Montag, 21. September 2015

Früher war alles früher.

Es gab damals mindestens fünf Bücherreihen für Mädchen, die von den Abenteuern eines Mädchens mit einem Spitznamen handelten. Der Spitzname endete auf ein i oder ein y. Das Mädchen war meistens in irgend einer Weise widerspenstig, aber das war nur eine Phase, und irgendwann kam der Moment, wo sich das legte und das Mädchen infolgedessen viel, viel glücklicher war. Bis dahin passierten schon ein paar schlimme Dinge. Z.B. geriet Bummi in fürchterliche Gewissenskonflikte, weil sie ihren Eltern ihre Fünf in Englisch verheimlichte. Wenn Kinder in Kinderbüchern was erleben wollten, dann bitte in den Ferien, und das Feld, auf das sich die Erlebnisse zu beschränken hatten, war die Unterstützung der Polizei bei der Festsetzung von Schmugglern. (Astrid Lindgren, Ottfried Preußler, Mark Twain und Michael Ende waren Ausnahmen, und Enid Blyton war unfassbar produktiv.)

Wenn Kinder eingeschult wurden, wurde (so weit ich mich erinnere) nicht die Familie eingeladen, es sei denn, sie wohnte sowieso um die Ecke. Ich weiß noch, dass ich an diesem Tag einen neuen Rock anhatte, dass wir uns vor der ersten Stunde in der Turnhalle versammelten und dann die Kinder aufgerufen wurden und sich zu ihrer neuen Klassenlehrerin stellen sollten, und dass ich eine hübsche Schultüte hatte, die wir in der ersten Schulstunde malen sollten, woraufhin ich die hübsche Schultüte dann schon ein bisschen verfluchte, denn sie war mit einer Ente aus Filz und ganz, ganz vielen bunten Blättern beklebt, das war ganz schön schwierig zu malen. (Noch mehr geflucht hat allerdings meine Freundin Manuela, die konnte nämlich ü-ber-haupt nicht malen und hatte eine Schultüte, auf der sämtliche Schlümpfe zu sehen waren.) In den Schultüten war ein bisschen Süßkram und ansonsten Sachen für die Schule, was aber gar nicht schlimm war, sondern besonders toll, denn das war doch alles neu und spannend: Wasserfarbenkasten, Wachsmalstifte mit Plastikhülse zum Rauf- und Runterschieben, Radiergummi, Spitzer, Füller! Großartig war das. Niemand veranstaltete Gottesdienste, rief bei Caterern an, buchte DJs oder ließ Hüpfburgen im Vorgarten aufpusten.

Laternenumzüge. Von denen habe ich schon oft geschrieben. Früher waren Laternenumzüge am 11.11. und nicht im Oktober oder September oder sonstwann. Sie hatten unmittelbar mit St. Martin zu tun. Darum war meistens ein Mann vom Reitverein dabei, der den heiligen Mann verkörperte, und ein zweiter, der den Bettler spielte. Es gab außerdem keinen Spielmannszug, sondern einen Bläserchor, es gab Pferde, hinterher ein großes Feuer, Glühwein für Eltern und warmgemachte Orangenlimonade für Kinder und Stutenkerle, also Männchen aus Rosinenbrötchenteig mit einer Tonpfeife im Mund.

Wenn wir Klavierstunden, Judo, Segeln, Reiten oder mit Manu und Uli spielen wollten, dann bitteschön, da steht das Fahrrad. Kann sein, dass mich meine Erinnerung da trügt, aber ich glaube, im letzten Kindergartenjahr bin ich auch dahin zu Fuß gegangen, ohne elterlichen Bodyguard.

Nachmittags waren wir draußen. Wir haben in zugewachsenen Gräben gekauert und Feuer gemacht, die Schlauchboote unserer Eltern gemopst und damit unbekannte Gewässer erforscht, mit dem Fahrrad die Stadt oder die Nachbarstadt erkundet, Fußball gespielt, sind auf morsche Bäume geklettert, haben Verstecken im Maisfeld gespielt, während der Mähdrescher schon bei der Arbeit war, Brombeeren geklaut, mit selbstgebastelten (und deshalb zum Glück nicht sehr effizienten) Bogen aufeinander geschossen, und unser wichtigstes Kleidungsstück zwischen fünf und vierzehn Jahren waren Gummistiefel.

Kindergeburtstag ging so: Stefan hatte Geburtstag. Also bekamen Stefans sieben beste Freunde eine Woche vorher eine Einladungskarte, bei der Stefan eigenhändig den Namen der Eingeladenen und das Datum einfügen musste. Uhrzeit musste schon nicht mehr sein, denn alle Kindergeburtstage fingen um drei Uhr Nachmittags an. Als Geschenk kauften wir ein dtv Taschenbuch, irgendwas mit Snoopy drauf, ein Ravensburger Mitbringspiel oder Leonardo-Gläser mit einer Plastikwolke am Stiel zum Umrühren. Am Geburtstag kamen alle sieben Kinder um drei an, von ihren Müttern gebracht, die aber meist noch nicht mal aus dem Auto ausstiegen. Dann gab es Kakao und Kuchen, ab dem zehnten Geburtstag auch mal Cola. Nach dem Kuchen haben wir das Spiel gespielt, bei dem man würfeln und Handschuhe, Sonnenbrille usw. anziehen und dann eine in zwanzig Lagen Zeitungspapier gewickelte Packung Schokolade mit Messer und Gabel essen muss. Außerdem haben wir den Ententanz auf Platte gehört, Verstecken im Dunkeln gespielt, das Mörder-und-Detektiv-Spiel (bei dem nie jemand wusste, wie genau das eigentlich geht), Eierlauf, Topfschlagen, und dann gab es Würstchen mit Kartoffelsalat oder selbstgemachte Burger, und alle Kinder wurden in zwei Schichten in einem Golf nach Hause gefahren, einen Tiefkühlbeutel mit Brauselippenstift, Minismartieschachtel, Storck Riesen und Maoam in der Hand.

Playmobilmännchen gab es in männlich und weiblich, sie unterschieden sich für gewöhnlich durch die Haarfarben: blond, braun, schwarz. Es gab ein paar Sondermännchen, z.B. hatte ich ein Playmobilgespenst, das leuchtete im Dunkeln und hieß Domestos. Bei den Piraten wird es sicher auch ein Männchen mit Holzbein und Augenklappe gegeben haben. Irgendwann gab es dann auch Kinder, sogar ein Baby! Bis dahin mussten die Einheitsmännchen alles sein, und das waren sie ohne Probleme. (Erinnert sich noch eine hier an das fiese Playbig?) Für einen kompletten Waschmitteleimer Lego hatte ich insgesamt zwei Frauen- und zwei Männerperücken, außerdem zwei Mützen und zum Glück sehr viele Helme, weil mein kleiner Bruder die Lego-Ritterburg besaß. Hätte es damals so wie heute in Fahrradentfernung einen Laden gegeben, in dem man Legohaare und Legokleidung nach Gewicht kaufen kann, dann hätte ich meinen Brustbeutel umgehängt und wäre auf mein Hercules-Kinderfahrrad gestiegen wie der Blitz. Meiner Mutter hätte ich natürlich eine Notiz auf dem Zettelblock neben unserem grünen Wählscheiben-Telefon hinterlassen, klar.

Es gab damals eine ganze Industrie von sehr schlauen und handwerklich fabelhaften Menschen, die ihr Geld mit der Konzeption und Produktion extrem guten Kinderfernsehens verdienten (Im Schatten der Eule, der Mondschimmel, das Geheimnis des siebten Weges, die dreibeinigen Herrscher, die Besucher, Robin Hood, das Haus der Krokodile...)

Es gab Kindermarkenterror, aber die Marken waren billig. Meine Mutter hielt uns da raus, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Vanilla-Jeans mehr als 80 Mark gekostet hat oder ein Sasch-Sweatshirt mehr als 100. Vor einer Weile erzählte mir eine allein erziehende Kollegin verzweifelt, dass ihr 12jähriger Sohn jetzt eine Canada Goose-Jacke will, weil er der einzige Junge in der Klasse ist, der keine hat (ist er wirklich), und die kosten ab 600 Euro. Meine Mutter hätte laut gelacht und an ihrer Zigarette gezogen, wenn sie geraucht hätte.

Die offizielle Kindheit endete am 13. Geburtstag. Bis dahin wurde es auch unter Kindern als albern betrachtet, Lippenstift zu tragen.

Donnerstag, 17. September 2015

Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen

Andere Leute verbringen ihre Elternzeit irgendwo in einem Hippie-Urlaubsland und posten Fotos von schlafenden Babys in Tragetüchern am Strand oder Familienbesichtigungen asiatischer Tempelanlagen. Ich bin ein bisschen faul mit dem Fotoposten, aber heute könnt ihr mir dafür dankbar sein, denn schön ist das hier nicht. Statt die Zehen in weißen Sand zu bohren, habe ich einen Ärztemarathon hinter- und vor mir. Zwei Kinder so kurz hintereinander rocken den Körper ganz schön runter, und gestern habe ich mir die Krampfader ziehen lassen, die mir die zweite Schwangerschaft eingebracht hat. Jetzt liege ich hier, das Bein ist knallorange und blau und dick, und ich bin dankbar für den Stützstrumpf, der noch bis Samstag durchgängig dranbleiben muss und wenigstens einen Teil der Wahrheit vor meinen Augen verbirgt. Nächste Woche steht dann noch ein überfälliger Besuch beim Zahnarzt und beim Hautarzt an, der mir verschiedene Leberflecken entfernt, und zwischendurch bin ich immer mal wieder bei der Physio, denn seit inzwischen drei Monaten tut mir der Hintern weh: ISG-Blockade, was bedeutet, dass es jedesmal zwiebelt, wenn ich gesessen oder gelegen habe und aufstehe. Schon nach kurzer Fahrt verlasse ich die Ubahn im rechten Winkel. (Es gab einen sehr lustigen Moment, als ich mit meiner Schwester auf die S-Bahn gewartet habe und ihr von meinen Erfahrungen mit verschiedenen Laufstilen und Laufschuhen erzählt habe, damals, in der Zeit vor Kalle, als es in meinem Leben noch keine Beckenbodenprobleme, dafür aber einen ausgetüftelten Trainingsplan gab. Neben uns saß eine alte Dame und machte große Ohren. Nach all dem Rarara über Wettkampfschuhe, Lauf-Apps und Kraftübungen kam die S-Bahn dann endlich, und ich erhob mich ächzend und schlurfte mit der Nase auf Hüfthöhe in die Bahn. Da hat die alte Dame wirklich sehr, sehr verwirrt ausgesehen. Vermutlich muss man dabeigewesen sein.) Zur Frauenärztin muss ich auch. Wie machen die Thai-Elternzeitler das? Sind die einfach so entspannt, was ihre Gesundheit betrifft? Vermutlich sind sie einfach jünger, schütteln sich nach der Entbindung mal kurz, tragen ein bisschen Bepanthen hier und da auf und sind wieder wie neu.

Aber wisst ihr was? Wenn ich ganz, ganz ehrlich bin (und dazu ist ein Blog ja da), dann bin ich ein bisschen froh über anderthalb Tage Erziehungsurlaub dank OP. Unten robbt L. mit Michel durchs Wohnzimmer, und ich liege hier oben wie die Made im Speck. Das dicke Bein liegt auf dicken Kissen, neben mir steht eine Tasse Tee (schon nicht mehr richtig heiß, aber immerhin), nachher kommt ein Babysitter, und ich habe die Wahl: lesen? Sherlock glotzen? schreiben? schlafen? Allein die Zeit zu haben, darüber nachzudenken, was ich mit meiner freien Zeit anfangen will - das ist sonst nie. Jetzt werfe ich erst mal eine Ibuprofen ein und mach mir ein paar warme Gedanken.

Dienstag, 1. September 2015

L. sagt, heute beginnt der meteorologische Herbst.

Jedes Jahr ungefähr um die Zeit, wenn die Fruchtfliegen durch die Küche sirren und die Spülmaschine anfängt zu müffeln, wächst bei mir die Sehnsucht nach dem Herbst. (Und guckt mich nicht so an, ihr wisst genau, dass das in jeder Küche passiert irgendwann zwischen Mitte August und Mitte September, selbst in der klinisch reinen Küche meiner Mutter.) Die Schule fängt wieder an, und ich nehme mir vor, dieses Jahr ein braves Mädchen zu sein, meine Bleistifte zu spitzen, meine Hausaufgaben zu machen und gefälligst meine Posts zu schreiben. Zu erzählen gibt es eine Menge, also los.

Gerade fange ich an, mich in meinem Mütterleben zuhause zu fühlen, da wird schon wieder alles anders. Es sieht tatsächlich so aus, als ob unsere Zeit hier in diesem hübschen Häuschen im hässlichen Stadtteil sich dem Ende zuneigt. Und Ende kann ich nicht so gut, da werde ich schrecklich sentimental. Kalles Erdbeerstelle im Garten! Der Blick in die Bäume aus dem Fenster! Die nette Nachbarin! Sogar die blöde Nachbarin mit ihrer Paranoia, wir wollten ihr Leben ruinieren! Auf einmal betrachte ich alles mit Wehmut. Nein, wir haben noch nichts Neues, aber L. hat jetzt endgültig Hummeln im Hintern und bekommt langsam diesen verbissenen Ausdruck, wenn er die Maklerseiten durchwühlt nach einem neuen Zuhause für uns. Ich sehe es ja ein: mir macht die Straße vor unserem Haus schon Angst, so eine friedliche kleine grüne Wohnstraße, und dann kommt auf einmal BLÄMM ein Taxi mit 70 Sachen vorbei. An einer echten Straße könnte ich damit eher leben als hier in der 30er-Zone, an die sich kein Mensch hält, und ich starre die Autofahrer hasserfüllt an, die hier durchbrettern, um fünf Sekunden und eine Ampel zu sparen. Seit sie Momo letzten Sommer totgefahren haben, haben wir keine Ruhe mehr, L. noch weniger als ich. Vor ein paar Tagen war L. morgens um zehn mit Lili im Park spazieren und kam an einer Frau vorbei, um die 25 und völlig kaputt, die eine Flasche Korn erbrach und schnell einen Schluck hinterher nahm. Die Frau war keine Ausnahme, so ist das hier. Jedes Mal, wenn wir ins Kino gehen, reist unser Kindermädchen extra aus der Stadt an, und wenn wir später als elf nach Hause kommen, also immer, dann zahlen wir ihr noch das Taxi nach Hause, womit wir dann bei 80 Euro für den Babysitter sind. Vielleicht ist das ein Grund, dass wir zuletzt im Kino waren, als... Moment... ich bin nicht mal sicher, dass das 2015 war. Wir wollen zurück in die Stadt, wenn wir unser Haus und die Erdbeerstelle mitnehmen könnten, würden wir das gerne tun, geht aber nicht. Und jetzt fühle ich mich in meinem muckeligen Zuhause heute schon so, als hätten wir die ersten Kisten gepackt, selbst wenn es noch zwei Jahre dauern sollte. Wenn eine der Hamburger Damen etwas weiß oder hört von einer schönen Wohnung, die auch noch im Einzugsbereich der U1 liegt, damit wir die Kinder weiter in die dufte Kita bringen können, wäre ich sehr dankbar für einen Tipp.

Das Kochprojekt läuft immer noch sehr gut, inzwischen bin ich bei über 70 neuen Rezepten, und das Jahr ist noch nicht mal zu drei Vierteln vorbei, und allein die Plätzchenbackerei wird mich ordentlich voranbringen. Darum verschärfe ich jetzt die Bedingungen und eröffne heute feierlich den vegetarischen September. Nicht weil L. mich mit seinem Veganerkram weichgekocht hätte, davon ist schon lange keine Rede mehr, sondern einfach so, weil ich selbst mal wieder Lust drauf habe. Eröffnet habe ich den September übrigens mit den Resten einer Schinken-Salami-Pizza von gestern, hüstel, aber wegwerfen konnte ich sie ja wohl kaum? Und gestern Abend hätte wirklich nichts mehr reingepasst, das ist eine der vielen Neuerungen durch die Kinder. Früher gab es das nicht, jedenfalls nicht so schnell, ich konnte immer noch etwas essen. Jetzt bin ich tatsächlich irgendwann satt. Das ist eigentlich nicht schlecht, hätten die Kinder mir nicht gleichzeitig einen Süßigkeiten-Jieper verpasst, den ich früher auch nicht kannte. Ich war immer die, die alle hassen, weil sie sich eine Tafel Schokolade kauft und dann über sechs Wochen verteilt alle zwei Tage ein Stück isst und den Rest zurück in die Schublade packt. Das ist sowas von vorbei. In der Schwangerschaft mit Kalle ging es los, und ich dachte, das geht vorbei, aber es ging nicht vorbei, und jetzt hänge ich genau so drin wie alle anderen auch. Gestern habe ich mir eine Tafel Marabu gekauft, die sind ungefähr doppelt so groß wie eine Milka, und davon sind jetzt noch zwei kümmerliche Stückchen übrig, aber der Tag ist noch nicht vorbei.

Was gibt es sonst noch? Michel krabbelt und steht und schafft es inzwischen schon, von einem Möbelstück zum nächsten zu kommen, ohne dabei zu krabbeln, wenn die Möbelstücke sehr dicht zusammen stehen. Bald wird er laufen. Kalle plappert mir den ganzen Tag die Ohren voll, will meine Hände nehmen und mit mir tanzen, verteilt Küsschen an seinen Bruder, den Hund und alle, die nicht bei drei auf dem Baum sind, und ich sitze dabei und habe das fast zum ersten Mal: dass ich meine beiden Jungs angucke und dabei sehr, sehr glücklich und sehr, sehr entspannt bin (glücklich war ich schon vorher oft, aber entspannt - nie. Nicht, so lange ich denken kann, nicht im Ernst, höchstens mal für ein paar Sekunden, dann kam der nächste Stress oder das nächste Zipperlein oder die nächste Angst.) Vielleicht färben die extrem entspannten Kindergärtnerinnen auf uns ab, vielleicht war die Zeit vorher auch nur ein notwendiger und etwas schmerzhafter Zwischenschritt, der eben passiert, wenn sich das Leben so extrem verändert. Aber jetzt geht es irgendwie wie von selbst. Noch vor ein paar Wochen musste ich mich kümmern und musste Abendessen machen und musste Kindersachen waschen und musste Windeln kaufen und musste trösten und musste tragen und musste die Kinder ins Bett bringen, jetzt kümmere ich mich, mache Abendessen, wasche Kindersachen, kaufe Windeln, tröste, trage und bringe die Kinder ins Bett. Falls ihr versteht, was ich meine. Es ist nicht alles wundervoll, Kalles Eifersucht auf seinen kleinen Bruder z.B. ist nicht einfach und macht mir ganz schönen Kummer, aber auch das kriegen wir hin, und auch dabei denke ich: das hier, das ist meins. Dafür haben wir ganz schön gekämpft, und wie schön, dass wir am Ende Glück hatten, gleich zwei Mal! Wir haben diese Nachbarin, nicht die paranoide, sondern die nette, die uns über den Gartenzaun immer erzählt, wir müssten das hier genießen. Früher dachte ich dann: jaja, wir genießen es ja und wissen auch, wie sie es meint, aber so kann nur jemand reden, der seit 50 Jahren ausschlafen kann, jeden einzelnen Tag. Jetzt schlafe ich jede Nacht so um die sechs Stunden und bin zuhause. Zwar vielleicht nicht mehr lange in diesem Haus, aber jedenfalls in diesem Leben.

Zwar habe ich den vegetarischen September mit einer kalten Ladung Schweineaufschnitt auf Pizza eröffnet, aber heute Abend gab es für Kalle und mich Ofenfritten mit selbstgemachter Guacamole (und Ketchup für ihn, na gut, er ist auch nur ein Mensch). Nach dem Essen habe ich Michel ins Bett gebracht, danach sind Kalle und ich in die Küche gegangen, und im Ofen waren noch die restlichen Fritten, inzwischen schön knusprig, und wir haben uns auf den Küchenfußboden gesetzt, und ich habe ihm erklärt, was ein Picknick ist. Dann haben wir gepicknickt mit Fritten und Guacamole. Und das war toll. Ich weiß nicht, ob ein Zweijähriger sich an so etwas schon erinnern kann, aber ich werde mich jedenfalls noch ziemlich lange daran erinnern.