Samstag, 18. April 2009

Nie wieder die Pille danach

Ich weiß noch, als ich 19 war. Da hatte ich einen Freund und nahm die Pille. Ich bin zwar sehr unordentlich, aber das mit der Pille kriegte ich immer hin. Und wenn ich mal drei Stunden damit zu spät war oder sogar acht, dann haben wir Kondome genommen.
Einmal waren es 12 Stunden, und an einem Samstag ist das Kondom gerissen. Das war für mich ein Notfall. Ich war zwar ruhig, aber auf die Notfall-Art ruhig. So ruhig wie man bleibt, wenn einem auf der Autobahn ein Reifen platzt und man trotzdem alles richtig macht. Ich hab mich angezogen, in der Zeitung nachgeguckt, welches Krankenhaus Notdienst hat, hab mich in meinen R4 gesetzt und bin da hin gefahren. Mein Freund wollte mit, zur Unterstützung. Ich wäre lieber allein gefahren. Im Krankenhaus im Nachbarort angekommen, haben wir festgestellt, dass die sich nicht zuständig fühlten. Ich sollte zu einem niedergelassenen Arzt fahren. Noch einen Ort weiter hatte eine Ärztin Dienst. Aus einer Telefonzelle hab ich sie angerufen, habe die Nummer auf dem Anrufbeantworter abgeschrieben, dann bei der neuen Nummer angerufen und bin auf einer Party gelandet. Im Hintergrund hörte man Boney M. Auf der Party war die Ärztin, aber ich musste mein ganzes Kleingeld reinschmeißen, bis sie jemand unter den Gästen aufgetrieben und ans Telefon gebracht hatte. Sie hatte wohl schon einen im Tee, denn als ich sie dann in der Praxis traf, eine halbe Stunde später, hatte sie sich von ihrem Sohn fahren lassen und war stinksauer. Sie nahm mich in die Mangel wegen meines unverantwortlichen Sexualverhaltens, die Nummer mit dem gerissenen Kondom glaubte sie mir nicht. Endlich rückte sie das Rezept für die Pille danach raus. Die nächste Apotheke mit Wochenenddienst war – raten Sie mal – drei Orte weiter. Auf der Fahrt kamen meinem katholischen Freund Bedenken. Handelten wir richtig, dieses kleine Leben zu vernichten? Ab wie vielen Zellen war ein Kind ein Kind? Konnten wir das verantworten, war unser Seelenheil in Gefahr? Mein Freund war mein Lieblingsmensch. Aber jetzt gab ich Gas, starrte auf die Straße und hätte ihm gerne eins mit dem Weihrauchfass verpasst, hatte aber leider gerade keins bei mir. Als ich das Rezept eingelöst hatte, den Beipackzettel dreimal gelesen hatte und ganz sicher war, dass ich wirklich noch mindestens 48 Stunden Zeit hatte, die Pille zu schlucken, fuhren wir noch zu Freunden, wo wir eingeladen waren. Heute weiß ich kaum noch, wie die alle hießen, aber irgendwann im Lauf des Abends habe ich mit einem der Mädchen darüber gesprochen. Sie meinte, sie hätte die Pille danach noch nie geschluckt, hätte aber gehört, das wäre schon echt eine üble Sache. Mit Kotzen, Schmerzen, und oft würde es schief gehen, tagelang wäre man ein Wrack. Na gut. Ich wusste zwar, dass dieses Mädchen sich bei anderer Gelegenheit eingebildet hatte, von Mate-Tee einen Trip zu haben und nach zwei Hefeweizen nur mit Mühe davon abzuhalten gewesen war, sich auszuziehen (zu ihrer großen Demütigung erfuhr sie am nächsten Tag, dass es die Jungs gewesen waren, die sie davon abgehalten hatten), aber solche Aussichten waren trotzdem nicht schön. Ich wollte nach Hause und es hinter mich bringen. Nachdem ich meinen Freund abgesetzt hatte, lag ich zuhause in meinem Kinderzimmer im Licht der phosphoreszierenden Sternenhimmel-Aufkleber, schluckte die erste der beiden Pillen und wartete auf die Katastrophe. Sie kam zwar nicht, eigentlich passierte genau gar nichts, aber das war trotzdem kein schöner Abend und keine schöne Nacht.

Später hätte ich vielleicht wegen zwölf Stunden keine Pille danach mehr genommen. Aber trotzdem kam es noch drei-vier mal dazu. Ich war immer dankbar, dass es das gibt. Ich habe auch schon ein paar Schwangerschaftstests gemacht, die meisten panisch, aber seitdem ich den Langen kenne, auch ein paar hoffnungsvoll. Immer war eine Menge Aufregung im Spiel, und immer habe ich schon vor dem Erscheinen der Striche versucht, irgendwie zu wissen, ob ich schwanger bin oder nicht. Angeblich haben wir Frauen doch ein Gefühl dafür, so ein geheimnisvolles Urwissen, ob oder ob nicht. Ich hatte jedes Mal keine Ahnung, wenn ich ehrlich war. Nur eine Vorstellung dafür, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich da etwas sein könnte.

Hätte ich mir die ganze Aufregung sparen können? Waren meine Eileiter auch mit 19 schon nicht zu gebrauchen? Und wenn doch, ab wann nicht mehr? Ist es am Ende so, wie einmal diese fürchterliche Frau meinte: dass ich nun eben selbst Schuld wäre mit meiner Arroganz, ewig Zeit zu haben, und dass es vor fünf Jahren bestimmt noch gegangen wäre?

Fragen, auf die ich vielleicht lieber doch keine Antwort haben will.

1 Kommentar:

  1. Hallo... vielen Dank für die Einblicke in dein Leben... so kann mir schon so in etwa ein Bild davon machen was mich in der nächsten Zeit erwartet.

    Grüße aus Hamburg
    Daniela

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