Donnerstag, 4. Juni 2009

Drei, zwei, eins, Glücklich!

Ich hab in letzter Zeit so viel gelesen und gehört über die unfassbar wichtige Bedeutung, die die richtige Einstellung/das richtige Karma/ das richtige XY für diese Befruchtungs-Sache hat. Da ist es doch schön, dass ich gerade trotz des Riesen-Organisationsdrucks viel mehr Zeit als früher habe, an meiner Einstellung/meinem Karma/meinem XY zu arbeiten. Denn die Möglichkeiten, das Beste aus Synarela rauszuholen, sind begrenzt. Gerade solche ehrgeizigen Menschen wie ich stoßen schnell an die Grenzen der Optimierbarkeit. Pünktlich ist pünktlich, ich kann nicht mehr tun, als mir exakt alle 12 Stunden meine Dosis zu setzen. Aufrecht ist aufrecht, ich kann auch nicht mehr tun, als das Fläschchen möglichst immer genau da zu lassen, wo es ist, und es nicht umgekippt in meiner Handtasche zu transportieren. Aber ich will doch was tun! Ich will mich nicht mehr dumm und nutzlos fühlen! Und deshalb will ich es heute probehalber mal mit diesem luschigen Karma-Lager versuchen und meine Beobachtungen (natürlich streng objektiv) dazu aufschreiben, was heute meine Chancen durch positive Gedanken verbessert hat. Bisher jedenfalls, der Tag ist noch jung.

1.Ich hab meine New York-Fotos betrachtet, dabei erstens gedacht, dass es ein Segen ist, dass wir nicht mehr davon gemacht haben, und außerdem, dass es ein noch viel größerer Segen sein wird, wenn ein niedliches Baby von mir und meinem Anblick ablenkt.

2.Ich habe mit meinem neuen Steuerberater gesprochen, der in einer riesigen Villa in Elbnähe residiert sagt man in solchen Fällen ja wohl, „seinen Laden führt“ würde nicht annähernd ein Bild davon vermitteln, wie prächtig diese Bude ist. Und diese prächtige Bude bezahlt er davon, dass er anteilig aus den von ihm gesparten und zurückgeholten Steuern bezahlt wird. Ich glaube, er macht seine Sache gut. Eine Sorge weniger. Vielleicht hat er einen Bruder im Befruchtungsbusiness? Der wäre bestimmt zu empfehlen. Fähige Dienstleister zu beauftragen, die einem dann irgend einen Scheiß abnehmen, ist eins der schönsten Gefühle der Welt. Geh mir weg mit Hot-Stone-Massagen, NICHTS ist entspannender.

3.Ich war auf dem Fahrrad unterwegs, erst von Süd nach Nord, dann von Nord nach Süd, und hatte auf beiden Strecken Rückenwind, aber wie! Anhalten war fast schwierig, ich musste mir 200 Meter vor der Kreuzung überlegen, den Bremsvorgang einzuleiten. (Hamburg. Ich sag nur: Hamburg und sein großartiges Wetter. Ob das Hamburger Wetter auch gut fürs Karma ist? Bestimmt, oder?). Und Rückenwind ist doch auch ein Zeichen von Glück!

4.Ich habe erfahren, dass ich demnächst vermutlich ein freier Künstler bin. Das ist doch schön! Für meine Mutter würde ein Traum wahr!

5.Ich bin über das Schulterblatt gelaufen, und alles war voller Menschen, mitten zur Arbeitszeit. Denen ging es gut. Die saßen da bei ihrem Kaffee und waren glücklich. Vielleicht ist das ja der Trick, nicht immer über das große Ganze nachzudenken und sich zu fragen, wohin das Universum steuert (und meine Eileiter mittendrin). Wäre das hier nicht mein Blog, sondern ein Anhänger an einem Yogi Tee-Teebeutel, dann würde ich vielleicht schreiben: "Lächle, und das Universum lächelt zurück" bzw. "Trink Kaffee, und das Universum trinkt einen mit“ oder so, aber letzten Endes ist es vielleicht gut, dass ich nur diesen Blog vollzuschreiben habe und nicht die Yogi-Teebeuteldinger. (Kann mir eigentlich mal jemand letztgültige Auskunft dazu geben, ob es nun „das Blog“ oder „der Blog“ heißt?)

6.Zu Anfang des Tages sehen deine Haare immer furchtbar aus. Das bessert sich zum Glück. Lehn dich also zurück (wenn auch vorsichtig, nicht so doll, dass die Haare da hinten NOCH seltsamer aussehen), guck nicht vor 14 Uhr wieder in einen Spiegel, alles wird gut.

7.Gestern hatte ich noch irgendwas dazu geschrieben, dass ich bisher nicht zugenommen habe durch Synarela. Hab ich doch. Zwei Kilo, verdammich. Aber diese zwei Kilo so geschickt, dass ich ohne Waage nie drauf gekommen wäre! Und das ist doch auch was schönes, wenn ein Medikament so rücksichtsvoll ist, das alles so klug zu verteilen?

Wem das jetzt noch nicht genug positive Gedanken waren, der soll sich einen Erich Fried-Kalender kaufen.

Mittwoch, 3. Juni 2009

Welcher Wochentag ist heute?

Ach, es ist doch alles nichts. So ein Leben ohne feste Struktur, ohne Meetings, die schon Tage im Voraus feststehen, ohne morgens um acht aufzustehen und ohne Kunden und ohne Telefonate. Ich fühle mich irgendwie nutzlos, dumm, überflüssig, alt und müde und...


... aber für ein paar Sekunden habt ihr's geglaubt, oder?

Also, ich könnte mich dran gewöhnen. Schade, dass irgendwann lästige Aufträge kommen werden und mich in meinem freiberuflichen Paradies stören. Aber bis dahin ist das Leben ein Traum! Und dabei bin ich noch nicht mal richtig faul, denn noch ist ja jede Menge zu tun: bis morgen muss ich ein halbes Kilo Papier fertig ausgefüllt haben, um es fristgerecht einzureichen (nicht zu viel verlangt, wenn mein Antrag durchkommt und man mich im Gegenzug mit Geld überschütten wird), ich muss rauskriegen, ob ich nun demnächst lieber ein Gewerbe anmelde oder nicht, ich muss mit einem Steuerberater sprechen und mit zehn anderen Leuten, ich muss mein Angebot online kriegen – aber das wird alles, ich krieg das hin, das ist alles nichts im Vergleich zu dem Stress, den wir aus früheren Zeiten leider gewöhnt waren, und das Wichtigste daran: ich tue das alles für mich. Nur für mich. Nicht für einen Kunden, der noch nicht mal weiß, wie ich heiße, nicht für irgendwelche Kollegen, für niemanden außer mich. Je besser ich das hier mache, desto besser für mich. Und ob ich es nun im Café so gut wie möglich mache oder auf dem Balkon oder im Park oder nackend auf dem Klo, geht niemanden etwas an außer mir. (Nein, ich schreibe NICHT nackt auf dem Klo, um das gleich klarzustellen! Aaaber wer will mir das Gegenteil beweisen? Und bin ich eigentlich die einzige, die findet, Bildtelefone wären gar keine SOOO gute Erfindung, weiß der Himmel, wieso mir das jetzt einfällt?)

Und wie schön das alles erst wird, wenn all der Organisationskram geregelt ist und ich weiß: bei Aufträgen wird Vollkaracho geschuftet, und dazwischen kann ich mich ins Freibad legen und langsam vergessen, dass es auch in meinem Leben mal so was wie Urlaubssperre gab.

Und in all diesem Wuhling nimmt Synarela mich im Moment täglich ganze 20 Sekunden in Anspruch, praktisch und gedanklich. Und immer noch habe ich weder Pickel noch sonst einen Grund zum Meckern. Die Hormone sind diesmal nett zu mir!

Bevor ich mich hier unbeliebt mache, weil alles so dermaßen gut läuft wie bei Gustav Gans, überlege ich noch mal schnell, was heute schief gegangen ist. Und da fällt mir ja doch noch etwas ein! Erst war die Brühe alle, als ich Minestrone kochen wollte, und dann hab ich mir die Zunge verbrannt, und als ich die Spülmaschine ausgeräumt habe, war an zwei Tellern noch Spinat. Ein Ding, oder?

p.s.

Und mal davon abgesehen, dass ich froh bin, dass die Leute noch nicht zu taktvoll sind, mich nach Kindern zu fragen (nach dem Motto "Oje, hoffentlich stimmt da auch alles bei ihr und hoffentlich fängt sie nicht an zu weinen, wenn ich frage"), bin ich auch wirklich sehr froh, dass ich immer noch Konzertkarten zum Geburtstag bekomme und keine Selbsthilfebücher. Und dass mein Mann immer noch nicht bei jeder Bemerkung überlegt, ob mich das jetzt kränken könnte oder nicht. Und dass ich jetzt hier am Schreibtisch sitze und nicht woanders, darüber bin ich auch froh. Freiheit. Feine Sache!

Dienstag, 2. Juni 2009

Wenn Kinder Kinder kriegen

Am letzten Tag saß ein Kollege bei mir im Büro. Er saß in meinem alten Stuhl, lehnte sich lässig zurück und fragte mit einem Ausdruck, als hätte er als einziger mein ganzes Gerede von „freiberuflich arbeiten“ und so durchschaut:
„Und jetzt? Familie gründen, oder?“

Wir üben ja schon, und wie! Wenn du wüsstest, haha!

Kein Grund, dem Mann an den Hals zu gehen. Denn inzwischen ist ja alles anders. Vor ein paar Jahren habe ich in einer Zeitung gelesen, wenn eine Frau über 35 heute keine Kinder hätte, dann könnte sie entweder nicht oder wollte nicht, und beides würde keinen etwas angehen, also gefälligst nicht dumm fragen, sondern fein die Klappe halten. Damals dachte ich schon: die Zahl wird so nicht lange stehen. Über 45 ist das was anderes, aber über 35? 35 bist du ja selbst irgendwann demnächst, und bisher ist keiner in Sicht, der der Vater deiner vielen Kinder werden könnte. (L.s Eintritt in mein Leben ließ ein bisschen auf sich warten, es gab eine Menge anstrengender, aber lustiger Verwicklungen vorher.)

Und noch ein paar Jahre vorher, als ich noch ein Kind war, war meine Mutter schwanger. Mit 34! Das war nicht nur in unserer Siedlung ein Ding, sondern auch in meiner Familie. Die Großeltern meinten unabhängig voneinander, das müsste doch nun eigentlich nicht mehr sein, und in der Nachbarschaft gab es eine Menge für kleine Ohren aufzuschnappen, wenn die Mütter meiner Freunde nachmittags um vier bei ihrem Après-Tennisstunden-Sekt saßen. Die Großeltern waren vor allem in Sorge, und die doofen Nachbarinnen waren vor allem neidisch, aber unangebracht fanden sie es wohl alle ein bisschen. Schwanger mit 34! Was denn noch?

Mit 36 werde ich heute in einer Menge Läden immer noch geduzt. Mein letzter Besuch im Club ist zwei Monate her (und war grauenvoll, aber das lag nur am Club und nicht daran, dass ich so ein alter Rochen wäre). Manchmal hab ich immer noch einen Pickel, auch außerhalb der Hormonzeiten, und zum Glück lassen die Falten ein bisschen auf sich warten. (Wäre ja auch bitter, von der Pickel- nahtlos in die Faltenphase überzugehen.) Ich gehe auf Konzerte, heute zum Beispiel, und wenn auf dem Weg dahin plötzlich mein Deutschlehrer vor mir stehen würde, dann wäre mir das heute noch fast so unangenehm wie mit 16. Ich weiß noch genau, wie es war, um zehn zu Hause sein zu müssen und für jeden Mist Mamas Unterschrift zu brauchen. Ich weiß auch noch, wie sich eine Doppelstunde Chemie angefühlt hat und wie das war, als man in der Bahn die Sitze so zusammenziehen konnte und dann auf einer einzigen durchgehenden Fläche aus Hanuta-Krümeln saß. Was ich damit sagen will, ist: meine Kindheit ist gerade erst vorbei, und ich fühle mich noch ziemlich jung. Dass meine Eileiter das nicht gemerkt haben und aus irgend einem Grund denken, ich würde stramm auf die Wechseljahre zusteuern (falls es etwas damit zu tun hat), wundert mich ja selbst. Schon schade, oder?
Aber dass der Rest der Welt genau wie ich tief im Inneren davon ausgeht, ich würde nun irgendwann Kinder kriegen, das ist meiner Meinung nach ein Grund zur Freude. Je länger ich drüber nachdenke.

Montag, 1. Juni 2009

Abschied ist ein Stapel CDs

Howard Carpendale hatte Unrecht, ein scharfes Schwert ist hier weit und breit nicht zu sehen. Zweieinhalb Jahre elende Schufterei, Spaß bis nachts um vier, Freundschaft, Feindschaft, Frust, Verzweiflung, Langeweile, Adrenalin, brüderliche Liebe unter Leidensgenossen und Gebrüte schmilzen gerade zu einem zehn Centimeter hohen Stapel gebrannter CDs zusammen, während sich meine Festplatte immer mehr leert. Morgen wird auf diesem Rechner keine Spur mehr von mir sein, genau so wenig wie in diesem Büro. Finde ich ja nicht schlecht. (Soll ich noch irgendwo heimlich einen Popel hinschmieren? Soll ich? Ach neeeeiii, wollen wir zum Schluss mal großmütig sein.)

Das wird schön, zu sehen, wie die Welt da draußen von Montags bis Freitags funktioniert, wenn wir berufstätigen Business-Hasen (bzw. DIE berufstätigen Business-Hasen, ich bin dann ja nicht mehr so richtig einer davon) nicht hingucken können. Und das wird schön, wenn ich auch mal um vier Feierabend machen kann. Vielleicht kommt es ja auch so, wie letzte Woche wieder einer der Zeit-Redakteure befürchtet hat, dass ich es nämlich gar nicht mehr schaffe, Feierabend zu machen, jetzt, wo die Arbeit überall da ist, wo ich bin. Vielleicht hat der Zeit-Redakteur das aber auch nur irgendwo gelesen, und es stimmt gar nicht. Die Zeit macht sich ja gerne mal die falschen Sorgen.

Um die Ecke von meiner Wohnung gibt es ein Café. Das sah immer sehr nett aus, aber ich war trotzdem nur zweimal da, weil bei diesen beiden Gelegenheiten das Essen so grauenvoll war, dass ich nichts mehr davon wissen wollte. Einmal hatte ich z.B. geschmortes Kaninchen, und das hat geschmeckt wie Kaninchen-Duschgel. Jetzt haben das Café ein nettes Mädchen und ihr Freund übernommen, sie haben alles frisch gestrichen, die Bar umgebaut, und jetzt ist es da abends immer rappelvoll, sie scheinen also das Duschgel von der Karte genommen zu haben. Vielleicht werde ich ja in Zukunft tagsüber da sitzen, Marienkäfer aus meinem Milchschaum retten und schuften. Paradies, oder?
Gut, meine Vielflieger-Konten werden ein bisschen leiden.
Aber mach ich mir deshalb Sorgen? Ich bin doch nicht die Zeit!

Sonntag, 31. Mai 2009

Ich langweile mich mit Synarela und ärgere mich über die Zeit

Synarela ist sicher ein wertvoller und unverzichtbarer Bestandteil eines In Vitro-Zyklus. Als Mittelpunkt eines Actionfilms würde es aber wohl nicht viel hergeben. Ich sprühe, dann muss ich niesen, das kann ich aber zum Glück unterdrücken, die Kehle brennt ein bisschen, aber das macht nicht viel. Ende der Geschichte. Was nun?

Ich könnte ja noch etwas darüber schreiben, dass ich mich heute morgen ziemlich geärgert habe, als ich ein altes Zeit-Magazin gelesen habe und darin eine Kolumne gefunden habe, in der es darum geht, dass ein amerikanischer Star, den wir alle kennen, jetzt eine ihrer befruchteten Eizellen von einer anderen Frau austragen lässt. In dieser Kolumne fand der Autor das überhaupt nicht gut. Da war vom Schicksal die Rede und von der Frage, warum so viele Frauen (und eben auch diese) scheinbar keine Adoption wollen, sondern sich unbedingt reproduzieren müssen. Der Star wurde als eins von vielen Beispielen dafür genommen, dass heute künstlich befruchtet oder von Leihmüttern ausgetragen wird - und als ein weiteres Beispiel für den Versuch, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen und "zu kaufen", was sich nicht von selbst einstellt. Dann wurde noch düster geunkt, wer sich so über das Schicksal hinwegsetze, der müsste eben dann auch damit rechnen, dass "alles Unglück, das man bei der Jagd nach dem Glück erzeugt, auf einen selbst zurückfällt". Buh!

Ich hab mich deshalb aufgeregt, weil hier scheinbar jemand nicht weiß, dass es gar nicht so leicht ist, ein Baby zu adoptieren. Vor allem nicht in dem Alter, in dem die meisten von uns überhaupt merken, dass sie von alleine nicht schwanger werden. Als wäre die Frage "adoptiertes Kind oder eigenes" eine reine Geschmacks- oder eine Charakterfrage, als würde man aus Snobismus oder Eitelkeit eine Adoption ausschließen und wäre sich zu fein dafür.

Ich habe mich noch aus ganz vielen anderen Gründen über den Artikel geärgert, aber die will ich hier gar nicht so im Detail ausbreiten, und zwar genau deshalb, weil ich im Moment immer noch wütend bin und hier nicht irgend etwas rausrotzen will, das mir morgen leid täte. Aber ich finde, dass es immer ein bisschen lahm und billig ist, wenn man anderen erzählt, sie hätten ihr Schicksal als Schicksal zu akzeptieren, und wenn man ihre Versuche, etwas daran zu ändern, entwertet und abkanzelt. Und sich dann auch noch eine so dankbare Zielscheibe für seine Spöttelei sucht - mal ehrlich, das hätte ich der Zeit und auch ihrem Magazin nicht zugetraut, dass sie ausgerechnet auf diese Frau schießt: Karrierefrau über 40, laut Presse Eheprobleme, Ruf einer harten Geschäftsfrau - ätsch, und nun kann sie kein eigenes Kind bekommen. ("ätsch" stand da nicht, aber "ätsch" denken sich mit Sicherheit viele, die das lesen, und das weiß der Autor auch genau, schlau wie er sonst ist.). Und dann haftet dieser Kritik an Leihmutterschaft und In Vitro auch noch so etwas Altväterliches an - oder sehe nur ich das so? "Dieser neumodische Kram, halten die sich denn alle für den lieben Herrgott?" Es gab auch mal Zeiten, da hat eine Blinddarmentzündung den Tod bedeutet, und irgendwo saß bestimmt auch mal jemand, wackelte mit dem Kopf und sagte "Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ob das mit diesen Blinddarmoperationen nicht dem Schicksal ins Handwerk pfuscht". Ich bin froh, dass das heute nicht mehr so ist, und ich bin froh, dass ich trotz allem vielleicht doch noch ein Kind bekommen kann.

Was ich gerade brauchen kann, ist jede Menge Normalität, meine Freunde, gute Ärzte, diesen Blog hier und viel Glück. (Glück ist ein gutes Stichwort. Vielleicht würde der Gedanke den Autor ja ein bisschen trösten, dass auch heute noch Glück dazugehört, und zwar leider eine ganze Menge davon.) Was ich definitiv nicht brauche, sind Männer über 50, die von Schicksal reden.

Freitag, 29. Mai 2009

Synarela: der schonungslose Tatsachenbericht

Ich sag mal so: wer jemals beim Fensterputzen im falschen Moment zu tief durch die Nase eingeatmet hat, den kann Synarela nicht mehr schocken. Um acht gab es einen Schuss in jedes Nasenloch, und jetzt liegt ein Sidolin-Schleier über meiner Welt. Letztes Mal war ich nach dem ersten Schuss stundenlang benommen, aber diesmal irgendwie nicht, was den Verdacht nahelegt, dass ich mir das wohl eingebildet habe nach dem Motto „Hilfe, Hormonhammer!“ Aber niesen muss ich, und wie, und kann nicht, und ich starre schon in die Sonne und alles, aber es hilft nichts.

Gut. Ich habe also bisher nichts über Stimmungsschwankungen, plötzliche Gewichtszunahme, Hautirritationen oder Wahrnehmungsverschiebungen zu berichten. Wer irre Trips will, muss schon zum Discodealer seines Vertrauens gehen! Aber wieder mal stehe ich vor einem kleinen Problem: Das Spray soll ich mir möglichst exakt alle 12 Stunden setzen. Das heißt, entweder stehe ich in den nächsten Wochen auch an Tagen, an denen ich schlafen kann, um acht kurz auf, oder ich verlagere die Sprayzeit allmählich nach hinten und trage das Fläschchen dann ständig mit mir rum, damit ich mir um elf meine Dosis verpassen kann. Das Fläschchen soll aber „stets aufrecht“ transportiert werden. Ja, was denken die sich eigentlich?
Schließlich bin ich ab Montag eine freie Frau und will doch auch was vom Leben haben! Die ganze wilde Nummer mit ausschlafen und meine Handtasche durch die Gegend schwingen, jedenfalls nicht mit einem aufrechten Plastikfläschchen auf der Handfläche durch die Welt balancieren!

Pipi-Probleme, denkt ihr? Da habt ihr wohl Recht.

Donnerstag, 28. Mai 2009

Synarela, here we come

Das Rezept habe ich seit zwei Wochen in der Tasche, und gerade habe ich es eingelöst. Zwei kleine Schächtelchen hat mir meine Apothekerin (ja, genau die, die beim letzten Mal Sorge hatte, ich wäre zu schlank, um mir Spritzen ins Bauchfett zu jagen – das Goldstück!) über den Tresen gereicht und wollte schon anfangen, mir zu erklären, wie es geht, aber ich konnte lässig abwinken und sagen: kenn ich schon, weiß ich doch alles. Auch die 160 Euro, die die beiden Fläschchen kosten, haben mir noch nicht mal ein Zucken entlocken können, routiniert hab ich meine Karte rüber geschoben und keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, wie viel 160 Euro z.B. in Abendessen, Make-Up oder CDs wären. Was sind Abendessen, Make-Up oder CDs gegen glockenhelles Kinderlachen?

Damit sind wir also wieder auf der Schiene. Die nächsten Einträge handeln wieder mehr von meinen Eiern und weniger von irgendwelchem Firlefanz ohne In Vitro-Bezug, versprochen. Mal sehen, wie viel ich dem Thema abquetschen kann, wenn die Tage vergehen und ich mich erst auf die Spritzen, dann auf die große Spritze und dann auf die OP zu bewege. Denn eine OP wird es wieder geben, letztes Mal wurden zwar elf Eier entnommen, von denen dann aber nur vier angingen, und von den vieren waren zwei leider nicht fit genug, um das Einfrieren und Auftauen zu überstehen. Die zwei anderen haben wacker zehn Tage ausgehalten und sicher tüchtig gekämpft, aber am Ende doch leider nicht das Rennen gemacht.

Heute Abend werde ich mir mein Fläschchen schon mal neben die Zahnbürste stellen, damit ich morgen im (leider immer noch) Zeitverschiebungs-Tran nicht vergesse, mir die zwei Schüsschen in die Nase zu jagen, bevor ich den Gang zum letzten Arbeitstag antrete. Dann muss ich noch dran denken, das alte Fläschchen vom letzten Mal zu entsorgen, denn das ist leider jetzt hinüber und nicht mehr zu gebrauchen, wie die Apothekerin mir erklärt hat. (Ich hatte ja mal überlegt, diese ganzen Medikamente – wer weiß, wie viele es noch werden? – aufzuheben und z.B. wie Damien Hirst in Kunstharz zu gießen, damit meine Kinder die eines Tages anstarren können und denken: das hat Mami alles für uns gemacht, und wir essen noch nicht mal unseren Spinat und treten uns nie die Schuhe ab! Aber so geht das natürlich nicht, niemand muss entsetzt sein, ich weiß ja schon, dass man so vielleicht exzentrische Independent-Regisseure großzieht, aber keine fröhlichen glücklichen Kinder, die jedem erzählen, dass Mutti die Beste ist.)

Wie zum zweiten Mal zuhause ausziehen

Vorletzter Arbeitstag. Und weil das nicht zum ersten Mal mein letzter Arbeitstag ist, weiß ich, dass das morgen alles viel zu schnell gehen wird, um irgend was zu kapieren. Ich werde den ganzen Tag rumlaufen und Leuten um den Hals fallen und fieberhaft meinen Kram vom Rechner brennen, und dann muss ich pinke Getränke trinken und Blödsinn reden und meinen Schlüssel abgeben, ach je. Deshalb ist wohl heute der bessere Tag, um sich noch mal zu überlegen, wie das eigentlich alles war und was genau ich da aufgegeben habe.

Ich werde bestimmt eine Menge Dinge kein bisschen vermissen.

Zum Beispiel den einen oder anderen Kunden und die dazugehörigen Jobs, die mich viele Stunden und Tage und Monate mit Aufgaben zugeballert haben, die so gar nicht das sind, was ich machen will. Zäher und undankbarer Kram, anstrengend und meistens dann doch für die Tonne, weil plötzlich doch alles wieder anders war.
Ich werde auch nicht dieses unnachahmliche 80er-Flair vermissen, das über diesen Räumen hängt. Nichts ist oller als „klassische“ Modernität von vor zwanzig Jahren. Klassisch. Genau. Übersetzbar mit langweilig, ein bisschen verklemmt und vollkommen freudlos. (Und ja, ich rede von Möbeln.)
Ich werde auch nicht vermissen, mit sechs Wochen Urlaub im Jahr auszukommen und zu wissen, dass auf jeden Sonntag unweigerlich ein Montag folgt und auf den ein Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag, und das mit den Jahren die Samstage irgendwann zu dem Tag vor dem Tag vor Montag werden, und die Urlaube zu der Woche, bevor es wieder losgeht, und jede Woche genau zu wissen, was einen erwartet. Jedenfalls so in etwa.

„Also, du kommst rein, und dann?“
Dann grüßt das Murmeltier.

Ich werde den Capuccino nicht vermissen, bei dem man sich jeden Tag überraschen lassen kann: Schmeckt er heute nach Ruß, nach Schmieröl, nach Nagellackentferner oder nach angebrannter saurer Milch? (Ein bisschen wie diese Sirupe bei Starbucks, nur dann doch wieder anders. So ganz anders sogar.)

Ich werde aber auch schrecklich viel vermissen. (Nein, ich bin nicht am frühen Morgen schon betrunken!)

Ich werde vermissen, Teil einer Firma zu sein, auf die ich immer noch ein bisschen stolz bin. Und ich werde viele Leute vermissen, jeden auf seine Art. Wer jetzt sagt: ach, was soll’s, die, auf die es ankommt, kann man ja immer noch treffen – erstens ist das im wirklichen Leben Blödsinn, denn es passiert viel seltener, als ich mir heute gerne einreden würde, und es wäre zweitens nicht das Gleiche. (Die chicen und klassischen Möbel würden fehlen, unter anderem.)
Ich werde vermissen, dass ich jeden Monat genau weiß: noch drei Tage, und dann liegt ein schöner Batzen Geld auf dem Konto.
Ich werde vermissen, dass ich bei Migräne in den meisten Fällen meinen Arbeitstag im Bett und überm Klo verbringen kann, und nicht am Schreibtisch und überm Firmenklo hängen muss.
Ich werde die unsagbar peinlichen und sehr schönen Firmenpartys vermissen.
Und mein Büro, meine email-Adresse, meine Visitenkarten, meinen Rechner, meine Jungs und meine Mädchen, denen ich was beibringen kann.
Die Präsentationen werden mir fehlen. Immer dieses zusammenstehen und frieren und rauchen vorm Flughafen im Abgasqualm der Taxis. Und die Geschichten, die man hinterher erzählen kann.
Diese ganzen Hasen hier im schlimmsten Stress und im schlimmsten Suff zu erleben, sie mit Augenringen am Montag hier anlaufen zu sehen, mitzukriegen, wie sie sich mit noch nicht mal 30 fast einen Herzfehler holen und zu denken: das geht nicht mehr lange gut, und dann zu sehen: die müssen nur eine Mittagspause in der Sonne haben, dann ist es wieder gut. Die alle zu kennen und zu wissen: denen kann am Ende nichts passieren, egal was passiert.
Ach je. Das ist alles nicht so leicht. Aber nächste Woche habe ich vermutlich schon die Hälfte von all dem vergessen. Wie gesagt, vermutlich.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Läuft

Heute war Tag der Abrechnung. Ich will mich ja nicht selbst loben, aber ich bin keine Frau der leeren Worte. Was ich mir vornehme, ziehe ich durch. Wenn ich sage: bis zum nächsten Zyklus verschwindet die Kugel vorm Bauch, dann fackel ich nicht lange, sondern sorge dafür, dass die Kugel verdammt noch mal verschwindet. Zack-Zack!
Und spätestes seit heute morgen auf der Waage weiß ich: mit eiserner Disziplin kann man alles erreichen. Wenn man nur will!
Ich sage nur: 300 Gramm. Nicht zehn, nicht zwanzig, nicht fünfzig, nicht hundert und nicht zweihundert Gramm. Sondern dreihundert. 300! Um euch vor Augen zu führen, wie viel 300 Gramm sind, habe ich gerade ausgerechnet: Wenn man sich 300 Gramm Schnupfenbazillen vorstellt, von denen eine immer auf den Schultern der anderen steht, dann würden diese Bazillen von hier bis zum Mond reichen. Ganz bestimmt sogar.

Na? Was sagt ihr jetzt?
300 Gramm, einfach weg. Als wären sie nie da gewesen. Ich gucke in den Spiegel und sehe einen ganz neuen Menschen. Fast muss man sich Sorgen machen, dass das zu schnell geht. Denn wir wissen ja: wenn die Pfunde zu schnell purzeln (so sagt man doch, oder?), dann leidet nicht nur die Laune, sondern auch die Gesundheit. 300 Gramm in vier Wochen – hart an der Grenze, ich weiß. Aber trotzdem bin ich auch stolz auf das, was ich erreicht habe.
Und ich weiß: was ich kann, könnt ihr auch!

Na gut. Ich war genau zwei mal laufen, ich habe alles gegessen, was mir in die Finger kam, ich habe gerade eine Woche im Fast-Food-Wunderland hinter mir, und ich muss die kostbaren Tage nutzen, in denen Wein erlaubt ist. Einerseits standen die Zeichen also sogar auf Zunehmen statt auf Abnehmen, und wenn man bedenkt, dass ich nach den ewigen Figurnaturgesetzen drei Kilo hätte zulegen müssen, habe ich sogar eigentlich 3.300 Gramm abgenommen. Das hört sich doch schon anders an! 3.300 Gramm in gestapelten Schnupfenbazillen, das kann sich ja kein Mensch vorstellen! Ein unvorstellbar gewaltiges Gewicht!

3.300 Gramm. Nicht übel, überhaupt nicht übel! Sag ich doch: was ich will, das schaffe ich. (Da soll noch eine sagen, ich will nicht genug. Na, Kommentarschwester, was sagst du jetzt?)