Samstag, 6. September 2014

Themen 1 bis 11, einfach zusammengetrieben und in einen einzigen engen und schlecht belüfteten Post gepfercht.

1. will ich Euch im Namen einer NDR-Journalistin um etwas bitten: wir haben uns alle (oder fast alle) schon oft am Kopf gekratzt, was das eigentlich soll, dass Abkürzungsbehandlungen aus Sicht der Krankenkassen nur verheirateten Paaren vorbehalten bleiben. Übrigens als einzige Kassenleistung weit und breit. Genau zu diesem Thema möchte die Journalistin einen kritischen Beitrag machen und sucht dafür betroffene Paare, am liebsten aus Norddeutschland. Ich find’s toll, dass das Thema inzwischen so weit in den anfangs so fremdelnden Medien angekommen ist, dass auch mal so ein ganz sachliches Thema diskutiert wird statt der üblichen Tränendrüsen-Schicksals-Berichterstattung, und würde mich freuen, wenn sich die eine oder andere von Euch findet. Falls Ihr dabei sein wollt, schreibt mir bitte an die Email-Adresse flora.albarelli@yahoo.com. (Ja, die Adresse verwende ich nur für solche Zwecke, nein, abseits solcher Aufrufe gucke ich da nicht rein, und nein, deshalb ist es auch keine böse Absicht, wenn mir eine von euch dorthin geschrieben haben sollte und ich auf ihre lange nette Email gar nicht geantwortet habe. Wer schnell gelesen und im Zweifel beantwortet werden will, bitte weiter per Kommentar.)

2. sind einige Klischees rund ums Kinderhaben und Kinderkriegen doch nicht so doof. Das Kitaviren-Klischee z.B. Mein Sohn geht jetzt seit Anfang August dort hin und musste bisher fünf mal zuhause bleiben, teilweise für mehrere Tage, weil er in der Kita Durchfall hatte. Zuhause ist ihm von all diesen gefährlichen Infektionskrankheiten nie etwas anzumerken. Zuletzt hat er sich Dienstag (nachdem ich ihn morgens quietschlebendig und unkrank wie nur was abgeliefert hatte) übergeben, daraufhin musste ich aus der Stadt angerast kommen (L. kam gerade vom Flug und hatte das Telefon aus) und ihn abholen. Woraufhin er den weiteren und die beiden folgenden Tage knallgesund war - nur eben zuhause. Gestern morgen habe ich ihn wieder hingebracht, mal schauen, für wie lange. In Südamerika, erzählt L., ruft eine Frau, deren Kind krank wird, alle anderen Frauen mit Kindern in der Umgebung an, die kommen dann alle rum und gönnen ihren Kleinen ein hübsches Virenbad - damit sie es hinter sich haben. Da bekommen wir also das Rundum-Paket! Nette Gesellschaft, anregende Umgebung, liebevolle Betreuung und das Deluxe-Paket Abhärtung XXL. Die Kindergärtnerin sagte, ja, das geht allen so, und ja, das dauert vermutlich das komplette erste Jahr. Wir seufzen und wappnen uns. Und schicken eine Voodoo-Extradosis Zahngebrüll an die Eltern, die es einfach nicht raffen und ihre Kinder morgens trotz sieben Meter gegen den Wind stinkendem Durchfall und Fieber dort abliefern. Warum es unserer Zuckerwurst zuhause immer gut geht, dazu habe ich mehrere Theorien. Theorie a: auch dank der Hunde ist sein Immunsystem schon relativ fit. Das heißt, er fängt sich zwar etwas ein - genug, um einmal die Windel vollzustinken z.B. - aber dann ist er auch fast sofort durch damit. Theorie b: Kinder haben eben ab und zu mal eine Flüssigwindel, ohne dass das gleich das Norovirus oder Ähnliches bedeuten muss. Nur hat die Kita eben ihre Vorschriften, also muss er nach Hause und darf 48 Stunden nicht wiederkommen. Theorie c, an die glaube ich selbst überhaupt nicht: Nur zuhause fühlt er sich wohl, der arme Schatz! Und darum sagt er ganz deutlich, dass er lieber zuhause sein möchte, in der einzigen Sprache, die er bisher beherrscht: Durchfall. Theorie d: die Kitadamen sind überlastet und dezimieren die Gruppe, indem sie ständig gesunde Kinder nach Hause schicken. Auch daran will ich nicht glauben.

3. Andere kriegen das gut hin mit Babyfotos, auf denen das Gesicht gerade so abgewendet oder unscharf ist, ich eben nicht. Hätte ich eins, würde ich es posten. Würmchen ist so niedlich, dass ich vermutlich demnächst aus sämtlichen What’s-App-Gruppen fliege wegen meiner Babyfotos, ich will, dass ihn alle sehen. Und es ist nicht nur die Zuckerschnute, sondern alles: wie er “hmmm” macht und den Kopf in den Nacken legt, wenn er etwas besonders Leckeres isst. Wie er den Löwen nachmacht. “hrrmmm.” Wie er sich die Ohren zuhält, wenn ein Flugzeug über unsere Köpfe fliegt. Wie er mir von allem, was er isst, den ersten Bissen abgeben will. Wie er beim Einschlafen immer erst tobig ist und beißen will und sich dann resigniert aufs Kuscheln verlegt. Wie er dem Hund um den Hals fällt. Wie er “chrp, chrp” kleine Fressgeräusche nachmacht, wenn wir zusammen die kleine Raupe Nimmersatt lesen. Ich kann nicht fassen, dass L. und ich (und Frau Doktor) zusammen so etwas Niedliches hinbekommen haben sollen.

4. waren wir zusammen auf der Hochzeit meiner Schwester, die erste Flugreise als ganze Familie. Und es ging gut, sehr gut sogar. Vor die Wahl gestellt, ob ich mit einem Haufen willkürlich ausgewählter Fremder und Würmchens willkürlich ausgewählter Laune lieber fünf Stunden in einem ICE stecken will oder 45 Minuten in einem Flugzeug, nehme ich das Flugzeug, auch wenn es noch etwas enger ist. Ich hätte mir aber gar keine Gedanken machen müssen. Der Druckausgleich-Trick mit dem Fläschchen funktioniert, wir haben ihm einfach eine große Flasche Wasser beim Start und der Landung zum Saugen gegeben, dann tun ihm die Ohren nicht weh. Wir haben außerdem für den kurzen Flug unsererseits auf Getränke verzichtet, das wäre nicht gut gegangen mit Klapptablett und Baby. Kurz vor Abflug gab es noch mal eine Windel und unterwegs die Raupe Nimmersatt, und dann waren wir auch schon da. Taxi mit altersgemäßem Kindersitz kann man vorbestellen, alles kein Problem.

5. Und dann die Hochzeit! Die war toll. In Hamburg ist es Konsens, dass man in München nicht leben könnte. Ich finde aber, man könnte das sehr gut. Ich finde in München an jeder Ecke irgend etwas, was mir die Aussicht sogar ziemlich verlockend erscheinen lässt. Das meiste davon ist essbar. Ich kann wenig auszusetzen finden an einer Stadt, wo man innerhalb von hundert Quadratmetern 1a griechische Vorspeisen, Schweinsbraten mit Kruste unter Kastanien und eine Riesenauswahl von Bio-Sorbet essen kann. Und direkt um die Ecke ist der englische Garten, wo man sich die ganzen Schweinereien wieder runterspazieren oder runterrennen kann, wenn man irgendwann über sein blödsinniges Pipiproblem hinweg… aber lassen wir das. Hmmm! hat Kalle gemacht. Das Tollste an der Hochzeit war aber, zu sehen, in was für eine nette, herzliche, fröhliche und rundum gute Familie meine Schwester da eingeheiratet hat. Die kannte ich nämlich alle noch gar nicht. Jetzt freue ich mich wie Bolle auf die kirchliche Hochzeit nächstes Jahr Anfang Juli. (Nicht zuletzt auch deshalb, weil es jetzt mit den schwangeren Hochzeiten mal reicht. Über Jahre habe ich mich beschwert, dass in meinem Umkreis niemand heiratet. Jetzt heiraten alle, und immer bin ich zur großen Sause schwanger. Nächste Woche sind wir wieder auf einer Hochzeit, und ich werde da stehen mit meinem Orangensaft und in meinem Zeltkleid, in vernünftiger- und tristerweise flachen Schuhen, tapfer die köstlichen Fischhäppchen ablehnen und gegen zehn ins Bett verschwinden.)

6. ist die Brille endlich fertig, bezahlt und abgeholt. Kontaktlinsen kann ich immer noch nur einseitig tragen, was bei minus acht Dioptrien dazu führt, dass ich innerhalb kürzester Zeit einen Hornissenschwarm im Kopf habe und anfange zu schielen. Mein rechtes Auge hat - laut Augenärztin schwangerschaftsbedingt - sich so sehr verändert, dass Kontaktlinsen dazu jetzt gerade nicht so gut passen, und eine Weile Pause muss ich ihm noch gönnen. Also sehe ich gerade folgendermaßen aus: unten der Bauch, so weit klar. Dann ein ziemlich rotes Gesicht. Das als “Strahlen” zu bezeichnen, würde den Begriff sehr dehnen. Darüber die Landfrisur: der Puschel durch die von Kalle ausgerissenen Haare steht in vollem Saft, ich habe praktisch keine Stirn mehr, es sei denn, ich trage eins dieser breiten Kopfbänder, die aber bei meiner Kopfform leider immer im Lauf einer Viertelstunde so verrutschen, dass es auch wieder nichts ist. Hinter dem Kopfband sind einige Wirbel, die auch von der Schwangerschaft zu profitieren scheinen. Mit dicken, glänzenden Locken ist es diesmal nichts, jeden Morgen im Spiegel erwartet mich eine neue Überraschung. Und mitten im Gesicht meine Brille, Modell Politbüro, die wirklich extrem robust wirkt, aber es nicht ist: die letzte Reparatur war schon die dritte, weil Kalle sie mir immer wieder von der Nase reißt und ein Glas auf dem Boden zerknallt. Jedes Mal kostet es so um die 180 Euro, denn weil ich so dermaßen blind bin, müssen die Gläser irgendwie speziell sein, damit die Brille nicht im Schneckentempo meine Ohren amputiert vor lauter Glasbaustein. Aber reden wir nicht über Geld, reden wir über Schönheit und Ausstrahlung. Frisur, Figur, Brille, uffjedunsenes Gesicht mit kleinen, von Kontaktlinsenunverträglichkeit geröteten Schweinsäuglein: Tadaaa! Fertig ist der bei der Geburt getrennte Zwilling von Roncalli-Direktor Bernhard Paul. (Vermutlich frage inzwischen nicht nur ich mich, wie eine wie ich zu so einem niedlichen Kind kommt. Passanten schütteln die Köpfe.)

7. Obwohl sie es nicht verdienen, habe ich meinen Haaren zwei neue Shampoos gekauft und habe das Gefühl, wenigstens beim Duft bin ich angekommen: Asfera von Furterer und Harmonic von Intelligent Nutrients riechen beide schön frisch nach Minze, hinterlassen eine kühle, aber nicht trockene Kopfhaut, machen quietschsauber, ohne zu vertrocknen, und dürfen für’s Erste bleiben. Ich hoffe, wenn nach der Geburt die Frisur irgendwann wieder normal ist, dann kann ich auch beurteilen, ob meine Haare genau so begeistert sind wie ich. Außerdem bin ich dazu übergegangen, nach jeder Wäsche die immer trockene Freaksträhne an meinem Hinterkopf mit Klettenwurzelöl einzureiben: es lag da noch rum, kostet fast nichts und bekommt jetzt seine Chance, wo stinketeure Superkuren versagt haben.

8. L. hat es tatsächlich durchgezogen: er hat 30 Tage lang vegan gelebt und ungefähr sieben Kilo abgenommen. Was heißt, dass er mit kleinen Auflockerungen weiter machen will. Und nicht nur das ist die Überraschung: wir haben uns auch nicht die Köpfe eingeschlagen. Was vermutlich auch daran lag, dass er seine Kocherei weitgehend für sich behalten hat und sich extrem am Riemen gerissen hat, mir meine Schweinebraten und meinen Speck madig zu machen. Manchmal sah die Küche schlimm aus. Vor die Wahl gestellt, ob ich das in zehn Minuten schnell wegmache oder mir den Abend versaue, indem ich deshalb Krach anfange, muss ich sagen, hab ich mich meistens für erst wegmachen und später die eine oder andere spitze Bemerkung entschieden, den weiblichen Klassiker. Und nicht nur L.s Figur, auch mein Budget profitiert, denn während L. früher gerne mal ein halbes Kilo Käse als kleinen Snack zwischendurch gegessen hat, habe ich jetzt meine Schätze im Kühlschrank ganz für mich allein und muss nur mit Kalle teilen, während er sich mit Pastinaken und Mandelmus vergnügt.

9. Der letzte Tag auf der Arbeit rückt näher, und noch ist kein Ersatz für mich in Sicht. Ich habe noch mal recherchiert, und dem SMS-Verkehr mit meinen Mädchen ist zu entnehmen, dass ich am 31. März meine Chefs über die Schwangerschaft informiert habe, genau wie über den Termin, zu dem ich in den Mutterschutz gehe. Nachdem ich von Würmchens Klumpfuß erfahren hatte, war ich erst mal im Urlaub, aber gleich am ersten Tag zurück am Schreibtisch habe ich ihnen auch das gesagt und dass es bedeutet, dass ich diesmal nicht nach drei Monaten, sondern wohl erst nach sechs oder vielleicht sogar noch später zurück komme, weil hier dann eben andere Aufgaben auf mich warten. (Darauf haben sie übrigens wie aus dem Lehrbuch für den Chef des Jahres reagiert.) Seitdem… 21. 22. 23. Immer noch ist unklar, wer in meiner Abwesenheit meine Jobs übernimmt. Es sollte mich nicht beschäftigen, tut es aber. Ich würde gerne mit einem guten Gefühl und einem sauberen Schreibtisch in die Pause gehen. Hrrrrrr. Währenddessen fällt es mir jedes Mal schwerer, mich in die Bahn zu wuchten und dann acht Stunden aufrecht und konzentriert an meinem Rechner zu verbringen. Das Augenproblem kam noch dazu, besonders in unserem Konferenzraum zu Abstimmungen liefen mir dicke Tränen über das Gesicht, und ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Auf der Treppe aus der Ubahn halte ich mich am Geländer fest und schnaufe, und als neulich der Fahrstuhl gewartet wurde, habe ich kurz überlegt, diesen Arbeitstag zu knicken und einfach wieder nach Hause zu gehen, denn zu Fuß in den sechsten Stock? Entschuldigung. Nachmittags lege ich mich mit Rechner immer schon eine Stunde aufs Sofa in den Pausenraum, aber auch das ist nur Kosmetik. Ich zähle die Tage: neun sind es noch. Und gleichzeitig treibt es mich wirklich um, dass ich nicht weiß, wie das ab dann werden soll mit meinen Job-Babies.

10. Zu dem kleinen Kommentarkrieg von letzter Woche sage ich jetzt mal nichts mehr. Ich habe das Gefühl, da ist alles gesagt, und zwar mehrfach und von allen Beteiligten.

11. Wie wäre mal wieder Stammtisch? Zur Abwechslung Brunch? Tut mir leid, ich will euch nicht mein Alkohol- und Kippenverbot aufzwingen, aber abends gehen bei mir leider zu früh die Lichter aus, das lohnt sich kaum, dafür das Haus zu verlassen. Ein schicker Sonntag also? Irgendwann demnächst, Ende September, Anfang Oktober? Hebt doch mal vorsichtig die Kommentarhand, wer grundsätzlich Lust hätte.

2 Kommentare:

  1. Man muss gar nicht bis nach Südamerika gehen, um diese Form der Abhärtung der Kinder anzutreffen: Die Schweizer tun es gleich. Dort wird das Impfen gegen alle Kinderkrankheiten kritischer betrachtet als hier.

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  2. Hurgahh--ich hoffe, hier wird nicht grade wieder eine Unsinns-Diskussion zum Thema Impfen losgetreten. Als berufstätige Mutter kann man nur sagen - jede Krankheit, die mein Kind nicht bekommt, ist ein Gewinn fürs Familienleben.
    Und ob nun "Masernparties" und ähnliches wirklich sinnvoll sind, hat sicher jeder Kinderarzt, der ein Kind an der Spätfolge SSPE hat sterben sehen, eine ziemlich dezidierte Meinung. Gerade in der Schweiz gab es in den letzten Jahren einige größere Asubrüche.

    Liebe Grüße

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