Dienstag, 21. Dezember 2010

Wenn Enantone auch nur fünf Minuten Ruhe gibt, kommt Frau von der Leyen und trampelt meinen Advent kaputt

Ich gebe ja zu, diese Adventszeit entspricht nicht ganz dem, was ich und Walt Disney uns vorgestellt haben. Es fängt mit dem allmorgendlichen Kneippgang in der Küche an, dem Haarewaschen unter dem Wasserhahn der Spüle, bei dem ich immer an das Lied der Tödlichen Doris „7 Unfälle im Haushalt“ denken muss, in dem eine Frau sich den Schädel spaltet und Blut und Gehirnmasse durch die Küche spritzen, weil sie jemand beim Haarewaschen erschreckt. Während mein Atem so kalt ist, dass er eine Sprechblase vor meiner Nase bildet, träume ich von so einfachen Dingen wie Duschen oder einer geröllfreien Küche. Es geht weiter mit der Arbeit, der anderen Arbeit und der zusätzlichen Arbeit, die an und für sich gar nicht sooo schlimm wären, wenn ich nicht dank Enantone... aber dazu später. Dann ist da noch der Staub und die Unordnung, die überall im Haus so dermaßen die Macht an sich gerissen haben, dass ich mich kaum traue, irgendwo mit dem Aufräumen und Saubermachen auch nur anzufangen, und das mit Recht, denn selbst, wenn ich alles blitzeblank kriegen würde, wäre es ein paar Stunden später wieder wie in Beirut, weil dann die Handwerker wieder dagewesen wären. Ich hatte mal irgendwann im November Plätzchen gebacken, als Teil des großen Plans, den Dezember mit hochgelegten Füßen und nudeldick auf der Couch zu verbringen und die Finger höchstens zu rühren, um den Pizzaservice zu rufen oder mal Holz nachzulegen; aber diese Plätzchen haben den Dezember nie erlebt, und jetzt kann ich keine neuen mehr backen. Dann ist auch noch mein verdammtes Telefon weg und bleibt scheinbar auch weg, und ich muss sehen, wie ich es trotzdem schaffe, meine Gemeinschaftsgeschenke und Weihnachtsgrüße usw. loszuwerden.
Und das alles dann noch durch die dunkellila Brille betrachtet, die Enantone mir aufsetzt. Tagsüber geht es, aber morgens ist es schlimm. Genauer gesagt, ab morgens um vier. Dann wache ich nämlich auf und hadere mit allem. Nach drei Stunden Gehader müsste ich eigentlich die Füße aus dem Bett schwingen, aber so leid es mir tut, ich kann nicht. Schon gar nicht, um in meiner eigenen Küche zu kneippen.
Aber ich will mich ja nicht hängen lassen. Und deshalb habe ich gestern, als ich aus der Agentur kam und die Küche so dermaßen verschmuddelt und unordentlich war, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte, einfach trotzdem angefangen. Eine Stunde später saß ich müde mit meinem Schnittchen vor dem Fernseher und war ein bisschen stolz (und gleichzeitig ein bisschen deprimiert, dass ich nun schon stolz darauf bin, die Küche wieder lebensmitteltauglich gemacht zu haben). Ich hab sogar die Kerzen und den Kamin angemacht, und als L. den Cremant aufhatte und mir langsam warm wurde, fühlte es sich fast ein bisschen nach Advent an. Bis zu dem Moment, an dem ich in den Nachrichten sehen musste, dass Frau von der Leyen einen ganzen Sitzungssaal voller wichtiger Menschen mit selbstgebackenen – von IHR selbst gebackenen – Keksen bewirtet hat. Diese Frau mit der zweistelligen Kinderschar und dem zweifellos stressigen Job findet nicht nur täglich offensichtlich Zeit, sich die Haare zu waschen und zu föhnen, sie scheint auch noch zum Sport zu kommen, und dann stellt sie sich in ihre bestimmt geröllfreie Küche, in der alles blitzt und blinkt, und backt Plätzchen für einen Haufen Macher, nur damit auch die das Gefühl haben, langsam wird es zwischen all den Beschlüssen und Sitzungen und Presseerklärungen doch Weihnachten. Nett von ihr, aber mir hat sie damit dieses kleine schüchterne Gefühlchen sofort und gründlich ausgetrieben. So luschig, trantütig und rundum 4- habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt wie nach dieser Nachricht.

(Einziger Trost: besonders lecker sahen die Plätzchen nicht aus. Eher so wie diese mit getrocknetem Eigelb bestrichenen Dinger, die die Frauenunion vorm Einkaufszentrum verkauft.)

3 Kommentare:

  1. Hallo Flora. Advent kann sich auch anders scheiße anfühlen. Meine Schwester und ich haben um 2 Tage zeitversetzt unseren jeweils 1. IVF Zyklus gestartet (Gottlob in zwei verschiedenen IVF-Zentren).
    Das ist die Bilanz: Schwester: über 18 Follikel. Ich: 6 Follikel. Schwester: 12 Eizellen punktiert. Ich: 4 Eizellen. Schwester: 12 Eizellen befruchtet. Ich: 3 Eizellen befruchtet. Schwester: 2 Embryonen zurück, 10 auf Eis. Ich: 2 Embryonen zurück, 1 in den Müll. Schwester: schwanger! Ich: nicht. Und ab morgen hocken wir bei den Eltern zusammen unterm Tannenbaum. Aber dein Staub ist natürlich auch kein Highlight...

    Liebe Grüße
    K.

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  2. Hallo Flora, Danke für das Schmunzeln, das Du mir grad mal wieder beschert hast. Herrlich! Ja, Chaos in der Wohnung vor Weihnachten ist übel. Kenn ich.

    Ach, bin ich froh, Mädels wie Dich im Netz gefunden zu haben. So viele gleiche Gedanken, so viele neue Impulse (z.B. den Gang zu einer Osteopathin, ich habs Dir nachgemacht... groooßartig, kann ich nur sagen. Die Frau ist spitze und tut mir sooo gut.)

    So, Flora, auf, auf ins neue Jahr. Da wird alles gut, bzw. noch besser. Wirst schon sehen.

    Liebe Grüße

    Die Nachmacherin aus dem Ruhrpott

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  3. Frohe Weihnachten, Flora.

    Als Weihnachtsgeschenk für dich (und für mich) habe ich mir dein Buch gekauft, ich hatte es ja bei Wunschkinder. net versprochen. Es ist großartig!!!! Werde es all meinen Abkürzungsfreundinnen und deren Eltern, Freunden, Tanten und Verwandten schenken. DANKE, dass ihr dieses Buch verfasst habt.

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