Samstag, 13. Februar 2010

Man setzt nicht grundlos Kinderwünsche in die Welt

Vorgestern hat mich Em im Kommentar gebeten, mal was über gute Gründe fürs Kinderkriegen zu schreiben. Ich habe zwar das dumpfe Gefühl, mir bei diesem Thema gewaltig die Finger zu verbrennen, aber na gut. Schließlich schulde ich Em die Entspukung dieses Blogs und damit eine Menge. ich muss aber eins vorwegschicken: ich bin bestimmt nicht die Gründepolizei und kann (wie sowieso immer) nur für mich sprechen. Ich glaube auch, viele Dinge liegen auf der Hand. Kinder machen viel Arbeit, das will alles gut überlegt sein, Kinder taugen nicht zum Statussymbol, egal was die Zeitungen gerade schreiben, und was unsere Freunde zu dem Thema denken, kann uns schon deshalb wurscht sein, weil unsere Freunde nicht nachts um vier am Bettchen sitzen oder später versuchen müssen, die Heavy-Petting-Geräusche aus dem snoopygeschmückten Mädchenzimmer zu ignorieren. Das stimmt alles und ist bestimmt schon tausendmal gesagt worden, und wir sind uns bestimmt einig, dass gute Gründe immer eine gute Sache sind, ob es jetzt ums Kinderkriegen geht oder um andere Entscheidungen, die sich schwer rückgängig machen lassen. Aber eins fuchst mich doch im Zusammenhang mit der Gründefrage: wieso müssen wir Abkürzungsfrauen uns diese Frage eigentlich immer so besonders eindringlich stellen oder stellen lassen? Weil wir ein bisschen mehr tun als andere, um schwanger zu werden, und dieses "mehr" lieber durch Gründe gerechtfertigt sein sollte? Oder weil wir mit unserer Entscheidung für IVF oder sonstwas plötzlich unseren Kinderwunsch nicht mehr für uns haben, sondern Teil einer moralischen und politischen Diskussion geworden sind? Es gibt bestimmt "normale" Paare, die zu ihrem Kind kommen, weil sie nachts um zwei mit einer Flasche Cremant im Kopp ihn anschnurrt und sagt "ach Schatz, lass doch heute mal ohne". Oder umgekehrt. Die Gründe für ihren Familienzuwachs können sie sich dann ja später überlegen, falls sie das irgendwann mal auf einer Party gefragt werden sollten - was eher unwahrscheinlich ist. Die müssen das nicht näher erklären. Wir scheinbar schon (wie z.B. damals in diesem denkbar dämlichen taz-Artikel. Ich fange schon wieder an zu schäumen, wenn ich nur dran denke.) Versteht mich nicht falsch, ich finde, jeder sollte sich Gedanken über die Gründe für seinen Kinderwunsch machen. Und weil wir meistens viel mehr Zeit in der Wunschphase zubringen, oft sogar Jahre, bis es so weit ist, ist klar, dass die Gründe uns ein bisschen länger und damit auch mehr beschäftigen. Aber die Betonung liegt auf "uns". Andere gehen diese Gründe meiner Meinung nach einen feuchten Furz an, egal, ob das nun Journalisten sind, Leute, die zufällig auf einer Party neben uns sitzen, oder unsere Tante Frieda.

Gut. Damit zu einer weder gründlich durchdachten noch irgendwie sinnvoll sortierten oder vollständigen Liste guter und schlechter Gründe. Wobei ein schlechter Grund sich dadurch auszeichnet, dass man eines Tages dasteht und sich fragt "und wieso zum Henker wollte ich nochmal Kinder?Was hat mich eigentlich geritten?" Dieser Moment kommt bestimmt bei jedem noch so glücklichen Musterfamilchen vor, aber wenn er anhält und anhält und anhält, die Bäume verlieren die Blätter, Schnee fällt, dann kommt der Frühling ins Land und alles wieder und wieder von vorne, und der Moment ist immer noch nicht vorbei, dann war der Grund zum Kinderkriegen wohl nicht so ein Knüllergrund.

Also los.

1. Du kannst dir nicht vorstellen, eines Tages mal alt zu sein und kein Kind zu haben. Du siehst deine Zukunft im Rentenalter als eine Kette grauer Nachmittage vor dem Fernseher, plötzlich bist du die einsame Oma, die immer aus dem Fenster guckt, wo es absolut nichts zu sehen gibt. Dieser Grund ist sehr verständlich, ob er auch sehr gut ist, weiß ich nicht. Nach dem Abi habe ich eine Weile lang in den Semesterferien in einem trostlosen Altersheim gearbeitet. In fast jedem Zimmer saß eine Frau, die genau dieses Leben geführt hat. Die meisten davon hatten Kinder, und hat es was geändert? Kleine Kinder taugen nicht als Gesellschaft, und wenn sie älter sind, dann wollen sie dich nicht mehr als Gesellschaft. Trotzdem fällt es mir schwer, diesen Grund zu den schlechten Gründen zu zählen. Er hängt so in der Mitte rum.

2. Du hast so eine Art Diashow vor deinem inneren Auge. Da erscheint z.B. ein Bild, wie Dir nach glücklicher Geburt dein zauberhaftes Marzipanbaby in den Arm gelegt wird. Oder wie du später deine kleinen, frisch gebadeten Kinder abends in ihren Bettchen mit karierter Bauernbettwäsche zudeckst und ihnen noch mal durchs Haar wuschelst. Oder wie dein Zwölfjähriger an Heiligabend jubelnd sein neues Cello auspackt (das alte war aber auch schon völlig durchgeübt). Sollten solche Glücksdias der einzige Grund sein, dann fürchte ich, wird es ein böses Erwachen geben. Aber abgesehen davon träumen wir vermutlich alle ab und zu von sowas, wenn es nicht so wäre, würde es schlecht stehen um die Geburtenraten. Da muss man nicht gleich barsch werden und irgendwas von "romantisierter Mist, bürgerliches wunschdenken, die armen Kinder, Rabenmutter" fauchen.

3. Die angeblichen Mistgründe haben wir alle schon mal irgendwo gelesen, vermutlich im Zusammenhang mit jungen Müttern über 40. Da ist dann die Rede davon, dass man nichts verpassen will, dass man alles haben will, dass man denkt, ein Kind würde die Rückbank vom Geländewagen so schön schmücken, dass man auch so einen teuren Kinderwagen will und so, dass die kinderlosen Nachbarn vor Neid kotzen sollen. Blöde Gründe, kann ja sein. Aber ganz ehrlich, zeigt mir doch bitte mal eine Frau, für die das und nur das der Grund ist. Ich glaube nicht, dass es die gibt. Die hat sich irgendwer ausgedacht, der vermutlich Frauen nicht besonders gern mag. (Ich hab das dumpfe Gefühl, dieses Gemeckere über ältere Mütter ist einfach eine Spielart dessen, dass Frauen über 35 bei einigen Menschen insgesamt nicht so beliebt sind und sich am besten für alles entschuldigen sollen, was sie tun oder lassen. Haltet mich ruhig für ein verbohrtes Kampfweib.)

4. Ihr wollt einfach. Und zwar mit allem, was dazugehört. Ihr wollt auch mal jemandem bei den Physikhausaufgaben "helfen". Ihr wollt jemanden, der euer Essen hasst und euch den Urlaub vermiest, weil er erst auf einen anderen Kontinent mit euch fliegen musste, um festzustellen, wie uncool seine Eltern sind. Ihr wollt jemandes Hamsterkäfig saubermachen und auf Autofahrten in Zukunft Benjamin Blümchen hören müssen. Ihr wollt Heiligabend und Montagmorgen. Toller Grund.

5. Ist eigentlich kein Grund, sondern nur die Hoffnung, dass die Gründe in dem Moment nicht mehr so wichtig sind, wenn das Kind erst da ist. Denn dann ist es gleich sowas von da, wird gefälligst geliebt und groß gezogen. Natürlich wäre es schade, jetzt festzustellen, dass mit dem Kind alles verschwunden ist, was wir an unserem Leben mal gut und wichtig fanden. Ich kann es natürlich nicht wissen, denn ich habe ja, hatte ich das schon mal erwähn? keine Kinder. Aber ich glaube, Kinder können fabelhaft ihr eigener Grund sein. Falls ihr versteht, was die wirre Blogtante jetzt schon wieder meint.

Damit endet der vermutlich längste Post, der jemals auf einem iPhone geschrieben wurde. Wir sind nämlich für ein paar Tage in die Heide geflüchtet, in Lilis Wochenendhaus. Es ist das Paradies. Der Schnee liegt hüfthoch, und wenn wir nicht gerade lesen, schlafen oder in den Kamin starren, bahnen wir uns mit dem Hund Trampelpfade zum Brennholzschuppen oder zur Waschküche.

4 Kommentare:

  1. Liebe Fffffff,
    zwei meiner Kerle haben kleine Würmchen mit in die Beziehung gebracht, die ich geliebt habe, als wären's meine eigenen (neeeiiiiiin, das geht gar nicht, kräht jetzt bestimmt das Geschwader der richtigen Mütter). Ich kenne durchgekotzte Nächte, Kuscheleinheiten an schwitzigen Kinderhaaren (herrlich!), zu wenig Schlaf, wilde Basteleien mit völlig verklebter Umgebung, Kindergartengedöns, Dauerbronchitis, Lieblingsessen kochen, Tiere gucken, keine Clubs, Schlappen statt High-Heels und all sowas. Und ich weiß, wie entsetzlich es ist, wenn man so ein Kind dann irgendwann nicht mehr sieht, weil der Kerl was dagegen hat, oder die Kinds-Mutter. Also inklusive kleinem Vorgeschmack, wie das Abnabeln der Brut sein kann. Aber trotzdem.....unterm Strich ist der schönste, beste, wahrste Grund (und da krähen dann alle Frauen, die gerne ohne Mann ein Kind bekommen möchten oder haben), sich zu lieben und sich ein Kind schenken zu wollen. Rosarot, mit Fruchtbarkeits-Gewaber im Kopf. Aber wie ich finde, völlig in Ordnung.
    Und um den Kartoffelsalat beneide ich Dich. Brühe oder Mayo? Essiggürkchen oder Salatgurke? Mit oder ohne Speck? Vielleicht sollte ich auch....
    Grüße in die Heide,
    Ssssssss

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  2. Liebe Flora,

    danke, dass Du Dich so intensiv mit den Gründen beschäfigst und uns dran teilhaben läßt, aber
    müssen wir wirklich gute Gründe für den Kinderwunsch aufzählen? Ist es nicht eh schon so stressig genug?

    Ich weiß, dass jeder von uns geht mit dem Thema anders um, und das ist auch gut so.
    Nur bei all den guten Gründen für den Wunsch nach einem Kind frage ich mich leider immer wieder, was ist, wenn es nicht klappt. Oder was ist, wenn es nicht gesund auf die Welt kommt?
    Ist es richtig was ich tue? Muss ich das Glück bezwingen oder kann ich nicht auch ohne weiterhin glücklich & zufrieden leben?

    Und dann würde ich mir wünschen, dass ich nach einer Flasche Cremont angeheitert und ohne Hintergedanken einfach doch noch auf natürlichem Weg schwanger werden würde und mir all die 1000 Fragen und die Suche nach guten Gründen sparen könnte!

    Soviel von mir, und jetzt mach ich auch Kartoffelsalat! Sehr gute Idee von Dir, danke :)

    Ein romantisches Valentinswochenende wünscht Dir, A.

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  3. Liebe Flora, danke für das alles, was Du heute geschrieben hast, von oben bis unten - Du sprichst mir aus der Seele.
    Bin gespannt, ob Du auch irgendwann mal über meinen Lieblings-Aufreger schreibst: das verbreitete Expertentum, sobald es ums Kinderkriegen geht. Oder wer kennt nicht die ungefragt ausgeteilten Hinweise auf die "Seelchen, die sich ihre Eltern suchen" ? Die Ratschläge von "du musst es nur richtig wollen, vermutlich ist dir im Moment unbewusst die Arbeit wichtiger?" bis "du darfst es eben nicht so sehr wollen, sonst klappts nie". Überraschend, wieviele 'Experten' zu dem Thema eine Meinung parat haben. (Ich hab mir sagen lassen, dass das nur dann noch schlimmer wird, wenn man Kinder hat- na das wird spaßig)
    Liebe Flora, schreib weiter so wie Du schreibst! (und natürlich nur worüber Du willst), viele Grüße, Jo

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  4. Liebe Flora,
    eigentlich sollte niemand erklären müssen warum sie/er sich wünscht eine Familie gründen zu wollen! Es gibt millionen gute Gründe dafür und vielleicht sogar ein paar dagegen...
    Es ist schade, daß sich Frauen, bei denen es nicht sofort funzt unter Zugzwang geraten, warum es noch nicht geklappt hat bzw. warum man nun doch noch ein Kind möchte!
    Leider wird es dann noch schlimmer, wenn es auf dem natürlichen Weg wohl wirklich nciht klappt, auch nicht mit Hilfe, und man sich für eine Adoption entscheidet.... Da darfst du dich dann seitenlang sogar schriftlich und mit Führungszeugnis rechtfertigen und erklären... ;-b

    Gruß oenskedroem

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