Freitag, 26. Oktober 2012

Der übliche Heiopei

Nachts kriegt sie kein Auge zu, seit zwei Tagen hat sie üble Schmerzen im unteren Rücken, abends spricht sie mit den Brummern und würde sich danach am liebsten eine knallen, denn der ganze Spuk ist vermutlich in zehn Tagen schon wieder vorbei. Oder in drei Wochen. Oder in zwei Monaten. Sie macht ein bisschen langsamer, verteilt die Gartenarbeit auf zwei Tage und die Einkäufe auf drei Gänge und läuft schon seit Tagen in einer alten Schwangerschaftsbüchs (die aber nicht danach aussieht zum Glück) rum, weil sie Angst hat, die enge Jeans könnte die Brummer vergraulen. Zwar hat sie noch luftgetrocknete Salami und Rohmilchkäse im Kühlschrank, geht aber fest davon aus, die Reste noch essen zu können, bevor sie vergammelt sind. Obwohl sie noch nicht mal positiv getestet hat, schmiedet sie mit ihrem Mann schon Pläne, wie sie in den nächsten Monaten dem ärgsten Job-Psychoterror aus dem Weg gehen können, wie lange das Geld reicht, wenn sie vielleicht gar nicht arbeitet, ob sie dabei nicht durchdrehen wird und wie viel Einfluss darauf es haben könnte, wenn lovefilm demnächst vielleicht ein paar mehr Krimiserien von Nicht-CSI-Prägung als Video on Demand im Angebot hätte.

Die Gute. Das kann ich inzwischen auswendig mitsprechen.

Ich bin heute morgen mit den Hunden spazieren gegangen, zum ersten Mal war es richtig kalt gewesen über Nacht, und während die Hunde durch das Laub raschelten, fremden Kindern die Glitzerbälle klauten und sich in abgeschnittenen Rosenranken verhedderten, habe ich im Herbst geschwelgt. Dieses Wochenende, wenn L. bei seinen Turnieren ist, werde ich backen, aber es ihm nicht verraten, und ich hoffe, ihr haltet ebenfalls dicht. Die Kekse verstecke ich dann am einzigen Ort, den er nicht einfach plündern kann: meinem Auto. Außerdem koche ich Pfefferpotthast, eine Art Gulasch, das will ich schon seit letztem Wochenende in Dortmund, als mir erst meine Oma und dann meine Tante ihr Rezept verraten haben. Zwischendurch gucke ich meine zweihundert alten Zeitschriften auf der Suche nach neuen New York-Tipps durch, die schneide ich dann aus und klebe sie in ein leeres Buch, das ich diesmal mitnehmen will, wenn wir demnächst endlich wieder in unsere Lieblingsstadt fliegen. Ich will Kletterrosen ans Haus pflanzen und zwei eingegangene Hortensien ersetzen, außerdem pflanze ich ein Apfelbäumchen. Dann werde ich noch Laub rechen - meine Allerallerlieblingsarbeit im Garten, auf der wii mit meinem Lego Harry Potter-Spiel herumnerden (wäre ich wohl eine dufte Kumpelmutter? Na?) und - das allerschönste - vor dem Feuer sitzen und Wolf Hall lesen. Wolf Hall und die Fortsetzung Bring up the Bodies haben beide den Booker Preis gewonnen, einen der dollsten Literaturpreise der Welt, und sie haben ihn verdient. Ich bin auf Seite 211 und glücklich verliebt, und das, obwohl ich zwar Kostümfilme liebe, aber mit historischen Romanen noch nie viel anfangen konnte. Die Bücher spielen zur Zeit Heinrichs VIII und sind erzählt aus der Sicht von Thomas Cromwell, der in der Tudor-Fernsehserie als herzloser Ehrgeizling und Strippenzieher wegkam, ganz im Gegensatz zum edlen, integren (und extrem viel besser aussehenden) Thomas More. Hier sieht das anders aus, und ich liege da in meiner Strickjacke und reagiere über Stunden auf alles, was L. zu mir sagt, nur mit "Hm", "Genau" oder auch "Ich nehm noch einen". Ich hoffe sehr, dass unsere Ehe das noch eine Weile aushält, denn Band zwei ist gestern per Post gekommen.

3 Kommentare:

  1. ich lese deinen blog sehr gerne und hab insbesondere deine endo-erfahrungen wissbegierig aufgesogen. jetzt bin ich in einer total ratlosen situation und würde mich total freuen, falls du mal bei mir vorbei schaust und vielleicht sogar einen rat parat hast ;) lg

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    1. Liebe Flora,
      hab mich nach dem Stammtisch gar nicht gemeldet- mannomann, das erzähl ich aber später nicht den Kindern, wie die Mama da dem Rose zugesprochen hat :-) Du hast ja von deiner Freundin erzählt und nun wollte ich doch auch gern alle Daumen drücken!
      LG Nina

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    2. Liebe Nina, das war allerdings Bombe - so Bombe sogar, dass ich kein Problem damit habe, seitdem (immerhin vor vier Wochen) zur Abwechslung einfach mal gar nichts mehr zu trinken. Mal sehen, vielleicht wird der nächste Stammtisch ja ein Frühstück? Wie auch immer, ich fand es wieder mal sehr, sehr schön mit Euch allen! Liebe Grüße!

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