Donnerstag, 1. November 2012

Babyschrittchen. Ganz klitzekleine Babyschrittchen.

Ich hab's getan. Ich hab's tatsächlich getan. Obwohl es jetzt schon 24 Stunden her ist, bin ich immer noch stolz.

Dieser Post verlangt eine längere Vorrede, genauer gesagt besteht er nur aus Vorrede. Einer langen. Wie fange ich an? Na gut: es fällt mir extrem schwer, mich zu beschweren. Ich kann das nicht. Vielleicht ist das eine Erziehungssache, Beschweren war bei uns zuhause extrem ungern gesehen. Nun bin ich dem Elternhaus allerdings schon seit fast zwanzig Jahren entflohen, das sollte also inzwischen überwunden sein - ist es leider nicht. Der Wunsch, netter, unkomplizierter und anspruchsloser zu erscheinen als ich bin, ist in meinem Fall scheinbar so überwältigend, dass mir die simpelsten kleinen Neins, Nicht so tolls, Find ich doofs und Keinen Bocks schier nicht über die Lippen wollen. Ich hatte schon mehrwöchige Beziehungen (je nachdem wie man's nimmt sogar mehrjährige, ich darf nicht darüber nachdenken, sonst verschwindet dieser kleine innere Triumph sofort und ich sitze hier die nächsten Wochen und starre die Wand an vor Verzweiflung über meine eigene Schwäche), weil ich nicht sagen wollte, dass mein Liebster mir gefälligst der Buckel runterrutschen kann. Das ist ein Extrembeispiel. Ein weniger besorgniserregendes Beispiel (kringel du ruhig rot unter dem Wort her, Rechtschreibeprogramm, ich werde das nicht in Besorgnis erregend ändern, pah) (Widerstand gegen Maschinen fällt mir zum Glück leichter als gegen Menschen) (Vielleicht sollte ich mehr mit Maschinen... egal, zurück zur Sache:) sind Restaurants.

Vor ein paar Monaten ist die Firma, in der ich dreimal wöchentlich als "feste Freie" arbeite, umgezogen. Zwar nicht weit, nur ca. einen Kilometer vom alten Standpunkt entfernt und immer noch mitten in der Stadt, aber mit vollkommen neuem Mittagspauseneinzugsgebiet. Anfangs war ich begeistert. Alles voll mit Italienern, Portugiesen, Ökoläden, Franzosen, Asiaten... dann waren die ersten zwei Wochen um, und ich legte zur besseren Übersicht ein Word-Dokument namens "Wir machen nie den selben Fehler zweimal" auf meinem Arbeitsrechner an, um die Übersicht zu behalten, was ich nie, nie wieder bestellen will. Das ist ja alles grauenvoll! Alles! In den drei Monaten, seit ich dort esse, habe ich schon viermal einen vollen Teller trotz knurrenden Magens stehenlassen und bin gegangen, mit dem Telefon am Ohr, damit das so aussieht, als müsste ich dringend weg. Geld habe ich natürlich dagelassen, und weil ich mit den Kellnern nicht reden wollte und auch nicht auf Wechselgeld warten - die waren nett, und ich wollte mich, s.o., nicht beschweren - auch noch viel zu viel Trinkgeld. Und dann ärgere ich mich. Seit vielen Jahren träumen L. und ich ab und zu von unserem eigenen Restaurant oder wenigstens unserer Bar. Das ist ein schöner Traum. Aber viel zu oft sieht man zauberhafte Menschen, die viel Liebe, Zeit und vor allem Geld in so einen Plan stecken, ungerechterweise trotzdem mit Karacho untergehen, während ein paar Meter weiter ein Laden, in dem so hundsmiserabel gekocht wird, einfach läuft und läuft. In meinem Fall war bisher der Tiefpunkt die Trattoria Mama. Ich hab denen mindestens sieben Chancen gegeben, auch aus Faulheit, die sind um die Ecke. Dann kommt mein Essen, und ich könnte mich schlagen, denn genau so beschissen hat das schon letztes Mal geschmeckt: ungesalzene, teils verkochte, teils noch knackende Nudeln in einer Sauce, für die jeder Maggi-Fix-Hersteller sich schämen müsste. Pizza, die ungefähr so schmeckt wie ein mit Tomatenmark bestrichenes Knäckebrot. Dann lege ich einen Schein hin und verschwinde.

Und dann gestern. Gestern hatte ich mir Pasta mit Zucchini-Meeresfrüchte-Sauce bestellt, nicht bei Mama, wo ich nun wirklich nie wieder hingehen werde, sondern in einem der kleinen italienischen Läden in der Nähe. Dann kam ein Teller untersalzener Nudeln mit Sahne. Ich habe fünf Nudeln gegessen, dann habe ich mir einen Ruck gegeben und bin an den Tresen gegangen. "Ich würde gern zahlen." "Signorina, war nisch gut?" "Nö." Kurze Verwirrung, scheinbar bin ich nicht die einzige, der das nicht leicht über die Lippen geht. "Wieso nisch?" "Die Nudeln waren in fast salzfreiem Wasser gekocht. Die Sauce ist einfach Sahne und schmeckt nach gar nichts. Und..." Wenn der Damm erst mal gebrochen ist... "das waren die langweiligsten Nudeln, die ich seit Ewigkeiten gegessen habe. Italiener würden ihnen die vor die Füße schleudern. Ich weiß, sie können nichts dafür, aber sagen sie das ihrem Koch." Dann bin ich gegangen und hab mir Falafel geholt.

Diesen Mäuseerfolg will ich nicht nur feiern, sondern das kann nur der erste Schritt sein. Einige Pläne für die nächsten Wochen:

1. Ich werde am Montag zu meinen Bossen gehen und ihnen sagen, dass ich nie wieder, nie wie in nie, eine englische Übersetzung für meinen kleinen Kollegen machen werde. Vor über einem Jahr hat er bei uns angefangen, dass er dafür auch auf Englisch schreiben muss, war von Anfang an klar, und als sich herausstellte, wie wenig er das kann, waren erst alle entsetzt und dann landete das alles mehr oder weniger kommentarlos bei mir. Ein Jahr später kann ich nicht feststellen, dass er irgend etwas unternommen hat, um besser Englisch zu können. Wir haben beide nur unser stinkstrunznormales Schulenglisch, alles weitere habe ich mir selbst draufgefuchst. Das soll er jetzt einfach auch machen, statt sich von mir den Arsch hinterhertragen zu lassen. (Schon wieder fühle ich mich wie im "Dein Bruder macht immer die Gläser kaputt, mach doch Du den Abwasch bitte"-Wunderland.)

2. Wenn ich das nächste Mal beim Friseur sitze, und er macht etwas mit meinen Haaren, was ich ausdrücklich nicht wollte, was vollkommen beknackt aussieht und was mich die nächsten Monate in Atem halten wird, dann gehe ich nicht mit verkniffenen Lippen nach Hause, sondern ich verlange den Chef zu sprechen und mache eine so heftige Szene, dass ich die nächsten fünf Haarschnitte umsonst bekomme. Selbstverständlich bei jemand anderem.

3. Ich muss wohl nicht erst erwähnen, dass Taxifahrer, die den Weg nicht kennen, sofort rechts ranfahren können und die Fahrt hier zu Ende ist.

4. Lässt sich jemand in der Ubahn mit einem Riesenseufzer und noch größerem Umfang halb auf meinen Schoß fallen, dann sage ich nicht nichts, sondern "Sie sitzen auf meinem Schoß."

5. Wenn ich das nächste Mal nach dieser kleinen Zwangspause laufen gehe und dabei an der Hundegruppe vorbeikomme, die ich sonst gerne mit Lulu und Momo treffe, und die werden wieder witzig, dann laufe ich nicht zähneknirschend weiter, sondern sage etwas. Was, das lasse ich mir vom Augenblick und vom Zähneknirschen einfach eingeben.

Auf mich kommen ein paar sehr, sehr spannende Wochen zu. Auf meinen Kieferchirurgen vielleicht auch.

p.s. ach ja: von meiner Freundin mit den Brummern nichts Neues. Montag ist immer noch Test, sie hat immer noch außer Utrogest-Schmiere nichts in der Unterhose, was da nicht hingehört, und falls ihr Zyklus 28 Tage lang wäre, hätte sie Dienstag morgen ihre Tage haben müssen. Bisher war sie noch nicht bei Budni, um sich einen Test zu kaufen. Wie macht sie das? Ich bin platt.

6 Kommentare:

  1. Normalerweise gehöre ich auch zu denen, die lieber nichts sagen. Ich mag nicht anecken.
    Aber!!! Inzw. habe ich die Erfahrung gemacht, wie sehr sich das lohnen kann, mal was zu sagen.
    Z.B. als meine teuren Halbschuhe an fast allein Stellen (der linke und der rechte) nach ca. einem halben Jahr aufgegeben haben.
    Ich habe die Firma angeschrieben, sollte die Schuhe einschicken. Sie haben 2 neue Paar zurückgeschickt. Eins durfte ich umsonst behalten. Hätte mir das zweite Paar auch gefallen, hätte ich nur dieses Paar bezahlen müssen.

    Oder der Anlass, als ich mir ein Kleid fürs Standesamt ausgesucht hatte und dieses bekannte Mode-Geschäft mit das schicken wollte. Und ich anstatt des weißen „Walle-Kleides“ ein schwarzes (!!!) Etui-Kleid in der Schachtel fand.
    Angeschrieben - Gutschein bekommen.
    (Da war noch mehr schief gegangen. Ich habe die Story jetzt gekürzt. In der Antwort an mich stand, dass die zuständige Abt.leiterin meinen Brief überall herumgezeigt hat, um den Angestellten mal klar zu machen, was alles schief gehen kann. Wenn nicht nur einer nicht aufpasst, sondern in einer langen Kette eben gar keiner aufpasst.)

    Nur Mut!
    Begründet beschweren lohnt sich.

    Und an Deiner Stelle hätte ich die letzten geschmacksfreien Nudeln nicht bezahlt. Oder mir dafür was anderes bringen lassen.

    Du arbeitest hart für Dein Geld. Da kannst Du dann auch verlangen, dass Du was dafür bekommst.
    Meine Meinung.

    Gruß
    SarahO

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  2. Hat deine Freundin keinen Test gemacht? Ich drück ihr weiter die Daumen! Es muss doch mal klappen!

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  3. Gibts Neuigkeiten von deiner Freundin? Heute ist Samstag. Ein neuer Post muss her, bitte! Ich drücke die Daumen für die drei Brummer! snow

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  4. Ach Flora, wenn Du Dichüber wenige Kommentare wunderst: es ist echt schwieriger geworden, die "nichtroboter"-Schwelle zu überwinden. Bin gestern drei Mal gescheitert, bis ich fast mich selbst gefragt habe, ob ich vielleicht ein Roboter bin...

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  5. Liebe Flora,
    ich drücke Deiner Freundin ganz fest die Daumen für Morgen.

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  6. Was macht deine Freundin? Drücke gaaaaaaaaaaaaaaanz fest die Daumen.

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