Montag, 22. Februar 2010

Wer hat gesagt, dass Liebe einfach ist?

Internet, wir haben ein Problem. Noch vor drei Wochen hätte man mich nachts um drei wecken können und fragen: "Stadt oder Vorstadt?" und ich hätte geantwortet "Stadt natürlich, Sie Irrer, und jetzt will ich schlafen". Und jetzt liege ich hier, gucke mit Kuhaugen aus dem Fenster und male mir aus, wie ich mir unterm Dach mein kleines Muckelparadies einrichten würde, welche Farbe die Kletterrosen haben sollen und wie der Hund und ich in den Keller steigen, um Holz zu holen. Verdammt. Das wird wirklich schwer. Einerseits habe ich seit über 20 Jahren die Vorstellung von mir, mich in der Stadt am wohlsten zu fühlen. Ich stelle mir vor, wie ich Abends in der netten Bar an der Ecke sitze und Wein trinke, wie meine Freunde um die Ecke wohnen und ich im Sommer im Park liege und lese, ich sehe mich bummeln und ausgehen und am Wochenende durch irgendwelche Ausstellungen schlendern. Dass ich das so sehe, ist bestimmt ein wichtiger Teil der Wahrheit. Andererseits stimmt dieses Bild vorne und hinten nicht, wenn ich ehrlich bin. Ich wohne jetzt seit anderthalb Jahren in einem Viertel, in dem es ein großartiges Programmkino, jede Menge Bars und meinen Lieblingsitaliener gibt. Und die Gelegenheiten, zu denen ich das auch nutze, kann ich wirklich an zwei Händen abzählen. Im Museum war ich in dieser Stadt zuletzt vor zwei Jahren. Im Kino schon öfter, na gut. Und aus dem Alter, wo man bei seinen Freunden spontan klingelt und fragt, ob sie Lust zum Spielen haben, sind wir wohl raus. Die Frage ist, wie groß wäre die Not, wenn ich irgendwann in meiner Traumhütte sitzen würde und feststellen: selbst, wenn ich jetzt gerne noch unter Leute gehen würde für meinen Feierabendwein, ich könnte nicht? (Es sei denn, ich würde zusammen mit Taxi so viel ausgeben wie sonst für sieben Weine.) Es gibt dann noch die UBahn, und ich könnte meine Stadtaktivitäten auf die Abende verschieben, wenn ich gebucht bin und sowieso tagsüber in der Stadt bin.

Das ist doch irre. Hier sitze ich und phantasiere mir mein Leben im Grünen zusammen, und bisher mache ich mir nur Gedanken darüber, wie ich am besten möglichst viel Stadt reinpacken kann. Oder ist das nicht irre, sondern man nennt das Abwägen? Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass ich Stadt brauche, um nicht durchzudrehen. Die Frage ist nur, wie viel. Und im Moment sitze ich zwar mitten in der Stadt, aber erstens fängt die Stadt gerade an, mich häufiger gewaltig zu nerven, und andererseits tue ich gerade dauernd Sachen, die ich im Grünen genau so gut tun könnte. Ich kann da draußen auch nach Hause kommen, die Stiefel in die Ecke kicken, ein Glas Wein trinken, einen Post schreiben, Musik hören und Lesen. Ich kann Sonntags genau so gut Tatort gucken und mindestens genau so gut in der Küche stehen, backen und kochen. (Das kann ich sogar besser da, denn ich werde einen Gasherd haben, und wenn ich plötzlich denke, Rosmarin würde jetzt gut passen, dann gehe ich von der Küche direkt in den Garten und schneide mir in meinem Kräuterbeet einen Zweig ab.) Die passende Weinbar habe ich noch nicht gesehen, aber wer weiß, ob sie nicht doch irgendwo ist? Am Ende machen wir sie selbst auf?

Internet, es tut mir leid, ich glaube, ich bin verknallt.

Aber der Reihe nach. Nachdem ich die Edding-Schrift auf der Tür gesehen habe, hatte ich mit dem Schlimmsten gerechnet. Ich dachte, hier hat jemand gewohnt, der überhaupt keinen Sinn für irgend etwas hatte, was schön ist, und der im Zweifel alles durch Gedankenlosigkeit und Wurschtigkeit kaputt gemacht hat. Gestern haben wir fast zwei Stunden in der Hütte verbracht. Und ganz viel ist ganz schrecklich, und noch viel mehr ist ganz schrecklich kaputt. Aber davon ist nichts so kaputt, dass man es nicht wieder schön machen könnte, und das meiste ist schon von alleine schön. In diesem Haus wimmelt es von Details, an denen ich mich festgucken kann. Die alte Durchreiche in der Küche, die geschliffenen Scheiben in den Türen, die schönen alten Türklinken, der Vorratsschrank mit Fenster nach draußen, die alten Wasserhähne, der Kamin, der kleine Eckschrank im Flur, der Ton der Klingel, die alte Haustür, die Schiebefenster im Wintergarten, der Holzkeller und das kleine Gartenhäuschen. Und jetzt sitzen wir hier und wissen gar nichts mehr. Sobald ich die Fotos noch mal angeguckt habe, will ich da unbedingt hin. Aber ich hab auch Muffen vor so einer großen Entscheidung. Große Entscheidungen sind nicht meine Königsdisziplin. Und nun sowas.

Wer war das nochmal, der vorgestern noch unbedingt erwachsen werden wollte? Das war wohl ich. Also los.

3 Kommentare:

  1. Schatz, machen. Ich seh das vor mir. Ganz genau sogar. Und mach den Garten blickdicht, will dort im Sommer ungestört bräunen können.

    Deine N aus B

    AntwortenLöschen
  2. Mhmm, ganz schwere Entscheidung...
    Deine Überlegungen sind aber doch total normal! Stadt oder Land, egal,Du wirst das Richtige tun!
    Klingt jedenfalls alles sehr idyllisch:)

    Gibt es schon Details wg. Sa?

    Lieben Gruß, A.

    AntwortenLöschen
  3. Witzig, das mit dem erwachsen werden habe ich auch gedacht, inzwischen wohnen wir seit einem Jahr und vier Monaten in unserem Häuschen, aber ich fürchte erwachsen wird man erst wenn man selbst Kinder hat (jedenfalls denke ich das manchmal von mir). Na das kann ja heiter werden, wenn das so weiter geht muss ich also als "nicht-erwachsen" sterben. Es ist natürlich jeder anders, aber ich hatte auch Angst davor oder wusste nicht so richtig was ich wollte. Aber wir haben den Schritt nie bereut und fühlen uns pudelwohl im Haus mit Garten in der Vorstadt. Das Tier ist bei uns eine Katze die zumindest mich schon seit 12 Jahren begleitet und mehrere Umzüge mitgemacht hat. Das war auch so eine Sache bisher bin ich alle paar Jahre umgezogen und so ein Haus wirkt so endgültig, aber wie gesagt bisher ist alles schön und wir vermissen nichts. Haben sogar ein super Restaurant in laufweite im Ort, wenn man dieses hat braucht man kein anderes, aber wir hätten sogar Auswahl wenn wir sie wollten. Supermärkte aller Art sind auch in laufweite und in die Stadt brauchen wir egal ob mit Auto oder Zug 15 Minuten. Ich kann nicht sagen das wir seltener dort unterwegs sind als früher, aber wir waren eben auch früher nicht so oft in der Stadt unterwegs.
    Viel Glück bei der Entscheidung. Gruß, Susann

    AntwortenLöschen