Samstag, 18. April 2009

Rot ist wohl doch nicht meine Farbe

Heute morgen um halb zehn habe ich meine Tage bekommen. Das wäre ja an sich keiner weiteren Erwähnung wert. Aber ich hab sie drei Tage bekommen, bevor ich zum Schwangerschaftstest gegangen wäre. Nach meinem ersten In Vitro-Zyklus. Nach 13 Spritzen, 60 mal Nasenspray, noch einigen anderen gruseligen Medikamenten, einer Vollnarkose und den Bemühungen von zwei Ärzten und wer weiß wie vielen anderen Menschen in weißen Kitteln, mich schwanger zu kriegen.

Dienstag morgen um neun wäre der Test gewesen. Ich wäre danach zur Arbeit gegangen und hätte versucht, nicht jede einzelne Sekunde daran zu denken, was gerade mit meiner Blutprobe im Labor passiert. In meiner Phantasie wären auch die Laboranten ganz aufgeregt gewesen, hätten gebannt um ihren Bildschirm oder ihren was-weiß-ich-was herumgestanden und sich, wenn der Test positiv gewesen wäre, gefreut wie die NASA nach einem geglückten Raketenstart. Händeschütteln, Schulterklopfen, der Stress der letzten Wochen fällt endlich von allen ab.
Ich hätte vielleicht gerade über eine Finanzbroschüre nachgedacht. Oder über die beste Methode, diese komische Versicherungspolice an den Mann zu bringen. Vielleicht auch auch über diese Tierschutzkampagne, die jetzt schon ewig hier rumliegt. Dann hätte mein Handy geklingelt, und mein Arzt wäre dran gewesen, um mir die großartigen Nachrichten zu überbringen. Ich hätte erst mal nicht gewusst, wie ich gucken soll, vor allem, wenn ich nicht alleine im Büro gewesen wäre. Dann wäre ich aufs Klo gerannt, um mich da zu freuen (wenn auch nicht ZU wild, man will ja nicht fünf Meter vor Zieleinlauf noch alles vermurksen), wäre zurück ins Büro gegangen und hätte so ruhig wie möglich zu meinem Partner gesagt: Es tut mir leid, ich kann dir das jetzt nicht erklären, aber ich muss jetzt nach Hause. Sofort. Ich mach es wieder gut, aber ich hau jetzt ab. Später wirst Du das bestimmt verstehen.

Dann wäre ich zu Baby Waltz am Valentinskamp gegangen und hätte dort einen Schnuller mit HSV-Logo gekauft, wäre in den Bus gestiegen, hätte bei Edeka noch eine Flasche alkoholfreien Sekt gekauft (widerliches Zeug, aber hilft ja nichts) und hätte dann mit dem Schnuller im Mund zu Hause geklingelt.
Ach, das wäre schön gewesen. Der Lange, ich und all die Konjunktive, was hätten wir für einen Spaß gehabt!

Das ist jetzt alles erst mal nicht mehr so. Und das ist traurig. Einerseits.
Andererseits: das war der erste Versuch, es wäre ja fast schon albern gewesen, wenn ich beim ersten Versuch schwanger geworden wäre. Dann ist mir gerade noch eingefallen: In vier Wochen wollen wir nach New York fliegen, und wenn ich schwanger gewesen wäre, hätten wir uns überlegen müssen, ob wir den Flug riskieren wollen. Und wenn wir geflogen wären, wäre das ein New-York-Urlaub ohne dicke blutige Steaks, ohne Bier in Sportkneipen, ohne Whisky und ohne Sushi geworden. So kann ich reinhauen, während all die schwangeren Frauen sich draußen am Steakhouse-Fenster sehnsüchtig die Nasen platt drücken.
Dann darf man auch nicht vergessen, dass der Lange und ich im August kirchlich heiraten, und wenn ich jetzt schwanger geworden wäre, dann hätte ich bis dahin einen richtig dicken Bauch, könnte nicht länger als eine Stunde am Stück stehen und könnte mit Mühe und Not bis Mitternacht aushalten.
Und – und das ist fast das beste daran – vor einer Woche hatte ich zum ersten Mal die Idee zu diesem in-vitro-Blog. Ich glaube ganz sicher, dass es gut tut, darüber zu schreiben (nicht nur mir, sondern auch meinen Freunden und dem Langen, die sich nun nicht mehr jeden Tag meine Befindlichkeiten und Vorahnungen anhören müssen), und ich glaube, dass es hier überall Frauen gibt, denen es gerade ähnlich geht wie mir und die gerne lesen, dass sie nicht die einzige sind, die das alles ganz schön merkwürdig findet. Nur dachte ich vor einer Woche ja noch, das Thema wäre für mich vielleicht schon wieder durch. Ich hätte trotzdem geschrieben, einfach so, zum Spaß, aber ich hätte vielleicht sogar so tun müssen, als würde ich jetzt gerade erleben, was in Wirklichkeit schon drei Wochen her ist. Und das wäre doof gewesen, ein bisschen gelogen und künstlich. Jetzt wird es einen zweiten Zyklus geben, vielleicht auch einen dritten und siebten, und es wird schön sein, diesmal darüber zu schreiben.
Aber traurig ist es trotzdem.

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