Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet. Ich hätte gedacht, mein dickster Auftraggeber hustet mir was, wenn ich ihm mit meinen Vorstellungen von Tagessatz-Erhöhung komme. Ich dachte, der denkt sich: die kommt als Mutter zurück, leistet vor lauter Baby-Entzug und unvorhergesehenen Zwischenfällen von Krankheit bis verschollenem Kindermädchen in Zukunft nur noch ungefähr zwei Drittel von dem, was sie vor der Schwangerschaft gebracht hat, will größtenteils zuhause arbeiten, und jetzt will sie mehr Geld? Pah!
Genau das wollte sie. Denn aus meiner Sicht stellte sich das so dar: ich gehe wieder arbeiten, auch deshalb, weil wir das so abgesprochen hatten und ich mein Wort halten wollte. Ich weiß jetzt schon, ich werde mich streckenweise schäbig fühlen dabei. Ich werde mich als Werberin außerdem öfter als bisher schwer tun, einen echten, wirklichen und lebendigen Sinn in dem zu sehen, was wir da so austüfteln. Ich werde vermutlich täglich einen Krach mit L. haben, wessen Termine nun wichtiger sind, wer sich nach wem zu richten hat, wer wohin zu spät kommt und wessen Schuld das ist usw.. Und weil ich zur Verhinderung schlimmeren Übels wenigstens vier Stunden am Tag eine Kinderfrau oder einen Kindermann bezahlen will, würde ich also die gleiche Arbeit wie bisher tun, nur mit einem riesigen ranzigen Sahnehäubchen aus Stress und Streit und Schuldgefühlen obendrauf, und dank Kinderfrau (oder Mann, jaja) für ca. 500 Euro netto weniger? Auch Pah!
Mit gezücktem Klappmesser wollte ich nicht ins Gespräch gehen, deshalb habe ich nicht gesagt: wenn ihr das nicht macht, dann gehe ich in Elternzeit, und ihr könnt sehen, wer in Zukunft meine Arbeit tut. Ich hätte ihnen angeboten, noch vier Wochen zu arbeiten, damit sie nicht ganz nackig dastehen, und dann wäre ich weg gewesen. Jetzt bin ich ganz froh, dass ich das nicht gesagt habe, denn nach kurzer Bedenkzeit haben sie mich angerufen und mir gesagt, dass sie mir die Erhöhung zahlen. Gerne sogar! Haben sie gesagt.
Und jetzt sieht der Plan so aus: am 21. Oktober gehe ich wieder arbeiten. Wie bisher dreimal die Woche, Montag, Dienstag und Mittwoch, es sei denn, ich oder die Agentur hat einen triftigen Grund, einen der Tage zu verschieben. Vormittags übernimmt L. Thorsten. Wobei ich ihn sicher auch mal auf dem Schoß und auf dem Arm haben werde, eine Windel wechsele oder was auch immer. In dieser Zeit werde ich vor allem nachdenken und versuchen, mir etwas einfallen zu lassen. Dabei wird das beim iphone eingebaute Diktiergerät wohl mein bester Freund werden. Und nachmittags kommt die Kinderfrau, und dann kann ich bei Bedarf in die Agentur fahren. Oder ich bleibe auch dann zuhause, hacke konzentriert die Einfälle vom Vormittag in den Rechner oder denke mir neue aus, und abends geht eine schöne dicke Erntemail an die Agentur. Sollte meine Anwesenheit auch mal vormittags wichtig sein, muss entweder L. ganz ran, oder ich frage die Kinderfrau, ob sie vormittags statt nachmittags kann. Dazu könnte ich mir vielleicht noch eine zweite Dame in der Hinterhand anlachen, die wenig zu tun hat und ein bisschen flexibler ist. Der Plan klingt einleuchtend, denkt mein Kopf. Der Plan klingt wie das Ticket in den Wahnsinn und die Ehekrise, denkt mein Bauch. Aber erst mal werde ich das so versuchen. Und denke ich nach zwei Wochen, das geht nicht, das ist alles Unfug und mir bricht das Herz dabei, und graut mir ab Samstag vor Montag, dann werde ich der Agentur freundlich sagen, dass ich mich da wohl gewaltig überschätzt habe, dass es alles hinten und vorne nicht hinhaut und dass sie sich jetzt doch jemand anderen suchen müssen. Und dann gehe ich eben doch in Elternzeit. Und einen ganz anderen Plan habe ich sowieso noch in der Hinterhand, aber an dem will ich in jedem Fall dranbleiben, egal ob mit oder ohne Agentur.
One Meal Fits All
vor 22 Stunden