Donnerstag, 7. Juni 2012

Dienst oder Dienstmerkmal nicht möglich

Leider hat Flora heute eine Betriebsstörung, es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Schon auf der Heimfahrt vom Termin habe ich innerhalb von zwanzig Minuten sämtliche Symptome einer dicken, fetten, schleimigen, widerlichen Erkältung entwickelt. Und jetzt liege ich in einem giftgrünen Samtanzug mit Reißverschluss (so schlecht geht's mir nämlich) im Bett und hoffe darauf, dass L. bald vom Einkaufen zurück ist mit meiner Bestellung über eine Tonne Vitamine und zehn Liter Hühnersuppe. Ach je, bin ich schwach. Und elend. Und rotzig. Und reibeisen-stimmig, was L. gar nicht so schlecht zu finden scheint - einerseits eine feine Sache, andererseits - heute, röchel, leider nicht - und glücklich. Denn das war ein guter Termin. Ich hab nicht damit gerechnet, da heute in der Luft zerfetzt zu werden. Ich hatte auch nicht mit Kreuzverhören gerechnet oder damit, dass inzwischen schon so eine Art Stasi-Akte über uns existiert. Aber trotzdem bin ich froh, dass wir ein 120 minütiges, sehr sehr nettes Gespräch hatten. Viele Fragen tauchten in diesem Gespräch zum ersten Mal auf. Andere haben sich dagegen erledigt, zum Beispiel hat sich herausgestellt, dass L. es richtig verstanden hat und ich falsch: wir mussten uns entscheiden zwischen Äthiopien und Hamburg. Und nachdem Kinder aus Äthiopien so gut wie nie Säuglinge sind und die Wartezeit im Ausland noch deutlich länger sein kann, wir außerdem zusätzlich mit einer Behörde aus Süddeutschland zusammenarbeiten müssten und unsere Chancen in Hamburg auch gar nicht so schlecht stehen, haben wir uns angeguckt und dann gesagt: Hamburg. Wir wurden viel nach Dingen gefragt, die für uns ein Hinderungsgrund wären, und bei vielen davon konnte ich mich nur fragen: für wen ist das denn ein Hinderungsgrund? Hautfarbe? Prostitution als Hintergrund? Ein Kind aus einer Babyklappe? Vielleicht bin ich zu naiv, aber ich habe die Vorstellung, ein Kind in einer Babyklappe ist fast wie ein Kind, das jemand in eine Decke gewickelt vor unsere Haustür legt. Würde ich da lange fragen? Nö. Das einzige Thema, das mich wirklich ernsthaft zweifeln lassen würde, ist eine schwere Alkoholikerin als Mutter - weil, das habe ich jetzt oft genug gelesen, um es zu glauben, viel Alkohol in der Schwangerschaft viel, viel schlimmere Schäden anrichtet als selbst harte Drogen. Ganz sicher können wir uns da natürlich nie sein - Frauen, die ihr Kind abgeben und sich zu Gesprächen in einer Behörde einfinden, werden vermutlich ungern zugeben, dass es unter einer Flasche Vodka täglich nicht läuft. Aber in dem Moment, in dem klar ist, dass das mit Sicherheit so ist - in dem wir ganz sicher wissen, die Frau ist schwere Alkoholikerin - würde mir das Angst machen, und ich würde vermutlich die Finger von diesem Kind lassen. In allen anderen Fällen würden wir das tun, was andere werdende Eltern auch tun: Daumen drücken und auf unser Glück vertrauen.

Ächz. Finger zu schwer für Tastatur. Außerdem komische Quietschgeräusche in Fingergelenken und Hirnwindungen. Morgen mehr. Für heute: gute Nacht.

And now for something completely different:
An wen glaubt ihr übrigens heute Abend? Die friesische Giraffe?

7 Kommentare:

  1. Gute besserung, liebe flora! und ja, auch mit über 30 freu ich mich auf einen gemütlichen final-abend mit viel zu viel werbung und einer quitschenden klum an dem die friesiche giraffe gewinnen wird! herrlich... wenn nur alles so einfach wär!

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  2. Aber gerade bei Babyklappen Kinder weiß man doch eben nicht, ob und wieviel Alkohol im Spiel war? Insofern ist es doch nicht ganz konsequent, das ja zur Babyklappe und das nein zur Alkoholikerinnen-Mutter?

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  3. Das meine ich auch nicht. Es geht darum: wenn ich es nicht weiß, dann nehme ich es, wie es kommt. Aber in dem Gespräch geht es darum, was an BEKANNTEN Dingen mich abschrecken würde. Und definitiv zu wissen, dass die Frau schwere Alkoholikerin ist, würde mich abhalten. Davon abgesehen zeigt scheinbar die Erfahrung, dass gerade schwere Alkoholikerinnen selten so viel Einsicht aufbringen, zu verstehen, dass sie ihr Kind nicht aufziehen können. Und es dementsprechend nicht in die Babyklappe tun würden.

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  4. Alles klar! Danke fürs Erklären, Flora.

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  5. Hallo Flora, ich verfolge seit dem letzten Jahr deine persönliche Geschichte und finde mich in sehr vielen Dingen, wie Gefühle, Einstellungen, Freitzeitaktivitäten wieder. Mich begleitet auch schon seit 15 Jahren meine Endometriose, Antikörper usw. Das komplette Programm. Mein Mann und ich haben uns gegen die Schulmedizin entschieden und für meinen Mann kommt auch keine Adoption in Frage. Nun nehme ich immer mehr Abschied und schwimme auf den 'Wellen', dem Auf und Ab, der Vor- und Nachteile des Lebens ohne Kind. Zu meinem 36. Geburtstag in der letzten Woche hat mir eine Freundin folgendes geschrieben:
    Lebendig sein
    Ich wünsche dir, dass du lebendig bleibst. Immer glücklich geht nicht, aber immer lebendig sein geht. Glücklich und unglücklich sein, lachen und weinen, mutig und ängstlich sein. Lebendig sein. Sehen, hören, riechen, fühlen, tasten, spüren und wahrnehmen. Echt sein, berührt sein. Krisen bewusst durchstehen. Wütend sein, aufbegehren, kämpfen. Lieben, vor allem lieben! Lebendig sein.
    Liebe Flora, ich wünsche dir und deinem Mann, dass alles so wird, wie ihr es euch vorstellt. Einen kleinen Menschen, der euer Leben ganz bestimmt bereichern wird.

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  6. Hallo Flora,

    ich habe def. das Langschläfersyndrom! Früh aufstehen ist für mich die Höchststrafe. Musste deshalb schmunzeln weil ich am Donnerstag in der Früh (Feiertag!) auch um fünf hellwach war, meine SD Tabelette genommen habe und dann samt Earl Grey Tee wieder ins Bett bin...ich glaube ja, dass das die Auswirkungen der Venus waren die durch unser Sonnensystem gewandert ist ;-) ...

    Dir weiterhin alles Gute!

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  7. Hallo!
    Ich wollte nur einmal feststellen:
    Es ist eine ostfriesische Giraffe, die gewonnen hat.
    Das ist nämlich ein großer Unterschied!!!!
    :-)))))))

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