Nach einer verschwitzten Nacht gab es heute morgen kein Wasser im Hotel, Menschen im Bademantel begegneten sich auf der Hintertreppe und bekamen rote Köpfe (ist das endlich diese berühmte amerikanische Prüderie?). Jetzt ist aber alles wieder gut. Besser als gut! Heute sollte eigentlich der Tag sein, den wir auf den Hamptons verbringen (die feine Madame, drunter tut sie's nicht? Doch, drunter tut sie's auch.), aber jetzt ist L. mit einer alten Freundin verabredet, also ändern wir den Plan, ich mach mich schick und geh in das hoffentlich voll klimatisierte Museum of Natural History, um meinen Coney Island-Sonnenbrand zu schonen, dann das treffen mit der sehr netten, bodenständigen Freundin, die es trotzdem geschafft hat, sich einen dieser Haifisch-Wallstreet-Jobs zu angeln, dann ein Bümmelchen durch Greenwich und East Village und heute Abend Essen irgendwo an der Bedford Street in Brooklyn. Brooklyn war gestern unser Schicksal. Denn wie sich zeigte, waren da so viele Legenden meines Fernsehlebens abzuarbeiten. Wir hatten so viel zu tun! Wir mussten Corn Dogs und Hot Dogs bei Nathan's am Rummelplatz essen, wo jedes Jahr am Unabhängigkeitstag das große Hotdog-Wettessen stattfindet (meistens gewinnt ein sehr schmächtiger Japaner, vermutlich wieder so eine Disziplinsache), dann mussten wir mit dem Cyclon fahren und wurden dabei automatisch fotografiert (dieses Foto ist so sensationell scheiße geworden, ich spiele mit dem Gedanken, es hier einzustellen, das glaubt mir sonst kein Mensch - aber wenn ich es täte, könntet ihr mich nie wieder ernst nehmen, also lass ich es wohl doch), sind also knapp an einem grausamen, lächerlichen und unnötigen Ende vorbeigeschrammt, hatten dabei aber den Spaß des Jahrtausends (und ich kann einen weiteren Haken hinter meine Zwischen-den-Zyklen-To-Do-Liste machen, da stand nämlich auch Achterbahn fahren drauf), wir waren im komplett russischen Brighton Beach georgisch zu Mittag essen in einem Lokal, das der Deko nach abends zum Puff wird, wir haben in einem russischen Deli saure Gurken gekauft (die leider voller Haare waren), sind mit dem Q-Train gefahren neben einem christlich rappenden 150-Kilo-Bruder, sind wieder unendlich weit gelaufen (für Statistiker: von der Clark Street Ecke Henry bis zur U-Bahn in der Bedford), wir haben uns im Schatten der Brooklyn Bridge fast ein Eis gekauft und waren fast im River Café, wir haben uns durch verödete Industriegebiete geschleppt, sind über das orthodoxe Ende der Bedford Avenue gelaufen und haben koscheres Wasser und koschere Cranberry-Limonade getrunken, sind dabei von den vielen braven Mädchen mit den schwarzen Strumpfhosen und den Glockenröcken und den kleinen Jungs mit den Schläfenlocken ein bisschen angestarrt worden, haben uns aber nicht getraut zurückzustarren, haben Immobilienaushänge angesehen und uns letztlich nicht entscheiden können zwischen einem Loft im kommenden Viertel Dumbo und einem Stadthaus in Brooklyn Heights, sind mit dem L-Train zurück nach Manhattan gefahren, haben uns Sushi geholt und eine Flasche Weißwein von Francis Ford Coppolas Weingut (den ganzen Abend war ich der Meinung, wir trinken Wein von Martin Scorsese - das wäre irgendwie schräger gewesen), unsere Sonnenbrände und wunden Füße verhätschelt und sind, wie es sich für deutsche Touristen gehört, gegen elf in einen klaftertiefen Schlaf gefallen. Hapüh. Was gibt es sonst noch zu erzählen? Alle, die hier beim Fernsehen arbeiten, klingen wie Kent Brockman, der Fernsehmann bei den Simpsons. Die New Yorker Frauen sind (aber das ist ja nichts neues) alles andere als giftige Bitches, sondern sie sind unfassbar freundlich und sehr freigebig mit Komplimenten an wildfremde Touristinnen. Und ich freue mich sehr, dass ihr dran bleibt, obwohl ich immer noch weder schwanger noch vielleicht schwanger noch demnächst schwanger bin, sondern erstmal einfach nur hier.
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