Mein Job geht mir auf die Nerven. Und zwar schon ziemlich lange. Genauer gesagt ist es weniger mein Job als mein Arbeitgeber. Ich habe seit über einem Jahr fast nur noch uninteressante Sachen auf dem Tisch. Sachen, die gemacht werden müssen und die auch mit Verantwortung verbunden sind, jajaja, und Sachen, für deren Erledigung mir alle sehr dankbar sind, nochmal jajaja, aber irgendwie tue ich gerade wenig von dem, wofür ich meinen Beruf so liebe. Ein klarer Fall von Große-Schwestern-Falle: dein Bruder spült immer so schlurig und lässt alles fallen, sei ein liebes Mädchen und mach das schnell. Und aus dieser Falle gibt es kein Entkommen außer volljährig werden und ausziehen. Deshalb habe ich mir vor ein paar Monaten schon überlegt, zu kündigen und mir entweder einen neuen Job zu suchen oder frei zu arbeiten. Aber was, wenn ich schwanger werde? Immerhin unternehme ich ja gerade eine Menge dafür, jedenfalls mehr, als die Snoopy-Unterhosen für eine Weile ganz hinten im Schrank zu verstauen, zum Pilates zu gehen und ab und zu eine Duftkerze zu entzünden, so wie andere gewiefte Mädchen das tun.
Letztes Jahr, als ich mit den Mädchen eine Finca gemietet hatte, habe ich Abends um sieben auf dem Luftmatratzensessel im Pool gelegen, die Zehen ins Wasser gehalten, Cava getrunken und überlegt: noch 20 Minuten, dann müsste mein Brathuhn fertig sein, dann wird dieser jetzt schon phantastische Tag noch ein bisschen schöner, und in vier Tagen fliegen wir schon wieder, ist das nicht zum Heulen? Und als eins der Mädchen sagte: nächstes Jahr, wie wärs, wir mieten uns ein großes Haus auf Sardinien? Da war ich erst sehr glücklich über diesen Vorschlag, aber dann dachte ich: furchtbar gerne, nichts lieber als das, aber was, wenn ich bis dahin ein Baby habe? Eins, das erst vier Wochen alt ist? Und dann dreht sich mein ganzer Tag und leider auch die Nacht ums Stillen und Windeln wechseln, und die Mädchen liegen nachts da und knirschen mit den Zähnen, weil sie nicht schlafen können bei dem Baby-Gebrüll? Nein, das geht nicht, also... nein. Aber ich will doch eigentlich unbedingt diesen Urlaub in diesem Haus! (Gut, dass meine Eileiter in diesem Moment schon genau wussten: Mach dir keine Sorgen, Hase, das wird so schnell nichts, vertrau uns – das konnte ich ja nicht ahnen.)
Vor ein paar Monaten habe ich die Mitgliedschaft in meinem poshen Fitnessclub gekündigt, weil mir die Kurse nicht gefallen haben und Power-Yoga und Pilates immer genau dann waren, wenn ich arbeite. Außerdem war die Saunalandschaft zwar umwerfend, aber da tauchten immer öfter Leute auf, denen ich nicht nackt begegnen will. Und dann stellte ich eines Tages auch noch fest, dass ich für 90 Euro monatlich nun schon seit zehn Monaten kein einziges Mal da gewesen war. Also hab ich gekündigt. Jetzt würde ich gerne in einem anderen Club Mitglied werden, in einem, in dem die Sauna nicht ganz so schick ist, aber dafür die Kurse besser. Aber was, wenn ich in ein paar Wochen schwanger bin und es eine komplizierte Schwangerschaft ist, Zwillinge oder sogar mehr, und ich darf keinen Sport treiben? Und an Sauna ist auch nicht zu denken?
Mein Leben hängt in der Warteschleife. Und ich bin ganz alleine Schuld. Denn wie sich zeigt, hätte nichts dem Haus auf Sardinien im Weg gestanden. Und wenn ich vor einem Jahr gekündigt hätte, dann hätte ich jetzt einen neuen Job, und selbst wenn ich jetzt schwanger werden würde, wäre mir kein Arbeitgeber, der bei Trost ist, deshalb böse. Ich könnte auch seit einem halben Jahr im perfekten Yoga-Kurs sein. (Gut, mehrere Monate des letzten halben Jahres hatte ich Sportverbot, aber THEORETISCH...) Hätte, hätte, Herrentoilette.
Langsam dämmert es mir, dass es gut sein kann, dass das alles überhaupt nicht klappt. Und zwar nicht so wie in „und gerade, wenn du denkst, das wird sowieso nichts, dann klappt es nämlich! Genau dann!“ Vielleicht klappt es ja nie wie in nie. Und deshalb – Trommelwirbel – habe ich vor ein paar Wochen trotzdem gekündigt. Das Haus auf Sardinien wird leider nichts, und das ist zum Heulen. Aber jetzt werde ich nur noch grob vier Wochen lang damit beschäftigt sein, werktags irgendwelchen zeit- und nervenfressenden Quatsch zu machen, und dann was Neues anfangen. Und wenn ich dann schwanger werde, dann wäre eigentlich alles perfekt. Denn ich kenne kein besseres Mittel, sich in dieser merkwürdigen Befruchtungsmaschinerie endlich ein bisschen normal zu fühlen, als schwanger zu sein und sich zu denken „Au Backe, mein Job/mein Urlaub/mein Leben“.
invisible apple cake
vor 4 Tagen
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