Samstag, 9. April 2011

Was hat sie, was ich nicht hab? Der große Klinikvergleich.

Gestern war ich noch mal in der Klinik, habe Blut dagelassen, damit überprüft werden kann, ob ich auch genügend Gelbkörperhormon im System habe, und hinterher war ich noch mal zur Akupunktur. Zum Abschied drückte der nette Chinamann mir herzlich die Hand, wünschte mir viel Glück und sagte, dass er jetzt erst mal nichts mehr für mich tun kann: "Wir haben an allen Rädchen gedreht, an denen wir drehen können." Und plötzlich ist klar, dass diese IVF im Grunde jetzt gelaufen ist.

Ich sitze im Bett, der Hund war schon ausgiebig spazieren, neben mir steht eine Tasse Kräutertee, und ich kann meine Augen auch ohne zwei dazwischengeklemmte Streichhölzer ausnahmsweise offen halten. Anlass genug, den großen Vergleich zwischen den beiden Kliniken zu ziehen: was hat die eine, was die andere nicht hat?

Ein dicker Unterschied besteht eigentlich weniger zwischen den Kliniken als zwischen den Ärzten. Arzt A war ziemlich jung, sehr freundlich, sehr korrekt, und wenn ich nicht am Akzent gehört hätte, dass er aus der Dortmunder Ecke kommt, hätte man ihn gut als Schweizer verkaufen können. In seinem Behandlungszimmer gab es ziemlich wenig Persönliches, was natürlich auch daran liegen kann, dass er gerade erst dort angefangen hatte. Bei allem, was er tat und ließ, erklärte er mir genau, wieso und wieso nicht (das ist glaube ich die neue Schule Ärzte, die lernen das jetzt alle, so dass man z.B. Anästhesisten hat, die die Einstichstelle desinfizieren und sagen "Jetzt wird es gleich ein bisschen kalt und feucht, jetzt wische ich, jetzt piekst es, jetzt leite ich eine Lösung ein, jetzt beginnen wir mit der Narkose, jetzt kribbelt gleich der Arm, jetzt haben sie gleich einen merkwürdigen Geschmack oder Geruch in der Nase, jetzt schlafen sie gleich ganz ruhig ein". Ächz.), und es gab immer für alles eine Erklärung, auch wenn ich damit nicht immer restlos zufrieden war. (Z.B. habe ich nie verstanden, wieso es mal hieß, diesen einen Versuch machen wir noch trotz Myom, denn operieren würden wir das ungern, weil zu schwer, und wenn es JETZT nicht klappt, dann wissen wir, dass wir operieren müssen - um dann nach dem gescheiterten Versuch einfach die nächste Runde einzuläuten, mit genau der gleichen Begründung.) Arzt A hätte ich jederzeit als Ingenieur bei einem NASA-Projekt besetzt, oder als kommenden Mann im Beratungsstab der Bundeskanzlerin.
Dagegen Ärztin B: Ärztin B ist vermutlich 50, fröhlich, ein bisschen chaotisch, klackert auf bunten Berkemännern durch die Praxis, und was sie sagt, klingt zwar nicht immer wie aus dem Lehrbuch, aber trotzdem unmittelbar überzeugend. Was sie sagt, hat meistens eher mit grundsätzlichen Dingen über meinen Bauch und meine Aussichten zu tun als damit, was genau in den nächsten Tagen passieren wird. Das kann gut daran liegen, dass sie ja weiß, dass ich das nicht zum ersten Mal erlebe. Ihr Behandlungszimmer ist voll mit Bildern, Fotos und anderen Dingen, die sie mag. Wenn ihr was nicht passt, knallt sie mir das um die Ohren - was ich aber mag, denn wenn man zu zuvorkommend und zart mit mir umgeht, fühle ich mich sofort wieder wie ein armes hilfloses Hormonschaf. Ärztin B wäre sofort durchgegangen als Fernsehköchin, die in einer Ente auf Fresstour durch Europa ist und mit italienischen Trüffelsuchern durch den Wald stapft, als Künstlerin oder als ehemalige Pipi-Langstrumpf-Darstellerin. Wenn Arzt A sagte, er wünscht mir viel Glück, war das höflich. Wenn Ärztin B das sagt, dann strahlt sie mich dabei so an, als würde sie sowieso fest davon ausgehen, dass es klappt. Ich fühle mich mehr zuhause bei Ärztin B als bei Arzt A. Vermutlich bin ich da ungerecht, denn das war eigentlich auf den ersten Blick so, und alles, was danach passiert ist, war fast egal.

Dann die Kliniken: Klinik A liegt um die Ecke der Glückscheeseburger. Klinik B bietet zwar keine Cheeseburger, aber Glückspasta und Glückspizza. Aber das ist längst nicht der einzige Unterschied! Klinik A ist riesig, sie zieht sich über mehrere Etagen, im Wartezimmer gibt es ungefähr 30 verschiedene Zeitschriften, und ich hatte da im Lauf der Monate mit bestimmt acht verschiedenen Sprechstundenhilfen zu tun. Klinik B passt locker in eine Etage, und es geht ein bisschen enger zu: unser gemeinsames Aufklärungsgespräch vor der Punktion hatten wir im Pornozimmer, weil gerade nichts anderes frei war, wo wir dann L. auch allein zurückgelassen haben. Das können andere finden, wie sie wollen, ich fand es nett und familiär.
In Klinik A nimmt man es in so ziemlich jeder Hinsicht sehr, sehr genau. Für die Zeit zwischen Transfer und Test hat Klinik A mir ein doppelseitig bedrucktes DIN A 4-Blatt mitgegeben, auf dem stand, was ich tun und lassen soll, und diese Liste wurde noch mündlich von einer Sprechstundenhilfe ergänzt. (Aus dem Gedächtnis weiß ich noch, dass ich täglich Eiweißpulver trinken, mich eigentlich nur schonen und im Zweifel alles lassen soll, das mir nicht ganz astrein erscheint. Was ich nicht soll, machte den Hauptteil der Seite aus: nicht rennen, auch nicht dem Bus hinterher, nicht Trampolin springen, nicht radfahren, keinen Rohmilchkäse, keine luftgetrocknete Salami oder Schinken, keinen Lachs, keine Mayonnaise, keinen rohen Fisch, kein rohes Fleisch, selbstverständlich keinen Alkohol, keine warmen Duschen, keine... ach, was weiß ich.) Als wir nach dem Transfer die Praxis verließen, erlaubte die Sprechstundenhilfe mir nicht, meine Stofftasche, in der sich sichtbar nicht mehr als ein paar Socken, meine Hausschuhe und das bisschen Klinik-Papierkram befanden, selbst zu tragen.
Klinik B dagegen übertrug mir meine Eier und wies mich an, es in den nächsten zwei Wochen ein bisschen langsam angehen zu lassen, viel Wasser zu trinken und Ruhe zu bewahren. Und der Chinamann, den ich am gleichen Tag zur Akupunktur traf, wunderte sich: "Hat sie ihnen gar nicht gesagt, sie sollen heute und morgen Abend ein Glas Rotwein trinken? Das macht sie immer, hat sie bestimmt vergessen! Dann sage ich ihnen das jetzt." Aha. Wieso das denn, Rotwein nach dem Transfer? "Dem Embryo schadet es jetzt mit Sicherheit noch nicht, der hängt erst in einigen Tagen am Kreislauf mit dran. Das ist also die letzte Chance für wer weiß wie lange. Und außerdem wärmt Rotwein die Gebärmutter, und das braucht sie jetzt - denn immerhin wurde mit kaltem Stahl in einem warmen Milieu hantiert, das mag sie nicht, und wir wollen doch, dass es ihr gut geht für die Eierchen?" Na gut, damit es meiner Gebärmutter gut geht, habe ich schon ganz andere Dinge getan als Rotwein trinken.

Auch bei den Medikamenten ließ es Klinik B lässig angehen. "So, hier sind Ihre Rezepte, hier der Plan, viel Spaß, wir sehen uns in einer Woche wieder." Während ich in Klinik A fast einen Spritzkurs bekam. Aber auch hier will ich Klinik B kein Unrecht tun, nachdem ich mich da als Vollprofi verkauft hatte; beim ersten Mal machen die das bestimmt auch anders. Und der Plan: Klinik A gab mir immer, bei jedem Schritt, längst nicht nur bei der Eisprungspritze, das deutliche Gefühl, wenn ich nicht alles GANZ GENAU SO mache, wie befohlen, dann kann ich die Sache im Grunde vergessen. Klinik B fand es dagegen nicht so schlimm, dass wir das Ganze jetzt um eine Woche nach vorne oder nach hinten verschieben - "alles kein Problem, machen Sie einfach, wie Sie meinen!"

Je länger ich drüber nachdenke, desto lieber ist mir Klinik B. Aber desto lieber ist es mir auch, dass ich meine ersten Versuche in Klinik A hatte, wo man mich bei jedem kleinen Trippelschritt an die Hand genommen und mir jede Entscheidung einfach abgenommen hat.

Gleichzeitig frage ich mich wieder mal, wie zwei Kliniken eine so einfache Sache wie die Warteschleife so unterschiedlich behandeln können. Auch in Klinik A haben das nicht alle Sprechstundenhilfen gleich gemacht. Die eine fing an, mir Dinge zu verbieten, und hörte gar nicht wieder auf. Eine andere schüttelte mir die Hand und sagte warm "herzlichen Glückwunsch, Sie sind jetzt schwanger, verhalten Sie sich dementsprechend." Aber mal ehrlich: es muss doch, nachdem Frauen seit Zehntausenden von Jahren schwanger werden, inzwischen eindeutige, verbindlich belegte Erkenntnisse dazu geben, was in dieser Zeit wichtig ist und was nicht? Und wenn das so ist, wieso sind dann die einen der Meinung, sie müssten uns Thunfisch verbieten (wegen des Quecksilbers) und andere uns sagen, wir sollten uns bloß ein bisschen schonen?
Ich habe einen dumpfen Verdacht, woher das kommt: ich stelle mir vor, ich bin ein Medizinautor und schreibe ein Schwangerschaftsbuch. Ein Buch, das sich frisch schwangere Frauen kaufen, die an der Kasse ein bisschen rot werden und sich dann zuhause mit ihrem Babybuch aufs Sofa legen und alle paar Seiten rufen "Schahatz, wusstest du schon, dass...". Diesen Frauen will man natürlich gönnen, dass der Spaß länger dauert als nur zehn Minuten. Und genau das wäre der Fall, wenn in einem Babybuch stehen würde "herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger, schonen Sie sich in den nächsten neun Monaten, nur nichts überstürzen, toi toi toi für die Geburt."

8 Kommentare:

  1. Was für ein bescheuerter TCMler.. Es gibt Kräuter vor der Punktion, zwischen Punktion und kurz nach dem Transfer, für die Tage bis zum Test und dann welche, die die Frühschwangerschaft unterstützen. Außerdem nadelt man nach Transfer und positivem Test weiter-allerdings andere Punkte. Nix für ungut, aber auch bei TCM lohnt es sich zu wissen, was man macht. Freestyle ist ja was feines-aber nicht gerade da......Toitoitoi!

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  2. Liebe unbekannte Kommentatorin, wäre natürlich schrecklich, wenn ich nun einem Nichtskönner und Stümper aufgesessen wäre - aber ich glaube, je nach Ausgangslage und Grund für die Nachwuchsprobleme könnte es doch auch sein, dass unterschiedlich gekräutert und genadelt wird? Bei mir z.B. ist es laut Chinamann so, dass mein Körper eher viel zu viel tut und man "kühlen" muss. Wie auch immer - ich sehe diese ganze Chinasache nicht so eng und jedenfalls nicht als entscheidenden Teil meiner Behandlung und bin im Moment noch vorsichtig optimistisch, was den Test angeht. Aber danke für die guten Wünsche!

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  3. Liebe Fffff,
    so ganz daneben ist der TCM-Kommentar nicht. Entweder man behandelt individuell - und dann gibt es keine pauschale Rotwein-Empfehlung. Und wer ein chinesisches "too-much" bei Problemen wie den unsrigen hst, der hat eher Hitze in der TCM-Nomenklatur - da ist Rotwein nicht das Getränk der Wahl. Denn der macht noch mehr davon......nun denn...auch Deine neue Ärztin scheint ein wenig eigenwillig: 18 oder 20 Eizellen pro Eierstock sind nichts, was man normalerweise anstrebt. Schon gar nicht, wenn man eine Patientin mit Deiner Vorgeschichte noch nicht kennt. Das mag nun nach Spaßbremse klingen, aber es gibt einfach ein paar Regeln, an die sich Docs
    gefälligst hatten sollten.-
    Auf dass aus Deinen beiden Lahmärschen zwei entzückende Kinderpopos werden!
    Liebe Grüße,
    Sssssss

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  4. Hallo Flora,
    die erste Klinik hört sich nach der Verstandeslösung, die zweite nach der Bauchlösung an. Alles weitere ist Typsache, finde ich. Und: Hauptsache der Erfolg gibt einer von beiden eines Tages Recht! (Aber 20 auf einer Seite, mit 5, die ins Rennen gehen, finde ich schon auch fürs Gefühl etwas grenzwertig...). Egal, zwei sind an Ort und Stelle, das ist das einzige was am Ende zählt! Ich drück weiter die Daumen!
    Liebe Grüße,
    K.

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  5. Na, das sind ja mal unschöne Kommentare, liebe Flora, lass dich nicht ärgern. Dein Chinamann kennt dich und macht das, was er für richtig hält und der Rotwein hat dir gut getan und genauso soll es sein. Wie man an deinen beiden Kliniken sieht, gibt es hunderttausende Wege nach Rom, welchen man begeht ist eigentlich egal- manche dauern halt länger als andere. Das gilt für Chinamänner-Anwendungen genauso wie für Repropraxen-Methoden.
    Viel Erfolg! snowqueen

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  6. Liebe snowqueen,
    nein, unschön war mein Kommentar nicht, sondern sachlich- fachlich: ich habe den Ratgeberteil im Eiertanz geschrieben und maße mir einfach mal an, einen fachlich qualifizierten Kommentar abgeben zu dürfen (auch weil hier genügend Kinderwunschdamen mitlesen, denen man das eine oder andere dadurch vielleicht ersparen kann): 1. Als Medizinerin, 2. mit TCM-Ausbildung und 3. in einem Mediziner-Arbeitskreis mitarbeitend, der sich wissenschaftlich mit TCM und Kinderwunsch beschäftigt. Und es ist nicht so ganz egal, z.B. welche Kontrolluntersuchungen oder welche Therapien man auswählt. Läuft es dumm, kommt man nämlich weder nach Rom noch zu einem Kind.
    Viele Grüße,
    Simone

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  7. Liebe Simone,

    achso. Na dann.

    Liebe Grüße, snowqueen

    P.S. Hat mir gut gefallen, dein Teil des Buches.

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  8. Bin erst gestern auf Euer Buch und deinen Blog aufmerksam geworden.

    Die Ärztin aus Klinik B kommt mir sehr bekannt vor - ich glaube sehr, die kenn ich :-)

    War am Anfang sehr begeistert von der Klinik, fühle mich auch immer noch grundsätzlich wohl, habe aber immer mal das Gefühl, dass mir nicht alles erzählt wird, was ich wissen sollte (z.B. dass dies und jenes eigentlich noch Kassenleistung wäre oder solche Kleinigkeiten wie, dass man den Gonal-Pen noch 10 Sek im Bauch lassen sollte bevor man ihn wieder rauszieht etc.). Und das macht mich unruhig, da ich anfange, mich im Netz zu informieren und dann natürlich auch auf den Beiträge mit den vielen !!!!! und Smileys lande, was der Stimmung auch nicht guttut bzw. die Zweifel noch mehr verstärkt...

    Viele Grüße
    Barbara

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