts Blödes mehr einfiel, dann schnalzte und quiekte es und pupste mit den Backen. Zwischendurch sah es sich im Großraumabteil um mit der selbstsicheren und gönnerhaften Miene eines Stars, der weiß, dass er sein Publikum voll im Griff hat. Alter! (Falls meine Klinik inzwischen diesen Blog entdeckt haben sollte - was ich mir nicht vorstellen kann, ich gehe ja auch nicht nach einem harten Arbeitstag nach Hause und googele als Erstes, ob nicht irgendwer über meine Firma schreibt - dann habe ich kurz vor knapp noch eine Bitte: So soll das bitte nicht.)

So. Das weitere Vorgehen heute: Crinone ist drin, Schilddrüsentablette auch, gleich folgen noch Estrifam und Folsäure. Dann duschen (immer so spät wie möglich), weiße Socken, Bademantel und Wasserflasche einpacken, Therapieplan auch, und dann setze ich mich in den Bus und fahre zur Klinik. Um Viertel nach elf soll ich da sein, und um zwölf wird übertragen. Von meinen fünf Zellen wurden drei aufgetaut, zwei haben sich fabelhaft entwickelt, und die beiden treffe ich nachher. Zu dritt kommen wir dann wieder nach Hause, und den Rest des Tages werde ich, auch wenn ich das nicht muss, im Bett verbringen mit einem Kissen unterm Po. Obwohl das alles so klingt, als würde ich nachher meine frisch besohlten Schuhe abholen, kann ich euch versichern: inzwischen bin ich aufgeregt, und wie. Das ganze Wochenende seit dem Anruf am Samstag Mittag kann ich nicht aufhören, an diese kleinen Zellen im Brutschrank zu denken und daran, wie es uns wohl zusammen ergehen wird.

So. Ab jetzt muss ich mich entscheiden, ob ich mir lieber noch mal die Beine epiliere oder weiter poste, und ihr werdet verstehen, dass ich lieber später noch ein bisschen schnattere. Dann habe ich ja auch wieder was Neues zu erzählen. Wünscht uns Glück! Tut ihr ja schon, vielen Dank dafür, aber tut es weiter!

Donnerstag, 12. November 2009

Es lässt mir ja doch keine Ruhe

Hach, und nun tut es mir auch schon wieder leid. Ich fühle mich, als hätte eine liebe Oma ein ganzes Blech Pflaumenkuchen für mich gebacken, und ich ranze sie an, dass ich keinen Hunger habe. Ich weiß ja, wie gut ihr das alles meint. Ihr seid auch bestimmt im Recht, und ich bin die, die hier komisch ist. Es ist nur so, dass ich ein sehr nervöses Viech bin, bei dem es leicht um die Seelenruhe und den Schlaf geschehen ist bei Irritationen. Und das Leben ist auch so schon nicht gerade arm an Irritationen. Wenn dann auch noch die Befürchtung dazu kommt, ich wäre in dieser ganzen Angelegenheit etwa schlecht oder unvollständig beraten, dann bricht bei mir das Chaos aus. Und deshalb bin ich zu folgendem Schluss gekommen: ich hab mich entschieden dafür, den Weg der bösen, teuren Medikamente und Operationen zu gehen. In dieser Klinik und bei diesem Arzt. Und deshalb mache ich es jetzt genau so, wie er es für richtig hält, und nicht anders. Und Pflaumenkuchen, so leid es mir tut, steht nicht auf der Liste.

Jetzt kommt schon. Nicht böse sein.

Noch vier Tage bis Würmchen

Kaum geht es wieder ernsthaft los, schon hagelt es gut gemeinte Ratschläge. Und ich will auf keinen Fall, dass das irgend jemand falsch versteht! Aber im Moment bin ich ehrlich gesagt besser ohne dran. Denn jeder Ratschlag wirft gleichzeitig Fragen auf wie "Warum hat mein Arzt mir das nicht gesagt?", "Wieso ist das bei mir so, wenn es bei anderen anders ist?" oder auch "hä?!?" und das macht mich vollkommen wahnsinnig. Hat es zumindest früher. Denn inzwischen denke ich mir: mein Arzt kennt meine komplette Vorgeschichte samt verschiedensten Allergien, früheren Krankheiten oder welchen, die jetzt noch bestehen. Der hat meinen Ultraschall und meine Blutwerte gesehen, bevor er mir ein Rezept schreibt oder mir sagt, was ich zu tun und zu lassen habe. Und deshalb macht der das eben so und nicht anders.

Ihr Lieben, ich weiß, dass ihr das alles mit den besten, den allerbesten Absichten sagt. Aber erstens geht es nun ernsthaft auf den Termin zu, mein Rezept ist eingelöst, und für Planänderungen ist es jetzt ein bisschen zu spät. Und zweitens habt ihr es hier mit einer zu tun, die schon ihr ganzes Leben lang sehr, sehr resistent gegen gute Ratschläge war. Vielen Dank trotzdem fürs Daumendrücken und Mitfiebern!

Mittwoch, 11. November 2009

Noch fünf Tage bis Würmchen.

Bzw. Blümchen bzw. langsam nerve ich mich selbst mit diesen ewigen Verniedlichungen.

Jedenfalls komme ich gerade aus der Klinik, wo mir zu meiner "sehr schönen Schleimhaut" gratuliert wurde (hab ich schon mal erwähnt, dass ich in meinem Leben noch nie so viele merkwürdige Komplimente bekommen habe wie seit der Kinderwunschbehandlung? Dort weiß man körperliche Merkmale zu schätzen, die sonst der Aufmerksamkeit anderer eher entgehen. Solche Sachen wie gute Muttermünder, richtig dicke Schleimhäute oder kräftige Eibläschen. Andererseits wurde mir heute der Vorwurf gemacht, meine Vene sei so oberflächlich. Das höre ich natürlich nicht so gern!), und genau weiß ich es erst am Samstag, aber so wie es aussieht, werden mir Montag in fünf Tagen zwei aufgetaute Zellhäufchen eingesetzt. Das ist alles sehr aufregend, und bis dahin vergeht nun kaum ein Tag ohne eine besondere Note in Sachen Befruchtung. Heute Nachmittag muss ich noch mal anrufen wegen meiner Hormonwerte anrufen, morgen gehe ich in die Apotheke und besorge mir Crinone und einen Nachschub an Estrifam, Freitag führe ich mir das erste Röhrchen Crinone ein, Samstag kommt ein Anruf, wann genau wir Montag dran sind, Sonntag durchatmen und Montag geht's zur Sache.

Und was tut die angehende Mutti? Die angehende Mutti setzt sich nach wochenlanger quasi-Abstinenz mit einer bis dahin wildfremden Person in eine Kneipe und quarzt und schüttet sich voll. Mein hart erarbeitetes Empfängniskarma dürfte sowas von im Arsch sein. Aber ich wollte es nicht anders! Gestern hatten wir die erste und noch ziemlich informelle Sitzung des Hamburger Abkürzungs-Stammtisches, Ev und ich. (Ev findet ihr in den Kommentaren.) Und das war sehr nett und sehr rotweinig, und nun freue ich mich schon sehr auf die größere Runde am 11.Dezember. Übrigens hat sie mir bei der Gelegenheit erzählt, dass es schon mal einen Hamburger IVF-Stammtisch gab, der sich aus unerfindlichen Gründen im Va Piano an der Rothenbaumchaussee getroffen hat. Das nenne ich: zielsicher den Laden mit dem fürchterlichsten Publikum der Stadt ausgeguckt. Ich bin gespannt, worauf wir uns für den 11. einigen, aber ich kann jetzt schon versprechen, wenn jemand versucht, mich ins Va Piano zu kriegen, dann klammere ich mich an einer Straßenlaterne fest, stemme die Absätze in den Boden und rufe laut um Hilfe.

Montag, 9. November 2009

Heimliche Hauptdarsteller: meine IVF-Medikamente

Ich hatte ja schon eine ganze Menge dazu geschrieben, auch wenn das schon ziemlich lang her ist. Darüber, dass Gonal einem die Angst vor Spritzen wirklich abgewöhnen kann, so harmlos ist das. Darüber, dass es zwar sein kann, dass manchen Frauen von ihren Hormonen tage- und wochenlang blümerant wird, aber dass das noch lange nicht heißt, dass es bei euch auch so sein muss. Überhaupt ist eigentlich alles gesagt. Aber noch nicht alles gezeigt: heute habe ich hier in meinem Arbeitszimmer ein kleines Fotoshooting anberaumt. Denn aus den Kommentaren in letzter Zeit habe ich rausgelesen, dass unter euch eine Menge Frauen sind, die zwar ganz sicher eine IVF in naher Zukunft vorhaben, aber die eben noch keine erlebt haben. Damit ihr euch das alles ein bisschen besser vorstellen könnt - und ich bin ja immer sehr fürs Konkrete und Bildhafte, wir kaufen ja schließlich auch lieber Kochbücher mit Bildern - gibt es heute mal die Fotos meiner heimlichen Hauptdarsteller. Ohne euch, liebe Medikamente, wäre das alles gar nicht erst möglich gewesen usw., im Grunde habe ich euch alles zu verdanken!

Hier sind sie also.

Alles fängt an mit Synarela. So sieht Synarela aus:


Synarela unterscheidet sich, wie man unschwer erkennen kann, im Aussehen nicht von einem hundsgewöhnlichen Schnupfenspray. Aber es kann so viel mehr! Lasst euch übrigens von seinen Kräften nicht einschüchtern, beim ersten Mal sprayen dachte ich auch noch, hoppla, was passiert denn jetzt? Eine Marienvision? Aber bei der zweiten IVF-Runde war davon nichts mehr zu merken, ich gehe also davon aus, dass ich mir den Radau im Kopf nur eingebildet hatte.

Nach einer Weile mit Synarela geht es los mit Gonal. Gonal gibt es in rot und blau, je nachdem, wie viel Inhalt die Spritze hat.



Weil diese Spritze aussieht wie ein hässlicher Kuli, nennt man sie auch Pen. Wenn ihr die Kappe vom Pen abgezogen habt, seht ihr, dass der Kuli vorne keine Spitze hat, sondern nur ein komisches graues Mini-Polster. Ich hab vergessen, das zu fotografieren, tut mir sehr leid. Auf dieses Polster schraubt ihr eine kleine Plastikkappe auf, die ihr zu eurem Pen dazubekommt. Das sieht dann so aus:



Hinter dieser Kappe versteckt sich die Nadel. Die Kappe nehmt ihr in zwei Stufen ab. Wenn ihr die äußere Kappe abgenommen habt, kommt eine weitere Schutzkappe zum Vorschein.



Und darunter - Schockschwerenot! - Die Nadel.



"Das geht nicht", denkt ihr jetzt vielleicht. "Das schaffe ich nie. Lieber klaue ich mir ein Kind im Ikea-Kindergarten. Oder lege mir acht Katzen zu." Aber das müsst ihr nicht! Denn dieser aufwändige optische Supertrick zeigt euch, wie winzig diese Nadel eigentlich ist:



"Jajaja" denkt ihr. "Das ist doch so ein Riesenstreichholz, mit dem man den Kamin oder den Weihnachtsbaum anzündet. Und die Nadel hat Dimensionen wie so ein Bolzenschussgerät, um Ochsen zu schlachten." Nein nein nein!! Vertraut mir einfach und kommt wieder runter von diesem Stuhl.

Und Ovitrelle geht genau so. Das ist die Spritze, die ihr zum Auslösen des Eisprungs bekommt. Nur, dass Ovitrelle mehr wie eine Spritze aussieht als wie ein hässlicher Kuli. Aber die Nadel ist genau so klein, und es gibt genau so wenig Grund, sich zu fürchten. Ovitrelle habe ich leider schon weggeschmissen, die kann ich also nicht mehr fotografieren.

Dafür gibt es hier ein Foto von Utrogest, einer Tablette, die man entweder schlucken oder sich vaginal einführen kann. Alle, von denen ich bisher gehört habe, mussten sie sich einführen, trotzdem beharrt der Beipackzettel darauf, dass sie zu schlucken ist. Lasst euch nicht kirre machen, wenn der Arzt gesagt hat, einführen, dann einführen.



Und schließlich noch Estrifam. Die muss ich im Moment nehmen, um mich auf die Rückübertragung der Tiefkühlblümchen vorzubereiten. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann dienen sie dazu, dass die Gebärmutterschleimhaut auch schön weich und fluffig wächst und damit alles bereit ist. Ungefähr so wie diese Packungen sah die Pille aus, wenn sie in den sozialkritischen Kinderfilmen vorkam, die ich als Kind gesehen habe.



So. Wollen wir doch mal sehen, ob ich das hinkriege mit den Fotos im Blog. Die ersten!