Samstag, 27. Februar 2010

Unfruchtbarkeit als Charakterfehler

Früher war mir das Thema ja vollkommen wurscht. Aber in letzter Zeit bin ich leider ein bisschen übersensibilisiert dafür, wie Zeitungen und Fernsehen mit Leuten mit und ohne Kinder umgehen. Und ich kann mich da natürlich täuschen, aber ich habe doch den Eindruck, dass es so etwas gibt wie angebliche Charakterunterschiede zwischen Menschen, die Kinder haben, und solchen, die keine haben. Die Menschen ohne Kinder sind eher die zickigen, gierigen, egozentrischen und die, die immer die etwas zu enge Kleidung und das etwas zu dicke Makeup tragen. Während die mit Kindern eher die spontanen sind, die nämlich, die einfach kommen lassen, was das Leben bringt, und das sind eben Kinder. Sie leben in einem liebenswerten Chaos, können amüsant darüber berichten, wie sich die Wäscheberge stapeln und die Kleinen mit Brei werfen, aber was solls? So ist das echte Leben eben! Sie beneiden manchmal für fünf Sekunden die Kinderlosen um ihre angeblich so glamourösen Urlaube und ihr Nachtleben, aber nach den besagten fünf Sekunden ist das auch wieder vorbei, und es reicht dazu, nur einmal am Nacken ihres schlafenden Fünfjährigen zu schnuppern, dann wissen sie, was sie haben. Sie sind einfach die, die erkannt haben, worauf es wirklich ankommt auf dieser Welt. (Verklebte Eileiter haben keine Lobby bei der Bunten.)

Ach je.

Gierig? Vermutlich schon.
Zickig? Meine Freunde sagen nein, aber die haben mich auch gern.
Egozentrisch? Viel mehr, als mir lieb ist.
Aber Hölle, deshalb bin ich doch kein schlechter Mensch!

Zu dickes Makeup kann mir übrigens niemand vorwerfen, noch nicht mal die Zeugen Jehovas. Zu enge Kleidung - ab und zu, aber Hormon- und Pastabedingt, auf keinen Fall steckt die Absicht dahinter, irgendwie knackiger rüberzukommen, als mir zusteht, und wenn ich im Moment das Budget und die Zeit hätte, wäre ich längst einkaufen gewesen und hätte das Problem behoben!

Lilis und mein Mädchenwochenende

beginnt JETZT, denn gerade ist die Tür hinter L. ins Schloss gefallen, der das ganze Wochenende seinem Jungssport nachgeht, mit Übernachtung! Wir könnten uns also ab sofort hier einmuckeln. Tun wir aber nicht, denn nachher geht es in die Welpenschule, die eine kleine öffentliche-Verkehrsmittel-Weltreise weit entfernt ist, und heute Abend ist Stammtisch. Um halb neun! Wer davon zum ersten Mal hört und noch mit will, bitte schnell schnell kommentieren, dann verrate ich Details!
Gut. Was machen Mädchen, wenn sie allein zuhause sind? Sie machen sich die Nägel. Das wäre immerhin eine Methode, die Hunde-Trauerränder zu verbergen, die ich mir im Moment täglich achtmal von den Händen schrubbe. Ich könnte auch stundenlang telefonieren. Oder unbeobachtet von L. Pläne zeichnen und Listen schreiben, wie wir das Haus einrichten, wenn wir es bekommen sollten. Zwei sonnige Tage, Frühling in der Luft und tausend Möglichkeiten! Lili, was sagst du? Lili zernagt meinen Wäschekorb.

Freitag, 26. Februar 2010

Der Feind auf meinem Sofa

Und nun stellt sich auch noch heraus: Lili liebt Kinder. Wenn Hunde an ihrem Horizont auftauchen: ok, auf jeden Fall mal nachsehen, was da los ist. Wenn Kinder an ihrem Horizont auftauchen: WAAAAAAAAAAAH GAAAAAAAAA! Totale Extase! Die Beatles treten in Hamburg auf! Und dann muss ich sie zurückpfeifen und hoffen, dass die Erziehung ordentlich funktoniert hat, und sie muss an die Leine, weil sie sonst die Kinder vor Freude umspringt, und dann ziehe ich sie da weg und sie guckt mich an, und ich weiß genau, was sie sagen würde: "Bitte du auch solche Dinger machen bitte biiiiittteeeeeee?"

Brutus.

Nichts geht richtig

Gerade ist wieder mal so ein bekloppter Zwischenzustand, ich habe das Gefühl, L. und ich vermurksen unser Leben. Nicht unser ganzes Leben und auch nicht gleich die nächsten Monate mit, aber die Tage vergehen auf so eine komische Art. Ich bin nicht gebucht, das heißt, der Tag steht mir erst mal zur freien Verfügung. Theoretisch. In Wahrheit wache ich morgens deutlich vor acht davon auf, dass der Hund raus muss, und dann muss nun mal der Hund raus. Sie ist ein kleines, zauberhaftes Fellbündel, so ein Wunderhundekind zerrt man nicht wie irre hinter sich her, sondern lässt ihr Zeit, auf einem Spaziergang die Welt zu entdecken und zu erschnuppern. Und wenn es verdammt noch mal morgens halb acht ist, dann ist es eben halb acht, dass weiß doch Lili nicht! Sie schnuppert also. Dann zurück nach Hause. Dann kurz Tee, zu dem ich eigentlich gerne einen Post schreiben würde, das geht aber nicht so richtig mit Schmackes, weil L. sich diesen Moment ausgesucht hat, einige grundlegende Dinge mal anzuschneiden. Inzwischen ist klar, es lief zwar im Januar, und der Februar fing mit guten Vorzeichen an, aber auf Dauer geht es so nicht. Ich muss wohl einsehen, dass das nicht zusammengeht: ein planbares Leben, das Geld kostet, und ein nicht planbarer Job. Also zurück in die Mühle, nur in welche? Und zu welchen Bedingungen? Und kann ich überhaupt Bedingungen stellen, oder gehört mir einfach mal ordentlich der Hintern versohlt dafür, dass ich überhaupt auf die IDEE komme, Bedingungen zu stellen? Ich liege in den Kissen, den erkaltenden Tee neben mir, den Rechner mit dem angefangenen Murkspost auf den Knien, und L. liegt neben mir und stellt die großen Fragen. Dann rührt sich Lili, es ist klar, sie muss wieder raus. Also raus. Dann komme ich wieder rein, wir diskutieren zu Ende, nebenbei schreibe ich zwei-drei Emails mit Jobbezug, nur eben möglichst beiläufig, so dass L. nicht denkt, die Olle hört nicht zu. (Zuhören ist übrigens wirklich nicht meine Stärke, er hätte jedes Recht der Welt, sich aufzuregen.) bv 1 rewoijdü09 (die letzten Zeichen wurden von Lili geschrieben. Mit Sicherheit nicht der dämlichste Teil dieses Posts. Talentiert, die Kleine! Hab ich zu viel versprochen?) Dann vergeht, ich weiß nicht wie, eine Stunde, ich gucke auf die Uhr und renne unter die Dusche, kann doch nicht sein, dass der Tag so verdampft, obwohl ich um halb acht das erste Mal vor der Tür war? Kaum geduscht, muss Lili wieder raus. Statt in frische Kleider zu springen, springe ich etwas widerwillig in die von heute morgen, die jetzt schon mit einem Kilo Matsch überzogen sind. Na gut. Dann stehen wir wieder auf der Wiese, ich werfe Stöckchen und schlichte Hundekämpfe, sammle Häufchen auf und lobe für Pisch, und frage mich: es ist jetzt halb zwölf, und ich hab noch nichts gemacht!!! Noch nichts! Der Tag wird danach nicht besser. Obwohl ich jetzt eine Liste machen könnte, auf der an erledigten Dingen für heute stehen könnte:
- fünf mal mit Lili draußen gewesen
- die Löcher im Flur gespachtelt
- Tapetenreste abgekratzt
- gekocht und abgewaschen
- eingekauft und Geld geholt
- zwei Maschinen Wäsche gewaschen und aufgehängt
- einen Kuchen gebacken
- gespült, noch mal gespült, Spülmaschine ein- und ausgeräumt
und noch ein paar Sachen, die mir jetzt nicht mehr einfallen, fühlt sich der Tag wie ein einziger Haufen Murks an. (Vielen Muttis geht es vermutlich ähnlich.) Es war nicht Nichtstun, es war auch nicht Arbeit, es war kein Spaß und keine Erholung, es war keine Schufterei, aber jetzt ist es zehn vor acht, und ich könnte mich so wie ich bin ins Bett legen und sofort einschlafen. Das ist kein Leben für eine Erwachsene. Frei zu haben ohne frei zu haben meine ich. Als ich heute zum fünften Mal mit Lili auf der Wiese stand, überkam mich die ganze Murksigkeit meines Daseins wie ein nasskalter Schneeball ins Genick. Tiefe Melancholie. Und der Plan verhindert tröstendes Saufen. Ich bin so schon deutlich über dem Schnitt. Wieso muss bei mir immer alles mit Schuldgefühlen funktionieren, so dass ich mir pausenlos selbst im Weg stehe wie mein eigenes Fräulein Rottenmeier? Ein Kreuz ist das!

(Eine ziemliche Frechheit von einer, die gerade bequem zurückgelehnt darauf wartet, ob sie nun in ein Häuschen im Grünen einziehen kann oder nicht, denkt ihr? Das denke ich auch, aber das macht es nicht weniger wahr und nicht weniger doof.)

Themenvermeidung

Fragt mich bloß nicht, was das Haus macht, L. ist abergläubisch und möchte, dass ich hier nichts mehr drüber schreibe, bis es entschieden ist. Angesichts dessen, dass ich aber gerade an kaum was anderes denken kann, wird es schwer, mir jetzt ein anderes Thema für einen Post abzuringen. Na gut. Was gibt es zu berichten? Gestern habe ich in der Klinik wie befohlen den offiziellen Beginn meiner Periode gemeldet, am neunten muss ich nun zum Ultraschall und Blut dalassen, und dann wird vermutlich noch am gleichen Tag entschieden, ob die beiden Würmchen aufgetaut werden oder lieber nicht. Diesmal geht es sogar ziemlich glimpflich ab, bisher hatte ich noch keine Ibuprofen und hab auch noch nicht in die Möbel gebissen. Außerdem war ich gestern zum ersten Mal seit Wochen im Kino, L. war Hundesitter und ich war frei, frei, frei!!! Also war ich in "Wenn Liebe so einfach wäre", den ich unbedingt sehen wollte, seitdem der Trailer damals im November vor "Julie&Julia" lief, und der inzwischen auf den 18:40-Start verbannt ist, was mir aber sehr recht war. Gute Zeit für einen Kinofilm. Ich fühlte mich wie eine Königin mit Popcorn und Bierchen als Zepter und Stab. Und das war nett, wenn ich auch den bösen Eindruck nicht ganz abwehren konnte, dass Nancy Myers nach dem ganz tollen "Was das Herz begehrt" eine gewisse Geschäftstüchtigkeit entwickelt hat, was das Erkennen von Wunschthemen älterer Kinogängerinnen angeht, und die schmeckt manchmal ein bisschen durch, das ist nicht schön. (Na gut - wieso sollen deren Wunschthemen nicht auch mal bedient werden, wenn der Rest der Welt sich beinahe überschlägt, um die Wunschthemen von Männern zwischen 16 und 46 zu bedienen?)

Jetzt kommt mir leider dazwischen, dass ich an nichts anderes denken kann als an die Frage, wie denn meine Küche aussehen soll, und daran, ob ich lieber Kletterrosen oder Kletterhortensien vorm Haus hätte. Pfui! Böse Flora! Aus!

Worüber schreibt man, wenn einem gar nichts mehr einfällt? Das Wetter. In den letzten Wochen war die riesige Hundewiese gegenüber ein einziger Eisklotz, in den unzählige Stöcke, Feuerwerkskörper, Socken, undefinierbar und leider teilweise sehr gut definierbarer Müll eingefroren waren wie in diese Eiseimer, die die Eisbären im Zoo manchmal bekommen und in die ihr Futter gefroren wird, um es interessanter zu machen. Lili hat sich freudig wie nur irgend ein Eisbärchen auf jedes bunte Teilchen in der Kruste geworfen und es sich zur persönlichen Pflicht gemacht, von jedem einzelnen eingefrorenen Stock die Rinde abzuknuspern. Dass L. und ich da manchmal eine gute halbe Stunde frierend danebenstanden und auf ein Häufchen hofften, das nicht kam, war ein unangenehmer Nebeneffekt dieses Winters. Dass man sich dauernd hingelegt hat, am liebsten dahin, wo eine Silvesterrakete vorwitzig ihren Stab aus dem Eis streckt oder wo andere Hundebesitzer scheinbar zu stolz auf die Prachtwurst ihres Hundes waren, um sie wegzuräumen, war ein anderer. Und jetzt wird es Frühling. Was ist der erste Frühlingsbote? Nicht Narzissen oder Krokusse, auch nicht Vogelgesang, sondern Matsch. Erstmal mögen wir Matsch. Alles ist besser als Eis.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Hundehalterpsychologie für Einsteiger

Nach inzwischen ungefähr 100 Spaziergängen mit dem Hund durch mein Viertel habe ich über Hundehalter so viel dazugelernt wie ein angehender Oberförster über Vögel und Igel lernt, wenn er hundert mal im Wald war. Zum Beispiel, dass Kampfhundhalter gar nicht immer Plastikanzüge tragen und breite Schultern haben. Es gibt eine Menge getarnte Kampfhundhalter in gediegener Klamotte und mit Oberstadtratsausstrahlung. Die erkennt man daran, wie zufrieden sie sind, wenn ihr Hund sich blöd benimmt. So ein graubärtiger Ehrenbürger steht dann da mit seinem ausrastenden Viech an der Seite, schmunzelt wohlwollend in sich hinein und erklärt mir, das ginge nun aber nicht, dass meine Hündin an seiner Hündin schnüffelt, weil das dann "Zickenalarm" gäbe. Voller Vaterstolz guckt er auf seinen Hund, der die riesigen Zähne fletscht und sich vor Wut fast von Innen nach Außen stülpt, nur weil in zehn Meter Entfernung ein Hundekind vor Freude über einen anderen Hund kleine glückliche Bocksprünge macht. Mistviech, Mistkerl. Dann gibt es da noch einen Hund, der eigentlich nur eine lange Wurst aus Muskeln und Zähnen ist und der jedes Mal mit vollem Gewicht auf Lili draufspringt, dass die Knochen knacken. Ich kann sie dann nur noch schnell hochnehmen, denn von alleine würde sie nicht aufgeben, und dieses Tier würde sie fertigmachen. Frauchen steht daneben und lächelt versonnen. Eine Menge Menschen macht es glücklich, wenn ihre Hunde sich böse und aggressiv benehmen. Das macht mich ein bisschen unglücklich.

Mein Bauch zieht ein bisschen. Nun geht es wohl demnächst wieder los mit Tante Rosa/den days of wine and roses/dem lieben Besuch/den happy days. (Wer kennt noch ein paar alberne Ausdrücke für lästige, mit Krämpfen verbundene Blutungen?) Immerhin ist es doch schön, wenn man es Ausnahmsweise mal als Zeichen bewerten kann, dass etwas weitergeht, statt als Zeichen, dass etwas aufhört.

Montag, 22. Februar 2010

Also habe ich Törtchen gebacken, mit buntem Zuckerguss glasiert und Smarties obendraufgeklebt.

Abkürzungsschwestern, ich muss euch was sagen. Heute Nachmittag waren wir auf einem Kindergeburtstag. Ein Kind wurde zwei. Ein sehr nettes Kind, dessen Eltern wir gut leiden können. Wir waren die einzigen Gäste ohne Kind. Ich bin mir nicht sicher, wie diese Zusammensetzung zustande kam: ob die Eltern alle Freunde eingeladen haben und wir eben wirklich die einzigen ohne Kind sind, oder ob wir dabei waren, weil L. der Pate des Geburtstagskindes ist (wobei es vormittags schon Familiengeburtstag gab, da hätten wir also auch hingepasst) oder ob wir dank unserer Abkürzungsbemühungen als Eltern ehrenhalber gelten. Jedenfalls hatten wir das Tier dabei, das aber wegen seiner extremen, hingebungsvollen und stürmischen Liebe zu kleinen Kindern im Auto warten musste. Zwischendurch waren wir mit ihr spazieren. Auf dem Weg in den Park sagte L. "Wir müssen auch nicht unbedingt Kinder haben." Und ich sagte "Lass uns auf dem Heimweg rechts ran und einen zur Brust nehmen."

Doch doch, wir wollen immer noch Kinder. Und weil man keine Kinder bekommt, ohne per definitionem auch Eltern zu werden, wollen wir auch Eltern werden. Ey, ehrlich! Aber trotzdem... das waren alles sehr nette Leute. Und im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen ist für mich nett nicht "der kleine Bruder von Scheiße". Die waren wirklich nett, und die hatten Spaß! Hätten wir den gleichen Spaß gehabt, wenn wir auch Kinder hätten, über deren Verdauung wir hätten reden können? Schwer zu sagen, so lange es nicht so ist. Der kluge und besonnene L. hat gesagt: so ist das eben, Hundebesitzer reden über Hunde, Kinderbesitzer reden über Kinder.

Eines Tages werden die Eltern, bei denen wir heute eingeladen waren, diesen Blog vielleicht lesen und wissen, dass sie gemeint sind. Für diesen Fall möchte ich noch einmal schreiben (und das nicht nur, um Ärger aus dem Weg zu gehen, sondern ganz ehrlich): wir freuen uns, dass wir eingeladen waren. Auch, wenn das ein ziemlicher Trip für uns war, freuen wir uns. Liebe Geburtstagskindmutter, der Kuchen war wirklich köstlich, es ist nicht zu verstehen, wieso du sagst, du wärst keine Bäckerin! Die Kinder waren alle sehr niedlich, und ich muss vermutlich noch beim Einschlafen drüber lachen, wie ähnlich das eine Mädchen seiner Mutter sieht. Und wir verstehen beide vollkommen, wieso man so viel über Kinder redet, wenn man sie endlich hat. Bei uns wird das vermutlich genau so werden! Falls es mal so wird. Das wollte ich nur noch mal sagen. Aber das war trotzdem heute Nachmittag ein Ausflug auf einen ganz, ganz fernen Planeten.

Abkürzungsschwestern, euch muss ich das vermutlich nicht näher erklären und auseinanderklamüsern, oder? Ihr kennt dieses Gefühl? Dieses Gefühl nach Kindergeburtstagen anderer Kinder?

Stammtisch am Samstag?

Falls keine, die unbedingt dabeisein will, da nicht kann, wäre Samstag Abend für mich perfekt. Was sagt ihr?

Wer hat gesagt, dass Liebe einfach ist?

Internet, wir haben ein Problem. Noch vor drei Wochen hätte man mich nachts um drei wecken können und fragen: "Stadt oder Vorstadt?" und ich hätte geantwortet "Stadt natürlich, Sie Irrer, und jetzt will ich schlafen". Und jetzt liege ich hier, gucke mit Kuhaugen aus dem Fenster und male mir aus, wie ich mir unterm Dach mein kleines Muckelparadies einrichten würde, welche Farbe die Kletterrosen haben sollen und wie der Hund und ich in den Keller steigen, um Holz zu holen. Verdammt. Das wird wirklich schwer. Einerseits habe ich seit über 20 Jahren die Vorstellung von mir, mich in der Stadt am wohlsten zu fühlen. Ich stelle mir vor, wie ich Abends in der netten Bar an der Ecke sitze und Wein trinke, wie meine Freunde um die Ecke wohnen und ich im Sommer im Park liege und lese, ich sehe mich bummeln und ausgehen und am Wochenende durch irgendwelche Ausstellungen schlendern. Dass ich das so sehe, ist bestimmt ein wichtiger Teil der Wahrheit. Andererseits stimmt dieses Bild vorne und hinten nicht, wenn ich ehrlich bin. Ich wohne jetzt seit anderthalb Jahren in einem Viertel, in dem es ein großartiges Programmkino, jede Menge Bars und meinen Lieblingsitaliener gibt. Und die Gelegenheiten, zu denen ich das auch nutze, kann ich wirklich an zwei Händen abzählen. Im Museum war ich in dieser Stadt zuletzt vor zwei Jahren. Im Kino schon öfter, na gut. Und aus dem Alter, wo man bei seinen Freunden spontan klingelt und fragt, ob sie Lust zum Spielen haben, sind wir wohl raus. Die Frage ist, wie groß wäre die Not, wenn ich irgendwann in meiner Traumhütte sitzen würde und feststellen: selbst, wenn ich jetzt gerne noch unter Leute gehen würde für meinen Feierabendwein, ich könnte nicht? (Es sei denn, ich würde zusammen mit Taxi so viel ausgeben wie sonst für sieben Weine.) Es gibt dann noch die UBahn, und ich könnte meine Stadtaktivitäten auf die Abende verschieben, wenn ich gebucht bin und sowieso tagsüber in der Stadt bin.

Das ist doch irre. Hier sitze ich und phantasiere mir mein Leben im Grünen zusammen, und bisher mache ich mir nur Gedanken darüber, wie ich am besten möglichst viel Stadt reinpacken kann. Oder ist das nicht irre, sondern man nennt das Abwägen? Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass ich Stadt brauche, um nicht durchzudrehen. Die Frage ist nur, wie viel. Und im Moment sitze ich zwar mitten in der Stadt, aber erstens fängt die Stadt gerade an, mich häufiger gewaltig zu nerven, und andererseits tue ich gerade dauernd Sachen, die ich im Grünen genau so gut tun könnte. Ich kann da draußen auch nach Hause kommen, die Stiefel in die Ecke kicken, ein Glas Wein trinken, einen Post schreiben, Musik hören und Lesen. Ich kann Sonntags genau so gut Tatort gucken und mindestens genau so gut in der Küche stehen, backen und kochen. (Das kann ich sogar besser da, denn ich werde einen Gasherd haben, und wenn ich plötzlich denke, Rosmarin würde jetzt gut passen, dann gehe ich von der Küche direkt in den Garten und schneide mir in meinem Kräuterbeet einen Zweig ab.) Die passende Weinbar habe ich noch nicht gesehen, aber wer weiß, ob sie nicht doch irgendwo ist? Am Ende machen wir sie selbst auf?

Internet, es tut mir leid, ich glaube, ich bin verknallt.

Aber der Reihe nach. Nachdem ich die Edding-Schrift auf der Tür gesehen habe, hatte ich mit dem Schlimmsten gerechnet. Ich dachte, hier hat jemand gewohnt, der überhaupt keinen Sinn für irgend etwas hatte, was schön ist, und der im Zweifel alles durch Gedankenlosigkeit und Wurschtigkeit kaputt gemacht hat. Gestern haben wir fast zwei Stunden in der Hütte verbracht. Und ganz viel ist ganz schrecklich, und noch viel mehr ist ganz schrecklich kaputt. Aber davon ist nichts so kaputt, dass man es nicht wieder schön machen könnte, und das meiste ist schon von alleine schön. In diesem Haus wimmelt es von Details, an denen ich mich festgucken kann. Die alte Durchreiche in der Küche, die geschliffenen Scheiben in den Türen, die schönen alten Türklinken, der Vorratsschrank mit Fenster nach draußen, die alten Wasserhähne, der Kamin, der kleine Eckschrank im Flur, der Ton der Klingel, die alte Haustür, die Schiebefenster im Wintergarten, der Holzkeller und das kleine Gartenhäuschen. Und jetzt sitzen wir hier und wissen gar nichts mehr. Sobald ich die Fotos noch mal angeguckt habe, will ich da unbedingt hin. Aber ich hab auch Muffen vor so einer großen Entscheidung. Große Entscheidungen sind nicht meine Königsdisziplin. Und nun sowas.

Wer war das nochmal, der vorgestern noch unbedingt erwachsen werden wollte? Das war wohl ich. Also los.

Sonntag, 21. Februar 2010

Runter damit

Die letzte Pille ist geschluckt. So ein winziges gelbes Ding. Und trotzdem hat es sich angefühlt, als würde ein Kürbis meine Speiseröhre runterrumpeln.