Sonntag, 2. Oktober 2011

Gähn, ächz, gibt es etwas Langweiligeres als Leute, die von ihrer Schreibblockade schreiben?

Zurück von einem Spaziergang mit Lili durchs Moor, es war so unglaublich schön da draußen und das Wasser so dunkel und still, dass ich gerne hinterhergesprungen wäre in den See, als sie den Enten nachgeschwommen ist. Sie hat noch nie eine erwischt und wird auch hoffentlich nie eine erwischen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Und jetzt sitze ich hier mit drei Stunden Zeit und weiß nicht, lege ich noch mal nach? Schreibe ich noch einen zweiten Text? Oder lasse ich es bei dem ersten, weil souveräner? Aber was, wenn der nun mal nicht besonders ist, und das war es mit meiner dicken Chance? Ich habe eine echte "bestimmt ne fünf geschrieben"-Krise. Morgen ist auch noch ein freier Tag, und ich habe einen noch nicht aufgeknusperten Krimi, und überhaupt, es ist zum Auswachsen.
Vor vielen, vielen Jahren habe ich über Nacht beschlossen, dass ich jetzt Werbetexterin werde. Zum Teil war das bestimmt eine Flucht aus der verhassten Uni und dem noch mehr verhassten Schnarch-Unistädtchen, aber zum größeren Teil war das eben so ein Fall von "plötzlich weiß ich, was ich will", und wenn man so einen Moment hat, ist keine Zeit zu verlieren. Der normale Weg, Texter zu werden, ist ein Praktikum, und ein Praktikum in einer guten Agentur bekommt man, indem man vorher in einer nicht ganz so guten Agentur ein Praktikum gemacht hat, oder indem man einen Copytest macht. Den lädt man sich aus dem Internet runter (ja, auch damals schon) und denkt sich zu den ca. zehn Aufgaben, die möglichst dem entsprechen sollten, was der Job später verlangt, etwas möglichst Schlaues aus. Weil niemand weiß, wann man sich die Aufgaben runtergeladen hat, wird einem auch niemand mit der Stoppuhr im Genick stehen (anders als später in der Agentur), und es liegt an einem selbst, wann man beschließt, dass es nun gut genug ist und besser nicht wird. Ein Albtraum für jemanden wie mich. Eine Idee, die mir heute noch gefällt, finde ich in zwei Stunden lahm und abgedroschen. Ich hätte niemals irgend einen dieser Tests abschicken können, allein schon deshalb, weil immer die Chance bestanden hätte, morgen eine bessere Idee zu haben. Hätte ich nicht irgendwann vom Werbekongress gehört, einer Rekrutierungsveranstaltung für Jungs und Mädchen, denen wirklich nichts Besseres einfällt, als Werbefifis zu werden, dann würde ich jetzt noch in meinem WG-Zimmer sitzen und mir die Haare raufen. Auch zum Werbekongress gab es einen Copytest, diesmal zum Glück mit einer Deadline. Gott schütze und bewahre Deadlines! Ohne sie, das hab ich glaube ich schon mal geschrieben, wäre ich nicht lebensfähig. Ich grübelte, füllte den Test aus, schickte ihn ab und bekam einen Platz. Und an einem Wochenende im Mai stand ich an dem Stand meiner aller-aller-Lieblings-Agentur, trat von einem Fuß auf den anderen und überlegte, wie ich die dazu kriegen würde, sich nicht nur höflich interessiert zu geben und mich dann zum Teufel zu jagen, und da kam mir die Eingebung: ich würde mir den Kongress-Copytest geben lassen und als Stunt innerhalb einer Stunde ausfüllen. Damit würde ich mir nicht nur eine wochen- wenn nicht monatelange Nervenkrise ersparen, sondern es wäre auch fast schon egal, wie gut meine Antworten waren. Die Personaltante am Stand guckte mich mehr als skeptisch an, aber ich war mir sicher, so und nicht anders würde das was werden. Vollkommen overdressed (Faltenrock aus Seide, High Heels aus Schlangenleder, spießiges Blüschen inmitten dieser ganzen Werbe-Kapuzenpulli-Gang) stand ich mit einem Kuli der Berliner Sparkasse an einem Stehtisch und schrieb wie besengt. Und es hat geklappt. Zwei Monate später fuhr ich mit dem Twingo meiner Mutter nach Hamburg, und da bin ich seitdem geblieben. Irgendwann vier Jahre später habe ich meinen alten Copytest mal wieder gesehen und mich gegruselt: das war alles grauenvoll, und niemals hätte ich das so abgegeben, wenn ich genügend Zeit gehabt hätte. Aber dank meiner selbstgebastelten Deadline hatte ich doch, und es hatte funktioniert.

Ich wünsche mir gerade nichts sehnlicher, als keine Zeit zu haben. Ich würde gerne unter Aufsicht einer Prüfungskommission an einem Tisch in einem leeren Hörsaal sitzen und mit einem Sparkasse-Kuli einen Stapel weiße Seiten vollschmieren. Aber ich habe Zeit. Also mache ich wohl das, was ich in solchen Fällen immer tue: ich grusele mich die nächsten ca. 28 Stunden lang, und dann lege ich los, kalten Schweiß auf der Stirn.

(Sollte dieses Traumprojekt tatsächlich etwas werden, dann kommt das übrigens jeden Monat auf mich zu. Das Perverse ist, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Ächz.)

1 Kommentar:

  1. Liebe Flora,
    und? und ? und?
    In letzter Zeit spannst Du die Nerven Deiner Fans wirklich auf die Folter...äh-oder wie das nochmal heißt. Drück die Daumen !
    Und kann´s kaum erwarten, bis es in Sachen Abkürzung weitergeht.
    Aber erst mal alles Gute für die schreibmäßigen Projekte. Wird schon !
    Liebe Grüße Y.

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