Als ich klein war, war mein größter Traum, auf einem Pferd zu sitzen. Ach, was rede ich, ein Pferd anfassen zu dürfen. Angucken! Den Geruch in der Nase zu haben. In einem Stall herumzulungern und dort tatsächlich hin zu gehören, offensichtlich, mit Reithose und Reitstiefeln. (Der Helm war mir nicht so wichtig, aus welchen Gründen auch immer. Ich hab tatsächlich nie einen getragen später... wenn ich so drüber nachdenke... was soll's.) Irgendwann zeichnete sich ab, dass dieser Traum wahr werden würde. Dieses unwahrscheinliche Glück würde ausgerechnet mir zuteil werden! Ich konnte es kaum fassen. Ich habe den ganzen Tag von nichts anderem geredet. Ich habe mir stapelweise Pferdebücher geliehen, ein paar Pferdeposter aufgehängt und konnte schnell mit den anderen Mädchen aus meiner Klasse (die davon genau so wenig Ahnung hatten wie ich) über Haflinger, Norweger und Isländer fachsimpeln. 23 Stunden am Tag war ich vollkommen aus dem Häuschen vor Glück. Eine Stunde allerdings lag ich starr vor Angst im Bett und machte mir fast in die Hose. Pferde! Diese riesigen Viecher! Mit den Hufen, die sie dir jederzeit an wichtige und von Nerven durchzogene Körperteile knallen können! Von denen man runterfallen kann, woraufhin man, wenn es ganz doof läuft, im Rollstuhl sitzt! (Ja, genau. Das machte mir zwar Sorgen, aber doch nicht genug Sorgen für einen Helm.) Die beißen! Ich lag da, starrte ins Leere und dachte voller Furcht daran, dass ich da jetzt wirklich und im Ernst hinmüsste. In die Pferdehölle. Das war kein Fall von "pass auf, worum du bittest, du könntest es bekommen", das war wirklich nackte Angst.
(Dass der große Pferdetraum dann irgendwie doch nicht bis heute überlebt hat, lag nicht an den Pferden, ihren Hufen oder ihren Zähnen, sondern daran, dass ich leider mit den meisten Menschen im näheren Umfeld von Pferden nicht so kann. Bzw. die mit mir. Bzw. was auch immer.)
So ähnlich geht es mir gerade manchmal. Ich freue mich wie irre. Aber ich fürchte mich auch wie irre. Mein Lemmingbaby robbt in irrem Tempo auf Treppen, ungesicherte Steckdosen in fremden Wohnungen, Vasen, herunterhängende Tischdecken, Guillotinen, Hochspannungsleitungen, Atomkriegauslöseknöpfe und Krokodilbecken zu, und ich renne hinterher und kann manchmal kaum etwas anderes denken als "Verdammt. Verdammt. Verdammt. Und demnächst sind es zwei." Ich weiß schon, dass Kind 1 bei Ankunft von Kind 2 schon größer sein wird, aber im Moment ist das kaum beruhigend, denn bis dahin wird er zwar laufen können, aber noch nicht imstande sein, meinen Erklärungen zu folgen, wieso er nicht ins Krokodilbecken springen soll. Ich werde einfach schneller rennen müssen, das ist alles. "Eine Leine wäre gar nicht doof" bemerkte meine Schwester dieses Wochenende. Auch, wenn keine Todesgefahr im Spiel ist - wie wird das, wenn beide Kinder brüllen und ich leider erst eine, dann die andere Flasche machen kann? Wird das Kleinere immer zuerst versorgt, oder erzeugt das diese scheußlichen von Grund auf vergifteten Geschwisterhassbeziehungen? Rächt sich das mit heimlichen Bissen und Knüffen? Oder kommen die Bisse und Knüffe sowieso auf mich zu? Wie ist das, wenn zwei Babys in einem Zimmer schlafen, machen die sich gegenseitig wach? Irgendwie fällt mir ständig dieser schon immer bescheuerte Denk-Klimmzug ein, was man aus dem brennenden Haus tragen würde, wenn man nur eine Sache retten könnte. "Und wenn ich eins links und eins rechts trage?" "EINE SACHE", lautet die pedantische Antwort.
L. wird mehr ran müssen, das ist klar. Aber ist ihm das auch wirklich klar? Nicht nur theoretisch, sondern praktisch? Was wird mit unserem Kindermädchen? Kann ein Kindermädchen überhaupt damit betraut werden, sich um zwei Kinder zu kümmern? Einige Probleme lassen sich einfach mit Geld lösen, sollten wir ein größeres Auto brauchen oder doch einen Geschwisterkinderwagen, weil das mit dem Adapter für unseren nicht so funktioniert wie gedacht, dann ist das eben so, deshalb bekomme ich keine grauen Haare. Aber alles andere - uff. Wie macht ihr das denn, ihr Zwillingsmütter und Mütter von zwei ziemlich eng zusammenliegenden Kindern da draußen? Und kommt ihr überhaupt dazu, Blogs zu lesen? Geschweige denn Kommentare zu schreiben? Das würde mich wirklich mal interessieren.
One Meal Fits All
vor 17 Stunden