Montag, 9. Mai 2016

Wir nehmen die Regel auf, wo sie passiert

Die Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung. Was wird aus unseren Kindern? Was muss ich tun, damit sie glücklich werden? Gibt es überhaupt irgendwas, was ich dafür tun kann? Ich dachte lange, ich muss dafür sorgen, dass sie mit Frustrationen umgehen können. Damit, dass nicht immer alles so läuft, wie sie wollen. Damit, dass es manchmal ein bisschen dauert und man oft etwas dafür tun muss, dass alles gut wird. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht. Vielleicht ist es gut, wenn man Kinder so erzieht, dass gerade Quengeln und Rumschmollen sie nicht weiter bringt. Vielleicht ist es gut, ihnen jeden nur erdenklichen Wunsch zu erfüllen, so lange sie so klein sind. Vielleicht müssen sie jetzt gerade ihr Grundvertrauen in die gute, freundliche Welt erwerben, und dafür ist es unbedingt notwendig, dass sie sich willkommen, unbedingt geliebt und jederzeit im Recht fühlen. Andererseits: Vielleicht müssen sie möglichst frühzeitig verstehen, dass Belohnungsaufschub (Psycho-Wort, Entschuldigung) und Eigenverantwortung die Schlüssel zum Lebensglück sind.

Als Kalle noch wirklich klein war, vielleicht fünf Monate alt, war ich mit den Mädchen in der Heide im Wochenendhaus meiner Schwiegermutter. Kalle robbte auf dem Boden herum und dachte und tat so seine Babysachen. Dann fing er irgendwann an zu knatschen, und ich sagte zu den Mädchen: lasst den mal, der muss lernen, sich selbst aus seiner schlechten Laune zu befreien. Dazu machte ich ein Ich-hab-den-Plan-Gesicht. Aber in Wahrheit hab ich überhaupt keinen Plan. Ich denke mal dies, mal das, und in dem Moment, in dem ich es denke, leuchtet es mir immer total ein, und einen Tag und sieben Situationen später das komplette Gegenteil. Ich kenne ein Kind, das fast überall mit nacktem Popöchen herumrennt. Oder ein Kind, das alles essen und trinken darf, was es will, und wenn es 2001er Barolo ist, Bitteschön, die Erfahrung muss es dann eben machen. Ich habe gelesen, dass Französischen Kinder schon als speckbeinige kleine Würmer mit Wasser verdünnten Wein trinken dürfen und dadurch ein extrem vernünftiges und suchtfeindliches Verhältnis zum Alkohol bekämen. Ich habe auch gelesen, dass viele Alkoholiker davon erzählen, wie ihr Papi ihnen damals auf seinem Knie sitzend den ersten Schluck Bier erlaubt hat. Im Nachhinein klingt alles total einleuchtend.
Meine erste Hebamme hat damals gesagt, ich muss unbedingt immer in Sicht sein, aber nicht immer eingreifen, wenn mein Baby weint. Dafür hatte sie die logische Erklärung, dass eine Mutter immer da sein muss, und das bildet dann im Kopf des Babys so etwas wie einen tröstenden Hintergrund, vor dem alle Nöte und Ängste sich relativieren; eine Art automatisches Grundvertrauen durch Anwesenheit. Ich dachte, was kann es Schlimmeres geben, als zu Brüllen, und die Frau, in die Du all Deine Hoffnungen setzt, steht daneben, aber lächelt nur sonnig und hilft Dir nicht? Darum bin ich nach Nebenan gegangen, wenn ich sicher war, Baby ist satt und trocken und warm genug eingepackt und muss jetzt eben mal kurz klar kommen.

Und auch das - nicht sofort hinrennen und hochreißen und an sich pressen und trösten - können bestimmt viele nicht verstehen, aus völlig logischen und nachvollziehbaren Gründen.

Was tun wir hier? Ich hatte schon mal so eine Phase, und damals hat mir eine sehr nette Stammtisch-Dame geschrieben, die Hauptsache wäre, dem Baby nicht mit der Bratpfanne auf den Kopf zu hauen. An diese Regel habe ich mich bisher gehalten. Immerhin!

13 Kommentare:

  1. Flora!! Ich bin Dir so dankbar, dass Du meine kruden Gedanken so schön in Worte fasst! Gerade nach einem langen Wochenende mit Familie in allen Generationen bin ich mal wieder verunsichert... Was ist richtig? Ich bin Jahrgang 1973 mit 2 Kinderwunsch-Jungs und das ist alles anders als in meiner Kindheit. Wenn ich jemals ne Texterin brauche, engagiere ich Dich! (Als Angestellte Anwältin derzeit etwas unwahrscheinlich, leider). Lg aus Köln

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Flora - das sind die ganz normalen Gedanken, wenn die kleinen größer werden glaube ich.
    Meine Mutter sagt, ich mache mir zu viele Gedanken... Ich denke, das geht nicht. Es ist so eine große Verantwortung.
    Ich habe neben Onkel jesper allen Ernstes Alfie Kohn gelesen (mit diesem sperrigen Titel: Liebe und Eigenständigkeit - von der Kunst bedingungsloser Elternschaft jenseits von Belohnung und Bestrafung)... Und obwohl ich meine Kinder immer noch manchmal lobe und immer dachte, dass ich nieniemals Erziehungsratgeber lese und alles immer aus dem Bauch raus richtig mache (wie anmaßend von mir) hat es meinen Blick auf das Ganze in genau so einer Zweifelphase so sehr verschoben - das war irgendwie fast einschneidend.
    Aber das mit der Pfanne ist natürlich auch ein Anfang.

    AntwortenLöschen
  3. Bei der Überschrift dachte ich zuerst, Du schreibst jetzt auch über Menstruationstassen. ;-)))

    Kann Deinen Bericht nur so unterschreiben und nehme den Bratpfannen-Tipp gerne mit! :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das habe ich auch gedacht und musste sehr lachen �� Viele Grüße!

      Löschen
    2. Hihi..ja genau...ich lach mich schlapp...Bratpfanne und Menstruationstassen...

      Löschen
  4. ... ich schleich mich hier mal rein und frage nach dem nächstes Stammtisch-Termin. Donnerstags würde bei mir immer sehr gut passen. Wie sieht es aus?

    Liebe Grüße

    AntwortenLöschen
  5. Wenn Du nicht wenigstens einmal im Monat schreibst, fühle ich mich irgendwie einsam! Spaß beiseitet, alles gut? lg aus Köln, Carolin

    AntwortenLöschen
  6. Wünsche dir viel Glück! Ich unterstütze dich. Meine Gebete sind mit Ihnen.

    AntwortenLöschen
  7. Floras, alles in Ordnung?

    AntwortenLöschen
  8. Ja, Flora, als jahrelang stille, begeisterte Mitleserin mache ich mir auch langsam Sorgen! Ich schaue täglich in deinen Blog rein und freue mich immer riesig über deine Beiträge! Es wäre toll wieder was von dir zu lesen! Etwas schade finde ich, dass du nur noch sehr selten was zu deinen Kindern schreibst bzw über das Leben mit den Kids. Ich habe selber fast zeitgleich mit dir nach schwierigem Start mit medizinischer Unterstützung 2 Kinder bekommen :-) und es ist soooo stressig!!! Deswegen verstehe ich, dass du evtl nicht zum schreiben kommst. Ich hoffe natürlich, dass es 'nur' der Stress ist!
    Ganz liebe Grüße!,,

    AntwortenLöschen
  9. Hallo!
    Nun mach ich mir auch langsam Sorgen.
    Ist denn alles gut?
    Gib doch nur mal ein kleines Zeichen, dass ihr nicht im Chaos versunken seid oder etwas Schlimmes passiert ist.
    LG

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dieser Post von "Test Tube Baby Centre in India" hört sich nämlich komisch an, wenn sie oder er nähere Informationen hat...

      Löschen