Freitag, 30. Mai 2014

16+3

Manchmal denke ich, der Hamburger Lokalpatriotismus ist Schuld, der alles umfasst, was sich in dieser Stadt befindet, die Restaurants eingeschlossen. Oder ich bin doch leider ein Snob. Oder es hat weder etwas mit Hamburg noch mit mir zu tun, sondern die Leute möchten einfach lieber das Gefühl haben, gut gegessen zu haben, als wirklich gut zu essen, und loben deshalb lieber jeden Mist, als vor sich und anderen zuzugeben, dass es heute mal danebengegangen ist. Oder es sind des Kaisers neue Kleider. Jedenfalls war das gestern der ungefähr siebenunddreißigste Abend, an dem ich in Hamburg in einem Restaurant saß und nicht fassen konnte, wieso das nicht besser gehen soll. Und immer sind alle begeistert! Die Bewertungsportale, das Stadtmagazin, die Blogger, alle alle alle finden es sensationell, nur ich wieder mal nicht. Da hilft es auch nicht, dass ich gerade erst zurück bin von meinen Eltern, wo man innerhalb von zehn Minuten in einer netten Wirtschaft im Grünen sitzt, in der es fabelhaftes Essen zu wirklich fairen, für Hamburger Verhältnisse niedlichen Preisen gibt. Sind aber keine Hamburger Verhältnisse, zum Glück. Ich liebe diese Stadt auch! Ganz bestimmt! Aber die Restaurantbesitzer und Köche würde ich gerne mal irgendwo auf einem großen Platz zusammentreiben und ihnen eine sehr tief empfundene Strafpredigt halten. (Was dachtet ihr denn, was ich mit ihnen machen würde?) Und erst, wenn mir wirklich nichts mehr zum Thema "Enttäuschungen mit Messer und Gabel in dieser Stadt" einfallen würde, dürften sie wieder gehen. Das würde dauern. Vor ein paar Wochen bin ich mit Huckleberry durch Eimsbüttel geschoben, als ich an der Alpenkantine in der Osterstraße vorbeikam. Von der Alpenkantine hatte ich in einem Fress-und-Deko-Blog gelesen, besonders von den sensationellen Spinat-Walnuss-Knödeln. Sogar das Rezept dazu gab es. Die Kommentatorinnen waren auch alle hin und weg. Ich liebe Knödel jeder Art, und weil Huckleberry gerade eingeschlafen war in seiner Karre, habe ich sie unbedingt probieren müssen. Sie waren alles, was Semmelknödel nicht sein sollten: steinhart, trocken und fade. Es tut mir so leid! Ich würde wirklich gerne etwas anderes schreiben können! Der Laden sah nett aus, und davon abgesehen fände ich es viel schöner, jetzt eine feste Adresse für Lieblingsknödel zu haben, als schon wieder nach dem ersten Bissen die Welt nicht mehr zu verstehen. Vielleicht versuche ich es demnächst mal selbst, ich glaube aber fast sicher, das kann ich besser, jedenfalls habe ich vor ein paar Jahren mal Strangolapreti gemacht (italienische Spinatknödelchen), die besser waren. Da ein paar Walnüsse untermischen, und dann wollen wir doch mal sehen.

Ja, spinnt denn die? Hier die angefressene Restaurantkritikerin zu spielen, wo es doch viel Wichtigeres zu berichten gibt? Vermutlich spinnt die allerdings. Gestern, als wir zurück waren von unserem Ausflug ins Note-3-Thai-Restaurant und die weltbeste Tante und Babysitterin abgelöst haben (die extrem wenig zu tun hatte gestern, Huckleberry ist ganz gegen seine Gewohnheit um kurz nach acht ohne viel Gemoser eingeschlafen und hat sich kaum noch gemuckst), und als wir dann irgendwann im Bett lagen, da war was. Es war nicht viel, und wenn ich das nicht schon kennen würde, dann hätte ich es wohl kaum bemerkt. Aber so war es auf einmal ganz still und ganz klar: Ndogo hat gestrampelt. Oder geboxt, so genau war es noch nicht zu erkennen. Dann war es vorbei, und ich habe keinen weiteren Gedanken mehr an unser dusseliges Abendessen verschwendet.

Nach amerikanischer Zählung bin ich seit Dienstag im fünften Monat, und wer mich sieht, würde eher auf den sechsten tippen. Es bleibt ein Rätsel, auf der Waage sind und bleiben es drei Kilo mehr als vor Ndogo. Im Spiegel sind es ca. acht. Ich habe in zwei neue Schwangerschaftsjeans, eine Schwangerschaftsschlabberhose und eine Schwangerschaftsjogginghose investiert, die Hosen vom letzten Mal sind vollkommen durch, die Bauchbänder hängen in Fetzen. Es gibt jetzt abgesehen von meinem brettsteifen Dufflecoat und meinem kleinen Trenchcoatcape kein Outfit mehr, in dem mir nicht jeder Depp ansieht, dass ich schwanger bin. Die Reaktionen sind gemischt und reichen von "Ja guck mal, du kleiner Schnutziputzi, da hast du ja bald ein Geschwisterchen, kannst du dich aber freuen!" bis hin zu "Oha. Oha. Au Backe. Na dann..." Die Übelkeit ist größtenteils vorbei, jedenfalls die Hormonübelkeit. An ihre Stelle ist die Eisentablettenübelkeit getreten, die auch nicht zu verachten ist und außerdem begleitet wird von rostig schmeckendem Aufstoßen, das so widerlich ist, wie es sich liest, und Verdauungsphänomenen der dritten Art: eine schwer zu beschreibende Mischung aus Verstopfung und Durchfall. Trotzdem ist es das wert, denn seit der ersten Eisentablette sind die Schwindel- und Schwächeanfälle in Ubahnen und Supermärkten Geschichte. Und Rostbäuerchen kann ich immer noch besser ab, als regelmäßig die Fahrt zur Arbeit auf dem Boden des Waggons zu verbringen. (Wer jetzt denkt, ist die denn bekloppt, dann noch zur Arbeit zu fahren, hat das vermutlich noch nie erlebt: es ist wirklich fünf Minuten lang ganz schrecklich und fühlt sich an wie das Ende von überhaupt allem, und dann ist es weg, als wäre da nie was gewesen, und man sitzt wieder frisch und rosig an seinem Platz, zu allem bereit.) Abgesehen davon bin ich wirklich, wirklich entspannt. Genau wie eine Fehlgeburt einen für die nächste Schwangerschaft immer noch ständig auf 180 hält, färbt eine normale Schwangerschaft zum Glück genau so auf die nächste ab. In vier Wochen ist der nächste Termin, und ich mache mir nicht die allerkleinsten Gedanken. Wird es ein Junge? Hurra! Wird es ein Mädchen? Yippie! Dass es weiter gesund ist und wächst wie Knöterich, davon gehe ich fest aus. Hoffentlich nicht zu fest.

Oha. Knöterich 1, der bei Edeka eingeschlafen war und mir so diese kleine Postpause beschert hat, ist wach. Der Chef ruft, ich muss spuren. Bis bald, liebe Abkürzungsdamen! Übrigens auf neuem Rechner. Aber davon ein andermal.

Jaja, ist ja gut, ist ja gut!

3 Kommentare:

  1. Liebe Flora

    Ich lese deinen Blog seit August 2012.
    Ich hatte die dritte Fehlgeburt hinter mir und suchte nach einem Buch für Leute mit unerfülltem Kinderwunsch...
    Meine Situation passte aber nicht so recht zu den üblichen Büchern über unerfüllten Kinderwunsch. Entweder es ging darum, mit welchen Vitaminen, Kügelchen und Kräutern man seinen Körper in "Babyproduktionsstimmung" brachte, oder es ging darum, wie man ganz ohne Kinder klar kam.
    Ich hatte bereits einen Sohn und ich war (bin immer noch) fruchtbar wie ein Karnickel. War die eine Fehlgeburt überstanden -schwupp- schon wieder schwanger. Hielt aber nicht.
    Irgendwie sprang mir das Buch "Eiertanz" in die Augen. Mir gefiel der Begriff. Denn genau das war es ja: ein Eiertanz.
    Obwohl das Thema auf dem ersten Blick völlig an meiner Situation vorbei ging, hatte ich es ruckzuck durchgelesen.
    Ich fand deine Art, mit dir und deinem Alltag klar zu kommen wunderbar! Ich fand es schön, wie du einen Blick dafür bekommen hast, dass man den Kindern auf dem Spielplatz nicht ansieht, welche "Entstehungsgeschichte" sie haben.
    Kurz darauf erfuhr ich, dass eine Kommilitonin eine totgeborene Schwester hat.
    Ich fand es schön, wie du mit den Warteschleifen in den verschiedenen kinderwunschzyklen umgegangen bist.
    Ich habe mir das abgeguckt.
    Auch wenn ich primär in einer völlig anderen Situation war, so hat mir das Buch sehr geholfen. Danke dafür!
    Nach dem Buch habe ich deinen Blog alle 2-3 Monate besucht. Dann kam mein zweiter Sohn am 19.07.12 auf die Welt und wir zogen um... na jedenfalls war da nicht viel Zeit für Bloglesen. Und plötzlich sitze ich in unserer neuen Wohnung im Winter (sch.. war das ein laaaaaanger winter!) am Rechner und lese was von Bauchbildern! Ich hab erst mal gescrollt wie doof und nachgelesen und rief zu meinem Mann hoch "Flora ist schwanger!" und der nur "wer??"
    Ich hab mich so für dich gefreut! Hab das nie vetmutet. Und dann eben doch:"BUMS schwanger" *grins*

    Jetzt bist du wieder schwanger und das ist so toll. Ich freue mich so! Es ist hier ja keiner, der sich mit mir freut. Ich kenn dich ja nicht und mein Mann begreift meine Freude nicht. Darum mal ein rührseeliger Kommentar aus dem beknackten Vogtland (ich will wieder heim ins Erzgebirge! *schnüff*)

    Liebe Grüße
    KG

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    1. Seit August 2011 les ich mit...

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    2. Liebe KG,
      das ist wirklich witzig, aber deine und meine Geschichte ähneln sich so, dass ich dachte, dass ich es geschrieben habe... und auch mir hat das Buch so gefallen, obwohl es nicht 100%ig auf meine Situation passte... das wollte ich nur mal loswerden ;-) und jetzt bin ich gemeinsam mit Flora mit meinem 2. Kind schwanger :-)
      LG
      Berta

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