Freitag, 29. Dezember 2017

Ein dickes Dankeschön geht heute an den hervorragend funktionierenden Nachsendeservice der Post.

In unserem winzigen Kellerraum stehen immer noch zwei nicht ausgepackte Umzugskartons. Was darin ist? Keine Ahnung, es fehlt jedenfalls kaum im Alltag, trotzdem werde ich vermutlich eines Tages, wenn ich sie öffne und L. das alles so wie es ist auf den Recyclinghof fahren will, laut protestieren. “Aber das hat meiner Uroma gehört!” “Aber das hab ich damals mit Micha auf dem Flohmarkt gekauft!” “Aber das ist schon acht mal mit mir umgezogen, das bleibt!” Wie auch immer, in den vergangenen 28 Monaten in unserer Wohnung habe ich nicht die Zeit gefunden, die Dinger einmal nach oben zu schleppen, durchzusehen und den Inhalt in Schatz und Schrott aufzuteilen. Und jetzt werde ich es auch vermutlich nicht mehr tun, denn: wir ziehen schon wieder um.
Ja, ungefähr so, wie Du jetzt guckst, fühle ich mich dabei auch manchmal. Schließlich hänge ich an dieser Wohnung, vor allem aber an dieser Straße, die schon immer eine meiner Lieblingsstraßen in dieser Stadt war. Nirgendwo sonst ist es gleichzeitig so städtisch und so romantisch, nirgendwo sonst hat man die besten Käse, Fische, Früchte und Gewürze der Welt so dermaßen vor der Haustür, nirgendwo sonst ist die Aussicht aus wirklich jedem Fenster so besonders, und dann kommen noch die Dinge dazu, die wir hier erlebt haben und erleben: hier saß L. auf dem Sofa, als ich mit der Nachricht vom Arzt kam, dass Klärchen unterwegs ist. Hier bin ich vor ein paar Monaten mit dickem Bauch in einer Winternacht ins Taxi gesprungen und drei Tage später (leider mit immer noch genau so dickem Bauch, wie mein Vater kritisch feststellte) an einem sonnigen Frühlingstag mit Baby zurück gekommen. Hier rennt Kalle Sonntagmorgens im Schlafanzug eine Treppe höher, klingelt bei seinem besten Kumpel Jonathan, und dann laufen sie den ganzen Tag zwischen den Wohnungen hin und her und versuchen, dem Tag so viel Superhelden-Quatsch, Burgenbauen, Brausebonbons und Jim-Knopf-gucken wie möglich abzuringen. Hier laufen überall auf der Straße diese großartigen alten Damen herum, ein bisschen fast wie auf der Upper East Side: knapp über 40 Kilo wiegende Schabracken, wobei Make-Up und Schmuck alleine ein Kilo ausmachen, die seit vielen Jahren ihren ganz eigenen Style aus Schmetterlingsbrille, Pelzstola und Schottenkarohandtasche kultivieren und dafür in meinen Augen einen Orden verdienen, nur dass so eine Jeans-und-Pulli-Mutti wie ich in wiederum ihren Augen natürlich keinerlei Recht hat, sich negativ oder positiv über ihre Aufmachung zu äußern. Recht haben sie! Dann stehen die vor mir bei Fisch Schmidt und kaufen 50 Gramm Krabbensalat, und ich stehe hinter ihnen und vibriere fast vor lauter Gutfinden, und jetzt ziehe ich demnächst in eine Gegend, in der die Jeans-und-Pulli-Fraktion deutlich anwächst, auch wenn wir nur zwei Straßen weiter wohnen werden.

Ach, das alles hier wird mir schon fehlen. Das alte Fabrikgebäude, das man aus dem Schlafzimmerfenster sieht. Die Wasserhühnchen und Enten und Gänse mit ihren Jungen im Frühjahr. Die Kanufahrer, die Wasserschutzpolizei, der Markt, Fisch Schmidt, der teure Kiosk, der so ungefähr die gleichen Öffnungszeiten wie Edeka ein paar Meter weiter hat und in dem ich trotzdem ständig war, der engste Budni der Stadt und die netten Nachbarn, die Bahn vorm Fenster und der Ausblick in die Küche der alten Dame, die einmal pro Woche für fremde Menschen großartige Menüs zaubert, und alles für den guten Zweck.

Aber jetzt ziehen wir in ein Haus, und das wird irgendwie immer schöner. Zwar ist der Garten winzig, aber direkt um die Ecke ist ein Park, in dem angeblich alle Kinder aus dem kleinen Viertel ständig zusammen spielen. Jedes Kind bekommt ein eigenes Zimmer, wenn auch ein kleines, und wir haben endlich keine Nachbarn mehr, denen wir auf dem Kopf rumtrampeln. Ich freue mich auf ein neues Viertel, endlich wieder einen Dönermann und einen ganz normalen Gemüsemann in Laufentfernung, auf neue Nachtgeräusche und neue Alltagsentdeckungen, darauf, wie sich der neue Supermarkt genau so schnell und gründlich in meine Gehirnwindungen frisst wie der alte, auf die Nachbarn und ihre zahlreichen Kinder (wie wir ganz schnell an den unzähligen Laufrädern in der Garage und den Tripptrapps in Küchenfenstern erkannt haben), auf jetzt etwas weniger spontane, aber genau so schöne Wochenendbesuche von Jonathan mit Übernachtung und Waffeln zum Frühstück, auf einen immer noch freien Tiefgaragenstellplatz, auf den ich mir vielleicht, wenn wieder etwas mehr als nur das Elterngeld in die Kasse kommt, irgendwann ein schönes altes Lieblingsauto stelle, vor allem aber auf ein Haus: etwas, das für mich schon immer irgendwie mehr war als eine Wohnung. Auf eine Einweihungsparty mit “Our House” bis zum Anschlag, darauf, all die bestimmt sehr netten Nachbarn kennen zu lernen, darauf, überhaupt all das Neue kennen zu lernen. Und der Markt, die trotzigen alten Damen und Fisch Schmidt sind eigentlich immer noch direkt um die Ecke.

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Sagt mal Pilz.

Eure Unterhose schmilzt! Haha! Hahahaaaaaa!

Das haben wir vor 40 Jahren gemacht, das machen sie immer noch, meine Jungs zumindest. Eine kleine Micky Maus zog sich mal die Hosen aus, zog sie wieder an und du bist dran. Ist das nicht schön? Ich finde schon.

Vor ein paar Tagen habe ich ca. zwanzig Minuten mit dem Gedankenexperiment “Wenn die Autoren von ‘Meine Freundin Conni’ Game of Thrones zu Ende schreiben müssten” zugebracht und es dann wegen maulsperrenverursachender Langeweile gelassen. Für alle ohne Kinder und daher ohne Conni: Conni ist ein kleines Mädchen mit gestreiftem Pulli und Jeans (insofern sind wir uns sehr ähnlich) und Heldin von gefühlt 4.237 Geschichten in Buch, Film und Hörspiel, die so ziemlich alles erlebt, was Kindern so widerfahren kann. Sie geht zum Zahnarzt, macht das Seepferdchen, zieht um, verreist, hat Schnupfen usw. In all diesen Geschichten passiert sonst nichts weiter. Die Geschichte “Conni geht zum Turnen” handelt davon, dass Conni zum Turnen geht. In “Conni geht nicht mit Fremden mit” geht Conni nicht mit Fremden mit. Das ist an sich nicht weiter schlimm, aber was mir fürchterlich auf die Nerven geht, ist Connis Mutter. Eigentlich, aber das habe ich erst irgendwann aus einem Nebensatz herausgelesen, ist sie Ärztin. Vor allem aber kocht, gärtnert und putzt sie bester Laune und bringt Conni zu ihren 180 Freizeitaktivitäten. Davon abgesehen ist sie der geduldigste, ausgeglichenste und humorloseste Mensch, den ich kenne. Egal, welche Laune Conni in den blonden Kopf schießt: ihre Mama ist dabei. Conni will reiten, schwimmen lernen, turnen, Musikunterricht nehmen, eine Katze haben oder zum Ballett: darf sie, Mama bringt sie hin und ist voller Anerkennung für Connis Erfolge dort (Misserfolge gibt es nicht, Conni kann das immer alles ganz, ganz toll). Wenn Conni heimlich mit ihrem Freund Simon Pizza backen will und die Küche in eine Wolke aus Mehl hüllt, dann kommt ihre Mutter rein und sagt “Na, was ist denn hier los?” ungefähr in dem Tonfall, in dem ich sagen würde “Blumen und Fritten? Für mich?” Als Connis Eltern ein Haus kaufen wollen und Conni bockig ist, sagt Connis Mama, dass sie selbstverständlich kein Haus kaufen werden, mit dem Conni nicht einverstanden ist. “Ihr Vollidioten, Nein Nein Nein!!!” habe ich noch gedacht, als ich das erste Mal mit den Jungs davor saß. Inzwischen denke ich gar nichts mehr und hoffe, dass das Conni-Alter bald endet. Wer ist diese Frau? Gibt es sie wirklich? Wer ist ihr Therapeut? Welchen Wein oder Schnaps kauft sie bevorzugt? A propos: einige Conni-Folgen, die wir trotz aller Vielfalt niemals sehen werden, sind z.B. “Connis Mama hat einen Kater, schon wieder”, “Connis Eltern lassen sich wahrscheinlich scheiden, vielleicht aber auch nicht” oder auch “Connis Papa schließt sich stundenlang im Bad ein”.

Je mehr ich von Conni und ihrer Mutter sehe, desto mehr freue ich mich über Willi Wiberg. Willi lebt bei seinem Vater, der ab und zu wirklich und wahrhaftig lieber die Zeitung liest, als mit Willi zu spielen. Der nicht zu jeder Gemütsregung von Willi eine verständnisvolle Predigt vorbereitet hat. Und der trotzdem ganz klar ein guter, liebevoller Papa ist.

Weihnachten! Da war doch was. Ja, ich weiß, Weihnachtsgrüße haben anders auszusehen als so, sie starten nicht mit einem mehr als zwanzigzeiligen Rant über eine Kinderbuchheldin. Aber dieses Jahr hat mich Weihnachten ausnahmsweise nicht nur überfordert, sondern auch schwer genervt, und ich habe mich wie ein tapferer kleiner Bulldozer mit einer abgesprungenen Kette und einem Ölleck irgendwie durchgewühlt. Dazu bestimmt bald mehr (ich merke gerade, dass erstaunlich viel Platz in diesem Blog davon aufgefressen wird, spätere Posts zu versprechen).

p.s. übrigens ist das Gedankenexperiment "Wenn die Autoren des Traumschiffs Game of Thrones zu Ende schreiben müssten" viel Erfolg versprechender.