Samstag, 10. April 2021

Wenn gesteigertes Mitteilungsbedürfnis und auf Null gesenkter Alkoholkonsum ausnahmsweise mal zusammentreffen

Ich hab mir den letzten Post noch mal durchgelesen. Und ich hab drüber nachgedacht. Natürlich hab ich drüber nachgedacht, das große Trinken/Nicht Trinken-Thema beschäftigt mich ja auch, wenn ich mich nicht gerade hier darüber äußere, fast so sehr wie die Kriiiiiiise. Plötzlich nach vielen Jahren, Jahrzehnten mit Strömen von Gin Tonics und Rosé auf Eis und Rotwein, nachdem ich so lange immer einen nicht ganz WHO-konformen Lebensstil als mein Stück Freiheit in der großen Kinderwunsch-Maschine verteidigt habe, komme ich jetzt hier so? Es wäre auch reinster Quatsch, jetzt zu tun, als wäre das eine reine Lifestyle-Entscheidung wie eine Diät. Tüdelü, guckt mal, ist einfach auch gut für die Haut, und da hab ich mir gedacht...

Nee nee, das wäre gelogen. Das Ding ist, mit mir und dem Alkohol verhält es sich ungefähr so wie in diesem Post von vor ein paar Jahren, in dem ich über meine mütterliche Persönlichkeitsspaltung geschrieben habe. Es ist genau so kompliziert, und genau so jeden Tag anders. Ich habe Tage, da weiß ich genau, mein Herz wird für immer den Leuten gehören, die nach einem Kacktag zuhause erst mal eine Flasche entkorken, bevor sie noch die Jacke ausgezogen haben. Und ich weiß, auch wenn ich zufällig seit neun Monaten nichts getrunken habe, die sind mein Team. Genau so, wie ich mich als Raucher fühle, obwohl in meine Lungen seit dem letzten Glas Sprit nur die gute Hamburger Luft gekommen ist. Ich habe auch Tage, da bin ich so tiefenentspannt und fühle mich so gesund bis in die letzte Zelle, dann denke ich, das ist und war doch alles Quatsch. Wieso sollte man sich ohne Not jeden Tag eine krebserregende, das Hirn zerfressende und traurig machende Substanz reintun? (Wobei ich mir gleichzeitig eine knallen könnte dafür, dass ich jetzt scheinbar ab und zu eine von denen bin, die Leuten erzählen, Alkohol wäre krebserregend, mimimi...) Ohne ist viel schöner. (Diese Tage sind gefühlt in der Unterzahl.) Es gibt auch Tage, da geht beides gleichzeitig und ich gucke mir in vollem Bewusstsein meiner Schizophrenie mit dem liebevollsten Blick eine Serie an, in der so richtig mit Schmackes gesprittet wird, und bin gleichzeitig froh, das alles auch mal gehabt und getan zu haben und es jetzt nicht mehr zu tun, nippe noch mal an meinem Gingko-Klarer-Geist-Tee und wackele wohlig mit den Zehen. Und es gibt Tage, da denke ich "Wie lange noch soll ich das jetzt genau machen, bis ich so weit mit mir zufrieden bin, dass ich endlich wieder mitspielen darf?" und gleichzeitig "Genau so. Nichts trinken, um hinterher besser wieder trinken zu können, hmmm?" Und was das mit dem Yoga-Bashing soll, weiß ich auch nicht so richtig. Wieso finde ich manche Aspekte davon so eklig? Wem genau hat Yoga eigentlich was getan? Oder das blöde Klappschild? Ist ja nicht so, dass Yogagruppen regelmäßig losziehen und Andersdenkende vermöbeln, nachdem sie von entgleistem Selbstliebe-Blabla dazu aufgepeitscht wurden.


(Wenn ich irgendwann mal auf ein wichtiges Lebensthema treffe, bei dem mein Hirn seine Zellen nicht so unordentlich in die Schlacht schickt, dann sage ich Bescheid. Ein Sauhaufen ist das. Wie ich es auch nur schaffe, mich beim Bestellen einer Pizza zu entscheiden, ist mir manchmal ein Rätsel.)

Ich hoffe, ich vergrätze euch nicht damit. Ich hoffe, ich schreibe mich nicht in eine Ecke, aus der ich nicht mehr rauskomme. Ich hoffe, die richtige Seite gewinnt. Ich hoffe, ich finde noch raus, welche die richtige ist. Ich hoffe, die Tendenz, dass man gar nicht mal so schlechte alkoholfreie Erwachsenengetränke im Supermarkt bekommt, steigt weiter an. Und ich hoffe, ich werde aus meinem nächsten Yogakurs, wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist, nicht mit Mistgabeln rausgejagt.

Wo ich gerade beim Thema In-eine-Ecke-schreiben bin: meine Schwester berichtet, mein Vater erwäge, sich bei Twitter anzumelden. Das macht mir leichte Sorgen. Ich hoffe, er erwägt noch eine Weile weiter und verliert das Thema dann einfach aus den Augen.

5 Kommentare:

  1. Wenn Du auf der Suche nach Gin ohne Bums bist: https://www.laoridrinks.com/?gclid=Cj0KCQjwmcWDBhCOARIsALgJ2QeJK5Wd9PkzH_eA-CSfBoaqhoKsxvZNJW3JpTHyp9eE3KJ0ifg6-iQaAi8zEALw_wcB
    Wird gerade in Schwangerschaftsforen und von den ganzen Instamuttis gehyped. Ich habe ihn selbst noch nicht probiert - bin zwar schwanger aber mir fehlt grad nix! Und der kostet halt genauso viel wie einer mit Alk... Alles Gute und ein schickes Wochenende! TinaSausHH

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    1. Guten Morgen! Danke für den Tipp, ich bin gestern direkt losgewackelt und hab im Weinhaus Gröhl (das zu meiner großen Freude tatsächlich so heißt...) eine Flasche davon gekauft. Groß war die Auswahl nicht, und der Verkäufer meinte augenzwinkernd, danach würde ich AUSGERECHNET hier fragen??? und bot mir dann als Alternative eine Flasche alkoholfreien süßen Wermut an. Wobei sich mir nun wieder die Frage stellt, was die seltsamere Aktion in einem ausgezeichneten Weingeschäft ist: nach einem alkoholfreien Schnaps fragen oder einer Kundin, die alkoholfreien Gin kaufen will, stattdessen alkoholfreien süßen Likör anbieten? Tscha nu.... ich kaufe übrigens schon länger gerne Siegfried Wonderleaf, der addiert zu an sich süßen Getränken so eine erwachsene Duschgel-Note dazu. Klingt eher unlecker, ich find's aber gut. Und der ist auch etwas günstiger (um die 16 Euro pro Flasche, wenn ich mich richtig erinnere...) Danke jedenfalls noch mal für den Tipp! LGr

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  2. Liebe Flora.
    Ich finde deine gleichzeitigen Gedanken sehr nachvollziehbar und sympathisch.
    Mir schmeckt Alkohol, aber (und vielleicht ist das ein Glück) ich vertrage ihn nicht.
    Mal ein Glas geht. Selten ein paar Gläser auch... aber meistens folgt Migräne und der Spaß steht in keinem Verhältnis zum Leiden.
    Und ganz schlimm: ich fühle mich am nächsten Tag oft traurig und schäme mich für alles, auch wenn es gar nichts zu beschämen gibt. Ein ganz unangenehmes Gefühl. Ganz wenig Selbstliebe.
    Die allermeiste Zeit hält mich das vom Trinken ab.
    Manchmal mach ichs trotzdem.
    Ich glaube, es ist ein sehr sensibles Thema für ganz viele Menschen.
    Bitte schreib weiter drüber.

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  3. Das tu ich auf jeden Fall! Ich werde hier über Alkohol schreiben, bis es euch zu den Ohren rauskommt vermutlich... bei mir war das mit dem Vertragen immer sehr wechselhaft, es gab Abende, da konnte ich trinken wie zehn russische Matrosen und am nächsten Morgen saß ich frisch um halb neun am Frühstückstisch. An anderen ging's mir so wie Dir. Und die Matrosen-Abende sorgten immer dafür, dass ich dachte, ich kann das, und es an den falschen Abenden dann übertrieben habe. Liebe Grüße!

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  4. Wenn hier einer gewinnt Flora, dann Du. Ist auch eines meiner Themen: war immer die Partypuppe Nummer 1 mit großem Durst und immer am Start, wenns was zu Feiern gab. Inzwischen bei so gut wie Null, mir fehlt nix. Oder doch, und ich meine nur, dass nicht. Hatte ich ein Problem damit? Nein. Ohne? Nein, oder doch? Wie jetzt? Schön, dass Du wieder schreibst hier. Sehr schön

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