Samstag, 1. Januar 2022

Sowas wie ein Vorvorsatz.

Man wird nicht 48, ohne wenigstens ein paar winzige Erkenntnisse über sich zu gewinnen. Hier sind zwei von mir über mich: ich liebe Vorsätze. Aber ich halte sie fast nie ein.

Das mit dem Alkohol ist eine Ausnahme, die mich bis heute erstaunt. Davon abgesehen ist fast alles, was ich mir noch so ernsthaft vornehme, normalerweise doomed. Mein Leben ist voller liegengebliebener Ideen für Filme und Bücher, und meine Kochbücher sind voller Eselsohren und Post-Its an Rezepten, die ich bestimmt jetzt bald unbedingt ganz dringend kochen will. Auf meinem Telefon wimmelt es von Apps, die genau auf solche Susies wie mich zugeschnitten sind - Appgewordene gute Vorsätze. Daily Yoga! Genau. Einmal, vor vielen Jahren (pre-App-Ära) hatte ich mir sogar mal ein Haushaltsbuch gekauft. Eine krassere Fehleinschätzung meiner eigenen Persönlichkeit lässt sich kaum denken. (Und genau deshalb, dachte ich damals, bestrafe ich mich jetzt für meine fusselige Geldausgeberei mit dieser Hausaufgabe aus der Hölle.) Dann war da die Zeit, als ich einen selbstgemalten Plan am Kühlschrank kleben hatte: Montags Wäsche. Dienstags: Bad putzen. Mittwochs: Betten frisch beziehen. Donnerstags usw. usf., hat nicht funktioniert.

Meine Fehler machen mich nervös, ich bin nun mal so ein Schuld-Typ. Und Vorsätze verschaffen mir für den Moment Frieden. Das klingt jetzt grauenvoll und negativ, aber es funktioniert auch im Positiven, in finsteren Momenten wärme ich mich an meinen Vorsätzen schön auf: ich male mir ein Leben aus, in dem ich Montags schon weiß, was ich Donnerstags koche, und nur einmal in der Woche einkaufen gehen muss, und auf einmal ist das ganze Gerenne und Gekaufe und Gemache, um Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen, auf die niemand Lust hat, nicht mehr ganz so schlimm. Ich kaufe mir ein Yogapolster aus der Lebenshilfe-Werkstatt und fühl mich gut, und wenn das nächste Mal der Rücken weh tut, dann stelle ich mir vor, wie geschmeidig ich sehr bald sein werde.

Warum können nicht alle meine Vorsätze so gut fluppen wie Alkohol? Wo ist der Unterschied? (Nein, keine Angst, ein paar Erinnerungen aus der Abkürzungszeit sind nicht abzuschütteln, und von daher werde ich niemals - weder zu anderen noch zu mir selbst - sagen, etwas würde darum schief gehen, weil man es eben “nicht genug will”, dummschlauen Gesichtsausdruck kann man sich dazudenken.)

Ich steige nicht dahinter. Aber ich hab mir etwas überlegt, ehrlich gesagt gerade eben: vielleicht versuche ich es ja in den nächsten Wochen mal damit, mich nicht wirkungslos an meinen Fehlern aufzureiben, sondern mich ein bisschen mehr auf meine Stärken zu werfen. Und in einer tristen, kurmeligen, ziemlich verfahrenen Mist-Zeit in meinem Leben nicht aus irgendwelchen Gründen anzufangen, doch noch das Stricken zu versuchen (konnte ich noch nie, werde ich nie können, lass gut sein, und ja, das klingt bekloppt - aber genau so bekloppt könnte ich tatsächlich sein, zuzutrauen wäre es mir), sondern etwas zu machen, das ich wirklich machen will und machen kann und das dann eben ein bisschen besser. Meine Vorsätze sind oft reiner Eskapismus. Den kann ich gerade nicht brauchen. Das ist also mein Vorsatz dieses Jahr: nur noch Vorsätze vor meinen Karren spannen, die mich an Orte bringen, an denen ich sein will. Wo es schön ist und warm und ein frisches Lüftchen weht.

Und uns allen - ich schreibe uns allen in der Hoffnung, dass hier überhaupt noch eine mitliest, bei der Frequenz meiner Posts muss ich sagen: Hut ab vor so viel Ausdauer und Beharrlichkeit, davon hätte ich gerne etwas ab - wünsche ich, dass wir in diesem Jahr lernen, zu merken, welche Vorsätze das tun und welche nicht. Habt es gut, bleibt gesund und bis hoffentlich bald.

6 Kommentare:

  1. Liebe Flora,
    ja, ich lese immer noch mit, rufe unregelmäßig-regelmäßig Deinen blog auf - aus Beharrlichkeit, Neugier, Gewohnheit, vermutlich eine Mischung aus Allem :-)
    Wir sind zeitgleich in die Kinderwunschbehandlung gestartet und Deine Zeilen haben mich durch viele Abkürzungsdramen und zwei Fehlgeburten getragen, gerettet, begleitet, wofür ich Dir auch mal DANKE sagen wollte.
    Bei uns war dann nach 13 Abkürzungen und ohne Nachwuchs Schluss und der Weg danach war und ist nicht wirklich einfach, aber es wird. Ich habe im vergangenen Jahr ein Coaching gemacht (Lebewohl Kinderwunsch) und zum Thema Vorsätze eine Menge gelernt und auch umgesetzt. Mir ging (und geht) es da wie Dir. Haushaltsbuch ist ein gaaaanz böses Thema, Ordnung im Kleiderschrank, regelmäßig Sport treiben usw...
    Ich habe an einem Visionborard gearbeitet und mir ganz klar überlegt, was ist wirklich wichtig, was will ich umsetzen, wo will ich hin und was tut mir wirklich gut.
    Ich bin vor 15 Jahren zu meinem Mann "aufs Land" gezogen und hatte seit Tag 1 Heimweh. Die Tatsache, kinderlos zu bleiben erleichterte die Dorfintegration und das Ankommen, Zuhausefinden nicht wirklich...
    Lange Rede, kurzer Sinn:
    neben kurzfristig umsetzbaren Vorsätzen wie "sowas wie einem Buchklub beitreten, um sich auszutauschen" stand auf dem Visionboard "Umzug in eine Altbauwohnung in der Stadt".
    Die Altbauwohnung ist es nicht geworden, aber eine kleine, nette Zweitwohnung in meiner alten Wohngegend mit unseren Freunden in der Nähe und jetzt pendeln wir.
    Vor dem Coaching hätte ich mich nie getraut, das umzusetzen (und hatte nach der Entscheidung echt schlaflose Nächte). Aber es fühlt sich so gut an.
    Also statt Guter-Vorsätze-Liste einfach mal ein Visionboard ausprobieren. Hat bei mir gut geklappt.
    Manchmal "braucht man am Anfang Mut, damit man am Ende glücklich sein kann."
    In diesem Sinne: Dir alles Liebe und schön, dass Du wieder da bist.

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  2. Liebe Flora,

    ich bin ein gutes Stückchen nach dir in die Kinderwunschzeit gestartet und habe deinen Blog bei jedem Versuch wieder kreuz und quer gelesen. Er hat mir auf so vielen Ebenen Spaß gemacht, danke dafür. Am Ende gehörte ich zu den Glücklichen und nun schlafen zwei kleine Küken in warmen Bettchen. Das zweite ist erst 2021 geschlüpft. Was ich mir für 2022 vornehme: Das Leben ohne Fruchtbarkeitsbrhandlung zu genießen. Was da plötzlich an Power übrig ist... 2022, zieh dich warm an.

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  3. Da isse ja wieder... ich schaue hier auch noch unregelmäßig rein. Ich habe auch eine lange Kinderwunschbehandlungsgeschichte hinter mir, welche mit einem Kind endete. Ich habe Dich immer gelesen, vielleicht ja jetzt wieder öfter. Liebe Grüße aus Berlin!

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  4. Flora, ich freue mich, sehr. Hab Dich von Anfang an hier verfolgt, mehrmals Deinen Blog und Dein Buch gelesen und Dich die letzte Zeit sehr vermisst. Schön, dass Du wieder da bist. Ich finde Dich und Deine Schreibe klasse. Liebe Grüße von einer, die nach 16 erfolglosen Behandlungen aufgehört hat. Liebe Grüße aus Bayern. P.S. gibt es eigentlich Euren Hund noch?

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  5. Liebe Flora,
    Ich habe während meiner Kinderwunschzeit dein Buch gekauft und dann den Blog gelesen. Dann habe ich über die Kommentare eine liebe Freundin kennengelernt und zufällig waren wir alle drei gleichzeitig mit dem ersten Kind schwanger. Daher fühle ich mich dir verbunden und schaue immer mal wieder hier rein. Ich freue mich, wieder was zu lesen :)
    Liebe Grüße
    Mmmmmm

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  6. Liebe Flora, wie schön!
    Ich kenne Dich auch aus meiner eigenen Abkürzungszeit. Diese haben wir nach reichlich Tiefschlägen zunächst erfolglos beendet. Um dann unerwartet doch noch zwei Mal spontan Glück zu haben...
    Ich freue mich, wenn Du weiter schriebst, egal worüber.
    Liebe Grüße!
    Tina

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