Einige der Gründe, warum es für mich grauenvoll ist zu arbeiten.
Weil ich mich manchmal so fürchterlich hohl fühle. Nicht hohl im Sinne von doof, sondern hohl im Sinne von leer und ausgehölt. Das Gefühl ist nach ein paar Minuten vorbei, aber man vergisst es nicht so schnell.
Alles ist in Unordnung. Als ich nur zuhause war, habe ich es irgendwie geschafft, die Bude bewohnbar zu halten. Jetzt... huaaaarg. Und noch nie hat mir das so viel ausgemacht wie jetzt.
Mein Lebensgefühl ist auch in Unordnung. Irgendwo habe ich neulich von Müttern gelesen, die das 1a hinkriegen: sich voll auf das Kind zu konzentrieren, wenn sie beim Kind sind, und dann zwei Stunden später total in ihrer Arbeit aufzugehen, wenn sie am Schreibtisch sitzen. Die würde ich gerne mal kennenlernen und sie fragen, wie sie das machen. Vermutlich lautet die Antwort ganz einfach: tja, wir sind eben nicht solche Fusselhirne wie du.
Ich kriege die Angst nicht aus dem Kopf, dass etwas Schlimmes passieren könnte, während ich nicht bei meinem Kind bin. Ich weiß, dass diese Angst irrational und das Erster-Klasse-Ticket in den Wahnsinn ist. Ich weiß auch, dass ich sie vermutlich nur durch Gewöhnung und die täglich wiederholte Lektion loswerde, dass eben im wirklichen Leben nichts Schlimmes passiert. Ich hoffe, der Effekt tritt demnächst ein. Wieso habe ich diese Angst? Ich weiß es nicht. Denn wenn ich ehrlich bin, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit dem Kind auf dem Arm die Treppe runterfalle, mindestens so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand anderem passiert (der erstens nicht so ein Fusselhirn ist und zweitens im Gegensatz zu mir räumliches Sehen hat, das extrem nützlich ist beim Treppenhinabsteigen). Ich weiß das! Nützt aber nix, wie das mit Ängsten so ist.
Alles, was mir rund um meinen Job schon vor dem Baby dämlich erschien, erscheint mir jetzt noch viel dämlicher. Und durch den einen Monat zwischen Mutterschutz und Job, für den ich volles Elterngeld bekomme statt des Basisbetrages von 300 Euro für gutverdienende Ex-Abkürzungsdamen weiß ich jetzt leider, was ich monatlich bekäme, wenn ich es einfach lassen würde. Ach, ach, ach, ich Ärmste, hätte ich diese Zahl doch nie gelesen. Jedes Mal, wenn ich früher nur gedacht habe "Oh Mann. Na gut. Gesichtsmuskeln unter Kontrolle bringen, weitermachen." denke ich jetzt "(hier eine phantastisch hohe Zahl einfügen)". Zuletzt dachte ich sogar an die Zahl, als im vegetarischen Mittagspausenrestaurant die Auberginen noch roh waren und ein Haar im Nachtisch.
Weil ich mich jetzt, gerade dann, wenn ich am wenigsten an die Zahl denke, trotzdem pünktlich loseisen und das alles hinter mir lassen muss. Eigentlich habe ich mich gern reingesteigert in meinen Job, zumindest manchmal. Ich war zwar nicht mehr bereit, wie vor zehn Jahren 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, aber wenn es auf den wichtigen Präsentationstermin zugeht, habe ich auch gerne eine Schippe mehr draufgepackt und mir mit roten Augen noch letzte Ideen abgepresst. Jetzt sitzen wir im Konferenzraum, und jemand sagt zu mir: "Ach so. Ja, du musst ja jetzt gleich los, oder?" Ja, muss ich, und es ist ja auch gut und richtig so, aber trotzdem fühle ich mich in dem Moment wie ein Nichtschwimmer.
Weil es so ziemlich eine der demoralisierendsten Erfahrungen ist, auf einem Firmenklo zu knien und Muttermilch ins Klo auszustreichen, weil ich sonst leider explodiere.
Einige der Gründe, warum es für mich trotzdem gut ist zu arbeiten.
Weil ich heute mein erstes selbstverdientes Geld seit der Geburt auf dem Konto hatte und sich das toll angefühlt hat.
Weil ich nie wieder meinen Mann um Geld bitten will. Nicht, weil er darauf so blöd reagieren würde, sondern einfach so. Ich fühle mich besser, wenn ich das nicht tue.
Weil ich schon Angst hatte, ich würde verblöden. Ich hatte in den letzten Monaten manchmal Telefonate mit Leuten, die mir wirklich wichtig sind, die mir Dinge erzählten, die ihnen wirklich wichtig waren, und alles, was mir dazu nach den ersten zwei Minuten einfiel war "Das ist doch gut. Hm-hm. Das ist doch gut. Sehr schön. Das ist doch gut. Hm-hm." Ich sehe die Arbeit gerade auch ein bisschen als Rückbildung fürs Hirn. (Oh Gott. Bitte bitte, mitlesende Damen, denkt nicht, dass ich sage, als zuhause bleibende Mutter verblödet man. Ich und nur ich bin hier wieder mal das Thema, und mir ging es leider ein bisschen so.)
Weil ich jetzt an jedem Arbeitstag zwei mal 25 Minuten in der Ubahn habe und damit drei mal 50 Minuten zum Lesen. Letzte Woche war ein Kontrolleur da, der etwas länger zum Kontrollieren brauchte, den habe ich fast angeschnauzt. (Nur fast. Aber es ging um meine Lesezeit!)
Weil es unfassbar schön ist, abends nach Hause zu kommen. Mein Kind aus dem Stubenwagen oder aus L.s Armen zu nehmen, an mich zu drücken und an seinem Kopf zu riechen, ist eine einzige Bewegung. Dann stapfe ich schnell nach oben mit ihm und stille ihn (wird auch allerallerallerhöchste Zeit, falls die Exabkürzungsdamen verstehen, was ich meine) und habe meinen Frieden.
Weil ich jetzt die Zeit mit ihm wirklich, wirklich in mich aufsauge wie den Duft seines Kopfes.
Weil er das Kindermädchen wirklich gern hat. Diese Woche war ich einen Tag zum Arbeiten zuhause und habe gesehen, wie er gestrahlt hat, als er ihr Gesicht gesehen hat. Die Welt eines Babys ist klitzeklein, und seine ist gerade um eine Person bereichert worden. Ihr solltet sein Gesicht sehen, wenn sie ihm spanische Kinderlieder vorsingt.
Weil ich jetzt nicht zuhause sitze und ständig denke, ich bezahle dieses Babyjahr damit, dass ich hinterher zurück in eine Jobwelt muss, in der von mir als freier Texterin erwartet wird, an einem Buchungstag bis weit nach Mitternacht zu arbeiten und jederzeit bereit zu sein, mal eben für zwei Wochen nach Berlin oder München zu ziehen, und zwar ab... äh... morgen?
Weil es mir gut tut, mich an drei Tagen in der Woche präsentabel anzuziehen, touche eclat aufzutragen, BB-Cream und Wimperntusche und Mittagspausen zu haben und Abstimmungen und Espresso zu trinken, der einfach so aus einer Maschine kommt, ohne dass ich Kaffee, Wasser oder saubere Tassen organisieren muss.
Weil L. und der Kleine mit jedem Tag enger zusammenwachsen. An drei Tagen in der Woche ist er jetzt vormittags mit ihm alleine. Wäre ich zuhause, würde ich angelaufen kommen, sobald ich ihn meckern höre. "Muxi! Was hast du denn? Mama ist ja da." Und schwupps, hätte ich ihn L. aus dem Arm genommen und wäre mit ihm nach oben geschwebt zum Stillen oder anderer Papa-wird-hier-nicht-gebraucht-Aktivität.
One Meal Fits All
vor 1 Tag