Vielleicht liegt es an meinen insgesamt fünfzehn Abkürzungsversuchen, aber in letzter Zeit haben mich ziemlich viele Leute gefragt, was ich denn von der Berliner Lehrerin mit den vielen und demnächst noch mehr Kindern halte.
Die Antwort fällt gewohnt fusselig aus. Irgendwie will es mir nicht gelingen, dazu eine in sich geschlossene Meinung zu bilden. Einerseits finde ich, man sollte sie in Ruhe lassen, das geht uns alle einen feuchten Popel an. (Mir fällt bei solchen Gelegenheiten immer die Unterhaltung mit einem Kinderwunscharzt ein, der eine SEHR dezidierte Meinung zu Frauen Ende 30 hatte, die Kinder wollen, und selbst mit schätzungsweise Anfang 60 gerade stolzer Vater geworden war, ohne dabei irgend etwas zu finden.) Andererseits überkommt mich schon beim Gedanken an die Nächte der ersten Monate mit Vierlingen das nackte Grauen, und ich verstehe nicht, warum sie sich das in ihrem Alter antun will. Ich selbst träume gerade oft und sehr bunt davon, wie ich leben will, wenn ich 65 bin, und Babygebrüll spielt dabei keine Rolle (es sei denn, einer meiner Jungs wird mit Anfang 20 Vater). Aber auch das ist ihre Sache. Sie kennt das ja mit 13 Kindern schon sehr gut, besser als ich, und weiß in etwa, was auf sie zukommt. (Oder sollte es am Ende stimmen, dass wir alle den Stress ein paar Monate später einfach vergessen und mit babyblauem Zuckerguss überzogen haben? Und sie sitzt jetzt gerade auf dem Sofa, streicht sich über ihren Bauch und denkt, bald hat sie vier kleine Glücksbärchis, die sie den ganzen Tag anstrahlen und nachts sanft schnarchend Familienglück und Wärme verströmen?) Viele geben zu bedenken, die Kinder hätten ja nicht mehr viel von ihrer Mutter und müssten vermutlich schon früh alleine zurecht kommen - Aber das geht anderen Kindern auch so, und es ist zwar nicht schön, aber doch kein Grund, erst gar nicht auf die Welt zu kommen, oder?
Dann ist es mir wiederum nicht so ganz geheuer, dass sie die Exklusivrechte an dieser Tip-top-Story an RTL verkauft hat. Oder dass sie sagt, den Anstoß gab der Wunsch ihrer kleinen Tochter nach einem Geschwisterchen - wow, hat man jemals von einer spektakuläreren Übererfüllung eines Wunsches gehört? Oder, dass jetzt die Zeitungen wieder mal ein Extrembeispiel gefunden haben, anhand dessen man 1a Stimmung gegen Kinderwunschbehandlungen machen kann. Ich glaube immer noch, viele Leute da draußen halten das alles für eine große Freakshow - so eine Geschichte bestätigt sie noch darin. Andererseits kann ich verstehen, dass Journalisten wenig Reiz darin sehen, über eine Reihe von Familien zu berichten, die nach ein paar IVF-Zyklen irgendwann zwischen 28 und 45 Eltern geworden sind und jetzt mit ihren Kindern friedlich vor sich hin leben - und stinknormal, inklusive Schlafentzug, Kita-Viren, Nervenzusammenbrüchen und Machtkämpfen an der Supermarktkasse.
So in etwa sind meine sieben verschiedenen Meinungen dazu. Eure würden mich natürlich auch interessieren. Sagt doch mal?
Das Kochprojekt geht weiter, und inzwischen bin ich über dem Schnitt: 36 von 100 Rezepten sind durch, und erst vier Monate sind vorbei. Dabei nehme ich mir alle zwei Wochen ein anderes Kochbuch vor und mache mich an Rezepte, die mich schon lange anmachen. Gerade ist es "A Change of Appetite" von Diana Henry, und es wächst mir mit jedem Durchblättern mehr ans Herz. Es geht um - ächz - gesundes Essen - jaja, ich weiß, eigentlich könnte ich genau jetzt schon aufhören, davon zu schreiben. Aber das Schöne ist, Diana Henry isst mindestens genau so gerne wie ich, und es ist KEIN Diätbuch, und bisher war alles, was ich daraus gekocht habe, eine echte Freude. Vorgestern z.B. hatte ich den gegrillten Radicchio auf Bohnenpüree, und dieses Bohnenpüree ist aus dem Stand auf Platz 1 meiner Lieblingsbeilagen vorgeschossen, noch vorbei an gebratenen übrig gebliebenen Knödeln, Kartoffelkroketten, selbstgemachten Spätzle und Kartoffelgratin. Man würfelt eine Zwiebel, brät sie vorsichtig in Olivenöl an, gibt dann für eine Minute eine zerkloppte Knoblauchzehe dazu, dann eine kleine Tasse Hühnerbrühe, zwei kleine Dosen abgetropfte und abgespülte weiße Bohnen, Salz und Pfeffer und lässt das Ganze mit geschlossenem Deckel vier Minuten kochen. Dann wird es im Topf püriert und mit Zitronensaft und noch etwas Olivenöl abgeschmeckt. Klingt nach gar nichts, aber es war so köstlich, dass ich nicht aufhören konnte, zu probieren, bis ich mich am Ende zwingen musste, die Küche zu verlassen, damit zum Essen noch etwas übrig ist. Das gibt es demnächst mal zu gebratenem Lamm. Oder zu Endiviensalat. Oder zu gar nichts, sondern einfach so, in einer großen Schüssel vor dem Fernseher. (Es kann übrigens gut sein, dass ihr diesem Püree höchstens eine drei plus geben würdet. Aber das ist für mich der Zauber "guter" Kochbücher: einen Autor zu entdecken, dem die gleichen Dinge schmecken wie mir, und der mich trotzdem auf ganz neue Pfade führt.) Angesichts der neuen Schlafkrise geht hier gerade einiges vor die Hunde; mein Bett z.B. habe ich seit über zwei Wochen nicht bezogen (obwohl Kalle die Bettdecke mit Textmarkern bemalt hat und ich wirklich neugierig bin, ob das rausgeht), und in meinem Postfach sind ca. 20 Emails, die ich unbedingt beantworten müsste. Aber das Kochprojekt hat sich noch nie angefühlt wie zusätzlicher Stress, sondern immer wie Erholung. Würde ich einmal die Woche ins Kino gehen, würde auch niemand fragen, warum ich mir jetzt das auch noch aufhalse, und zum Kochen muss ich noch nicht mal einen Babysitter engagieren, denn Kalle wühlt so lange begeistert in meiner Kramschublade zwischen Zitronenpressen und Tupperdosen herum, und Michel liegt im Stubenwagen daneben und atmet gebannt den Geruch gebratener Kräuter und Zwiebeln ein. (Nigella schreibt immer wieder, wie sie als kleiner Pöks auf einem Schemel stand und unter Anleitung ihrer Mutter Mayonnaise und Sauce Hollandaise rührte. Das klingt doch nach einem Plan!)
Die Rückkehr in den Job ist gerade eins der Themen, um das ich innerlich einen großen Bogen mache. Michel ist ein völlig anderes Kind als Kalle, ich kann mir absolut nicht vorstellen, ihn jetzt drei Tage in der Woche allein bzw. in liebevoller Obhut zu lassen - wie soll das gehen? (Und bin ich jetzt ein Opfer mütterlicher Selbstüberhöhung, dass ich mir das nicht vorstellen kann, während es in Wirklichkeit überhaupt kein Problem wäre?) Zwei Kinder sind einfach mehr als ein Kind und noch ein Kind, alles ist deutlich mehr als doppelt kompliziert. Ich weiß auch nicht, warum, aber es ist so. Im Moment wäre ich für keinen Auftraggeber der Welt ein Gewinn, übernächtigt und durch den Wind und ständig abgelenkt, wie ich bin. Unzuverlässig wäre ich außerdem, ich habe keine Ahnung, wann ich wie viel Zeit und Energie zum Arbeiten habe, und ich hab das deutliche Gefühl, auch das großzügigste Timing auf einem Projekt würde die Lage hier zum Kippen bringen - alles bleibt so, wie es ist, nur habe ich nebenbei auch noch eine wie weit auch immer entfernte Deadline im Nacken?
Dabei ist der Gedanke, erst mal nicht zu arbeiten, trotzdem auch extrem angstgesetzt und ungut. In meinem Beruf ist es überhaupt nicht gut, lange raus zu sein, es kann schon sein, dass ich nach nur einem Jahr zuhause den Wiedereinstieg nicht mehr schaffen werde, und dann? Zudem ist gerade bei meinem dicksten Auftraggeber einiges im Umbruch, die können nicht so lange auf mich warten, es kann gut sein, dass diese Tür in ein mit Kindern vereinbares Arbeitsleben demnächst zu ist. Und dann? Und dann? Und dann?
Ich weiß es doch auch nicht, und hätte ich gerade nicht sowieso schlaflose Nächte, dann würde dieses Thema sie mir bereiten. So lasse ich das Problem gerade auf hinterer Flamme kochen, was vielleicht extrem doof und kurzsichtig ist. Freiberufliche Mütter von zwei kleinen Kindern da draußen, falls es euch gibt, wie war das bei euch?
So. Michel hat jetzt scheinbar den fehlenden Nachtschlaf aufgeholt, Mutti muss die Quatschbude zumachen. Bis hoffentlich sehr bald!
One Meal Fits All
vor 18 Stunden