Montag, 8. Dezember 2014

1 Monat

Zwar ist Michel schon seit drei Tagen einen Monat alt, aber was soll ich sagen? Was soll ich sagen. Wir waren zu müde, das Wochenende war zu voll, ich war zu leer, und vor drei Tagen hatte ich auch die Idee mit den Zahlen noch nicht. Es ist eine sehr nahe liegende Idee, und ich habe ewig gebraucht, um drauf zu kommen, was illustriert, wie müde genau ich gerade meistens bin.

Ursprünglich wollte ich die Zahlenidee von Holly klauen, Autorin von "Nothing but bonfires". Sie hat in jeder Schwangerschaftswoche ein Foto gepostet, in dem sie Zahlen hält, die der Schwangerschaftswoche entsprechen. Ich fand die Idee sehr hübsch und die Fotos auch. Die Zahlen habe ich im Bastelladen in der Europapassage gekauft, ein passendes Farbspray dazu, zwei Tage später schien die Sonne, und ich habe im Garten die Zahlen angesprüht. Dann kam es zum ersten Foto, und daran ist es dann auch gescheitert: ich bin schon damit überfordert, mit dem Telefon ein Selfie zu machen, auf dem ich nicht wie ein Vollhonk aussehe oder wie jemand, der denkt, aus dem Telefon kommt gleich ein Vögelchen und klaut meine verwirrte Seele. Das gleiche jetzt nochmal mit zusätzlich ein bis zwei Zahlen in der Hand - das wird nichts. Und L. war weniger heiß darauf, Fotos von seiner schwangeren Frau zu machen, als man das nach der Lektüre von Schwangerschaftsratgebern so denken sollte. Also sind die Zahlen in eine Blechdose gewandert und darin geblieben, bis ich die Blechdose vor ein paar Tagen brauchte, um Kekse hinein zu tun. Die Zahlen waren im Weg. Aber wegwerfen wollte ich sie auch nicht. Und dann - mit schildkrötenhafter Langsamkeit - hatte ich endlich die sich jedem anderen längst aufdrängende Idee, jeden Monat ein Foto von Michel zu machen. Dazu gibt es dann einen Geburtstagspost.
(Ein bisschen schade, dass ich das bei Kalle nicht gemacht habe. Aber Kalle hat dafür in der Schwangerschaft viel mehr Posts bekommen. Und wir können ja mit ihm auch jetzt noch einsteigen, besser als nix.)

Also, tadaaaa, tatatatatatatatataaaaaa: erster Geburtstagspost für Michel.



Und seit einigen Tagen gibt es wirklich etwas zu schreiben. Denn es tut sich etwas. Vor einer Woche war er noch eher ein Würmchen. Ein sich krümmendes, hilfloses, verlorenes, gespenstisch nach gar nichts greifendes und ins Leere guckendes Würmchen. Er war noch nicht richtig da: auch weil er so dünn und lang war, schien es manchmal, als wäre seine Haut ein bisschen zu groß für ihn. Als wäre der Rest von ihm noch nicht angekommen. Jetzt wache ich auf, und neben mir liegt kein Würmchen, sondern ein Baby, das mich anguckt. Bewege ich mich, guckt er mir hinterher. Nehme ich ihn auf den Arm, dann kuschelt er sich so tief wie möglich in die Kuhle zwischen Hals und Schulter und macht es sich gemütlich. Ich bilde mir sogar ein, er kann schon seinen Kopf alleine halten, jedenfalls guckt er sich munter im Zimmer um, wenn er auf dem Arm ist. Halte ich ihm die Hände hin, dann hält er sich fest, und zwar nicht nur reflexartig - nein, er greift nach mir, und es scheint, als wollte er mich daran hindern, wieder wegzugehen. (Armes Kerlchen, Du hast eine Mutter abbekommen, die es leider in sich hat, ständig irgendwo hinzugehen. Sie kommt zwar immer wieder, aber zum stillsitzen habe ich zu viele Hummeln im Hintern...) Er trinkt kräftig und wiegt schon 4.750 Gramm. Ohne Fläschchen geht es immer noch nicht, vor allem nachts, aber im Moment spielen die Fläschchen eher die Rolle eines Nachtischs, den er zwar eigentlich nicht mag, der aber zu einer kompletten Mahlzeit einfach dazu gehört. Er trinkt also bei mir, bis er fast satt ist, dann knöttert er und knöttert und knöttert, bis ich ihm ein Fläschchen mache, von dem er dann vier Schlucke trinkt und sich dann beruhigt schlafen legt. Also machen wir das jetzt so und sind damit zufrieden. Er bekommt Zehennägel, die schon den halben Weg bis zur Zehenspitze geschafft haben. Ich verbringe jeden Tag mindestens eine Viertelstunde damit, fasziniert seine Hände anzusehen: so lange Finger habe ich noch nie bei einem Baby gesehen, das hat er nicht von mir. Auch die Fingernägel sind perfekt, und die Länge reguliert sich bisher (außer an den Dracula-Daumen, vor denen ich mich ein bisschen grusele) von selbst, was zu lang ist, hängt schnell als feiner weißer Fussel herunter und kann einfach abgepflückt werden. Wimpern wachsen ihm! Noch sind sie ganz fein, fast durchsichtig, aber man kann sie schon fühlen, wenn man ihm übers Gesicht streicht.
Gestern habe ich mir noch mal die Fotos von seinem Füßchen angesehen und war ehrlich platt, wie schnell das jetzt ging. Nach der Geburt zeigte es im rechten Winkel nach innen, die Außenkante zeigte nach unten - nicht gut. Jetzt ist es schon so weit, dass es nach außen zeigt - eine Überkorrektur nennt man das, genau so soll es sein, denn der Fuß wird sich auch wieder ein kleines Stück zurückbiegen, und das gleichen wir im Voraus schon aus. Morgen kommt der letzte Korrekturgips ab, und was dann folgt, wird vermutlich für L. und mich deutlich härter als für Michel: sie schmieren eine betäubende Salbe auf seine Ferse, und dann wird die Achillessehne durchtrennt. Sobald das aufhört zu bluten, kommt ein neuer Gips um das Bein, und der bleibt vier Wochen dran. Wird er abgenommen, dann ist die Sehne unter dem Gips wieder zusammen gewachsen, aber ein Stückchen länger - genau das fehlende Stückchen, damit er den Fuß ordentlich aufstellen und abrollen kann. Es klingt wie eine Schnapsidee, aber diese Schnapsidee funktioniert, wie uns versichert wurde. Der Gips macht mir Kummer: auch die Wochengipse sahen nach ein paar Tagen immer schon grauenvoll aus, bei Babys geht nun mal ab und zu was neben die Windel, Mutti ist ein Trampel, hygienisch geht anders. Und was, wenn sich unter dem Gips eine fiese Infektion entwickelt? Die Ärztin sagt, wir sollen uns keine Sorgen machen, und wenn wir uns doch zu viele Sorgen machen, dann sollen wir ihn ins Auto packen und nach Altona kommen. Michel ficht das alles übrigens überhaupt nicht an: obwohl wir gewarnt worden waren, er könnte mit dem frischen Gips immer einen Tag lang knatschig sein, trägt er es wie ein Mann. Mein Junge!

Mein Junge.

6 Kommentare:

  1. Eindeutig Bojes Bruder!

    :-) LG von Nina aus HH

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  2. Schon 1 Monat? Wow! Ein wirklich süßer Junge!

    Und ich freue mich sehr mit und für euch, dass sich sein Beinchen so super entwickelt!

    LG

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  3. Viel Glück und Erfolg für den Eingriff heute! Das wird für Euch Eltern sicher härter als für den Kleinen. Und er sieht seinem Bruder so ähnlich, Wahnsinn!
    Liebe Grüße,
    Charlotte

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  4. Der kleine Süße!

    Ich wollte Dir schon lange einmal einen Kommentar hinterlassen und Dir sagen: Dein Blog ist toll! Ich lese schon ewig bei Dir mit, habe Deine ganze Geschichte verfolgt und still mit Dir gelitten und mich mit Dir gefreut. Inzwischen habe ich mich endlich auch aufgerappelt und angefangen, einen eigenen Blog zu schreiben. Dein Blog hat mich dazu "inspiriert". Danke!

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  5. Deine beiden sind dir wie aus dem Gesicht geschnitten :)

    LG

    H

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