Donnerstag, 25. August 2011

Bratkartoffeln: es geht nicht mit ihnen, es geht nicht ohne sie

Ich hatte mal einen Freund, von dem hier schon mehrfach die Rede war. Wenn er mich besonders tief kränken wollte (und das wollte er leider oft), dann sagte er: "du willst ja auch scheinbar unbedingt was Besonderes sein" oder dergleichen. Jetzt, wo ich es so schreibe, fällt mir auf, dass ich davon wohl auch schon das eine oder andere Mal erzählt habe.
Obwohl ich nicht den geringsten Wunsch habe, diesen Freund jemals wiederzusehen, wiederzuriechen, wiederzuhören oder wiederzusprechen, musste ich gerade mal wieder an ihn denken: es zeigt sich immer wieder, dass ich ein extrem normal, einfach und berechenbar gestricktes Tierchen bin.
Von Nike gibt es eine Seite, die heißt nikeplus, da melden sich Leute an, die gerne laufen oder gerne gerne laufen würden. Dazu gibt es eine App, die kostet, glaube ich, eins siebzig. Seit ungefähr sechs Jahren würde ich gerne wieder laufen gehen, und zwar jeden zweiten Tag. Bisher habe ich es nicht geschafft, ich konnte oft nichts dafür, da waren z.B. die vergurkte Schwangerschaft, die vielen Wartezeiten nach Rückübertragungen mit Sportverbot und die ca. 28 Bauchspiegelungen, auch die mit Sportverbot. Dann waren da Erkältungen, Arbeitslawinen und und und. Jetzt ist da die App, und ich renne. Alle zwei Tage, wenn ich mir in meinem Feuereifer nicht gerade wieder eine Wade gezerrt habe. Die App misst, wo, wie lange und wie schnell ich gelaufen bin, und petzt das hinterher der Seite und facebook. Inzwischen renne ich nicht nur auf eigene Verantwortung, sondern ich renne für Hamburg gegen alle anderen Städte in Deutschland (wenigstens Frankfurt müssen wir überholen. Bitte. Wenigstens Frankfurt. Und der Tag, an dem Stuttgart uns überholt, wird sowieso der Tag einer neuen Wadenzerrung, denn dann werde ich es auf mich nehmen, das notfalls im Alleingang wieder auszugleichen), für das Ziel, bis zum 9. September 4000 Kalorien verrannt zu haben, für den Wettkampf Mädchen gegen Jungs und für die kleine Bestätitung, die es nach jedem Lauf über die Kopfhörer gibt: Lance Armstrong oder Dirk Nowitzki gratulieren mir. Irgend einen Anlass zum Gratulieren gibt es immer, egal wie lahm ich mich durch die Parks geschleppt habe. Und wenn es auch nur ist, dass ich zum ersten Mal an zwei Dienstagen hintereinander laufen war, congratulations, great job, way to go! Und nach jedem Lauf erscheint auf facebook die Meldung, dass ich gerade laufen war, wie weit und wie schnell und wie lange. Mein facebook-Freunde werden mich vermutlich demnächst alle entnervt verbergen, wenn sie das nicht schon lange tun. Ich finde das peinlich. Aber ich finde das auch gut. Gut genug, um mich auf jeden Lauftag zu freuen, mein Laufschuhe zu hegen und zu pflegen, die Playlist ständig zu verbessern und jetzt jeden Morgen auf die Waage zu steigen, obwohl das gerade eher deprimierend ist. Dieses kleine popelige digitale Möhrchen vor meiner Nase (lauf, Häschen! Dann kriegst du auch ein buntes Bildchen im Internet, und wer weiß, vielleicht wird der Bildschirmhintergrund auf der Seite für dich statt orange sogar grün?) reicht aus, damit ich das Sofa, den Rechner, meine Bücher, meinen Mann und meinen Hund sitzenlasse und jeden zweiten Tag eine Dreiviertelstunde durch Gluthitze, schwüle Gewitterhölle oder Schlammgruben renne. Ist das nicht toll?

Also: Laufen gut, Abnehmen eher nicht so gut. Ich hatte einen kleinen Ausrutscher, der vier Tage anhielt, ich konnte nichts dazu, glaubt mir! Ich habe mir Bratkartoffelportionen geteilt und die Hälfte stehen gelassen, glutenfreies Buchweizenknäcke statt frischem Weißbrot gegessen und überhaupt. Trotzdem ist das Ergebnis im Moment folgendes: nach vier Wochen, in denen ich mich zwar meistens ganz wohl gefühlt habe mit meiner Ernährung, aber mir auch ständig irgendwas verkniffen habe, wiege ich jetzt anderthalb Kilo weniger als nach dem Urlaub. Und im Urlaub habe ich gefressen wie ein Schwein. Und ich frage mich, läuft es darauf hinaus? Ich gebe ein Leben in Saus und Braus auf, ein Leben, in dem die Abende mit Wein und Pasta enden oder auch mal mit einem Kilo gegrillter Rippchen, in dem ich immer das bestelle, worauf ich am meisten Lust habe, und keinen zweiten Gedanken an Kalorien oder sogar Kohlenhydrate verwende - um am Ende für all den Terz zwei Kilo weniger zu wiegen? Ich weiß, ich sollte noch nicht aufgeben, und das Laufen wird auch irgendwann demnächst helfen, und ich tue das ja auch nicht nur, um abzunehmen, sondern auch, um gesünder zu werden. Aber... ächz... irgendwie dachte ich, das geht alles einfacher und schneller. Das ist ja nicht das erste Mal, dass ich das denke, wie wir alle wissen.
Also gut. Heute ist Lauftag. Und wer mich als nächstes zu so einem mehrtägigen Bratkartoffel-Event einlädt, bekommt eine sehr, sehr bedauernde Absage.

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